Читать книгу Der neapolitanische Kater - Adam Imrish Clemm - Страница 9
Überraschungen
ОглавлениеEin herrlicher Geruch strömt Don entgegen, als sie die Türe öffnet. Mit einem kleinen Schubs weist sie ihm die Richtung zur Küche.
Während er sich noch neugierig umschaut, landet vor ihm eine kleine Keramikschüssel mit Milch.
Er sieht seine Gönnerin an und fühlt ein tiefes: ‚danke.’
Mit flinker Zunge, schlabbert er die Schüssel leer.
’ Noch mehr?’
Der alte Kater stutzt.
Ohne seine Reaktion abzuwarten, füllt sie die Schüssel nochmals randvoll.
Artig bedankt er sich wieder.
‚Gerne’ erwidert sie wortlos lächelnd und verlässt die Küche.
Don sitzt jetzt vor einer Schüssel mit frischer Milch.
Er hat eine Seele in einem lebendigen Menschen gefunden, die ihn versteht. Wild pocht sein Herz nach dieser Erkenntnis
Mit geschlossenen Augen schlabbert er seine Milch leer.
Als er die Augen wieder öffnet steht sie wieder vor ihm, doch irgendwie verändert.
Ihr Haar ist jetzt hochgesteckt. Sie trägt einen schwarzen Paillettenbolero und unter den schwarzen Spitzen des BHs zeichnen sich ihre dunklen Nippel ab.
Ihre übrige Bekleidung besteht aus einem kurzen schwarzen Lederrock, kniehohen Stiefeln aus weichem schwarzem Velourleder und unterarmlangen schwarzen Gazehandschuhe.
„Geil“ denkt Don und vergisst dabei völlig, dass sie ihn verstehen kann.
„Du kannst hierbleiben, aber du musst brav sein“, ermahnt sie ihn lächelnd. Dabei legt sie beschwörend den Zeigefinger auf die Lippen.
Eine weitere Schüssel Milch landet vor seiner Nase. Dann lässt sie ihren Besuch herein und geleitet sie ihn wortlos zu einem Zimmer am Ende des Korridors.
Don leert dieses Mal seine Schüssel nur halb, denn seine Neugierde treibt ihn zu der geheimnisvollen Türe. Sie ist nur angelehnt. Vorsichtig schiebt er den Kopf in den Spalt:
Eine sehr junge Frau mit einem Tattoo über ihrem rechten Fußgelenk, um ihren schlanken Hals ein schwarzes Band aus Samt, bis auf ihre kurzen schwarzen Haare, ist sie völlig unbehaart.
Auch der Mann trägt ein Halsband; es ist aus schwarzem Leder mit silberfarbenen Nieten. Daran ist eine schwarze Leine befestigt. Er ist viel älter.
‚Wie ein Hund’ denkt sich der alte Kater kopfschüttelnd. Er kann sich nicht vorstellen, freiwillig ein Halsband zu tragen.
Lächelnd sieht Dons Gönnerin zur Türe: Sie weiß, dass er da ist.
„Gefällt es dir?“
Don schrickt zusammen.
Blitzartig zieht er seinen Kopf aus dem Türspalt zurück.
Darauf hat die Türe nur gewartet - mit einem leisen Klack fällt sie ins Schloss.
„Keine Sorge, ich bin’s“, hört er den vertrauten Hall des Geistes in seinem Kopf.
„Hast du mich erschreckt! Wie hast du mich hier gefunden“, fragt Don etwas verdattert.
„Nachdem du nicht unsere Verabredung nicht eingehalten hast, wollte ich meine Schwester besuchen.“
„Hier?“
„ Ja hier!“
„Ist SIE deine Schwester?“ fragt Don seinen luftigen Freund überflüssigerweise. Er kennt ja die Antwort
„Ja, meine Stiefschwester!" Vertraute animalische Laute dringen unter der Türe hindurch.
„Dann war ihre Mutter die Halbjapanerin?“
„Genau!“
Wieder erklingt Lustgestöhne, dann plötzliche Ruhe .
„Sie sind wohl fertig“, konstatiert Don. „Es wird dich vielleicht interessieren: ich kann auch mit deiner Schwester kommunizieren.“
„Wirklich? Das ist fantastisch. Leider funktioniert unsere Seelenphilosophie zwischen mir und meiner Schwester nicht. Deshalb musst du ihr erklären, was passiert ist, damit sie nicht länger auf meine Rückkehr wartet. Ich weiß, dass sie sich Sorgen macht.“
„Natürlich mache ich das.“ beruhigt Don seinen Freund.
Wie heißt sie denn?“
„ Magda. Magda Maria! Danke! Wo hast du sie eigentlich getroffen?“ möchte Carlo jetzt wissen.
„Im Zirkus. Sie hat bei einer Probe zugeschaut.“
„Und wieso bist du jetzt hier, in ihrem Haus?“
„Ich bin ihr nachgelaufen.“
Kurze Pause!
„Kann ich verstehen“. Es klingt ein wenig wehmütig.
„ Was ist eigentlich deinen Eltern passiert, Carlo?“
„Sie wurden ermordet!“
Don schweigt.
„Wahrscheinlich von einer Gang, denn mein Vater war Polizist. Seitdem lebte ich bei Magdas Eltern.
Mein Vater und ihr Vater waren die besten Freunde, obwohl sie auf verschiedenen Seiten des Gesetzes standen. “
„Und wo ist ihr Vater und ihre Mutter jetzt?“
„Auch ihr Vater wurde eines Tages ermordet. Ob als Racheakt der Polizei oder von seinen eigenen Leuten weiß niemand. Kurz nach seinem Tod ist Mutter verschwunden. Wir haben sie gesucht, aber bis jetzt vergeblich. Vermutlich lebt sie nicht mehr.
