Читать книгу Operation Piratenjagd. Von der Antike bis zur Gegenwart - Alain Felkel - Страница 11

Der bleiche Tod der Sarazenen

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»Ich bin überzeugt, dass niemandem von euch die rohe und tierische Gesinnung der Sklavensöhne unbekannt ist, die durch Einfälle und Menschenraub die Rhomäer grausam misshandelten – und dies tun sie auf einer Insel, die sie selbst unterworfen haben, wenngleich sie nur durch ein missgünstiges Schicksal in ihren Besitz gelangt sind. – Sind nicht bereits alle Küstenstriche infolge ihrer Plünderungen unbewohnt? Liegen nicht die meisten Inseln infolge ihrer Streifzüge einsam und verlassen da?«33

Nikephoros II. Phokas, Feldherr und Kaiser

von Byzanz, über die Sarazenen von Kreta

Die Geschichte des sarazenischen Piratenemirats auf Kreta begann nicht, wie man vermuten würde, in Nordafrika, sondern hatte ihren Ursprung in Spanien.

Dort kam es 818 in Córdoba zu schweren Aufständen der Bevölkerung gegen die Herrschaft von Emir al-Hakam I. Nur mit Mühe gelang es dem Herrscher, die Rebellion zu unterdrücken. Dabei traf sein Zorn das Zentrum des Aufstands, die Vorstadt Córdobas. Sie wurde dem Erdboden gleichgemacht und Tausende ihrer Bewohner wurden vertrieben. Nach dieser Niederlage flohen viele Andalusier nach Marokko, andere nach Alexandria.

Diejenigen, die Ägypten erreichten, blieben nicht lange Zeit Fremde im Land, sondern übernahmen kurz nach ihrer Ankunft die Herrschaft. In der Folgezeit beherrschten sie Alexandria 9 Jahre, bis der energische abbasidische Gouverneur Abdallah Ben Tahir sie im Dezember 827 zum Abzug zwang.34

Die Andalusier gingen nicht, ohne ein neues Ziel vor Augen zu haben. Noch während ihrer Vorherrschaft in Alexandrien hatten sie mehrmals das zu Byzanz gehörende Kreta überfallen und reiche Beute gemacht. Diesen Erfolg wollten sie wiederholen. Mit 40 Galeeren brachen die Andalusier unter Leitung ihres Anführers Abu Hafs von Alexandria auf, um die Insel 14 Tage lang auszurauben. Anschließend sollte der Raubzug an weiteren Gestaden fortgesetzt werden.

Aber es kam anders, als es sich die Andalusier erhofft hatten. Durch eine Revolte in Byzanz war Kreta fast gänzlich von Militär entblößt, sodass die Insel kaum verteidigt wurde. Entgegen aller Erwartung wurde aus dem Raubzug eine Eroberung, der mit der Besetzung Kretas endete.

»Die Andalusier zogen furchtlos und unbesiegt durch das Land; als sich aber mit ihrer Beute zur Küste zurückkamen, standen ihre Schiffe in Flammen, und ihr Anführer Abu Hafs bekannte sich als Anstifter des Unheils. Er war des Wahnsinns oder Verrates beschuldigt.

›Worüber klagt ihr?‹, sprach er, ›ich habe euch in ein Land gebracht, wo Milch und Honig fließen. Hier ist euer wahres Vaterland (...)‹

›Und unsere Frauen und Kinder?‹

›Eure schönen Gefangenen werden die Stelle eurer Frauen vertreten und ihr werdet bald Väter anderer Kinder werden.‹«35

Dass Abu Hafs seine mühselig ausgerüsteten Galeeren dem Feuer überantwortete, mutet auf den ersten Blick unwahrscheinlich an. Die Episode ist jedoch durch das hervorragend bebilderte Manuskript des Johannes Skylitzes bestätigt, das auch die byzantinischen Gegenschläge im Stil einer Graphic Novel abbildet.

Den Raub einer derart strategisch wichtigen Insel konnten die Byzantiner nicht ungestraft hinnehmen. Die Eroberung Kretas durch die Sarazenen stellte eine große Gefahr für die Griechen dar und bedeutete eine schwere Erschütterung des Machtgefüges im östlichen Mittelmeer.

