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Erstes bis drittes Bändchen
III

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Eine halbe Stunde nach der so eben von uns erzählten Scene öffnete sich dasselbe Fenster, das so rasch geschlossen worden war, vorsichtig wieder, und auf das Gesimse dieses Fensters lehnte sich, nachdem er zuvor aufmerksam rechts und links geschaut hatte, mit dem Ellenbogen eins junger Mensch von sechzehn bis achtzehn Jahren, in schwarzer Kleidung mit bauschigen Manschetten an der Handwurzel. Ein Hemd von feinem gesticktem Batist trat stolz aus seinem Leibrocke hervor und fiel wellenförmig auf seine mit Bindern überladenen Beinkleider. Seine kleine, zierliche, fleischige Hand zerknitterte ungeduldig damlederne, auf den Nähten gestickte Handschuhe. Ein perlgrauer Filzhut, der sich an seinem Ende unter der Krümmung einer herrlichen blauen Feder bog, beschattete seine langen Haare mit den goldenen Reflexen, welche auf eine wundervolle Weise ein ovales Gesicht mit weißer Hautfarbe, mit rosigen Lippen und schwarzen Brauen umgaben. Aber dieses anmuthige Gesamtwesen, das aus dem jungen Manne einen der reizendsten Cavaliere machen mußte, war für den Augenblick durch einen Ausdruck übler Laune verdüstert, welche ohne Zweifel von einer vergeblichen Erwartung herrührte, denn der junge Mann befragte mit seinen verweinten Augen die in der Ferne bereits in den Abendnebel getauchte Landstraße.

In seiner Ungeduld schlug er seine linke Hand mit den Handschuhen. Bei dem Lärm den er machte, schaute der Wirth, welcher seine Feldhühner vollends gerupft hatte, empor, nahm seine Mütze ab und fragte:

»Um welche Stunde werdet Ihr zu Nacht speisen, gnädiger Herr, denn man erwartet nur Eure Befehle, um aufzutragen?«

»Ihr wißt wohl, daß ich nicht allein zu Nacht speise, und daß ich einen Gefährten erwarte,« versetzte dieser. »Wenn Ihr ihn kommen seht, könnt Ihr Euer Mahl auftragen lassen.«

»Ah, mein Herr,« antwortete Meister Biscarros, »es ist nicht um Euren Freund zu tadeln, denn es steht ihm sicherlich frei, zu kommen oder nicht zu kommen, aber ich halte es für eine schlechte Gewohnheit, auf sich warten zu lassen.«

»Es ist nicht seine Gewohnheit, und ich staune über dieses Zögern.«

»Ich gehe weiter, ich staune nicht nur, sondern ich bekümmere mich darüber. Der Braten wird verbrannt sein.«

»Nehmt ihn vom Spieße.«

»Dann wird er kalt sein.«

»Setzt einen andern an das Feuer.«

»Er wird nicht gar werden.«

»Dann, mein Freund, macht es, wie Ihr wollt,« sprach der junge Mann, der sich trotz seiner schlimmen Laune eines Lächelns über die Verzweiflung des Wirthes nicht erwehren konnte. »Ich überlasse die Sache ganz Eurer erhabenen Weisheit.«

»Es gibt keine Weisheit, und wäre es die des Könige Salomo,« versetzte der Wirth, »welche ein gewärmtes Mittagsbrod eßbar machen könnte.«

Und auf dieses Axiom, das Boileau vierzig Jahre später in Verse brachte, kehrte Biscarros, schmerzlich den Kopf schüttelnd, in sein Haue zurück.

Der Jüngling, als wollte er seine Ungeduld hintergehen, zog sich in sein Zimmer zurück, ließ einen Augenblick seine Stiefeln auf dem Boden klingen und eilte bei dem entfernten Geräusche von Pferdetritten, daß er gehört zu haben glaubte, abermals an das Fenster.

»Endlich,« rief er, »endlich ist er da, Gott sei gelobt!«

Er sah wirklich jenseits des Gebüsches, wo die Nachtigall sang, deren melodischen Tönen der junge Mann in seiner großen Unruhe ohne Zweifel keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte, den Kopf eines Reiters erscheinen. Zu seinem Erstaunen aber erwartete er vergebens, der Reiter wurde auf dem Wege ausmünden. Der Ankömmling zog sich nach rechts drang in das Gehölze, oder vielmehr sein Hut sank in demselben, ein sicherer Beweis, daß er abgestiegen war. Einen Augenblick nachher gewahrte der Beobachter durch die vorsichtig auf die Seite geschobenen Zweige eine graue Kasake und den Blitz von einem der letzten Strahlen der untergehenden Sonne, der sich auf dem Laufe einer Muskete spiegelte.

Der junge Mann blieb in Gedanken versunken an seinem Fenster. Der in dem Gehölze verborgene Reiter war offenbar nicht der Gefährte, den er erwartete, und der Ausdruck von Ungeduld, der sein Gesicht zusammenzog, machte einem Ausdruck der Neugierde Platz.

Bald zeigte sich ein zweiter Hut an der Biegung der Straße: der junge Mann zog sich so weit zurück, daß er nicht mehr gesehen werden konnte.

Dieselbe graue Kasake, dasselbe Manoeuvre des Pferdes, dieselbe glänzende Muskete. Der Zweite richtete an den, welcher zuerst gekommen war, einige Worte, welche unser Beobachter der Entfernung wegen nicht hören konnte, und in Folge der Kunde, die ihm sein Gefährte ohne Zweifel gab, drang er in die mit dem Gehölze parallel liegende Baumgruppe, stieg ebenfalls vom Pferde, kauerte sich hinter einen Felsen und wartete.

Von dem erhabenen Punkte, wo sich der junge Mann befand, sah er den Hut über dem Felsen; neben dem Hute funkelte ein leuchtender Punkt, es war das Ende des Musketenlaufes.

Ein Gefühl unbestimmter Bangigkeit regte sich in dem jungen Manne, der, immer mehr zurückweichend, die Scene beobachtete.

»Oh, ah!« fragte er sich, »bin ich es oder sind es die tausend Louisd’or, die ich bei mir trage, woran man sich vergreifen will? Aber nein, vorausgesetzt Richon kommt an, und ich kann mich diesen Abend auf den Weg begeben, so gehe ich nach Libourne und nicht nach Saint-André-de-Cubzac. Folglich komme ich nicht an dem Orte vorüber, wo diese Bursche sich verborgen halten. Wenn nur mein alter Pompée da wäre, ich könnte ihn um Rath fragen. Aber wenn ich mich nicht täusche, ja, meiner Treue! hier erscheinen noch zwei Männer, sie stoßen zu den Andern. Ei, ei, das sieht ganz aus, wie ein Hinterhalt.«

Der junge Mann machte abermals einen Schritt rückwärts.

In diesem Augenblick erschienen wirklich zwei Menschen an demselben Punkte des Weges. Aber diesmal hatte nur einer von ihnen die graue Kasake an. Der Andere ritt auf einem mächtigen Rappen, war in einen großen Mantel gehüllt, trug einen verbrämten Filzhut mit einer weißen Feder, und man sah unter dem Mantel, den der Abendwind emporhob, eine reiche Stickerei glänzen, welche sich über einen nacaratfarbigen Leibrock hinschlängelte.

Man hätte glauben sollen, der Tag verlängere sich, um diese Scene zu beleuchten, denn die letzten Strahlen der Sonne entzündeten, sich aus einem von den schwarzen Wolkenlagern lösend, welche sich zuweilen auf eine so pittoreske Weise am Horizont ausstrecken, plötzlich tausend Rubine an den Fensterscheiben eines hübschen Hausen, das etwa hundert Schritte von dem Flusse lag, und ohne dieses, verloren zwischen den Zweigen einer dichten Baumgruppe, von dem jungen Menschen nicht bemerkt worden wäre. Diese Lichtverstärkung erlaubte wahrzunehmen, einmal, daß die Blicke der Spione sich abwechselnd dem Eingange des Dorfes und dem kleinen Hause mit den funkelnden Fensterscheiben zuwandten; dann, daß die grauen Kasaken die größte Achtung vor der weißen Feder zu haben schienen, mit der sie nur mit entblößtem Haupte sprachen, und endlich, daß eine Frau, als sich eines von den erleuchteten Fenstern öffnete, auf dem Balcon erschien, sich einen Augenblick vorbeugte, als ob sie ebenfalls Jemand erwartete, und dann, ohne Zweifel aus Furcht gesehen zu werden, wieder zurückkehrte.

