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8. Ein Kind

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Alles in Jarons Haus war Lando vertraut. Teilweise hatte er ihm geholfen, die Möbel zu fertigen oder Holz dafür zu sägen. Jetzt saß er mit Ayda am Tisch in der Küche. Die Kinder hatten mit ihnen gegessen, waren aber sehr schweigsam gewesen. Banja hatte Lando manchmal zaghaft zugelächelt, aber Bale hatte nur böse Blicke für seinen neuen Ernährer übrig.

Lando überlegte, ihn darauf anzusprechen, entschied dann aber, dass er das nicht vor den anderen tun wollte. Das Essen war vorzüglich, doch Ayda, die sehr blass aussah, verteilte ihre Portion nur immer wieder anders auf ihrem Teller. Banja wurde bald unruhig, und ihre Mutter erlaubte ihr, zu Bett zu gehen. Lando mischte sich nicht ein. Er musste sich erst einmal an den Ablauf in dieser Familie gewöhnen.

Die kleine Banja kam zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange, was Lando sehr freute. Er lächelte ihr zu: „Schlaf gut und pass auf, dass die Wulas dich nicht beißen.“ Banja sah einen Moment besorgt aus, aber dann lachte sie: „Pass selber auf, dass die Wulas dich nicht beißen“, gab sie zurück. Lando nickte ernst: „Mach ich.“

Er überlegte, ob er Banja in ihre Schlafkammer bringen sollte, aber Bale nahm seine Schwester schon bei der Hand.

„Es gibt bei uns gar keine Wulas“, hörte Lando Bale erklären, während er den beiden nachsah, als sie den Raum verließen.

„Er kümmert sich gut um seine Schwester“, stellte er fest. Ayda schreckte aus ihren Gedanken. Sie nickte, stand auf und begann den Tisch abzuräumen. Lando wollte ihr helfen, was er früher als Gast nie getan hatte, aber sie lehnte ab.

„Bitte bleib sitzen. Ich muss etwas Wichtiges mit dir besprechen. Ich bin sofort fertig.“

Sie lief geschäftig zwischen Tisch und Spülstein hin und her. Seufzend setzte Lando sich, sah ihr zu und hoffte, dass sie seine Hilfe nicht aus Rücksicht auf sein schlimmes Bein abgelehnt hatte. Er war sehr gut in der Lage, sich zu bewegen und mitzuhelfen, und konnte es gar nicht leiden, wenn jemand Rücksicht auf ihn nahm. Kurz überlegte er, wenigstens den schweren Topf zur Spüle zu tragen, ließ es dann aber. Er wollte keinen Streit. Die Stimmung war sowieso schon angespannt.

Lando fiel auf, dass Ayda länger als nötig mit dem Geschirr beschäftigt war. Sie schien absichtlich zu trödeln. Wollte sie Zeit gewinnen? Er fragte sich, was sie ihm zu sagen hatte. Schon während des Essens war sie schweigsam gewesen und hatte vermieden, ihn anzusehen. Die Stimmung in diesem Haus war ganz anders, als er es von früher kannte und das machte ihn nervös.

Ayda brachte zwei dampfende Becher an den Tisch und setzte sich ihm gegenüber. Einen der Becher schob sie ihm zu. Es half ja nichts. Je eher sie es ihm sagte, desto eher hatte sie Gewissheit. Unangenehmes Schweigen machte sich breit und die Luft schien dicker zu werden. Atmen wurde anstrengend. Lando nahm das Getränk und schnupperte daran. Es roch süß und nach Kräutern. Dampf stieg ihm in die Nase. Fragend sah er Ayda an.

„Kräutermet“, erklärte sie, „das haben Jaron und ich abends oft getrunken.“ Sie starrte auf die Tischplatte und schluckte. Lando wartete geduldig, bis sie sich gefasst hatte. Er blies in den Becher, wirbelte damit den Dampf auf und nahm dann vorsichtig einen Schluck.

„Schmeckt gut“, stellte er fest. Ayda hatte eine Hand auf der Tischplatte liegen. Lando griff danach und hielt sie fest.