Aus diesem Grund unternahmen die Byzantiner in zeitlich kurzen Abständen zwei Rückeroberungsversuche. Der erste Gegenangriff des anatolischen Flottengeschwaders scheiterte 828 in einer Schlacht vor der neuen Festung Kandia, die zum Hauptquartier der Piraten geworden war. Ein zweiter Angriff der Griechen im selben Jahr endete nach anfänglichem Schlachtensieg mit der völligen Vernichtung des Landungskorps und dem Tod seines Oberbefehlshabers Krateros, den die Sarazenen hinrichteten.

Von diesen Erfolgen bestärkt, gingen die neuen Herren Kretas in die Offensive und fielen über die unverteidigten Orte und Inseln der Kykladen her. Doch war der byzantinische Widerstand noch nicht erloschen. Als die Seeräuber in die Ägäis vorstießen und einige Inseln besetzten, schlug der byzantinische Flottenkommandant Ooryphas der Ältere sie zurück. Ooryphas’ Erfolg wurde bald getrübt. Als die Byzantiner erneut in die Offensive gingen, wurde ihre Flotte 829 vor Thasos vernichtet.

Dies hatte erneut Auswirkungen für die Inselwelt der Ägäis. Kurz darauf wurde die Insel Ägina das Opfer eines sarazenischen Raubüberfalls, die Inselbevölkerung und das Vieh wurden verschleppt, die Orte verbrannt. Das Eiland blieb jahrelang öd und menschenleer. Dass dies möglich war, lag nicht nur an der Kühnheit und Kampfkraft der kretischen Sarazenen, sondern war auch der Lage auf Sizilien geschuldet.

Zeitgleich mit der andalusischen Eroberung Kretas waren nordafrikanische Sarazenen in Sizilien eingefallen und nach harten Kämpfen ins Inselinnere vorgedrungen.

Im Gegensatz zu Kreta sollte es noch Jahrzehnte dauern, bis im Jahr 878 die letzte byzantinische Festung fiel und Sizilien von den Muslimen erobert wurde. Doch einen Vorteil hatte der sarazenische Eroberungsversuch von 827. Er lenkte die Byzantiner davon ab, sich auf Kreta zu konzentrieren, und zwang sie zur Zersplitterung ihrer Kräfte.

Nachdem 843 ein letzter Rückeroberungsversuch Kretas gescheitert war, blieb die byzantinische Marine in der Ägäis ein ganzes Jahrzehnt lang in der Defensive. Von da an wurde das Piratenemirat von Kreta zum Schrecken der Meere. Nun war kein christliches Schiff, keine christliche Ortschaft vor ihm sicher.

Die Siege machten die kretischen Sarazenen kühner. Immer tiefer stießen ihre Raubflotillen in die Ägäis vor, sodass sich ganze Landstriche entvölkerten. Unentwegt wurden die Landschaft um Phokaia, das Küstengebiet von Hellas, Ätolien, die ionischen Küsten Griechenlands, Lesbos-Mytilene und die Kykladen zum Opfer sarazenischer Razzien. Samos, Chios, Ephesos und Milet wurden überfallen, die lykische Küste im Lauf des 9. Jahrhunderts völlig verheert. Manchmal, wie im Fall von Naxos, kamen die Überfallenen mit Tributzahlungen davon. Handelte es sich um Klöster, gaben die Sarazenen keinen Pardon. 862 und 866 äscherten sie die Klosterbezirke des Heiligen Berges Athos im Norden des Ägäischen Meeres ein und nahmen die geflohenen Mönche gefangen. Angesichts einer derartigen Seeräuberplage wurde der Fracht- und Reiseverkehr des östlichen Mittelmeers stark eingeschränkt. Trotzdem brach der byzantinische Seeverkehr nicht zusammen.

Das Kerngeschäft der Sarazenen war Küstenraub, Menschenhandel sowie Erpressung von Tributzahlungen, nicht Piraterie auf hoher See. In der Blütezeit des Emirats von Kreta wurde Kandia zum Hauptumschlagplatz christlicher Sklaven, die überall in die islamische Welt exportiert wurden. Des Weiteren sorgte die Erpressung von Lösegeld für prächtig gefüllte Kassen. Die Viten vieler Heiliger bezeugen, wie weit diese Praxis zur Zeit der Sarazenenüberfälle in Europa verbreitet war.