Zu gleicher Zeit senkte sich die Sonne hinter den Bergen und je mehr sie sich senkte, desto mehr schien das Erdgeschoß des Hauses in den Schatten zu fallen, und die Fenster allmählich verblassend, stieg das Licht, auf das Schieferdach und verschwand endlich, nachdem es noch einen Augenblick auf einem Bündel vergoldeter Pfeile gespielt hatte, welche die Wetterfahne bildeten.

Für jeden verständigen Geist gab es hier hinreichend Andeutung, und auf diese Andeutung konnte man, wenn nicht Gewißheit, doch wenigstens Wahrscheinlichkeiten gründen.

Es unterlag kaum einem Zweifel, daß diese Menschen das kleine vereinzelte Haus bewachten, auf dessen Balcon sich einen Augenblick eine Frau gezeigt hatte. Es unterlag kaum einem Zweifel, daß diese Frau und diese Männer eines und dieselbe Person, aber in verschiedenen Absichten, erwarteten. Es war ferner wahrscheinlich, daß diese Person durch das Dorf und folglich vor dem Gasthause vorüberkommen mußte, das auf halben Weges zwischen dem Dorfe und dem Gehölze lag, wie das Gehölze halbwegs des Gasthofes und den berührten kleinen Hauses war. Es erschien endlich unzweifelhaft, daß der Reiter mit der weißen Feder der Anführer der Reiter mit den grauen Kasaken war, und den derselbe aus dem Eifer zu schließen, den er, sich in seinen Steigbügeln erhebend, um weiter zu sehen, entwickelte, von Eifersucht getrieben und auf eigene Rechnung lauerte.

In dem Augenblick, wo der junge Mann in seinem Innern diese Reihenfolge von Schlüssen vollendete, die sich aneinander ketteten, wurde die Thüre seines Zimmers geöffnet, und Meister Biscarros trat ein.

»Mein lieber Wirth,« sagte der junge Mann, ohne demjenigen, welcher zu so gelegener Zeit bei ihm eintrat, Zeit zu lassen, den Beweggrund seinen Besuchen zu erklären, einen Beweggrund, den er überdies errieth, »mein lieber Wirth, kommt hierher und sagt mir, wenn meine Frage keine Unbescheidenheit ist, wem jenes kleine Haus gehört, welches man da unten wie einen weißen Punkt mitten unter den Pappeln und, Adamsfeigenbäumen erblickt?«

Der Wirth folgte mit den Augen der Richtung den Zeigefingers und erwiederte, sich an der Stirne kratzend, mit einem Lächeln, das er spöttisch zu machen suchte:

»Mutter Treue, bald dem Einen, bald dein Andern, . . . Euch, wenn Ihr einen Grund habt, die Einsamkeit zu suchen, mag es Euer Wunsch sein, Euch selbst zu verbergen, oder irgend Jemand sonst zu verbergen.«

Der Jüngling erröthete.

»Aber wer bewohnt gegenwärtig dieses Haus?« fragte er.

»Eine junge Dame, die sich für eine Wittwe ausgibt, und die der Schatten ihres ersten und vielleicht auch ihren zweiten Gatten von Zeit zu Zeit besucht. Nur ist Eines zu bemerken: diese zwei Schatten verständigen sich ohne Zweifel unter einander und kommen nie zu gleicher Zeit.«

»Und seit wann,« fragte lächelnd der junge Mann, »bewohnt die schöne Wittwe das vereinzelte, wie es scheint, so bequeme Haus?«

»Seit ungefähr zwei Monaten. Sie lebt indessen sehr zurückgezogen, und ich glaube, es kann sich Niemand rühmen, sie seit diesen zwei Monaten gesehen zu haben; denn sie geht äußerst selten ans, und wenn sie ausgeht, nur verschleiert. Eine reizende kleine Kammerfrau kommt jeden Morgen zu mir und bestellt die Speisen für den Tag: man bringt sie zu ihr, sie empfängt die Platten in der Hausflur, bezahlt die Rechnung reichlich und schließt die Thüre unmittelbar vor der Nase des Kellners. Diesen Abend zum Beispiel findet dort ein Mahl statt und für sie bereitete ich die Wachteln und Feldhühner, die Ihr mich habt rupfen sehen.«

»Und wem gibt sie Abendbrod?«

»Ohne Zweifel einem von den zwei Schatten, von denen ich vorhin sprach.«

»Habt Ihr zuweilen diese zwei Schatten gesehen?«

»Ja, aber nur vorüber kommen, wenn die Sonne untergegangen war, oder am Morgen, ehe der Tag graute.«

»Ich bin darum nicht minder überzeugt, daß Ihr, sie wahrnehmen mußtet, mein lieber Herr Biscarros, denn bei dem ersten Worte, das Ihr sprecht, sieht man, daß Ihr ein Beobachter seid. Laßt hören, was habt Ihr Besonderes an dem Wesen dieser zwei Schatten wahrgenommen?«

»Der eine ist der eines Mannes von sechzig bis fünfundsechzig Jahren, und dieser sieht mir aus, als wäre er der des ersten Gatten, denn er kommt wie ein Schatten, welcher des rechtlichen Vorzugs zur Zeit sicher ist. Der andere ist der eines jungen Mannes von sechsundzwanzig bis achtundzwanzig Jahren. Dieser ist, ich muß es gestehen, etwas schüchterner und hat ganz das Aussehen einer gefolterten Seele. Ich wallte auch wetten, es ist der des zweiten Gatten.«

»Um welche Zeit sollt Ihr dem Befehle gemäß das Abendbrod heute liefern?«

»Um acht Uhr.«

»Es ist halb acht,« sprach der junge Mann, eine sehr schöne Uhr, die er bereits wiederholt um Rath gefragt hatte, aus seiner Tasche ziehend. »Ihr habt also keine Zeit zu verlieren.«

»Oh, seid unbesorgt, es wird bereit sein. Ich kam nur herauf, um von dem Eurigen zu sprechen und Euch zu sagen, daß ich es völlig wieder angefangen habe. Da Euer Gefährte so lange zögert, so macht nur, daß er erst in einer Stunde kommt.«

»Hört, mein lieber Wirth,« sprach der junge Cavalier mit der Miene eines Menschen, für den die wichtige Angelegenheit seines pünktlich aufgetragenen Mahles nur eine secundäre Sache ist, quält Euch nicht wegen unseres Abendbrodes, selbst wenn die Person, die ich erwarte, käme, denn wir haben miteinander zu reden. Ist das Essen nicht bereit, so sprechen wir vorher, ist es bereit, so sprechen wir nachher.«

»In der That, mein Herr,« sagte der Wirth, »Ihr seid ein sehr gefälliger Edelmann, und da Ihr Euch auf mich verlassen wollt, so werdet Ihr gewiß auch mit mir zufrieden sein.«

Biscarros machte hiernach eine tiefe Verbeugung, welche der junge Mann mit einem leichten Zeichen des Kopfes erwiederte, und er trat ab.

»Und nun begreife ich Alles,« sagte der junge Mann zu sich selbst und nahm neugierig wieder seinen Posten am Fenster ein. »Die junge Dame erwartet irgend Einen, der von Libourne kommen muß, und die Männer im Gehölze beabsichtigen den Gast anzugehen, ehe dieser Zeit gehabt hat, an die Thüre zu klopfen.«

In derselben-Minute und gleichsam um die Vorhersehung unseres scharfsichtigen Beobachters zu rechtfertigen, ließ sich der Tritt eines Pferdes auf der Linken vernehmen. Rasch wie der Blitz sondierte das Auge des jungen Mannes das Gehölze, um das benehmen der im Hinterhalte liegenden Leute zu beobachten. Obgleich die Nacht bereits die Gegenstände in einer Halbdunkelheit zu vermengen anfing, kam es ihm doch vor, als schöben die Einen die Zweige auf die Seite, während die Andern sich erhoben, um über die Felsen zu schauen, und Alle sich zu einer Bewegung vorbereiteten, die ganz den Anschein eines Angriffs hatte. Zu gleicher Zeit drang ein hartes Geräusch wie das einer Muskete, welche man spannt, an sein Ohr, und machte sein Herz beben. Da wandte er sich rasch nach den Seite von Libourne, suchte denjenigen zu erschauen, welchen dieses mörderische Geräusch bedrohte, und sah, die Nase im Wind, den Arm auf der Hüfte gerundet; auf einem völlig losgekoppelten Pferde im Trabe einen jungen Menschen erscheinen, dessen mit weißem Atlas ausgefütterter Mantels anmuthig die rechte Schulter enthüllte. Von ferne erschien dieses Gesicht voll Eleganz, voll welcher Poesie und freudigen Stolzes; von Nahem war es ein Antlitz mit feinen Linien, mit belebtem Teint, mit glühendem Auge, mit einem Munde, halb geöffnet durch die Gewohnheit des Lächelns, mit zartem schwarzem Schnurrbart und kleinen weißen Zähnen. Ein triumphierendes Schwingen der Reitpeitsche, ein kurzes Pfeifen, dem ähnlich, welches bei den Petits-maitres jener Zeit, nach dem Beispiele von Herrn Gaston von Orleans, Mode war, machten vollends aus dem Ankömmling den Cavalier nach den bei dem Hofe von Frankreich, welcher bei allen Höfen Europas bereits den Ton anzugeben begann, in Kraft stehenden Gesetzen.

