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I Mit unserer Liebe für die Toten …

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… ehren wir das Leben.

Das ist ein Satz, eine der vielen Essenzen aus den Erfahrungen meines Bestatterinnen-Daseins.

Warum schreibe ich dieses Buch? Ich bin Bestatterin1 mit Leib und Seele. Ich bin auch „Seelen-Hebamme“ und Übergangsbegleiterin. Das ist meine Berufung und meine Lebensaufgabe.

Schon mit zwölf Jahren wollte ich Hebamme werden. Mich interessierte sehr früh alles, was mit Schwangerschaft und Geburt zu tun hatte – diesem ersten großen Übergang ins Leben – und mit den ganz Kleinen, den neu in diese Welt Hineingeborenen. Ich wollte auf jeden Fall Kinder. Heute habe ich eine Tochter und einen Sohn, zwei wunderbare Menschen, die ich sehr liebe und schätze, und ich bin tatsächlich eine „Hebamme“ geworden – wenn auch ganz anders, als gedacht. Offensichtlich sollte ich zuerst meine eigenen Erfahrungen mit Übergängen machen und dann bei einem anderen Übergang begleiten. Aber das wusste ich damals noch nicht.

Mein Weg führte mich unter anderem zu einem Leben als freie Künstlerin, Geburtsbegleiterin (Doula), Aktivistin für Naturschutz, für Frauenräume und für ein respektvolles Zusammenleben mit allem Lebendigen auf dieser Erde. Einige Jahre begleitete ich Frauen bei Lebensübergängen und leitete zusammen mit anderen ein Notrufzentrum für Frauen.

Ich lernte, die Welt nicht nur aus der ökologischen, sondern nun auch aus einer feministischen Perspektive zu sehen: mit Liebe für mich selbst und der Hochachtung für andere Frauen, für die Natur und die Erde. Die großen Übergänge bei der Geburt meiner Kinder und das Leben mit ihnen sowie die Krise einer lebensbedrohlichen Krankheit lehrten mich viel über Leben und Tod.

Im Jahre 1993 begann ich eine dreijährige schamanische Ausbildung, die bis heute eine wesentliche Grundlage meines Lebens und Wirkens in der Welt ist. Darüber werde ich später im Buch noch ausführlicher erzählen. In dieser Zeit erkrankten eine Mitschülerin und eine meiner Lehrerinnen an Krebs. Ich durfte beide Frauen bei ihrem Umgang mit dieser Krankheit erleben – oder genauer gesagt: bei ihrem Umgang mit den Zuständen und Veränderungen in ihren Körpern. Ich durfte erleben, wie die beiden jeweils von einem Netz von Freundinnen auf diesem Weg begleitet wurden und wie alle Beteiligten dabei bis über alle Grenzen hinaus herausgefordert und gleichzeitig reich beschenkt wurden. Kurz hintereinander war ich auf zwei Beerdigungen, die sehr besonders waren und von vielen Frauen getragen wurden. Das Glück, eine große Gemeinschaft um sich zu haben, die unterstützt und mitträgt, einander den Rücken freihält für das Wesentliche und tatkräftig mit begleitet, ist bis heute für die meisten Menschen, nicht nur in schweren Situationen, die Ausnahme.

Während der Ausbildungszeit erlebte ich noch eine dritte Beerdigungszeremonie. Bei dieser wurde eine Frauenstatue aus Holz sanft in ein kleines Holzboot gelegt und wir bildeten eine Passage, einen Weg der Seelenbegleitung, einen Übergang. So wurden wir die Ufer des Flusses. Zum ersten Mal saß ich am Totenfluss, aber das wurde mir erst sehr viel später klar. Als ich dort saß, direkt bei dem kleinen Boot, in dem die Dame gebettet lag, spürte ich mit einem Mal sehr stark: Hier gehöre ich hin, das ist mein Platz, das ist meine Aufgabe. In diesem Moment war sie geboren: die „Seelen-Hebamme“, die schamanische Übergangsbegleiterin. Und von da an wusste ich: Dieser Aufgabe bin ich verpflichtet. Jedoch sollte es noch Jahre dauern, bis ich dieser Verpflichtung nachkommen konnte, denn kurz nach der klaren Erkenntnis, dass ich Bestatterin werden muss, um wieder einen anderen Umgang mit Tod und den Toten in diese Kultur und zurück ins Leben zu bringen, wurde ich selbst schwer krank und war dem Sterben ganz nahe.2