Die Folge der Piratenüberfälle war eine zunehmende Schädigung des Seehandels und ein Gürtel verödeter und menschenleerer Inseln, der von Jahr zu Jahr größer wurde. Zudem wurden die sarazenischen Überfälle immer häufiger mit kleineren Abteilungen, ja manchmal nur mit einem Schiff bis tief in die innere Ägäis ausgeführt.

Dies durfte Byzanz nicht zulassen.

Nach einigen Reformen in der Flottenorganisation schlug das Reich der Rhomäer ab der Jahrhundertmitte wieder zurück. Die byzantinische Flotte wurde wieder aufgerüstet und fähigen Truppenkommandeuren unterstellt.

Einer von ihnen war Niketas Ooryphas, ein Namensvetter des schon zuvor genannten gleichnamigen Flottenkommandeurs. Er sollte zu einem der gefürchtetsten Piratenjäger werden und sich durch ein gewagtes Flottenmanöver sowie ein grausames Strafgericht in die Annalen der Piratenjagd einschreiben. Dieser Niketas Ooryphas nahm 853 an einem der ersten Offensivschläge der Byzantiner gegen die ägyptische Marinebasis Damietta teil und leitete dabei ein Geschwader von 100 Dromonen.

Die Dromone, deren Name wortwörtlich »Schnellläufer« bedeutet, war schlank gebaut und schnittig. Sie hatte zwei übereinander angeordnete Riemenreihen zu je 25 Ruderbänken und zählte mit einer Geschwindigkeit von sieben Knoten zu den schnellsten Kriegsschiffen ihrer Epoche. Jedes Ruder wurde von einem Mann geführt, sodass die Gesamtzahl der Ruderer genau 100 Mann betrug. An Seesoldaten konnte sie maximal 70 bis 80 Mann aufnehmen. Zählt man Offiziere, Steuerleute und Matrosen hinzu, betrug die Höchstzahl der Besatzung 200 Mann. Im Gegensatz zu den Triremen der Kaiserzeit trugen die Dromonen an Bug und Heck zwei, später drei bis vier Masten mit dreieckigen Lateinsegeln. Die Anzahl der Segel und die Art der Besegelung machten die Dromonen sehr manövrierfähig und wendig, was ein Vorteil gegenüber den Sarazenen war.

Deren Hauptlinienschiff war die Kumbaria.36 Auch dieses Schiff hatte Lateinsegel, war jedoch aufgrund ihrer Größe und Breite schwerfälliger und langsamer. Für die Operation, welche die Griechen vorhatten, gab es kein besseres Schiff als die Dromone.

Bei dem Angriff auf Damietta zerstörten die Byzantiner feindliche Schiffe und Magazine. Des Weiteren raubten sie Waren und Frauen und töteten die wehrhafte männliche Bevölkerung.

Was Niketas Ooryphas in den folgenden Jahren tat, lassen die Quellen im Dunkeln. Im Jahr 860 bewahrte er als Präfekt Konstantinopels die Hauptstadt davor, von einem slawischen Heer ausgeraubt zu werden. Als der für Kaiser Michael III. als Regent agierende Cäsar Bardas 866 eine Flottenexpedition gegen die kretischen Sarazenen rüstete, war Niketas Ooryphas wahrscheinlich schon Oberbefehlshaber der in Konstantinopel stationierten kaiserlichen Flotte. Doch es blieb ihm vorerst versagt, gegen die kretischen Piraten zu kämpfen.

Kurz bevor die Flotte gegen Kreta in See stechen konnte, fand der Machtkampf von Cäsar Bardas gegen Kaiser Michael III. sein tödliches Ende. In Gegenwart des Kaisers wurde der fähige Regent von dessen Günstling Basileos ermordet. Es war eine grausame Tat, deren Details die Skylitzes-Handschrift in Bild und Schrift überliefert.