Fünfzig Schritte hinter ihm, und ein Pferd reitend, dessen Gang er nach dem des Pferdes seines Herrn regelte, kam ein sehr anmaßender und aufgeblasener Lackei, welcher einen nicht minder ausgezeichneten Rang unter den Bedienten, als sein Herr unter den Edelleuten einzunehmen schien.

Der schöne Jüngling, der an dem Fenster des Gasthofes stand, konnte sich, ohne Zweifel noch zu jung, um kalt einer Scene, wie sie ihm verheißen war, beizuwohnen, eines Bebens bei dem Gedanken nicht erwehren, daß die zwei Unvergleichlichen, welche so sorglos und sicher verrückten, aller Wahrscheinlichkeit nach, zu dem Hinterhalte gelangend, der ihrer harrte, den Waffen ihre Feinde unterliegen sollten.

Ein rascher Kampf schien sich in ihm zwischen der Schüchternheit seines Alters und seiner Nächstenliebe zu entspinnen. Endlich gewann das edle Gefühl die Oberhand, und als der Reiter vor der Thüre des Gasthauses vorüberzog, ohne auf seine Seite zu schauen, rief der junge Mann, einer raschen Aufwallung, einem unwiderstehlichen Entschlusse nachgebend, dem schönen Reisenden zu:

»Holla! mein Herr, haltet an, wenn es Euch gefällig ist, denn ich habe Euch etwas Wichtiges mitzuteilen.«

Bei dieser Stimme und bei diesen Werten hob der Reiter den Kopf empor und hielt als er den jungen Mann an dem Fenster sah, sein Pferd mit einer Handbewegung an, die dem besten Stallmeister Ehre gemacht hätte.

»Haltet Euer Pferd nicht an, mein Herr,« fuhr der junge Mann fort, »nähert Euch mir im Gegentheil, als ob es ohne besondere Absicht geschähe und wie wenn Ihr mich kennen würdet.«

Der Reisende zögerte einen Augenblick; als er aber an der Miene desjenigen, welcher zu ihm sprach, wahrnahm, daß er es mit einem jungen Edelmanne von guter Haltung und schönem Antlitz zu thun hatte, nahm er den Hut in die Hand und ritt lächelnd vor.

»Hier bin ich zu Euren Diensten, mein Herr,« sprach er, »was steht zu Befehl?«

»Kommt immer näher, mein Herr,« fuhr der Unbekannte am Fenster fort, »denn was ich Euch zu sagen habe, läßt sich nicht laut sagen. Setzt Euren Hut auf; man muß glauben, wir kennen uns seit langer zeit, und Ihr wollt mich in diesem Gasthause besuchen.«

»Mein Herr,« sprach der Reisende, »ich begreife nicht.«

»Ihr werdet sogleich begreifen. Mittlerweile bedeckt Euch; kommt noch näher, immer näher; reicht mir die Hand. So ist es gut. Ich bin entzückt, Euch zu sehen. Nun überschreitet diesen Gasthof nicht, oder Ihr seid verloren.«

»Was gibt es denn? In der That, Ihr erschreckt mich,« sprach lächelnd der Reisende.

»Ihr begebt Euch in jenes kleine Haus, wo das Licht glänzt, nicht war?« Der Reiter machte eine Bewegung. »Auf dem Wege nach jenem Hause aber, dort wo sich die Straße biegt, indem düsteren Gebüsche haben sich vier Menschen in Hinterhalt gelegt und warten auf Euch.«

»Ah,« sprach der Reiter und schaute mit allen seinen Augen den kleinen, bleichen jungen Mann an, »ah! Ihr seid Eurer Sache gewiß?«

»Ich habe gesehen, wie sie nach einander ankamen, von ihren Pferden stiegen und sich theils hinter den Bäumen, theils hinter den Felsen verbargen. Als Ihr so eben aus dem Dorfe herausrittet, hörte ich sie ihre Musketen spannen.

»Gut!« versetzte der Reiter, welcher ebenfalls sich zu beunruhigen anfing.

»Ja, mein Herr, es ist, wie ich Euch sage,« fuhr der junge Mann mit dem grauen Hute fort, »und wenn es heller wäre, vermöchtet Ihr sie vielleicht zu sehen und zu erkennen.«

»Oh, ich brauche sie nicht zu erkennen,« sprach der Reisende; »ich weiß sehr wohl, wer diese Menschen sind. Aber, wer hat Euch gesagt, mein Herr, daß ich in jenes Haus gehe und daß man auf mich lauert?«

»Ich habe es errathen.«

»Ihr seid ein reizender Oedipus. Ich danke Euch. Ah! man will mich also todt schießen! Wie viel Mann sind es zu dieser Operation?«

»Vier, von denen der eine der Führer zu sein scheint.«

»Dieser Führer ist älter als die Andern, nicht wahr?«

»Ja, so viel ich von hier aus beurtheilen konnte,«

»Gebückt?«

»Weiße Feder, gestickter Leibrock, brauner Mantel, sonderbare, aber gebieterische Geberden.«

»Ganz richtig, es ist der Herzog von Epernon.«

»Der Herzog von Epernon!« rief der junge Edelmann.

»Ah! gut, ich erzähle Euch da meine Angelegenheiten,« sagte lachend der Reisende; »doch gleichviel, Ihr leistet mir einen so wichtigen Dienst, daß ich es nicht so genau nehme. Und wie sind die Leute von seinem Gefolge gekleidet?«

»Graue Kasaken.«

»Ganz richtig, das sind seine Stockträger.«

»Aus denen aber heute Musketenträger geworden sind.«

»Bei meiner Ehre»sehr verbunden! Wißt Ihr nun, was Ihr jetzt thun solltet, mein edler Mann?«

»Nein, aber sagt mir Eure Meinung, und wenn das, was ich thun soll, Euch dienen kann, so bin ich zum Voraus dazu geneigt.«

»Habt Ihr Waffen?«

»Ja, ich habe meinen Degen.«

»Habt Ihr Euren Bedienten?«

»Allerdings, aber er ist nicht hier, ich habe ihn Einem, den ich erwarte, entgegen geschickt.«

»Nun, Ihr solltet mir hilfreiche Hand leisten.«

»Wozu?«

»Um diese Elenden anzugreifen und sie und ihren Führer um Gnade bitten zu zu lassen.«

»Seid Ihr verrückt, mein Herr!« rief der junge Mann in einem Tone, welcher bewies, daß er nicht im Mindesten zu einem solchen Unternehmen geneigt war.

»In der That, ich bitte Euch nur Verzeihung,« sprach der Reisende, »ich vergaß, daß Euch die Sache nichts angeht.«

Dann sich gegen seinen Bedienten umwendend, welcher, da er sah, daß sein Herr anhielt, die gehörige Entfernung beobachtend, ebenso angehalten hatte, sagte er:

»Castorin, komm hierher.«

Zu gleicher Zeit legte er die Hand auf die Holfter seines Sattels, als wollte er sich des guten Zustandes seiner Pistolen versichern.