Es war klar, dass ich mich nicht mehr allein um die Kinder kümmern konnte – und das war völlig undenkbar für mich. Da mussten mir erst Außenstehende gut zureden und mich darin unterstützen, dass ich Hilfe brauchte und dass es in Ordnung ist, mich in dieser Situation nicht mehr um die Kinder kümmern zu können. Es gibt wohl nur wenige Mütter in dieser Gesellschaft, die nicht immer wieder Schuldgefühle haben, obwohl sie so viel geben. „Rabenmutter“ ist eine rein deutsche Wortschöpfung und ein sehr bezeichnendes Beispiel dafür, dass immer noch die Hauptverantwortung für das Wohl der Kinder auf den Schultern ihrer Mütter liegt. Ich hätte sehr gern mehr der kostbaren und unwiederbringlichen Zeit mit meinen Kindern verbracht. Zum Glück fanden meine Kinder und ich gemeinsam eine Lösung. Sie waren damals zwölf und acht Jahre alt und zogen zu ihren noch jungen Großeltern, die sich über ein Leben mit ihren Enkelkindern freuten. Die Kinder und ich haben uns seitdem so oft es ging gegenseitig besucht.

Zunächst ging ich für eine Auszeit nach Cornwall in Südengland, meine geliebte zweite Heimat. Das war in vielerlei Hinsicht lebensnotwendig: Zum ersten Mal in meinem Leben eine Zeit, in der ich nur für mich selbst verantwortlich war und mich nur um mich selbst kümmern durfte in dieser weiten, wilden Küstenlandschaft am Atlantik. Und es war eine sehr besondere Lehrzeit. Dort erzählte ich einer Frau, dass ich von Herzen gerne Bestatterin werden wollte und was das für mich bedeutete. Sie sagte ganz einfach: „Oh, you are a soul midwife!“

Ja, das bin ich. „Seelen-Hebamme“. Kein Wort trifft es besser.

In Cornwall besuchte ich auch eine Frau, die ein Bestattungsunternehmen nur für Frauen eröffnet hatte: Martha’s Funerals. Sie sagte mir, dass es viele Frauen gibt, für die es sehr wichtig ist, nach ihrem Tod nur von Frauen versorgt und nackt gesehen zu werden. Scham und Gewalterfahrungen oder beleidigende Bemerkungen über ihre Körper, all das sind gute Gründe für Frauen, sich zu wünschen, nach ihrem Tod Sexismus nicht (mehr) hilflos ausgesetzt zu sein. Der Wunsch, von Frauen bestattet zu werden, käme von den Frauen selbst, erzählte sie – und das wurde mir seither auch immer wieder von Frauen und ihren Angehörigen3 bestätigt. Nach der Gründung meines eigenen Bestattungsunternehmens war für mich jedoch schnell klar, dass ein liebevoller und achtsamer Umgang für alle Geschlechter notwendig ist – für die Toten genauso wie für die Lebenden – und auch dringend gewünscht wird, denn das ist leider noch lange nicht selbstverständlich. Gleichzeitig ist meinen heutigen Mitarbeiterinnen und mir die Bedeutung von liebevollem Schutz für verstorbene Frauen und Kinder schon immer bewusst und daher ein besonderes Herzensanliegen.

Später besuchte ich auch noch Green Undertakings, ein Bestattungsunternehmen, das ökologisch verträgliche Bestattungen in Naturschutzgebieten anbietet. Die Toten werden dort nur in ein Leintuch gehüllt auf eine Bastmatte gelegt und begraben. Ein Naturgrab ohne Grabmal und sichtbare Grabzeichen. Auch das gefiel mir sehr – und ist bis heute in Deutschland undenkbar.4

Zurück in Deutschland suchte ich eine Möglichkeit, Bestatterin zu werden und bei einem Bestattungsunternehmen zu lernen.5 Mir wurde offen misstrauisch begegnet, weil ich eine Frau bin: „Die Drecksarbeit mit den Leichen ist doch keine Arbeit für Frauen!“6 Und weil ich etwas lernen wollte, das der damaligen Überzeugung nach doch kein Mensch freiwillig gerne tun würde: sich um die Toten kümmern. Das war mein erster Einblick in die Bestattungs(un)kultur dieses Landes. Ich habe später noch sehr viel mehr erfahren müssen über den „professionellen“ Umgang mit toten Menschen. Eine Folge der Trennung von Leben und Tod beziehungsweise der starken Verdrängung von Sterben und Tod aus unserem alltäglichen Leben – ein gesamtgesellschaftliches Problem, für das wir alle die Verantwortung tragen.

