Читать книгу Grundlagen und Perspektiven der Liturgiewissenschaft - Albert Gerhards - Страница 14

2.2.1 Liturgieerklärung in der Alten Kirche und im Mittelalter 2.2.1.1 Frühchristliche Beispiele für die Reflexion des christlichen Gottesdienstes

Оглавление

Ein Medium frühchristlicher Liturgieerklärung sind die Katechesen. Mystagogische Katechesen, die nach der Initiationsfeier aus Wassertaufe, Salbung durch den Bischof und Ersteucharistie gehalten wurden, sollten den Mysteriengehalt liturgischer Feiern erschließen und den Gläubigen zu einer tieferen Ausdeutung der Sakramente führen. Dazu bediente man sich der symbolischen Deutung und metaphorischen Erschließung. Zwischen Katechese und gefeierter Liturgie, zwischen theologischer Deutung und liturgischer Doxologie bestanden enge Zusammenhänge (Brons/288). Deshalb maß Cyrill von Jerusalem († 444) dem Sehen eine stärkere Überzeugungskraft bei als dem Hören. Erst nachdem die Neugetauften die Taufe gefeiert und erlebt hatten, führte sie der Prediger als Mystagoge in den Sinn dessen ein, was ihnen widerfahren war (Cyr. H., catech. I. 1 [FC 7]). Nach Ambrosius von Mailand (ca. 339–397) gießt sich das Licht der Mysterien in Nichtwissende besser ein, als wenn ihnen diese vor der Initiation erklärt worden wären (Ambr., myst. I. 1 [FC 3]). Die Pilgerin Egeria, die im 4. Jahrhundert unter anderem Jerusalem und Palästina bereiste, berichtet, kein Ungetaufter habe in Jerusalem die Katechese über die Taufliturgie nach Ostern hören dürfen, der Zugang zur Anastasis (Grabeskirche) sei verschlossen worden (Peregr. Aeth. 47,2 [FC 20]).

Aus katechetischen wie theologischen Motiven wurden Katechesen postbaptismal gehalten. Ambrosius verstand die Taufe als Vervollständigung des Glaubens: Erst die Taufgnade befähige zum Verständnis der Mysterien (Ambr., sacr. I. 1; III. 15 [FC 3]). Mystagogische Predigten erklärten den geistlichen Gehalt einer Liturgie; sie trugen zudem selbst gottesdienstlichen Charakter. Es ging nicht darum, auf einer Metaebene Liturgie zu reflektieren.

So erläutert Ambrosius in »De sacramentis« das Kerngeschehen der Eucharistie, die Teilhabe an Blut und Leib Christi, mit Textausschnitten aus dem Alten und Neuen Testament, die den Gläubigen zeigen sollen, wie viel das himmlische Wort, hier: das konsekratorische Gebet, bewirkt. Wo spätere Jahrhunderte nach der Genese des Hochgebets fragen oder theologisch-systematisch argumentieren, geht es Ambrosius um die geistliche Erschließung der Konsekration. Für ihre Deutung weist er auf das Wort Gottes hin, durch das die Schöpfung entstand (Ambr., sacr. IV. 15), auf die Neuschöpfung in Christus (ebd. 16), auf das alle Kreatur wandelnde Wort Christi (ebd. 17), auf das Wunder des Exodus, das Mose auf Gottes Geheiß hin wirkte (ebd. 18) usw. Diese Hermeneutik lebt aus Analogien. Was sich im Sakrament der Eucharistie ereignet, kann im Licht der Heilsgeschichte verstanden werden. Diese setzt sich in der Gegenwart fort und wird in der Liturgiefeier je neu inszeniert. Ähnlich legt Cyrill von Jerusalem mit Bezug auf Altes und Neues Testament dar, dass das eucharistische Brot Leib Christi ist (Cyr. H., catech. IV).

Allerdings gab es in der Alten Kirche auch präbaptismale Katechesen, deren Ziel stärker die Hinführung zur christlichen Lebenspraxis war. Mit der Krise des Katechumenats, der Vorbereitungszeit auf die Taufe, durch eine übergroße Zahl von Taufbewerbern und den häufig üblichen Taufaufschub – man ließ sich als Taufbewerber registrieren, aber erst viel später taufen – tauchten zunehmend präbaptismale Katechesen auf; die Taufkatechesen des Johannes Chrysostomus (ca. 347–407) (Jo. Chrys., catech. [FC 6]) und des Theodor von Mopsuestia (350–428) (Thdr. Mops., hom. cat. [FC 17]) sind dafür Belege. Die Bedeutung präbaptismaler Katechesen erklärt Theodor damit, dass derjenige, der den Grund der Riten kenne, umso inniger am liturgischen Geschehen teilnehmen könne. Der Sinn der Sakramente muss erläutert werden, damit das, was sich in ihnen ereignet, angenommen werden kann (Thdr. Mops., hom. cat. 12,1).

Neben den Katechesen, die im Umfeld der Initiation eine Rolle spielten, sind jene zahlreichen Homilien zu nennen, die die Sakramente und die Feste auslegten. Theologen wie Meliton von Sardes (2. H. des 2. Jh.), Petrus Chrysologus (405–450), Caesarius von Arles (470–542) u.a. wollten den Gläubigen einen vertieften geistlichen Zugang zur Liturgie erschließen. Doch ist auch das Bemühen zu erkennen, Ursprünge von Riten zu erklären. So schreibt Origenes (um 185–253) hinsichtlich des Niederkniens beim Gebet und des Gebets nach Osten, dass dies zwar von allen vollzogen werde, aber der Grund dafür nicht allen bekannt sei (Orig., hom. in Num. 5,1 [GCS Origenes 7. 26,14–18]).

Aber auch auf einer Metaebene begegnet man in der Alten Kirche bereits Reflexionen über die Liturgie. So werden unterschiedliche Bräuche der verschiedenen Ortskirchen bei Fasten, Kommunion, Taufe, Katechumenat etc. erörtert, begründet und gegeneinander abgesetzt. Solche Frühformen von Liturgik begegnen in den Briefen des Augustinus an Ianuarius, in denen er die gerade genannten Fragen berührt und nach Normen für das liturgische Leben der unterschiedlichen Kirchen fragt (Aug., epp. 54/55 [CSEL 34.2, 158–213]), in Diskussionen über den Termin des Weihnachtsfestes, die in einer Weihnachtspredigt des Johannes Chrysostomus aufscheinen (PG 49, 351–362), im Brief von Papst Innozenz I. (401–417) an Bischof Decentius von Gubbio (ep. 25, PL 20,554B–555A. 559B–561A) unter anderem wegen des Vollzugs der Konsekration (Firmung) und der Krankensalbung etc. Die unterschiedlichen Reflexionsformen erfahren eine Wirkungsgeschichte. In der Gegenwart geben sie vor allem Impulse zur spirituellen Interpretation und Vermittlung der Liturgie. Sie holen die für die Gläubigen existenzielle Bedeutung der Liturgie ans Licht, die entsprechend erschlossen werden muss. Sie sind darüber hinaus Anstoß zu einer Theologie als Mystagogie.

Grundlagen und Perspektiven der Liturgiewissenschaft

Подняться наверх