Читать книгу Der neapolitanische Kater - Adam Imrish Clemm - Страница 6
Auf der kleinen Piazza am nächsten Morgen..
Оглавление„AHHH!!“
Der Schrei hallt über den kleinen Platz. Die Gäste der Cafés blicken erschrocken von ihren Zeitungen auf.
Auf dem Pflaster liegt ein Mann neben seinem Fahrrad und hält sich den Kopf. Dick topft ihm das Blut tropft durch die Finger.
Eben noch eilige Passanten bleiben neugierig stehen - eine willkommene Unterbrechung ihres geschäftigen Tagesplans.
„Lasst mich durch!“.
Von hinten bahnt sich eine junge Frau ihren Weg durch die Schaulustigen.
„Ich bin Krankenschwester. Lassen Sie mich mal sehen.“, stellt sie sich dem Verletzten mit beruhigenden Worten vor. Nachdem sich der Verletzte auf einen Stuhl gesetzt hat, betrachtet sie fachfraulich die Wunde.
„Nicht so schlimm! Nur eine Platzwunde! Desinfizieren und ein Verband wird für den Moment reichen. Wenn es nicht aufhört zu bluten, müssen Sie sie nähen lassen.“
Ein Kellner hat inzwischen den nicht mehr vollständigen Verbandskasten des Cafés gebracht. Während der Verletzte behandelt wird, tritt ein kleines, ärmlich aussehendes Mädchen an den Verletzten heran.
„Du hast meine Brüder verjagt und jetzt weiß meine Mutter nicht, woher sie das Geld für das Essen nehmen soll. Was ist denn so schlimm, wenn sie vor einer Kirche Karten zu verkaufen! Es geschieht dir ganz recht. Jetzt hat dich der liebe Gott bestraft!“
Genauso wie sie aufgetaucht ist, ist sie wieder verschwunden. Während die Krankenschwester den Verband anlegt, streift mit ihrem Ärmel die Hand des Verletzten. Ein kleiner Blutfleck bleibt hängen.
„Was für Karten?“ fragt sie interessiert.
Unschlüssig, ob er antworten soll, schaut sie der Verletzte an.
„Eintrittskarten für ein Orgelkonzert!“
„Ein Orgelkonzert? Davon habe ich ja noch nichts gehört?“
„Ich auch nicht! Deshalb habe ich ihre Brüder weggeschickt.“
„Sind Sie wohl Pater Gesualdo?“
„Ja. Wie kommen Sie darauf?“
„In dem Viertel kennt Sie fast jeder. Sie versuchen der Jugend wieder Anstand beizubringen.“
„So sieht man mich?“
„Manche jedenfalls!“
„Und wie heißt meine Retterin?“ erkundigt sich Pater interessiert.
„Magda. Magda Maria. So, das wird genügen. Sie sollten jetzt besser nach Hause gehen und sich hinlegen. Wahrscheinlich haben Sie auch eine Gehirnerschütterung. Was ist überhaupt passiert?“
„Genau weiß ich das auch nicht. Irgendetwas ist mir in den Weg gerollt und ich bin gestürzt. Vielen Dank für Ihre Hilfe. Wenn ich mich revanchieren kann, lassen Sie es mich wissen.“.
„Mach ich “ und gibt ihrem Patienten die Hand. Dann dreht sie sich um und schiebt sich in die Menge, die sie augenblicklich verschluckt.
Umständlich hebt der Pater sein Fahrrad auf. Auch sein Knie schmerzt. Eine aufgeregte Stimme ruft seinen Namen.
Er dreht sich um und sieht in das Gesicht seines Freundes Saduj.
„Was ist denn passiert?“
Pater Gesualdo winkt ab. “Später!“
„Gut, dann begleitet ich dich jetzt nach Hause!“
Die Entschlossenheit in Sadujs Stimme lässt ihm keine Wahl und er nickt. Langsam folgt er dem Weg, der zu seinem Haus führt, während Saduj das beschädigte Rad schiebt.
Der kleine Junge sieht ihnen noch eine Weile hinterher, bevor er mit seinem Roller davon saust.
Zur gleichen Zeit hinter der alten Scheune…
„Bist du endlich wach?“ tönt die fordernde Frage in Dons Kopf.
„Fast!“ kommt eine nicht sehr überzeugende Antwort zurück.
„Mein Körper ist weg!!“
Noch etwas unbeholfen steht Don auf und humpelt zur Scheune. Das Tor steht weit offen. Das Ende der Kette, an dem der Körper befestigt war, liegt vor ihm. Es klebt etwas Blut dran.
„Wer war das?“
„Zwei Typen!“
„Wo haben sie dich hingebracht haben?“
Don folgt den Anweisungen seines Lotsen zu einem Nachbargrundstück. Vor einem frisch zugeschütteten Graben bleiben sie stehen. Ein leerer Zementsack und eine Wanne mit den Resten des Mörtels zeugen großen Bemühungen Etwas nachhaltig zu entsorgen.
Don schaut nach oben.
„Bist du sicher, dass es sich bei deinem Unfall nur um Fahrerflucht handelt?“
„Ich weiß nicht“ kommt es zurück.
„Wenn du willst, helfe ich dir es herauszufinden.“
„Mir wäre es lieber, wenn ich wüsste wie es mit mir hier weitergeht! Ich habe die ganze Zeit über unser Gespräch nachgedacht und…was sind eigentlich inaktive Seelen? Sind die ansteckend?“ Carlo klingt besorgt.
Don macht einen schönen Katzenbuckel, streckt sich ausgiebig und setzt sich wieder. Seinen Schwanz legt er elegant um seine Füße und schliesst die Augen, da er seinen Gesprächspartner sowieso nicht sehen kann. Dann holt er tief Luft und beginnt:
„Deine Entscheidungen basieren schlussendlich immer auf verschiedenen Gefühlen.
Die einen werden von deinem Verstand ausgelöst. Das sind aber Gefühle, die nur auf sehr wenigen Informationen beruhen.
In deiner Seele jedoch sind Gefühle aus einer sehr tiefen Quelle mit einem sehr großen Erfahrungsschatz gespeichert.
Deshalb fungiert deine Seele auch als moralische Instanz für deine Entscheidungen. Durch Beten und Meditieren trittst du mit deiner Seele in Kontakt.
Wenn das allerdings lange nicht geschieht, wird die Seele krank, inaktiv und schließlich verdorrt sie.
Ihr Seelenwirt, zum Beispiel ein Mensch, wird damit seelenlos, das bedeutet, dass seine bewussten Gedanken keine moralischen Filter mehr besitzen!“
„Eine sehr einleuchtende Erklärung“, bemerkt der Geist anerkennend.
„Aber wie kann es passieren, dass eine Seele kein positives Gefühl mehr bekommt?“
Der alte Kater schüttelt den Kopf.
„Dafür kann es viele Gründe geben.
Lass uns jetzt gehen! Deinen Körper brauchst du nicht mehr zu bewachen, aber ich muss meinen jetzt füttern.“