Die Notwendigkeit einer Veränderung in der deutschen Bestattungskultur wurde für mich immer deutlicher. In kaum einem anderen Land (in Europa) ist Tod so ein Tabuthema, so angstbesetzt und so ins schwermütige Dunkel verdrängt wie hier. Ich glaube, fast nirgendwo sonst sind Menschen so stark von ihren Toten abgeschnitten, herrscht so viel Angst vor der Berührung mit toten Körpern, solch eine Angst vor dem Verfall. Kaum irgendwo sonst darf darüber so wenig geredet werden und schon gar nicht gescherzt …

Nach einigen Rückschlägen fand ich schließlich eine Bestatterin, bei der ich lernen durfte. Zu dieser Zeit waren Bestatterinnen noch sehr selten. Ich bin bis heute sehr dankbar, dass ich mit ihr meine ersten Toten versorgen durfte.

Am 31. Oktober 1999, am großen Fest- und Gedenktag für die Toten, konnten wir dann endlich DIE BARKE – Bestattung & Begleitung in Frauenhänden gründen, das erste mobile, bundesweite Bestattungsunternehmen. Den benötigten Gründungskredit hatten meine damalige Geschäftspartnerin und ich innerhalb von nur drei Monaten aus Kleinbürgschaften und Privatdarlehen zusammen – und das alles ausschließlich von Frauen!

Mit meiner Krankheit lernte ich mit den Jahren zu leben und bin inzwischen glücklicherweise ganz gesund, aber ohne eine so umfassende Unterstützung für mich und meine Kinder hätte ich mich niemals mit der BARKE auf den Weg machen können, um vielen Menschen in diesem Land einen heilsamen Umgang mit Tod und Trauer zu ermöglichen, die Toten liebevoll zu begleiten und unsere Bestattungskultur wieder lebendig zu machen. Mittlerweile fahren meine Mitarbeiterinnen und ich in unserem weinroten Bestattungsbus (Rot ist die Farbe des Lebens) seit über 20 Jahren quer durch dieses schöne Land und begleiten die Toten bei ihrem Übergang und die Lebenden in Trauer beim Abschied von ihren Lieben.

Wir versorgen nicht nur die Toten, wir begleiten sie auch. Denn genau das wird in unserer Kultur schon sehr lange nicht mehr gemacht. Ob wir es unsere „Seele“ nennen oder „Essenz“ unseres Wesens oder einfach unsere Körper: Die Toten werden hier bei uns nicht mehr angemessen begleitet. Doch mein Herzenswissen und das alte Wissen vieler auf dieser Erde sagen mir, dass alle in wichtigen Übergängen gut begleitet gehören, so auch im Tod. Dabei spielt es tatsächlich keine Rolle, ob wir an ein Leben nach dem Tod glauben, ob wir in irgendeiner Form religiös oder spirituell sind oder nicht. Das ist ein einfaches, elementares Lebensgesetz. Ein Gesetz der Würde.

Die unselige Trennung von Körper, Geist und Seele, von Mensch und Natur hat so viel Leid und Zerstörung geschaffen, so viele von ihren Körpern und vom Leben entfremdet, im Glauben, alles kontrollieren zu können. Aber so ist Lebendigkeit nicht.

Wir sind Erde. – Das werde ich immer und immer wieder sagen und schreiben: Wir sind Erde.

Doch später mehr zu meiner, unserer Philosophie, unserer Sicht auf das Leben und zurück zur Einleitung dieses Buches: Wie gehen wir als Gesellschaft mit unseren Toten um? Oder: Welchen Umgang lassen wir zu? Ist unser Körper „nur eine Hülle“? Und welche Folgen hat diese Annahme? Wie geht das, in ganz Deutschland mobil zu bestatten und überall hinzufahren? Was ist alles bei einer Bestattung zu bedenken? Was ist erlaubt und was nicht? Wie war unsere Bestattungskultur früher, was ist bezeichnend für die heutige Kultur hier und anderswo? Wie ist der professionelle Umgang heute? Was hilft in tiefster Trauer?