»Als Bardas die Männer mit gezücktem Schwert andrängen sah, da wusste er sofort, dass er dem Tode geweiht war. Er warf sich dem Kaiser zu Füßen, aber man zog ihn von dort weg und zerhackte ihn buchstäblich. Darauf befestigten sie seine Geschlechtsteile an einer Stange und führten sie offen vor ...«37

Damit war vorerst der kretische Feldzug gescheitert, noch bevor er begonnen hatte. Angesichts der zu erwartenden Thronstreitigkeiten hielt der Kaiser zunächst seine Flotte zusammen. Um die Tat zu rechtfertigen, wurde Bardas im Nachhinein ein Mordkomplott gegen den Kaiser unterstellt, was jedoch nicht geglaubt wurde.

Aber Michael III. hatte auf das falsche Pferd gesetzt und mit eigener Hand das Grab ausgehoben, in das man ihn bald senkte. Obwohl er Basileos als Mitregenten einsetzte, ermordete dieser ihn nur wenige Monate im Jahr 867 später genauso brutal, wie er zuvor Bardas beseitigt hatte. In der Nacht nach einem Gelage stürmte er mit einer Schar Verschworener das Gemach des betrunkenen Kaisers und hackte ihm erst Hände und Füße, dann den Kopf ab.

Jetzt war Basileos der erste Mann im Staate. Sein Putsch rief nicht überall Begeisterung hervor. Besonders Niketas Ooryphas versagte Basileos anfangs die Gefolgschaft. In alter Treue zum Kaiser und Bardas drohte er damit, den Usurpator zur Rechenschaft zu ziehen.

Der neue Kaiser ließ sich davon nicht beeindrucken. Basileos I. war nicht nur skrupellos, sondern auch geschickt darin, sich Freunde zu machen. Er zog Ooryphas auf seine Seite und wies ihm eine verantwortungsvolle Aufgabe zu: die Entsetzung des von einem sarazenischen Heer belagerten Ragusa (das heutige Split in Kroatien) durch die byzantinische Flotte.

Ooryphas zögerte keine Sekunde und setzte sich unmittelbar in Marsch. Auf dem Weg räucherte er viele Stützpunkte der Sarazenen aus und bestrafte die Narentaner, ein slawisches Piratenvolk, die kürzlich einen päpstlichen Legaten ausgeraubt hatten.

Taten wie diese verbreiteten sich auch schon im frühen Mittelalter schnell. Kaum hörten die Sarazenen von Ooryphas’ Nahen, hoben sie die Belagerung Ragusas auf und segelten nach Unteritalien zurück.

Auf diese Weise hatte Ooryphas einen Erfolg erzielt, ohne eine Schlacht riskiert zu haben. Als er die Adria mit seiner Flotte verließ, hatte er, ohne einen Kampf bestehen zu müssen, nicht nur Ragusa entsetzt, sondern das Prestige des Kaiserreichs erhöht.

Der anschließende Feldzug gegen Bari im Jahr 869 war dagegen für ihn nicht von Erfolg gekrönt. Obwohl Ooryphas jetzt 400 Schiffe befehligte, musste der ursprüngliche Plan, im Bündnis mit dem Deutschen Kaiser Ludwig II. die Sarazenen aus Bari zu vertreiben, aufgegeben werden. Er scheiterte daran, dass die Byzantiner mit ihrer Flotte zu spät kamen und der deutsche Kaiser bereits den Großteil seiner Truppen entlassen hatte. An ein gemeinsames Vorgehen war in diesem Jahr deshalb nicht mehr zu denken, zumal Ludwig II. und Ooryphas persönlich nicht gut miteinander auskamen.

Die Sternstunde Ooryphas’ kam jedoch noch.

Als die Geschwader der Kreter in den folgenden Jahren38 die Kühnheit besaßen, ins Marmarameer einzufahren, griff Ooryphas die Seeräuber mit 100 Dromonen an. Bei Kardia im thrakischen Chersonnes trafen Piraten und Byzantiner zusammen. Ooryphas siegte dank des Griechischen Feuers, einer Geheimwaffe der Byzantiner, und verbrannte 20 der kretischen Galeeren.