»Ah, Herr!« rief der, junge Edelmann und streckte den Arm gleichsam um ihn zurückzuhalten aus: »Herr, im Namen des Himmels! wagt Euer Leben nicht bei einend solchen Abenteuer. Tretet vielmehr in den Gasthof ein, um bei demjenigen, welcher Eurer harrt, keinen Verdacht zu erwecken. Bedenkt, es handelt sich um die Ehre einer Frau.«

»Ihr habt Recht,« sprach der Reiter, »obgleich es sich bei diesem Verhältnis nicht gerade um die Ehre, sondern um das Glück handelt. Castorin, mein Freund,»fuhr er sich an seinen Lackeien wendend, fort, »wir gehen für den Augenblick nicht weiter.«

»Wie« rief Castorin, in seinen Hoffnungen beinahe eben so sehr getäuscht, wie sein Gebieter, »was sagt der gnädige Herr?«

»Ich sage, Mademoiselle Francinette werde diesen Abend des Glückes Dich zu sehen beraubt sein, weil wir die Nacht im Gasthofe zum Goldenen Kalbe zubringen. Gehe also hinein, bestelle nur Abendbrod und laß mir ein Bett bereiten.«

Und du der Reiter ohne Zweifel bemerkte, daß Costorin Einwendungen machen wollte, begleitete er die letzten Worte mit einer Bewegung des Kopfes, die keine längere Erörterung zuließ. Castorin verschwand unter der großen Thüre, das Ohr gesenkt und ohne daß er ein einzigen Wort mehr wagte.

Der Reisende folgte Costorin einen Augenblick mit den Augen, schien dann, nachdem er nachgedacht hatte, seinen Entschluß zu fassen, stieg ab, ging hinter seinem Lackeien durch das Thor, warf ihm die Zügel seines Pferdes zu und war mit zwei Sprüngen vor dem Zimmer des jungen Edelmannes, der, als er plötzlich seine Thüre aufgehen sah, sich einer Bewegung des Erstaunens vermischt mit Furcht nicht erwehren konnte, welche jedoch der Ankömmling wegen der Dunkelheit nicht wahrnahm.

»Also,« sprach der Reisende, sich heiter dem jungen Manne nähernd und herzlich eine Hand schüttelnd, die man ihm nicht reichte, »also es ist abgemacht, ich verdanke Euch das Leben.«

»Ah, Herr, Ihr übertreibt den Dienst, den ich Euch geleistet habe,« entgegnete der Jüngling und suchte einen Schritt rückwärts.

»Nein, keine Bescheidenheit, es ist, wie ich Euch sage. Ich kenne den Herzog: er ist roh wie der Teufel! Ihr aber seid ein Muster von Scharfsichtigkeit, ein Phönix christlicher Menschenfreundlichkeit. Doch sagt mir, Ihr, der Ihr so liebenswürdig, so mitleidig seid, habt Ihr Eure Güte so weit getrieben, daß Ihr Kunde bis in das Haus gelangen ließet?«

»In welches Haus?«

»In das Haus, wohin ich mich begab, wo man mich erwartet.«

»Nein,« sprach der junge Mann, »ich gestehe, ich dachte nicht daran, und hätte ich auch daran gedacht, so wären mir doch keine Mittel zu Gebot gestanden. Ich bin selbst erst seit zwei Stunden hier und kenne Niemand in jenem Hause.«

»Ah! Teufel!« rief der Reisende mit einer Bewegung der Unruhe. »Arme Nanon, wenn Ihr nur nichts geschieht!«

»Nanon! Nanon von Lartigues!« rief der junge Mann erstaunt.

»Ah! Ihr seid ein Zauberer?« sprach der Reisende. »Ihr seht Menschen sich an der Straße in Hinterhalt legen und errathet, an wen sie sich machen wollen. Ich sage Euch einen Taufnamen und Ihr errathet den Familiennamen. Erklärt mir dies geschwinde, oder ich zeige Euch an und lasse Euch von dem Parlament von Bordeaux zum Scheiterhaufen verurtheilen.«

»Diesmal werdet Ihr zugestehen,« versetzte der junge Mann, daß es nicht viel Witz brauchte, um Euch auf die Fährte zu kommen. Sobald Ihr den Herzog von Epernon als Euren Nebenbuhler genannt hattet, war es offenbar, daß, wenn Ihr eine gewisse Nanon nanntet, dies die Nanon von Lartigues sein mußte, die Schöne, die-Reiche, die durch ihren Geist Glänzende, von der der Herzog bezaubert ist und welche in seinem Gouvernement herrscht, weshalb sie von der ganzen Guienne beinahe eben so sehr verflucht wird, als er selbst. Und Ihr wart auf dem Wege zu dieser Frau?« fuhr der Jüngling mit dem Tone des Vorwurfs fort.

»Meiner Treue! ja, ich gestehe es, und da ich sie einmal genannt habe, so verleugne ich sie nicht. Überdies wird Nanon mißkannt und verleumdet. Nanon ist eine reizende Person, ihren Versprechungen äußerst getreu, so lange sie ein Vergnügen darin findet, dieselben zu halten, und demjenigen ganz ergeben, welchen sie liebt, so lange sie ihn liebt. Ich sollte diesen Abend mit ihr speisen, aber der Herzog hat den Fleischtopf umgeworfen. Wünscht Ihr, daß ich Euch morgen Nanon vorstelle? Was Teufels! der Herzog wird wohl früher oder später nach Agen zurückkehren müssen.

»Ich danke,« erwiederte der junge Edelmann mit trockenem Tone. »Ich kenne Fräulein von Lartigues nur dem Namen nach und wünsche sie nicht anders kennen zu lernen.«

»Ihr habt bei Gott Unrecht. Nanon ist in jeder Beziehung ein gutes Mädchen.«

Der junge Manns faltete die Stirne.

»Ah, um Vergebung,« versetzte der Reisende erstaunt, »aber ich glaubte, in Eurem Alter . . .«

»Mein Alter ist allerdings das, in welchem man dergleichen Vorschläge gewöhnlich annimmt,« versetzte der Jüngling, als er die schlimme Wirkung bemerkte, welche sein strenges Wesen hervorbrachte, »und ich würde ihn ebenfalls gern annehmen, wäre ich nicht hier auf der Durchreise und genöthigt, meinen Weg noch in dieser Nacht fortzusetzen.«

»Oh! bei Gott, Ihr werdet wenigstens nicht gehen, bevor ich weiß, wer der edle Ritter ist, der nur auf eine so zuvorkommende Weise das Leben gerettet hat.«

Der junge Mann schien zu zögern; dann nach einem Augenblick:

»Ich hin der Vicomte von Cambes.«

»Ah, ah,« rief der Andere, »ich hörte von einer reizenden Vicomtesse von Cambes sprechen, welche eine bedeutende Anzahl von Gütern rings um Bordeaux besitzt und die Freundin der Frau Prinzessin ist.«

»Das ist meine Verwandtin,« sprach der Jüngling lebhaft.

»Meiner Treue, ich wache Euch mein Compliment, Vicomte, denn man nennt sie unvergleichlich. Ich hoffe, wenn mich die Gelegenheit in dieser Hinsicht begünstigt, werdet Ihr mich derselben vorstellen. Ich bin der Baron von Canolles, Kapitän in Navailles, und benütze für den Augenblick einen Urlaub, den mir der Herzog von Epernon auf Empfehlung von Fräulein von Lartigues bewilligt hat.«

»Der Baron von Canolles!« rief der Vicomte und schaute diesen mit der ganzen Neugierde an, welche in ihm der in den galanten Abenteuern jener Zeit berühmte Name erweckte.

»Ihr kennt mich,« sprach Canolles.

»Nur dem Rufe nach,« antwortete der Vicomte.