Das sind nur einige der Themen, über die ich in diesem Buch berichten werde. Es ist mir ein Herzensanliegen, viele Menschen möglichst umfassend über verschiedene Bestattungsmöglichkeiten und individuell unterstützende Abschiedswege zu informieren. Dieses Buch ist eine Grundlage für das Formulieren der ganz persönlichen Wünsche und das Finden des eigenen Weges beim Abschied – für sich selbst und beim Abschied von anderen. Und dieses Buch soll dabei helfen, viel von der Angst zu verlieren vor dem immer noch großen Tabuthema Tod. Dabei sterben jedes Jahr allein in Deutschland etwa 950.000 Menschen7 – mit seit Jahren steigender Tendenz. Das sind durchschnittlich etwa 2.600 Menschen pro Tag. Die meisten davon sterben eines natürlichen Todes. Diese alltägliche Tatsache ist wohl kaum jemandem wirklich bewusst.

Wenn wir gerufen werden, dann kümmern sich meine Mitarbeiterinnen (meine Kolleginnen, die ich auch meine Mit-Bestatterinnen nenne) und ich meistens zusammen mit den Angehörigen um die toten Menschen und wir dürfen so immer weiter lernen vom Wunder dieses Übergangs. Von der Lebendigkeit und der Liebe, die sich im Tod entfaltet. Von der Kraft der Trauer. Vom Geheimnis dieses Zustands: Totsein. Was ist das? Wann ist das? Eine befreundete Geburtshebamme sagte einmal zu mir: „Je öfter ich Geburten begleite, desto weniger weiß ich, was Geburt wirklich bedeutet.“

So geht es mir mit Tod. In dem Eingeständnis, dass ich bei Weitem nicht alles über ein so großes Ereignis wissen kann, liegt Respekt und tiefe Achtung vor diesem unaufhaltsamen, unerbittlichen Übergang, dessen Geheimnis sich uns wohl nie ganz erklären wird. Es ist eine schöne, anstrengende, herausfordernde, niemals eintönige Arbeit, denn sie spielt sich mitten im Leben ab. Und bei den beiden großen Übergängen ist das Leben ganz stark spürbar: Geburt und Tod – Geburt ins Leben und Geburt hinaus aus diesem Leben.

Ich mag es, wie die Lebenden sich zeigen in dieser Zeit. Offen, verletzlich und ganz sie selbst. Oft nehmen wir in dieser kostbaren Zeit zwischen Tod und Bestattung die Trauernden „an die Hand“, nehmen ihnen die Angst vor dem Abschied und dem nahen Kontakt mit ihren Toten. Wir ermutigen sie, auf viele Arten in Berührung zu gehen: ihre Toten zu berühren, sich von ihrer Ausstrahlung berühren zu lassen und die starken Gefühle der Trauer zuzulassen – berührbar zu sein. Weil wir aus Erfahrung wissen, auf welche unglaubliche Weise dies helfen kann. Das beeindruckt sogar uns selbst immer wieder tief.

Als Begleiterinnen sind wir da und geben Halt, wo es nötig und wo es gewünscht ist. Und genauso ziehen wir uns zurück und geben dem Alleinsein den nötigen Raum. Wir unterstützen die Menschen darin, das selbst tun zu können, was jetzt und in dieser Situation wichtig für sie ist. Und dies ist immer einzigartig.

Einige Geschichten von berührenden Abschieden werde ich in diesem Buch erzählen. Und ein paar Geschichten werden sogar von Angehörigen selbst erzählt.

Mein Wirken beinhaltet immer auch die Arbeit daran, den scheinbaren Gegensatz zwischen Leben und Tod ein wenig aufzulösen. Tod gehört nicht nur zum Leben, Tod gehört ins Leben. Zurück.

Die Besinnung auf die alten, fast vergessenen Traditionen wie Totenwaschung, Hausaufbahrung und Totenwache ist dabei ein wesentlicher Teil. Ich mag es, wie die Toten noch einmal in ihrem ganzen Sein „aufleuchten“, wenn wir sie liebevoll versorgt und gebettet haben …

Es ist sehr schön, ein Fest des Lebens mitzugestalten, wie es den Verstorbenen gebührt. Ich will jedes Mal von Herzen einen geschützten Raum schaffen für die, die gehen. – Und einen geschützten Raum für die, die gehen lassen.

Und dieser Schutz kann in (fast) jedem tatsächlichen Raum möglich werden. Denn auch in ganz unterschiedlichen Räumen und an verschiedenen Orten kann auf vielfältigste Weise Abschied genommen werden, nicht nur zu Hause.