Das Griechische Feuer – eigentlich »Flüssiges Feuer« genannt, war eine ölartige Brandmasse ähnlich Napalm. Es war 678 während der Belagerung Konstantinopels durch die Sarazenen vom griechischen Architekten Kallinikos erfunden worden. Es wurde aus metallenen Feuerröhren, den Siphons, manchmal auch mit Katapulten verschossen, die für den Gebrauch Griechischen Feuers konstruiert worden waren und die tödlichen Geschosse 100 Meter weit schießen konnten. Das Griechische Feuer hatte verheerende Wirkung. Traf es sein Ziel, haftete es wie Napalm auf der Trefferfläche und brannte auch unter Wasser weiter.

Obwohl seine genaue Zusammensetzung bis heute nicht geklärt ist, wird vermutet, dass die Basis des öligen Brandmaterials Salpeter bildete. Er besorgte das Vorschleudern, die explosive Verbrennung des Materials. Das im Brandmaterial enthaltene Bitumen diente der Unlöschbarkeit, das Harz der Haftung der Brandmasse am Ziel. Dabei versengte ihr Feuerschweif alles, was er traf.

Die Dromone hatte in der Regel drei Siphons (Feuerrohre): einen am Bug, zwei Siphons an den Flanken des Xylokastrons, eines hölzernen Kastells auf der Dromone, das sich entweder vorn am Bug oder am Mittelmast befand. Hier wurden im Gefecht Pfeilschützen, Speerwerfer, aber auch Katapult- und Siphongeschütze stationiert, die den Feind aus der Ferne unter Beschuss nahmen. Des Weiteren gab es eine Anzahl von kleinen Handsiphons für den Nahkampf. Die maximale Feuerweite der großen Siphons betrug 15 Meter bei den großen, und nur wenige Meter bei den kleinen Flammenwerfern.

Ooryphas hatte den Sarazenen eine Lektion erteilt, jedoch nicht alle Piraten vernichtet. Diese erholten sich schnell von der Niederlage und verlegten ihr Raubgebiet diesmal zur Peloponnes. Als Ooryphas hörte, dass die Kreter erneut in die Ägäis eingefallen waren, segelte er ihnen nach und ankerte in Kenchreai am Saronischen Meerbusen. Hier erreichte ihn eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Im Westen der Halbinsel hatten die Piraten Methone, Pylos, Patras und das Golfgebiet von Korinth überfallen.

Jetzt musste Niketas Ooryphas schnell handeln. Statt um die Peloponnes herumzusegeln, beschloss er, den Isthmus von Korinth auf dem Landweg an seiner engsten Stelle mit seiner Flotte zu überqueren. Hierfür wählte er einen alten Schiffskarrenweg aus, den Diolkos, der schon seit dem Altertum den Golf von Korinth mit dem Saronischen Golf verband. Dann ließ er seine Dromonen in den folgenden Tagen über die alten Rollberge zwischen dem Hafen Kenchreai nach Lechaion am Golf von Korinth schleppen. Auf diese Weise wurde Schiff um Schiff erst in Kenchreai entladen, dann auf die alte Schleppstraße gesetzt und von seinen Besatzungen über die Anhöhen der sieben Kilometer langen Strecke in den Golf gezogen, wo bei Lechaion die Schiffe wieder beladen wurden.

Es war ein gefährlicher Moment, da die Flotte praktisch schutzlos einem Überraschungsangriff ausgesetzt war. Doch das Manöver gelang, ohne dass die Piraten es bemerkten. Die Sarazenen hatten nämlich Wachen beim Kap Malea aufgestellt, da sie damit rechneten, dass Ooryphas sie zur See verfolgen würde. Damit hatten sie einen tödlichen Fehler begangen.

Als sich die Flotte Niketas’ im Golf gesammelt hatte, griff er die einzelnen Piratengeschwader an, bevor sie sich sammeln konnten. Was folgte, war ein kurzer Kampf. Mit seinen Feuerwerferdromonen verbrannte Ooryphas erst die Piratenschiffe, dann machte er ihre Besatzungen nieder.

Dabei fand der Piratenadmiral Photios, ein Renegat, den Tod. Der Teil der Sarazenen, der weiterkämpfte, wurde ertränkt und niedergemacht. Die anderen, denen die Flucht gelang, ließ Ooryphas erbarmungslos verfolgen. Noch bevor die sarazenischen Räuber in die nah gelegenen Berge entkommen konnten, wurden sie eingekesselt und gefangen. Was darauf folgte, zeigt die zu allen Zeiten gefürchtete Grausamkeit der Byzantiner.

