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2.2 Sprechakttheorie – Bedeutung und Handlung: John Austin

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Eine erste wegweisende Systematisierung der vielfältigen Verwendungsweisen von Sprache hat Austin mit seiner Theorie der Sprechakte vorgelegt. Der Entwicklungsgang seines Denkens ist dabei in den berühmten Vorlesungen „Zur Theorie der Sprechakte“ (1962) sehr deutlich aufgezeigt. Wir beschränken uns jedoch hier darauf, zentrale Beispiele, Kernüberlegungen sowie diejenigen Unterscheidungen hervorzuheben, die sich als beständig erwiesen haben. Austin beginnt seine Vorlesungen mit vielen Alltagsbeispielen, die deutlich machen, dass wir mit sprachlichen Äußerungen zugleich eine Handlung vollziehen, die über das Äußern als Handlung hinausgeht:

– „Ja“ als Äußerung bei einer standesamtlichen Trauung.

– „Ich taufe dieses Schiff auf den Namen ‚Queen Elizabeth‘“ als Äußerung beim Wurf der Flasche gegen den Schiffsrumpf.

– „Ich vermache meine Uhr meinem Bruder“ als Teil eines Testaments.

Performativ Äußerungen

Deskriptiver Fehlschluss

Austin bezeichnet solche Äußerungen als „performative Äußerungen“ mit den Merkmalen, dass sie nichts beschreiben und weder wahr noch falsch sind. Wesentlich ist Folgendes: Indem wir etwas sagen, tun wir etwas, das wir gewöhnlich nicht nur als „etwas sagen“ bezeichnen würden. Austin beobachtet, dass es viele Alltagsäußerungen gibt, die wie Feststellungen aussehen, aber trotzdem keine Feststellungen, sondern performative Äußerungen sind. Manche sind sogar explizit performativ; das ist dann der Fall, wenn das Verb zugleich explizit angibt, welcher Sprechakt vorliegt, z.B. „Ich eröffne die Sitzung“. Mit Blick auf das Ergebnis seiner Vorlesungen erweisen sich Feststellungen aber auch als Sprechakte, nur dass sie eben die Besonderheit haben, dass sie wahr oder falsch sind. Diese Überlegungen führen ihn zu einer allgemeinen These über einen Grundfehler der Philosophie, den er als den „deskriptiven Fehlschluss“ bezeichnet: Viele traditionelle philosophische Schwierigkeiten sind aus dem Fehler entstanden, dass man Äußerungen, die etwas ganz anderes als Behauptungen darstellen sollen, einfach als Behauptungen über Tatsachen aufgefasst hat. Als Beispiele gelten dazu Sätze der Ethik oder Ästhetik: „Maria beim Umzug zu helfen, ist gut“ wird demgemäß fälschlich als Feststellung aufgefasst; in Wirklichkeit wird damit eine Aufforderung ausgesprochen, nämlich die Aufforderung, Maria zu helfen. Ähnliches gilt für den Satz „Dieses Bild von Mondrian ist schön“. Damit wird die Empfehlung ausgedrückt, diesem Bild wertschätzendes Verhalten entgegen zu bringen, z.B. indem man dafür sorgt, dass es in einem Museum ausgestellt wird. Welchen Status ethische und ästhetische Sätze letztlich haben, ist bis heute in der Forschung umstritten (Reicher 2005), aber die Sprachphilosophie hat hier den Anstoß für eine neue diesbezügliche Disziplin gegeben, nämlich die Metaethik (siehe Kapitel 12 und, ausführlicher, Quante 2008).