Auf vielen Ebenen Raum geben und den Raum halten8, das sind zwei von unseren wesentlichen Aufgaben. Um uns wieder zu erinnern. Den Impulsen zu trauen und zu tun, was das Herz oder die Intuition, die innere Stimme uns sagt. Denn das bringt uns auf den eigenen Weg.

Dafür braucht es Zeit, ermutigende Anregung und Begleitung, die Schutz und Sicherheit gibt – und manchmal Stille und Langsamkeit. Kleinere Kinder stellen oft die Fragen, die sich Erwachsene nicht zu fragen trauen, und helfen – mit ihrer meist unbeschwerten Unbefangenheit – uns Älteren, innezuhalten und eine andere Wahrnehmung zuzulassen.

Dies ist ein Buch, in dem ich gerade auch den vielen unausgesprochenen Fragen zu Tod und Bestattung Raum geben will. Und ich will Mut machen.

Mut für den eigenen Weg beim letzten Abschied, für die ganz eigene unvergleichliche Art, wie jede und jeder von uns der Trauer Ausdruck gibt. Und auch Mut dazu, auf manche Fragen keine abschließende Antwort zu haben. Und sie trotzdem zu stellen.

Ich möchte dabei helfen, die Angst davor zu verlieren, sich von geliebten verstorbenen Menschen berühren zu lassen, indem wir sie ein Stück auf ihrem Weg – bei ihrem Übergang – hinaus aus diesem Leben begleiten. Und ich will einen Einblick geben in die Geschenke, die in der Erfahrung eines gut begleiteten Abschieds für uns alle liegen können.

 1 Wenn ich in diesem Buch über Angehörige eines Geschlechts schreibe, dann benenne ich es auch so. Meines Erachtens sind alle derzeit gebräuchlichen Genderformen Kompromisslösungen. Da ich mich für eine Form entscheiden musste, verwende ich für die geschlechtergerechte Sprache in diesem Buch fortan das große Binnen-I, wenn es um alle Geschlechter geht (wie z. B. in BestatterInnen). Mir ist bewusst, dass sich bei keiner Genderform alle gleichwertig angesprochen fühlen, und ich weiß um die vielen Geschlechter, die es jenseits der momentan noch sehr festgelegten Norm der Polarität männlich-weiblich gibt. Mir ist ebenso bewusst, dass alles Weibliche (nicht nur) sprachlich untergeordnet wird.

 2 Heute weiß ich, dass dies auf der ganzen Welt auch als Teil der Initiation von SchamanInnen gilt. Die Bezeichnung „SchamanInnen“ ist jedoch aus einem anderen Kulturkreis. In unserem Kulturkreis hießen wir früher unter anderem Weise Frauen, Heilerinnen, Kräuterkundige … Sage-femme (Weise Frau) heißt auch heute noch auf Französisch: Hebamme. Die Bezeichnung „Hexe“ wurde zum todbringenden Schimpfwort. Über diese Verfolgung und ihre verheerenden Folgen bis heute lernen wir in Schule und Bildungswesen so gut wie nichts (siehe Kapitel VI: Die Vernichtung der Weisen Frauen: An unseren Wurzeln beschnitten).

 3 Angehörige sind für mich alle, die sich den Verstorbenen zugehörig oder verbunden fühlen: nicht nur die gesetzlich legitimierten Verwandten und die Familie, sondern auch die Wahlverwandten, die Wahlfamilie, die Freundinnen und Freunde.

 4 In Deutschland gibt es mittlerweile zwar die Waldbestattungen unter Bäumen außerhalb von Friedhöfen, aber ausschließlich für Urnen. (Z. B. über Firmen wie Ruheforst oder FriedWald. Es gibt aber auch andere – teilweise auch kleine lokale – Anbieter und manchmal kann dadurch ein näher liegender Bestattungswald gefunden werden.)

 5 Erst seit 2007 gibt es hierzulande den staatlich anerkannten Ausbildungsberuf der Bestattungsfachkraft.

 6 Zitat eines jungen Bestattungsunternehmers

 7 Sterbefälle im Jahr 2018. Statistisches Bundesamt, www.destatis.de (08.03.2020)

 8 „Halten ist eine äußerst bewegliche Handlung; einer Art energetischem Muskeltraining vergleichbar, jenseits von Starre und Fest-halten.“ Ute Manan Schiran: Am Küstensaum der Zeit – Gedanken zu einer sinnlich-spirituellen Praxis jenseits bestehender religiöser/säkularer Systeme/2 Essays. München, 2008, S. 39

Vom Leben getragen

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