In Erbitterung über die begangenen Gräueltaten hielt Niketas mehrere Tage ein furchtbares Strafgericht über die Sarazenen ab. Dabei starben insbesondere die vom christlichen Glauben Abgefallenen einen schrecklichen Tod.

»Einigen, vor allem denjenigen, welche ihren christlichen Glauben verleugnet hatten, zog er die Haut beim lebendigem Leib ab, indem er sagte, dass die Haut, die sie trugen, nicht ihre war. Anderen ließ er schmerzhaft die Haut vom Kopf bis Fuß in Streifen schneiden, andere wiederum ließ er von einem Balken an einem Seil herunterhängen und in Kessel mit siedendem Pech eintauchen, wobei er ihnen erklärte, dass Ihnen eine einzigartig schmerzvolle und bedrückende Taufe zuteil wurde ...«39

Es war eine deutliche Lektion der Geschichte, dass Piratenjäger nicht nur für das Gute im Menschen standen.

Niketas Ooryphas hatte zwar gezeigt, dass er zu siegen verstand, doch das Ausmaß an Grausamkeit ließ seinem militärischen Triumph keinen Frieden folgen und schenkte den Bewohnern nicht mehr Sicherheit. Mit drakonischen Strafgerichten allein war die Seeräuberei nicht auszurotten.

Das Piratenemirat von Kreta blieb noch fast ein Jahrhundert eine ernste Gefahr für die griechische Seefahrt.

Im 10. Jahrhundert scheiterten allein drei Rückeroberungsversuche, trotz bester Planung. Die Unzugänglichkeit von Kandia und die schroffe wilde Bergwelt Kretas boten den Verteidigern mehr Vorteile als dem Angreifer. Doch noch gab es Hoffnung. Eine Prophezeiung hatte die Rückeroberung Kretas vorhergesagt und sollte sich erfüllen.

Im Jahr 960 landete den fantastischen Zahlen der Chronisten zufolge ein großes Heer von angeblich 1000 Dromonen, 2000 Chelandien und 300 Transportschiffen unter dem Oberbefehl von General Nikephoros II. Phokas auf Kreta.40

Auch wenn diese Zahlen übertrieben sind, war die Landung auf Kreta eine der größten amphibischen Operationen der Militärgeschichte. Dies lag an der Umsicht von Nikephoros Phokas, der den Rang eines Militärgouverneurs im Wehrbereich Anatolien bekleidete. Der General hatte sich in mehreren Feldzügen ausgezeichnet und stammte aus einer alten Soldatenfamilie, die viele gute Heerführer hervorgebracht hatte.

Aber Nikephoros war nicht nur ein Kriegsmann, sondern zutiefst religiös und führte ein asketisches Leben. Persönlicher Reichtum und Sinneslust scherten Nikephoros Phokas wenig. Der Vegetarier schlief nicht im Bett, sondern auf hartem Boden und ließ sich auch nicht in amouröse Affären verwickeln. Er lebte nur für zwei Aufgaben: Gott und Byzanz.

Dies machte ihn nicht jedem sympathisch. Der Gesandte von Otto dem Großen, Liutprand von Cremona, beschrieb Nikephoros Phokas nach seiner ersten Begegnung mit ihm als »Menschen von ganz eigenartiger Gestalt, zwergenhaft, mit dickem Kopf und Äuglein wie ein Maulwurf, entstellt durch einen kurzen, breiten, dichten Bart, garstig durch einen zollangen Hals«.41

Liutprands Urteil war hart. Aber zum Glück für Nikephoros Phokas brauchte sein Kaiser Romanos II. einen fähigen Feldherrn und keinen eleganten sowie geistreichen Höfling. Mit seinem General hatte Kaiser Romanos genau den richtigen Mann für sein Unternehmen gewählt. Nikephoros Phokas wusste, dass an diesem Unternehmen selbst die besten Generäle gescheitert waren. Da er außerdem ein pedantischer Mann war, bereitete er das Unternehmen akribisch vor.