»Dein schlimmen Rufe nach, nicht wahr? Was wollt Ihr? Jeder folgt seiner Natur und ich, ich liebe das bewegte Leben.«

»Es steht Euch vollkommen frei, mein Herr, zu leben, wie es Euch zusagt.« erwiederte der Vicomte. »Erlaubt mir jedoch eine Bemerkung.«

»Welche?«

»Es wird hier eine Frau furchtbar Euretwegen gefährdet, und der Herzog wird sich dafür, daß er durch Euch hintergangen worden ist, rächen.«

»Teufel! Ihr glaubt?«

»Allerdings, wenn auch eine . . . leichtsinnige . . . Frau, ist darum Nanon von Lartigues nicht minder Frau, und durch Euch compromittiert. Es ist folglich Eure Sache, über ihr zu wachen.«

»Ihr habt meiner Treue Recht, junger Nestor, und ich besaß bei dem Zauber Eurer Unterhaltung meine Pflichten als Edelmann. Wir werden verrathen worden sein, und der Herzog weiß ohne Zweifel Alles. Wäre nur Nanon davon in Kenntniß gesetzt: sie ist geschickt, und ich würde mich auf sie verlassen, daß sie es dahin brächte, daß der Herzog um Verzeihung bitten müßte. Laßt hören, versteht Ihr den Krieg, junger Mann?«

»Noch nicht,« antwortete der Vicomte lachend; »aber ich glaube da, wohin ich gehe, werde ich ihn lernen.«

»Wohl, seine erste Lection! Ihr wißt, daß man im guten Kriege, wenn die Kraft unnütz ist, List anwenden muß; helft mir also eine List ausführen.«

»Gern. Aber sprecht, auf welche Art?«

»Das Wirthshaus hat zwei zwei Thüren.«

»Das weiß ich nicht.«

»Aber ich weiß es; eine geht auf die Landstraße, die andere auf das Feld. Ich entferne mich durch diejenige, welche auf das Feld geht, beschreibe einen Halbkreis und klopfe an das Haue von Nanon, welches ebenfalls eine Hinterthüre hat.«

»Ja, damit man Euch dort ertappt?« rief der Vicomte. »Ihr seid in der That ein guter Taktiker.«

»Damit man mich ertappt?« versetzte Canolles.

»Allerdings. Des Harrens müde, und da er Euch nicht wieder von hier herauskommen sah, wird der Herzog nach dem Hause zurückgekehrt sein.«

»Ja, ich gehe aber nur hinein und sogleich wieder zurück.«

»Seid Ihr einmal innen, so kommt Ihr nicht wieder heraus.«

»Junger Mann,« sprach Canolles, »Ihr seid offenbar ein Zauberer.«

»Ihr werdet ertappt und vielleicht unter ihren Augen getödtet, das ist das Ganze.«

»Bah!« sagte Canolles, »es gibt Schränke.«

»Oh!« rief der Vicomte.

Dieses Oh! Wurde mit einem so beredten Tone ausgesprochen, es enthielt so viele verschiedene Vorwürfe, es lag darin so viel Schamhaftigkeit, so viel Zartgefühl, daß Canolles plötzlich inne hielt und trotz der Dunkelheit seinen durchdringenden Blick auf den jungen Mann heftete, der sich mit dem Ellbogen auf das Fenster lehnte.

Der Vicomte fühlte das ganze Gewicht dieses Blickes und versetzte mit heiterer Miene:

»Ihr habt im Ganzen Recht,– Baron, geht; verbergt Euch nur gut, damit man Euch nicht ertappt.«

»Nein, ich habe Unrecht,« sprach Canolles, »und Ihr habt Recht. Aber wie sie benachrichtigen?«

»So scheint mir, ein Brief . . .«

»Wer wird ihn zu ihr tragen?«

»Ich glaubte einen Lackeien bei Euch gesehen zu haben. Ein Lackei wagt unter solchen Umständen nur einige Stockschläge, während ein Edelmann sein Leben einsetzt.«

»Ich will meinen Kopf verlieren, wenn Castorin den Auftrag nicht vortrefflich vollzieht, umso mehre als ich vermuthe, daß der Bursche ein Einverständniß im Hause hat.«

»Ihr seht, daß sich Allen auf diese Art ordnen läßt,« sprach der Vicomte.

»Ja; habt Ihr Dinte, Papier und Feder?«

»Nein,« sagte der Vicomte, »doch es gibt da unten.«

»Um Vergebung,« versetzte Canolles, »aber in der That, ich weiß nicht, wie mir diesen Abend geschieht, und ich mache Dummheit auf Dummheit. Gleichviel, ich danke für Euren guten Rath, Vicomte, und werde ihn sogleich befolgen.«

Und ohne mit den Augen den jungen Mann zu verlassen, den er seit einigen Momenten mit besonderer Beharrlichkeit prüfend anschaute, erreichte Canolles die Thüre und stieg die Treppe hinab, während der Vicomte sehr beunruhigt murmelte:

»Wie er mich anschaute sollte er mich erkannt haben!«

Canolles war indessen hinab gegangen, und nachdem er einen Augenblick als tief bekümmerter Mann die Wachteln, die Feldhühner und die Leckerbissen betrachtet hatte, welche Meister Biscarros selbst in dem Tischkorbe auf dem Kopfe seines Küchengehilfen aufhäufte, und die ein Anderer vielleicht essen sollte, obgleich sie für ihn bestimmt waren, fragte er nach dem Zimmer, das ihm Castorin hatte bereiten müssen, ließ sich Dinte, Feder und Papier bringen und schrieb folgenden Brief an Nanon:

»Liebe Dame,

»Hundert Schritte von Eurer Thüre könnt Ihr, wenn Euch die Natur die Fähigkeit verliehen hat, in der Nacht zu sehen, in einer Baumgruppe den Herzog von Epernon erblicken, der mich erwartet, um mich todt schießen zu lassen und Euch hernach furchtbar zu compromittiren. Aber ich wünsche eben so wenig das Leben zu verlieren, als Euch Eure Ruhe verlieren zu lassen. Bleibt also im Frieden auf jener Seite. Ich, was mich betrifft, will ein wenig den Urlaub benutzen, den Ihr einst unterzeichnen ließet, damit ich von meiner Freiheit Gebrauch mache, um Euch zu sehen. Wohin ich gehe, weiß ich nicht, und ich weiß sogar nicht, ob ich überhaupt irgendwohin gehe. Wie dem sein mag, ruft Euren Flüchtling zurück, sobald der Sturm vorüber ist. Man wird Euch im Goldenen Kalbe sagen, welchen Weg ich eingeschlagen habe. Hoffentlich werdet Ihr mir für das Opfer Dank wissen, das ich mir auferlege. Eure Interessen sind mir teurer, als mein Vergnügen. Ich sage mein Vergangen, denn es hätte mir Freude gemacht, Herrn von Epernon und seine Sbirren unter ihrer Verkleidung durchzuprügeln. Glaubt also, liebe Seele, daß ich Euer Ergebener und vor Allem sehr Treuer bin.«

Canolles unterzeichnete, das von der gascognischen Prahlerei, deren Wirkung auf die Gascognerin Nanon er kannte, ganz kochende Billet, rief dann seinen Bedienten und sagte zu diesem:

»Hierher, Meister Castorin, und gestehe offenherzig, wie weit Du mit Mademoiselle Francinette gekommen bist?«

»Gnädiger Herr,« antwortete Castorin ganz erstaunt über diese Frage, »ich weiß nicht, ob ich soll . . .«

»Sei unbesorgt, Meister Dummkopf, ich habe keine Absicht auf sie, und Du hast nicht die Ehre, mein Nebenbuhler zu sein. Ich verlange von Dir nur eine einfache Auskunft,«

»Ah! dann ist es etwas Anderes, gnädiger Herr. Mademoiselle Francinette besitzt Verstand genug, um meine Eigenschaften zu würdigen.«

»Du stehst also auf das Beste mit ihr, Taugenichts? Sehr gut. Nimm diesen Billet, umgehe den Wiesengrund . . .«

»Ich weiß den Weg genau,« sprach Castorin mit einer anmaßenden Miene.

»Das ist richtig. Klopfe an der Hinterthüre; ohne Zweifel kennst Du auch die Hinterthüre?«

»Allerdings.«

»Immer besser. Schlage diesen Weg ein, klopfe an die Thüre und übergib diesen Brief Mademoiselle Francinette.«

»Ich kann also in diesem Falle . . .« rief Castorin freudig.