„Hab keine Angst. Du kennst mich doch“, sagte er schnell. Ihr Blick war unruhig und huschte um ihn herum, richtete sich aber nie direkt auf sein Gesicht. Sie atmete ein paar Mal tief durch, dann entzog sie ihm unsanft ihre Hand und sagte mit zittriger Stimme: „Ich bin schwanger.“

Lando starrte sie an, und ihr Herz blieb beinahe stehen. Sie wünschte sich, dass er irgendetwas sagen würde, aber das tat er nicht.

„Ich bin schwanger“, wiederholte sie leise, beugte sich vor und sah ihm endlich in die Augen. Dieses Mal war er es, der auswich.

„Bitte sag was“, flehte Ayda, die es einfach nicht länger aushalten konnte.

„Ein Kind“, sagte Lando tonlos und schüttelte den Kopf. Er hatte nicht viele Erfahrungen mit Säuglingen. Außer Bale und Banja hatte er noch nie ein Neugeborenes im Arm gehabt. Sie wirkten so zart und zerbrechlich, dass er sich nie getraut hätte, sie anzufassen, aber Jaron hatte ihm jedes Mal das kleine Menschlein anvertraut. Er erinnerte sich an das warme Gefühl, als er sie im Arm gehalten hatte. Es war schön gewesen, zu schön.

Lando war damals schon klar gewesen, dass er keine eigenen Kinder haben würde. Welche Frau wollte schon Nachwuchs mit einem Krüppel?

„Lando?“, fragte Ayda vorsichtig. Sie sah, dass er tief in Gedanken versunken war, aber sie brauchte jetzt eine Antwort.

„Ein Kind“, wiederholte er lauter und lächelte ihr zu, „Ich freue mich.“ Ayda fühlte, wie eine tonnenschwere Last von ihren Schultern fiel.

„Wirklich?“, fragte sie hoffnungsvoll und er nickte. Trotzdem wollte sie sichergehen, dass er verstanden hatte.

„Lando, du kennst doch die Gesetze dazu, oder?“, fing sie an. „Es ist Jarons Kind. Eigentlich dürfte ich es nicht bekommen, es sei denn, du …“.

Er unterbrach sie: „Nein! Rede nicht so etwas. Du behältst es“, sagte er bestimmend. Dann mischte sich Trauer in seine Stimme und ließ sie zittern.

„Es ist das letzte Geschenk von Jaron. Willst du es denn nicht?“

Ayda sah ihn an und suchte in seinem Blick nach seinen echten Gefühlen. Sie verstand sich darauf, den Gesichtsausdruck der Leute zu deuten. Zwar war sie keine Seherin, wie ihre Großmutter es gewesen war, aber sie hatte schon ein paar Fähigkeiten, die sie von den normalen Menschen unterschieden. Bei Lando erkannte sie jetzt Trauer und Angst, aber auch Hoffnung.

„Natürlich will ich es behalten“, sagte sie. Er kam zu ihr herum und kniete sich neben ihren Stuhl, was ihm ein wenig Probleme bereitete.

„Darf ich mal sehen?“, fragte er.

Ayda lachte: „Da gibt es noch nichts zu sehen“, erklärte sie, nahm aber seine Hand und legte sie auf ihren Bauch.

„Du musst noch ein paar Wochen warten, dann kannst du es strampeln fühlen“, erklärte sie und lächelte, als sie sein ehrfürchtiges Gesicht sah.

„Steh auf, du Kindskopf!“ Sie bemühte sich, ihrer Stimme einen strengen Ton zu geben. Lando versuchte hochzukommen, und Ayda ignorierte sein Stöhnen, als er sich an Stuhl und Tischplatte hochzog. Sie wusste, dass es ihm unangenehm war, wenn jemand ihm Hilfe anbot.

„Wir haben noch einiges zu besprechen“, meinte Ayda und deutete auf den Stuhl, auf dem er vorher gesessen hatte. Lando nahm Platz. Er fühlte sich wie ein kleiner Junge, dem die Mutter einen Vortrag hält. Amüsiert lächelte er, wurde aber sofort wieder ernst, als er in Aydas sorgenvolles Gesicht sah.

Endora

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