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Für die Menschenrechte der Toten: Die juristische Versachlichung

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Dies ist ein „Plädoyer“ für die Würde der Toten – für die Würde alles Lebendigen. Die Toten gehören für mich zum Leben. Warum die Lebendigkeit hier unbedingt dazugehört und wie wir auch tote Menschen bei diesem Übergang als sehr lebendig erfahren, darüber werde ich in diesem Buch an verschiedenen Stellen noch ausführlicher erzählen. Und deshalb verstehen wir BARKE-Bestatterinnen uns auch als eine Art „Anwältinnen“ für die Würde der Toten, was unser Beweggrund für die vielen Vorträge und Seminare ist, die wir überall in Deutschland halten. Seit Beginn der BARKE-Arbeit geben wir unser spezielles Wissen in vielen Fortbildungen an HospizmitarbeiterInnen, Palliative-Care-PflegerInnen, Ärztinnen und Ärzte sowie Hebammenschülerinnen weiter, halten öffentliche Informationsvorträge rund um das Thema Bestattung und bieten seit Kurzem auch eine eigene Unterweisung in Übergangsbegleitung in unserem Haus an.

Tote Menschen werden in der Fachsprache übrigens allgemein als „Leichen“ bezeichnet; ein Begriff, den ich möglichst vermeide, weil er suggeriert, dass „die Leiche“ schon nicht mehr der Mensch ist, der soeben gestorben ist. Ich sage gerne „die Toten“ oder „die/der Tote“. Das ist für mich ein schönes Wort, in dem „Tod“ enthalten ist, ein Wort, mit dem ich die Toten würdigen möchte – und auch durch diese klare Benennung will ich Tod wieder mehr ins Leben hineinnehmen. Ein anderes übliches Wort ist: die/der Verstorbene. In manchen Bestattungsgesetzestexten der Bundesländer wurde „Leiche“ inzwischen schon durch diesen Begriff ersetzt.

Auch Tote sind und bleiben unserer Ansicht nach Menschen und sollten entsprechend respektvoll behandelt werden. Aber juristisch gesehen ist eine tote Person eine Sache.24 Diese Rechtslage spiegelt eine gesellschaftliche Perspektive und hat gleichzeitig diese Sicht mitbestimmt: Der Körper ist „nur die Hülle“, schnell und hygienisch zu entsorgen, der Geist ist die Essenz der Person25, die nach dem Tod sofort aufhört zu existieren oder als Seele die „Hülle“ sofort verlässt. Somit ist auch rechtlich eine „Leiche“ keine Person mehr. Uns geht es vor allem darum, dass sich der aktuell noch übliche Umgang mit den Toten grundlegend ändert, denn das gesellschaftliche und kulturelle Verhältnis zu den Toten und der daraus folgende ganz praktische Umgang mit den Toten spiegelt in aller Schärfe den Umgang mit jeder Form von Lebendigkeit.

Deshalb müssen wir auch immer wieder davon berichten, wie er tatsächlich ist, der Umgang mit den Toten. Wir erzählen davon, was wir „hinter den Kulissen“ erleben, und konfrontieren die Menschen mit unliebsamen Wahrheiten, die sie dazu auffordern, Eigenverantwortung zu übernehmen und das Recht auf Würde für sich selbst und ihre Angehörigen zu fordern: das Recht auf Würde im Leben, im Sterben, in Krankheit, in Pflege, in Abhängigkeit – in jedem Zustand, in jedem Alter, in jeder Situation, also auch nach dem Tod, in dieser so wichtigen Übergangszeit zwischen Tod und Bestattung, bis wir als körperliche Essenz unseres Wesens der Erde, dem Feuer, den Elementen übergeben werden und in den großen Kreislauf zurückkehren, in dem keine Energie jemals verloren geht.

Vom Leben getragen

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