»Du kannst sogleich abgehen und hast zehn Minuten für den Gang hin und zurück. Dieser Brief muß im Augenblick Fräulein Nanon von Lartigues übergeben werden.«

»Aber, gnädiger Herr,« entgegnete Castorin, der ein mißliches Abenteuer roch, »wenn man mir die Thüre nicht öffnet?«

»So bist Du ein Dummkopf; Du mußt doch eine besondere Art des Anklopfens haben, bei der man einen artigen Menschen nicht außen läßt; ist es anders, so bin ich ein sehr beklagenswerther Edelmann, daß ich einen solchen Lumpenkerl in meinen Diensten habe.«

»Ich habe meine Weise,« erwiederte Castorin mit seiner siegreichsten Miene. »Ich klopfe zuerst zweimal in gleichen Zwischenräumen, dann zum dritten Male.«

»Ich frage Dich nicht, auf welche Weise Du klopfst, gleichviel, wenn man Dir nur öffnet. Erwischt man Dich, so verschlinge das Papier; thust Du es nicht, so schneide ich Dir bei Deiner Rückkehr die Ohren ab, wenn dies nicht bereite geschehen ist.«

Castorin ging wie der Blitz ab. Aber unten an der Treppe blieb er stille stehen und steckte das Billet, gegen alle Regel, oben in seinen Stiefel; dann entfernte er sich durch die Thüre des Geflügelhofes, machte einen langen Umkreis, wobei er durch das Gebüsch schlich wie ein Fuchs und über die Gräben setzte wie ein Windhund, klopfte an die geheime Thüre, auf die Weise, welche er seinem Gebieter zu erklären versucht hatte, und dieses Klopfen war auch so wirksam, daß sich sogleich die Thüre öffnete.

Zehn Minuten nachher kam Castorin, ohne daß ihm irgend etwas Mißliches begegnet war, zurück und meldete seinem Herrn, das Billet wäre in die schönen Hände von Fräulein Nonen übergeben worden.

Canolles hatte diese zehn Minuten benutzt, um seinen Mantelsack zu öffnen, seinen Schlafrock herauszunehmen und sich den Tisch decken zu lassen. Er hörte zu seiner großen Befriedigung den Bericht von Castorin, machte einen Gang in die Küche, gab mit lauter Stimme seine Befehle und gähnte unmäßig, wie ein Mensch, der ungeduldig den Augenblick, des Schlafengehens erwartet. Ließ der Herzog von Epernon ihn belauern, so sollte er durch dieses Manoeuvre auf den Glauben kommen, der Baron hätte nie die Absicht gehabt, weiter als zu dem Gasthause zu gehen, wohin er als ein einfacher und harmloser Reisender gekommen wäre, um Abendbrod und ein Nachtlager zu fordern. Dreier Plan hatte wirklich das von dem Baron gewünschte Resultat; ein Mensch, der einem Bauern glich, trank in dem dunkelsten Winkel der Wirthsstube, rief dem Kellner, bezahlte seine Zeche, stand auf und entfernte sich ein Lied trällernd. Canolles folgte ihm an die Thüre und sah, wie er sich nach der Baumgruppe wandte. Zehn Minuten nachher hörte er den Tritt mehrerer Pferde: der Hinterhalt war aufgehoben.

Der Baron kehrte nun zurück, und da sein Geist in Beziehung auf Nanon völlig frei war, so dachte er nur daran, den Abend auf die vergnüglichste Weise zuzubringen. Er befahl demzufolge Castorin, Karten und Würfel bereit zu legen, und als hierfür gesorgt war, zu dem Vicomte von Cambes zu gehen und nachzufragen, ob er ihm wohl die Ehre erweisen würde, ihn zu empfangen.

Castorin gehorchte und fand auf der Schwelle des Zimmers einen alten Stallmeister mit weißen Haaren, welchen die Thüre halb geöffnet hielt und auf sein Compliment mit einer verdrießlichen Miene antwortete:

»Unmöglich, der Herr Vicomte hat in diesem Augenblick Geschäfte.«

»Sehr gut,« sprach Canolles, »ich werde warten.«

Und als er ein gewaltigen Geräusch in der Gegend der Küche vernahm, begab er sich, um die Zeit zu tödten, dahin und sah nach, was sich in diesem wichtigen Theile den Hauses ereignete.

Es war der arme Küchenjunge, welcher mehr todt als lebendig zurückkehrte. An der Biegung des Wegen war er von vier Männern angehalten worden, die ihn über den Zweck seines nächtlichen Spazierganges befragten, und als sie hörten, er habe Abendbrod zu der Dame des vereinzelten Hauses zu tragen, ihn seiner Mütze, seines weißen Wammses und seiner Schürze beraubten. Der Jüngste von den vier Männern zog sodann die Insignien seines Standes an, stellte den Korb im Gleichgewicht auf seinen Kopf und setzte statt des Küchenlehrlings den Weg nach dem kleinen Hause fort. Zehn Minuten nachher kehrte er zurück und besprach sich ganz leise mit demjenigen, welcher der Anführer der Truppe zu sein schien. Dann gab man dem Küchenjungen sein Wamms, seine Mütze und seine Schürze zurück, zurück, setzte ihm seinen Korb wieder auf den Kopf und ertheilte ihm einen Fußtritt, am ihn in die Richtung zu bringen, die er verfolgen sollte. Mehr verlangte der arme Teufel nicht. Er lief aus Leibeskräften und fiel halb todt vor Schrecken auf die Thürschwelle, wo man ihn aufhob.

Diesen Abenteuer war sehr unverständlich für alle Welt, mit Ausnahme den Canolles. Da dieser aber, keinen Grund hatte, eine Erläuterung darüber zu geben, so ließ er Wirth, Kellner, Mägde und Küchenjungen sich in Vermuthungen verlieren, und während sie nach Kräften schwärmten, ging er zu dem Vicomte hinauf, öffnete in der Voraussetzung, die erste Anfrage, die er durch die Vermittelung von Castorin gestellt hatte, überhebe ihn eines zweiten Schrittes dieser Art, die Thüre ohne weitere Umstände und trat ein.

Eine beleuchtete und mit zwei Gedecken versehene Tafel stand mitten im Zimmer und erwartete, um vollständig zu sein, nur die Platten, mit denen sie geschmückt werden sollte.

Canolles bemerkte diese zwei Gedecke und betrachtete dieselben als ein freudiges Vorzeichen.

Als aber der Vicomte ihn erblickte, stand er mit einer so ungestümen Bewegung auf, daß man leicht sehen kannte, der Besuch habe den jungen Mann überrascht und das zweite Gedecke sei nicht, wie er sich Anfangs geschmeichelt hatte, für ihn bestimmt.

Dieser Zweifel wurde durch die ersten Worte bestätigt, die der Vicomte an ihn richtete.

»Darf ich wohl fragen, Herr Baron,« sagte dieser, stets ceremoniös gegen ihn vorschreite, »welchem neuen Umstande ich die Ehre Eures Besuches zu verdanken habe?«

»Ei,« erwiederte Canolles, etwas verblüfft durch diesen sonderbaren Empfang, »einem ganz natürlichen Umstande. Ich bekam Hunger und dachte, Ihr müßtet auch bekommen haben. Ihr seit allein, ich bin auch allein und wollte die Ehre haben, Euch den Vorschlag zu machen, mit mir zu Nacht zu speisen.

Der Vicomte schaute Canolles mit sichtbarem Mißtrauen an und schien einigermaßen in Verlegenheit zu sein, wie er ihm antworten sollte.

»Bei meiner Ehre, sprach Canolles lachend, »man sollte glauben, ich machte Euch bange. Seid Ihr Malteserritter? Bestimmt man Euch für die Kirche, oder hat Euch Eure Familie im Abscheu vor den Canolles aufgezogen? . . . Bei Gott, ich werde Euch nicht in einer Stunde zu Grunde richten, die wir mit einander bei Tische zubringen.«

»Ich kann unmöglich zu Euch hinab kommen, Baron.«

»Gut, so kommt nicht herab,i aber da ich zu Euch herauf gekommen bin . . .«

»Noch viel unmöglicher, mein Herr. Ich erwarte Jemand.«

Diesmal wurde Canolles gleichsam aus dem Sattel gehoben.

»Ah! Ihr erwartet Jemand?« sprach Canolles.

»Ja.«

»Meiner Treue,« sagte Canolles nach kurzem Stillschweigen, »meiner Treue, es wäre mir lieber, Ihr hättet mich meinen Weg fortsetzen lassen, auf die Gefahr, was mir auch begegnet sein dürfte, statt durch den Widerwillen, den Ihr gegen mich an den Tag legt den Dienst zu verderben, den Ihr mir leistetet, und wofür ich Euch nicht genug gedankt zu haben scheine.