Anlässlich der Landung auf Kreta ließ er Großdromonen mit hölzernen Kastellen mittschiffs und am Bug bauen, welche die normale Besatzung einer Dromone um 100 Mann übertrafen. Sie wurden mit Landestegen ausgerüstet, die es der schwer gepanzerten byzantinischen Phalanx und den Reitern ermöglichten, noch vom Wasser aus etwaige Verteidiger an Land zu überrennen.

Derartig umsichtig vorbereitet, wurde die Operation ein voller Erfolg. Obwohl die Sarazenen die Byzantiner kampfbereit an der Küste erwarteten, wurden sie erst bei der Landung und wenige Tage später in offener Feldschlacht erneut geschlagen. In den folgenden Wochen kämpfte Nikephoros große Teile der Insel frei, dann nahm er Kandia ins Visier, das er nach einer mehrmonatigen Belagerung endlich am 7. März 961 im Sturm eroberte. Es war ein lang ersehnter Triumph und er wurde gebührend gefeiert. Nach fast anderthalb Jahrhunderten hatte das Piratenemirat von Kreta aufgehört zu bestehen.

Es war in Blut geboren worden und ging in einem Massaker sondergleichen unter. Drei Tage wütete die Soldateska, ohne dass der Feldherr sie zur Besinnung bringen konnte, drei Tage hallten die Straßen von Kandia von den Schreckensschreien der Gequälten und Sterbenden wider. Dann hörte das Morden auf. Düsteres Schweigen legte sich über die Zwingburg der Piraten, die einst der Schrecken der Christenheit gewesen war.

Wie zu Roms besten Zeiten erhielt der Eroberer von Kreta einen Triumphzug in Konstantinopel, bei dem die siegreichen Schiffe und Truppen mit ihren Gefangenen endlos auf und ab paradierten. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Darstellung der Beute der Seeräuber, die ein beträchtliches Ausmaß hatte.

»Man sah Gold und Silber in großen Mengen, barbarische Münzen aus reinem Gold, goldbestickte Gewänder, purpurfarbene Teppiche, allerlei kostbare Gegenstände, mit höchster Kunst verfertigt, funkelnd von Gold und Edelsteinen; vollständige Rüstungen, Helme, Schwerter, Harnische, alles vergoldet; zahllose Speere, Schilde und zurückschnellende Bogen. Jedermann, der diesem Schauspiel beiwohnte, hätte wohl sagen können, dass damals der ganze Reichtum des Barbarenlands im Hippodrom beisammen war ...«42

Nikephoros, der ein frommer, einfacher Mann war, zeigte sich seines Erfolgs würdig. Aus Dankbarkeit über seinen Sieg spendete er einen Teil des Sarazenenschatzes den Mönchen auf dem Berg Athos. Auf diese Weise wurde er zum Stifter des Klosters Megisti Lavra, das noch heute das größte Kloster des heiligen Berges ist. Am 16. August 963 wurde er zum Kaiser gekrönt. Als er feierlich in die Hagia Sophia einzog, sangen die Psalten, der Sängerchor von Byzanz, folgende Worte:

»Siehe, der Morgenstern geht auf, das Gestirn des Ostens erscheint und blendet mit seinem Glanz selbst die Strahlen der Sonne; es ist Nikephoros der Herrscher, der bleiche Tod der Sarazenen.«43

Es war der bis dahin glorreichste Augenblick seines Lebens. Endlich erfüllte sich das Ziel, auf das er seit Jahren hingearbeitet hatte. Kurz darauf heiratete er Theophano, die Witwe des verstorbenen Kaisers Romanos II. Alles schien perfekt, doch die Geschichte des Kaisers Nikephoros II. Phokas hatte kein Happy End.

Sechs Jahre später ließ die Kaiserin ihren Mann von ihrem Geliebten Johannes Tzimiskes umbringen, der ihn mit mehreren gedungenen Mördern im Schlaf ermordete. Herzlos wurde die enthauptete Leiche des toten Kaisers wie ein Tierkadaver auf eine Schubkarre gewuchtet. Hastig holperte der Totenkarren durch leere Straßen zur Apostelkirche, wo er schnell in einen Marmorsarkophag gelegt und vergessen wurde.

Dort liegt er noch heute, der bleiche Tod der Sarazenen.

Operation Piratenjagd. Von der Antike bis zur Gegenwart

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