Das Verunglücken von Sprechakten

Austin analysiert Sprechakte hinsichtlich ihrer typischen Voraussetzungen. Dafür, dass wir etwas tun, indem wir etwas sagen, ist es wesentlich, dass eine Reihe von passenden Umständen vorliegt. Sind diese nicht gegeben, dann „verunglückt“ der Sprechakt. Er kommt entweder nicht zustande oder wird missbraucht. Austin unterscheidet Kategorien von Unglücksfällen, nämlich (1) Fehlberufungen auf ein konventionales Verfahren, (2) Fehlanwendungen und (3) Missbräuche. Fehlberufungen liegen zum Beispiel vor, wenn sich ein Westeuropäer scheiden lassen möchte, indem er einfach sagt „Ich bin jetzt von Dir geschieden“. Es gibt kein konventionales Verfahren, mit dem man sich auf diese Weise scheiden lassen kann. Eine Fehlanwendung dagegen liegt vor, wenn man eine Trauungszeremonie durchspielt, ohne dass ein Standesbeamter anwesend ist. Dann gibt es zwar ein konventionales Verfahren, aber es kommt nicht zu einer Trauung, weil die Zeremonie nicht korrekt (nämlich ohne einen Standesbeamten) und vollständig durchgeführt wurde. Schließlich sind Missbräuche dann gegeben, wenn die Handlung zustande kommt, aber unehrlich ist, z.B. beim Heiratsschwindler, aber auch bei einem unehrlichen Versprechen.

Lokutionärer, illokutionärer und perlokutionärer Akt

In seiner abschließenden systematischen Theorie der Sprechakte unterscheidet Austin in Bezug auf die Frage, was man mit einer Äußerung tut, drei Aspekte: Eine Äußerung ist ein „lokutionärer Akt“ insofern, als man mit ihr einen Satz einer bestimmten Sprache äußert, damit zugleich einen Satzinhalt zum Ausdruck bringt. Den Satzinhalt können wir gewöhnlich durch einen dass-Satz angeben und nennen diesen auch den „propositionalen Gehalt“ des Satzes. Dieselbe Äußerung ist ein „illokutionärer Akt“ insofern, als man mit ihr eine konventional festgelegte Handlung vollzieht, indem man etwas sagt, z.B. eine Behauptung aufstellt, ein Versprechen gibt, eine Warnung ausspricht, jemanden um etwas bittet oder zu etwas auffordert. Dieselbe Äußerung ist schließlich ein „perlokutionärer Akt“ insofern, als man durch sie beim Adressaten gewisse Wirkungen auf den Sprecher erzielt, z.B. dass der Angesprochene sich erschreckt, beunruhigt, vor Scham errötet, sich ängstigt, eine Handlung in Angriff nimmt. Bei einer Äußerung des Satzes „der Hund ist bissig“ besteht der lokutionäre Akt z.B. darin, dass der Sprecher in der deutschen Sprache über Nachbars Hund sagt, dass dieser zum Beißen neigt; der illokutionäre Akt kann unter geeigneten Umständen darin bestehen, dass der Sprecher den Adressaten vor Nachbars Hund warnt; der perlokutionäre Akt kann darin bestehen, dass der Sprecher mit der Äußerung den Adressaten davon zurückhält, sich dem Hund zu nähern. Austin war der Meinung, dass der illokutionäre Aspekt der interessanteste ist. Er hatte bereits bemerkt, dass Äußerungen ihre „illokutionären Rollen“ den in der jeweiligen Sprachgruppe befolgten Konventionen verdanken, und in der weiteren Entwicklung ist diese These dahingehend verschärft worden, dass die illokutionäre Rolle einer Äußerung durch diejenigen Konventionen festgelegt wird, die in der Sprachgruppe für den Umgang mit der Äußerung gelten. Da die Bedeutung einer Äußerung sich in der Regel durch die Angabe ihrer illokutionären Rolle und eines Sachverhaltes spezifizieren lässt (der Sprecher warnt den Adressaten davor, sich dem Hund zu nähern; der Sprecher sagt voraus, dass das Wetter sich bessern wird; der Sprecher verspricht dem Adressaten, dass er ihm im Garten helfen wird), hat Austin hier erstmals einen Ansatz entwickelt, der die Semantik der Wahrheitsbedingungen, die nur den propositionalen Gehalt eines Satzes angeben kann, und die Gebrauchstheorie der Bedeutung, die nur auf die Verwendungsweise achtet, miteinander verbindet.

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