Der Jüngling erröthete, näherte sich Canolles und sprach mit zitternder Stimme:

»Um Vergebung, mein Herr, ich begreife meine ganze Unhöflichkeit, und wenn es nicht wichtige Angelegenheiten, Familienangelegenheiten wären, die ich mit der Person zu besprechen habe, welche ich erwarte, so würde ich es mir zugleich zur Ehre und zum Vergnügen schätzen, Euch als Dritten zu empfangen, obschon . . .«

»Oh, vollendet,« sprach Canolles, »was Ihr mir auch sagen möget, ich in entschlossen, mich nicht darüber zu ärgern.«

»Obschon,« fuhr der junge Mann fort, »unsere Bekanntschaft eine von den unvorhergesehenen Wirkungen des Zufalls, eines von den ephemeren Verhältnissen ist . . .«

»Und warum dies?« fragte Canolles. »Auf diese Art schließen sich im Gegentheil die langen und aufrichtigen Freundschaften. Man braucht nur der Vorsehung aus dem, was Ihr dem Zufall zuschreibt, ein Verdienst zu machen.«

»Die Vorsehung, mein Herr,« versetzte der Vicomte lachend, »will, daß ich in zwei Stunden abreise, und aller Wahrscheinlichkeit nach einer, der Eurigen entgegengesetzten Straße folge. Empfangt also mein ganzes Bedauern, daß ich nicht wie ich es wünschte, diese Freundschaft annehmen kann, die Ihr mir auf eine so herzliche Weise bietet, und deren vollen Werth ich zu schätzen weiß.«

»Meiner Treue,« sprach Canolles, »Ihr seid ein seltsamer Junge, und Euer edelmüthiges Wesen hatte mir Anfangs einen ganz andern Begriff von Eurem Charakter gegeben. Doch es mag sein, wie Ihr es wünscht. Ich habe allerdings nicht das Recht, Forderungen zu stellen, denn ich bin Euch zu Dank verpflichtet, und Ihr habt viel mehr für mich gethan, als ich von einem Unbekannten zu erwarten befugt war. Ich kehre zurück, um allein zu Nacht zu speisen; aber in der That, Vicomte, es wird mir schwer, denn das Selbstgespräch gehört nicht zu meinen Gewohnheiten.«

Ungeachtet dessen, was Canolles gesagt hatte, und trotz den Entschlusses, sich zu entfernen, den seine Worte ankündigten, zog er sich nicht zurück. Irgend etwas, worüber er sich keine Rechenschaft geben konnte, fesselte ihn an den Boden. Er fühlte sich unwiderstehlich zu dem Vicomte hingezogen; aber dieser nahm eine Kerze, näherte sich Canolles reichte ihm die Hand und sprach mit einem reizenden Lächeln:

»Mein Herr, wie es auch sein mag, und so kurz unser Zusammentreffen auch gewesen ist, so glaubt mir doch, daß es mich entzückt, wenn ich Euch zu irgend Etwas nützlich gewesen bin.«

Canolles sah nur das Compliment: er nahm die Hand, die ihm der Vicomte darreichte und die, statt den männlichen, freundschaftlichen Druck zu erwiedern, sich lau und zitternd zurückzog. Er begriff, daß, so umwickelt er auch mit einer höflichen Phrase war, der Abschied, den ihm der junge Mann gab, darum nicht minder als ein Abschied betrachtet werden mußte, und entfernte sich, völlig in seinen Hoffnungen getäuscht und ganz in Gedanken versunken.

An der Thüre begegnete er dem zahnlosen Lächeln des alten Dieners, der die Kerze aus den Händen des Vicomte nahm, Canolles auf eine unterthänige Weise bis an sein Zimmer begleitete und dann sogleich wieder zu seinem Herrn hinaufstieg, welcher ihn oben an der Treppe erwartete.

»Was macht er?« fragte der Vicomte mit leiser Stimme.

»Ich glaube, er entschließt sich, allein zu Nacht zu speisen.« antwortete Pompée

»Dann wird er nicht mehr heraufkommen.«

»Ich hoffe es wenigstens.«

»Bestelle die Pferde, Pompée, es ist immerhin gewonnene Zeit. Aber,« fügte der Vicomte horchend bei, »was für ein Lärm ist das?«

»Man sollte glauben, es wäre die Stimme von Herrn Richon.«

»Und die von Herrn von Canolles.«

»Sie zanken sich, wie es scheint,«

»Im Gegentheil, sie erkennen sich. Hört!«

»Wenn nur Richon nicht schwatzt!«

»Oh, es ist nichts zu befürchten, er ist ein umsichtiger Mann.«

»Stille . . .«

Die zwei Horcher schwiegen, und man vernahm die Stimme von Canolles.

»Zwei Gedecke, Meister Biscarros!« rief der Baron, »zwei Gedecke! Herr Richon speist mit mir.«

»Nein, wenn es Euch gefällig ist,« antwortete Richon. »Unmöglich!«

»Ah! Ihr wollt also allein zu Nacht speisen, wie der junge Edelmann.«

»Welcher Edelmann?«

»Der da oben.«

»Wie heißt er?«

»Vicomte von Cambes.«

»Kennt Ihr den Vicomte?«

»Bei Gott! er hat mir das Leben gerettet.«

»Er?«

»Ja, er.«

»Wie dies?«

»Speist mit mir zu Nacht, und ich erzähle Euch die Geschichte während des Mahles.«

»Ich kann nicht; ich speise mit ihm.«

»In der That, er erwartet Jemand.«

»Das bin ich, und da ich bereits zu spät komme, so erlaubt mir, daß ich Euch verlasse, nicht wahr, Baron?«

»Nein, Donner und Teufel! ich erlaube es nicht!« rief Canolles. »Ich habe mir in den Kopf gesetzt, in Gesellschaft zu speisen, und Ihr eßt mit mir oder ich esse mit Euch. Meister Biscarros, zwei Gedecke!«

Aber während Canolles sich umwandte, um zu sehen, ob dieser Befehl vollzogen werde, hatte Richon die Treppe erreicht und stieg rasch die Stufen hinauf. Als er auf die letzte Stufe gelangte, begegnete seine Hand einer kleinen Hand, die ihn in das Zimmer des Vicomte von Cambes zog, dessen Thüre sich hinter ihm schloß und deren Verschluß zu größerer Sicherheit noch durch zwei Riegel verstärkt wurde.

»In der That,« murmelte Canolles, während er vergeblich mit seinen Augen den verschwundenen Richon suchte und sich an seinen einsamen Tisch setzte, »in der That, ich weiß nicht, was man in diesem verfluchten Lande gegen mich hat. Die Einen laufen mir nach, um mich zu tödten, die Andern fliehen mich, als ob ich die Pest hätte. Beim Teufel, mein Appetit stirbt dahin. Ich fühle, daß ich traurig werde, und bin fähig mich zu betrinken, wie ein Landsknecht. Hollah, Castorin! Hierher, damit ich Dich durchprügle. Sie schließen sich da oben ein, als ob sie sich verschwören wollten! Ah, doppelter Ochs, der ich bin, in der That, sie konspirieren! So ist es: damit erklärt sich Alles. Für wen aber konspirieren sie? für den Coadjutor, für die Prinzen, für das Parlament, für den König, für Herrn von Mazarin? Meiner Treue, sie mögen konspirieren, für oder gegen wen sie wollen, mir gleichviel, mein Appetit hat sich wieder eingestellt. Castorin, laß auftragen und schenke mir ein; ich verzeihe Dir.«

Und Canolles hielt sich philosophisch an das erste Abendbrod, das für den Vicomte von Cambes bereitet worden war und von Meister Biscarros, in Ermanglung neuer Mundvorräthe, ihm aufgewärmt serviert werden wußte.

Während der Baron von Canolles vergeblich einen Menschen suchte, der sein Abendbrod mit ihm theilen sollte, und seiner fruchtlosen Nachforschungen müde allein zu Nacht zu speisen sich entschloß, wollen wir sehen, was bei Nanon vorging.

