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2.2.3 Die Rubrizistik der frühen Neuzeit
ОглавлениеMit dem Wandel des Liturgieverständnisses, das in der Liturgie vor allem ein durch die zuständige Autorität rechtlich geregeltes Handeln der Kirche sah, gewann die bereits im 14./15. Jahrhundert entstandene Rubrizistik an Bedeutung. Die Bezeichnung »Rubrizistik« weist schon auf den Ansatz dieser Erschließungsweise von Liturgie hin. Rubriken sind die in roter Farbe (lat. ruber) geschriebenen Anweisungen für den Vollzug der liturgischen Feiern. Die Rubrizistik erklärt die Liturgie nach ihrer rechtlichen Gestalt. Liturgische Bücher, Dekrete und Anweisungen römischer und anderer kirchlicher Instanzen u. Ä. wurden berücksichtigt. Seit dem 16. Jahrhundert gelangte die Rubrizistik zu wirklicher Bedeutung und behielt diese bis ins 20. Jahrhundert. Liturgie auf der Basis des liturgischen Rechtes zu erklären, ist auch in der Gegenwart noch Aufgabe der Liturgiewissenschaft, steht aber anders als in der klassischen Rubrizistik unter theologischen und pastoralen Vorzeichen (Rau/243). Als Autoren bedeutender Werke sind Bartolomeo Gavanti (1569–1638), Giuseppe Catalani (1698–1764), Giovanni Michele Cavalieri (Ende des 17. Jahrhunderts bis 1757), aus jüngerer Zeit Philipp Hartmann und Georg Kieffer zu nennen.
Ein Beispiel aus der im 20. Jahrhundert verbreiteten Rubrizistik von Kieffer zeigt die Funktion dieses Zugangs zur Liturgie, aber auch die Fokussierung, die damit verbunden sein konnte. Minutiös wird die Mischung von Wein und Wasser bei der Gabenbereitung beschrieben: Der Priester nimmt »das vom Ministranten dargebotene Weinkännchen und schüttet auf der Seite des Purifikatoriums so viel Wein in den Kelch, den er zu diesem Zwecke etwas neigt, als man in einem oder höchstens drei Zügen bei der Kommunion trinken kann. Nachdem er dem Meßdiener das Kännchen zurückgegeben, macht er mit der rechten Hand ein Kreuz über das Wasserkännchen und spricht gleichzeitig: Deus, qui humanae substantiae etc. Dann nimmt er das Löffelchen, schöpft damit einige Tropfen aus dem Kännchen und läßt sie bei den Worten: da nobis per huius aquae et vini mysterium in den Kelch fallen; die anhängenden Tropfen gibt er ins Kännchen zurück, trocknet mit Hilfe der linken Hand das Löffelchen am Purifikatorium und legt es neben das Korporale oder das Kelchvelum« (Kieffer/201: 161).
Theologie und Geschichte dieses Ritus sind für die Rubrizistik nicht von Interesse. Sie will durch korrekte Umsetzung der Anweisungen die »richtige« Liturgie sichern. Ihr eigentliches Ziel ist die erhebende Feier des Gottesdienstes zur Verherrlichung Gottes und zur Erbauung der Gläubigen (Kieffer/201: 11). Allerdings förderten solche Regelwerke die Verrechtlichung der Liturgie und die Skrupelhaftigkeit.