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a) Saul A. Kripke: Bedeutung und Tatsachen

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Bestimmung einer Regel

Saul A. Kripke (*1941) diskutiert zu dieser Frage ein zentrales Beispiel aus Wittgensteins „Philosophischen Untersuchungen“, nämlich das Beispiel einer typischen Schülersituation. Der Lehrer fordert den Schüler auf, Folgendes zu tun: „Schreibe die Zahlenreihe auf, bei der, von Null beginnend, immer 2 addiert wird!“

Antwortverhalten des Schülers A: „0, 2, 4, 6, 8, …, 1010, 1012 …“ Antwortverhalten des Schülers B: „0, 2, 4, 6, 8“ … bis 1000, dann „1004, 1008, 1012 …, 2020, 2024 …“

Antwortverhalten des Schülers C: „0, 2, 4, 6, 8“ … bis 1000, dann „1004, 1008, 1012, 1016 …“ bis 2000, dann „2006, 2012, 2018, 2024 …“ bis 3000 …

Intuitiv sind wir der Meinung, dass nur Schüler A angemessen antwortet und dass die anderen Verhaltensweisen unangemessen sind. Doch auch die anderen Verhaltensweisen sind sehr regelmäßig. Schüler B sagt auf Nachfrage nämlich verwundert: „Ich dachte immer ‚2-addieren‘ heißt „bis 1000 immer 2 dazu tun, und ab 1000 immer 4 dazu tun“; Schüler C sagt Entsprechendes. Bezüglich des Regelfolgens können wir zwei Kernfragen unterscheiden:

(1) Das Infinitätsproblem: Wie können endlich viele Beispiele die Anwendung für unendlich viele neue Fälle festlegen?

(2) Das Normativitätsproblem: Durch welche Fakten wird festgelegt, welches das korrekte Antwortverhalten des Schülers ist?

Regeln und Sprecherabsicht

Regeln und Dispositionen

Regeln und soziale Tatsachen

In diesem Abschnitt möchten wir uns zunächst auf die zweite Frage konzentrieren und dabei Kripkes Grundgedanken in seinem Buch Wittgenstein über Regeln und Privatsprache (1982) nachzeichnen. Zunächst diskutiert er den Vorschlag, dass die entscheidende Tatsache, die das Antwortverhalten von Schüler A richtig macht, das „Meinen“ des Lehrers ist. D.h. Schüler A macht es richtig, weil der Lehrer es so gemeint hat, wobei das Meinen in einem geistigen Akt besteht, der das Aussprechen der Aufforderung begleitet. Selbst das Meinen des Lehrers als geistiger Akt kann jedoch nicht die unendlich vielen Fälle festlegen, für die offensichtlich die Regel „addiere-2“ dies tut (was auch immer „2-addieren“ bedeutet). Denn dann hätte man schon alle diese Fälle vorausdenken müssen. Man hätte durch den inneren geistigen Akt alle anderen möglichen systematischen Fortsetzungen der Reihe ausschließen müssen, was jedenfalls durch einen geistigen Akt zu einem Zeitpunkt nicht möglich ist. Daher liegt es nahe, als den zweiten Kandidaten für die Festlegung des korrekten Antwortverhaltens die Disposition des Sprechers zu erwägen: Kann meine Disposition, auf bestimmte Fragen bestimmte Antworten zu geben, festlegen, was ich meine? Nein, denn die Aufforderung „addiere-2“ hat, so meinen wir, eine Bedeutung, die nur mit dem Antwortverhalten von Schüler A zusammenpasst. Schüler B hat aber offensichtlich eine individuelle Disposition zu seinem exzentrischen Antwortverhalten. Damit wird deutlich, dass individuelle Dispositionen nicht hinreichend für Bedeutungskonstitution bzw. für Regelfolgen sind. Dies legt es nahe, als dritten Kandidaten die kollektiven Dispositionen, also die gesellschaftliche Praxis, als entscheidend anzunehmen. Genau dies ist Wittgensteins These, wie wir es bereits herausgearbeitet haben. Kripke stellt aber auch diese These in Frage, indem er annimmt, dass wir überhaupt nicht in der Lage sind, die Leitfrage, welche Tatsachen die korrekte Befolgung einer Regel für alle künftigen Fälle festlegen, zu beantworten, weil es keine relevanten Tatsachen gibt. Die Hintergrundannahme, dass es solch eine Tatsache gebe, ist allen direkten Lösungsversuchen gemeinsam. Kripke dagegen macht eine skeptische Ansicht stark (wenn er sie auch selbst intuitiv als „irrsinnig bzw. abwegig“ einstuft (Kripke 1982, 8, vgl. auch 21f.): Es gibt keine Tatsachen, die das korrekte Antwortverhalten bzw. die Bedeutung eines Ausdrucks für alle künftigen Fälle festlegen. Auch soziale Tatsachen, Gepflogenheiten, können dies nicht leisten. Es gibt keine rationalen und normativen Kriterien für den zukünftigen Gebrauch eines Begriffs. Wir können jederzeit durch eine neue Praxis für neue Situationen eine Verwendung etablieren und damit für neue Situationen festlegen, was es heißt, einer Regel zu folgen. Hierzu ist in der neueren Literatur (vgl. Esfeld 2003) eine pragmatische Lösung vorgeschlagen worden. Das Haben von Überzeugungen mit einer festgelegten Bedeutung besteht darin, an sozialen Praktiken teilzuhaben, sich wechselseitig Überzeugungen mit bestimmten Bedeutungen zuzuschreiben. Damit liegt einerseits keine direkte Lösung vor, denn das würde voraussetzen, dass es Tatsachen gibt, die festlegen, wie eine Zuschreibung einer Überzeugung mit einer festgelegten Bedeutung zu erfolgen hat. Hier wird jedoch lediglich eine Zuschreibungspraxis vorausgesetzt, die sich weiterentwickeln kann. Andererseits liefert diese Zuschreibungspraxis doch Fakten für eine Lösung des Problems. Und diese Fakten schränken den Bedeutungsspielraum der verwendeten Ausdrücke ein.

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