So genug Geschichte. Ich versuche noch etwas über meine neue Welt herauszufinden.“
Dann ist Stille.
Don ist betrübt.
Langsam humpelt er in die Küche zurück, springt auf den Stuhl mit dem dicksten Kissen und rollt sich zusammen. Gleich darauf ist er eingeschlafen.
Sein neuer Traum führt über Länder mit Wüsten und Städten mit Zwiebeltürmen. Überall leben Katzen, wohlgenährt und zutraulich pflegen sie guten Kontakt zu den Menschen. Es ist eine gute Zeit.
Wohlig streckt sich Don und rollt auf die andere Seite - in einen anderen Traum. Seine Atemzüge werden unruhiger.
Hohe Kirchen und spitze Türmen prägen jetzt das Stadtbild. Die Männer tragen hohe Hüte, die wie kleine Türme aussehen, und ihre Frauen lange Kleider, die über den Boden schleifen.
Es regnet aus dem grauen, wolkenverhangenen Himmel und dazu bläst ein kalter Wind.
Durch die Fenster der Häuser sieht er Katzen, die auf bequemen Sofas liegen, von Menschen gekrault werden, die aus feinen Schüsseln fressen und in großen weichen Körbchen schlafen.
Auch hier scheint die Zeit es gut zu meinen mit Katzen.
Plötzlich verfärbt sich der Himmel!
Es ist dieselbe Stadt und doch erscheint auf einmal alles anders.
Im Widerschein eines großen Feuers sieht er eine Frau auf einem Holzgerüst. Sie ist an einen Pfahl gebunden. Neben ihr sitzt eine Katze, eingesperrt in einem Käfig. Gierig leckt das Feuer am Boden, auf dem sie stehen. Sie schreien vor Angst und Schmerzen, doch die Menschenmenge lacht und verspottet sie.
Da tritt aus der Menge ein Geistlicher. Doch er hilft ihnen nicht! Auch er verhöhnt die armen Kreaturen.
Es ist die Zeit, in der das Volk an Hexen glaubt und die Kirche nährt diesen Aberglauben. Zur Erhaltung ihrer Macht quält und tötet sie Mensch und Tier.
Kein Mensch traut sich noch Katzen zu mögen -
es ist eine sehr schlimme Zeit für Menschen und Katzen.
Don spürt eine Hand an seinem Kopf. Fauchend schlägt er nach ihr.
„Kater, Kater ich bin es!“
Er öffnet die Augen und sieht seine Gönnerin an ihrem blutenden Finger nuckeln.
„ Entschuldige‚ aber ich hatte gerade einen schlimmen Traum.“
„Das habe ich gemerkt“ antwortet sie und nuckelt dabei weiter an dem schmerzenden Finger.
Während er sie beobachtet, muss er an Carlo und sein Versprechen denken.
Versöhnlich reibt er den Kopf an Magda und buhlt mit dem schmerzenden Finger um ihre Aufmerksamkeit.
„Willst du mir etwas sagen?“ Dabei schaut sie ihn fragend an.
„Magda - es geht um deinen Bruder, Carlo! Ich kenne ihn.“
Wie es ihm sein Freund aufgetragen hat, erzählt Don ihr die ganze Geschichte bis heute.
„Hast du auch einen Namen?“
“Ja, ich heiße Don“ beendet er schließlich seinen Auftrag.
Ohne etwas zu sagen, krault sie ihn. Er zuckt nur ganz leicht, doch sie bemerkt es.
„Tut es hier weh?“.
„Ja, manchmal!“
Es ist die Narbe an seinem Hinkebein.
Magda steht auf und geht an den hinter ihr stehenden Schrank.
Nach kurzem Suchen, nimmt sie eine kleine Flasche heraus und kehrt zu Don zurück.
„Keine Angst, es tut nicht weh“ Sie gießt etwas über die Narbe. Ein wohltuend kühlendes Gefühl stellt sich ein.
„Wie ist denn das passiert?“
„Der Hund und ich hatten Meinungsverschiedenheiten. Einmal jagte er mich auf einen Speicher. Ich hatte die Wahl mich zerfleischen zu lassen oder durch ein Fenster zu springen.
Katzen fallen immer auf ihre Füße, habe ich mal gehört. Stimmt auch! Ich leider nur auf drei.“
„Armes Kerlchen!“
„Ach ist es schön bedauert zu werden.“
Magda lächelt ihn an.
„Bis später“. Dann lässt sie ihn wieder alleine.
Gleich darauf spürt er Carlos Gegenwart.
„Hast du es ihr schon gesagt?“ will er gleich wissen.
„Ja, sie weiß jetzt alles.“
„Was hat sie gesagt?“
„Noch nichts! Ich glaube, sie muss das alles erst verstehen. Carlo, hast du heute Nachmittag versucht mit anderen Seelen zu kommunizieren?“
„Daran gedacht habe ich schon, aber getraut habe ich mich nicht. Mit Magda hat es auch nicht funktioniert.- Bei wem soll ich es ausprobieren?“ kommt nach einer Weile seine Frage zaghaft.
„Bei einem Menschen, damit du auf eine ähnliche Seelenqualität stößt. Versuch’ bei deinen Bestattern!
Sag‘ mir Bescheid, wenn du sie gefunden hast. Ich möchte bei dem Experiment dabei sein, damit ich dir notfalls helfen kann“, schlägt Don vor.
„Gut, ich melde mich wieder.“