Nanon, was ihre Feinde auch gesagt und geschrieben haben mögen, und unter die Zahl ihrer Feinde muß man die meisten Schriftsteller rechnen, welche sich mit ihr beschäftigten, war zu jener Zeit ein reizendes Geschöpf von fünfundzwanzig bis sechsundzwanzig Jahren, klein von Wuchs, mit brauner Haut, aber mit geschmeidigem, anmuthigem Wesen, mit lebhaften, frischen Farben, mit tiefschwarzen Augen, deren durchsichtige Hornhaut in allen Regenbogenfarben, in allen Reflexen und Feuern spielte, wie die der Katzen. Heiteren Angesichts, scheinbar lachend, war Nanon jedoch weit entfernt, ihren Geist allen Launen, allen Nichtswürdigkeiten hinzugeben, welche mit tollen Arabesken den seidenen und goldenen Einschlag sticken, aus dem gewöhnlich das Leben einer Petite-maitre besteht. Reiflich und lange in ihrem eigensinnigen Kopfe abgewogen, nahmen im Gegentheil die ernsthaftesten Erörterungen ein im höchsten Maße verführerisches, leuchtendes Aeußere an, wenn sie sich durch ihre vibrierende Stimme mit dem stark gascognischen Accente verdolmeschten. Niemand hatte unter dieser rosigen Maske mit den feinen, lachenden Zügen, unter diesen glühenden Blicke voll wollüstiger Versprechungen die unermüdliche Beharrlichkeit, die unüberwindliche Standhaftigkeit und Tiefe des Staatsmannes errathen, und dennoch waren dies die Eigenschaften oder die Fehler von Nanon, je nachdem man sie von der Vorderseite oder von der Rückseite der Medaille betrachten will, dennoch war dies der berechnende Geist, das ehrgeizige Gemüth, dem ein Körper voll Eleganz als Hülle diente.

Nonen war von Agen. Der Herr Herzog von Epernon, der Sohn des unzertrennlichen Freundes von Heinrich IV., desjenigen, welcher mit ihm im Wagen saß, in dem Augenblicke, wo ihn das Messer von Ravillac traf, und über welchen der Verdacht schwebte, der bis auf Catharina von Medicis zurückging, der Herzog von Epernon hatte, zum Gouverneur der Guienne ernannt, wo ihn sein hochmüthiges Wesen, seine Anmerkungen und seine Erpressungen allgemein verhaßt machten, dieses kleine Bürgermädchen, die Tochter eines einfachen Advokaten, ausgezeichnet. Er machte ihr den Hof und legte mit großer Mühe und nach einer Vertheidigung, welche mit der Geschicklichkeit eines großen Taktikers ausgehalten wurde, der seinen Sieger den Preis den Sieges fühlen lassen will. Aber als Lösegeld für ihren nun verlorenen Ruf beraubte Nanon den Herzog seiner Macht und seiner Freiheit. Nach Verlauf einer Verbindung von sechs Monaten mit dem Gouverneur von Guienne wer es wirklich sie, welche die schöne Provinz regierte, und sie gab mit Wucher allen denen, welche sie einst verletzt oder gedemüthigt hatten, die empfangenen Beleidigungen zurück. Königin aus Zufall, wurde sie Tyrannin aus Berechnung. Bei ihrem feinen Geiste hatte sie das Vorgefühl, daß man die wahrscheinliche Kürze der Herrschaft durch den Mißbrauch ersetzen müßte.

Sie bemächtigte sich demzufolge Alles dessen, was in ihr Bereich kam, riß Schätze, Einfluß, Ehrenstellen an Sich. Sie wurde reich, sie ernannte zu Aemtern, und empfing die Besuche von Mazarin und den ersten Herren des Hofes. Mit wunderbarer Geschicklichkeit die verschiedenen Elemente, über welche sie zu verfügen hatte, zusammenfassend, machte sie sich daraus ein ihrem Ansehen nützliches, ihrem Vermögen vortheilhaftes Amalgam. Jeder Dienst, den Nanon leistete, hatte seinen bestimmten Preis. Ein Grad im Heere, eine Stelle in der bürgerlichen Verwaltung, Alles war in einen Tarif gebracht. Nanon bewilligte einen solchen Grad oder eine solche Stelle, aber man mußte ihr dafür in schönem, gutem Gelde oder durch ein königlichen Geschenk Zahlung leisten. Wenn sie sich so einen Bruchstückes von Gewalt zum Vortheile irgend einen Menschen entäußerte so nahm sie dieses Bruchstück unter einer andern Form wieder ein. Sie gab die Gewalt, behielt aber das Geld, das der Nerv davon ist.«

Dies erklärt die Dauer ihrer Herrschaft: denn die Menschen zögern in ihren Hasse, einen Feind zu stürzen, dem noch ein Trost bleibt. Die Rache will eine völlige Niederlage, ein gänzliches Zugrunderichten. Die Völker jagen ungerne einen Tyrannen fort, der ihr Gold mit sich nehmen und lachend weggehen würde. Nanon von Lartigues besaß zwei Millionen.

Sie lebte auch mit einer Art von Sicherheit auf dem Vulkan, der beständig um sie herum bebte. Sie hatte gefühlt, wie der Volkshaß der Fluth ähnlich stieg, immer größer wurde und mit seinen Wellen die Gewalt von Herrn von Epernon peitschte, der an einem Tage des Zorns von Bordeaux vertrieben, Nanon mit sich zog, wie die Barke dem Schiffe folgt. Nanon beugte sich unter dem Sturme, bereit sich wieder zu erheben, sobald der Sturm vorübergegangen wäre. Sie nahm Herrn von Mazarin zum Muster und trieb, eine demüthige Schülerin, von ferne die Politik des gewandten, geschmeidigen Italieners. Der Cardinal bemerkte diese Frau, welche durch dieselben Mittel, die aus ihm einen ersten Minister und den Besitzer von fünfzig Millionen gemacht hatten, sich vergrößerte und bereicherte. Er bewunderte die kleine Gascognerin; er that noch mehr, er ließ sie gewähren. Man wird vielleicht später erfahren, warum.

Dessen ungeachtet und obgleich Einige, die sich sehr gut unterrichtet nannten, die Behauptung aussprachen, sie stehe in unmittelbarem Briefwechsel mit Herrn von Mazarin, sprach man doch wenig von den politischen Intriguen der schönen Nanon. Canolles selbst, der übrigens hübsch, jung und reich, nicht begriff, das man Intrigant zu sein nöthig haben könnte, wußte nicht, woran er sich in dieser Beziehung zu halten hatte.

Was ihre Liebesintriguen betrifft, mag es nun sein, daß Nanon, mit ernsteren Sorgen beschäftigt, diese auf spätere Zeiten verschob, mag der Lärm, den die Liebe von Herrn von Epernon für sie machte, den Lärm gleichsam verschlungen haben, den Liebschaften zweiten Ranges hätten machen können, jedenfalls waren selbst ihre Feinde nicht verschwenderisch an Scandal gegen sie gewesen, und in seiner persönlichen und nationalen Eitelkeit, konnte Canolles mit einem gewissen Rechte glauben, Nanon habe sich vor seiner Ankunft unüberwindlich gezeigt. Wurde Canolles wirklich der erste Liebeserguß diesen bis dahin nur dem Ehrgeize zugänglichen Herzens zu Theil, oder hatte die Klugheit seinen Vorgängern eine unbegrenzte Discretion gerathen, Nanon mußte als Geliebte ein reizendes Weib, Nanon mußte beleidigt eine furchtbare Feindin sein.

Die Bekanntschaft von Nanon und Canolles hatte sich auf die natürlichste Weise gebildet; Canolles, Lieutenant im Regimente Navailles, wollte Kapitän werden. Er mußte zu diesen Behufe an Herrn von Epernon, den commandirenden General der Infanterie, schreiben. Nanon las den Brief, sie antwortete wie gewöhnlich, im Glauben, sie behandle eine Geschäftsache, und bewilligte Canolles eine Zusammenkunft in diesem Sinne. Canolles wählte unter seinen Familienjuwelen einen prachtvollen Ring, der wenigstens fünfhundert Pistolen werth war. Es war dies immer noch minder theuer, als sich eine Compagnie zu kaufen, und begab sich sodann zu dem Rendezvous. Aber der Sieger Canolles, dem sein prunkables Geleite von gutem Glück voranging, brachte diesmal die Berechnungen und das Besteuerwesen des Fräulein von Lartigues in Verwirrung. Es war das erste Mal, daß er Nanon sah, es war das erste Mal, daß Nanon ihn sah. Sie waren beide jung, schön und geistreich. Die Zusammenkunft ging in gegenseitigen Artigkeiten hin, von dem Geschäfte war nicht mit einer Sylbe die Rede, und dennoch wurde das Geschäft abgemacht. Am andern Morgen erhielt Canolles sein Kapitänspatent, und als der kostbare Ring von seinem Finger, an den von Nanon überging, war es nicht mehr der Preis des befriedigten Ehrgeizes, sondern das Pfand glücklicher Liebe.

Zu Erklärung den Aufenthaltes von Nanon in der Nähe des Dorfes Matifou wird die Geschichte genügen. Der Herzog von Epernon hatte sich, wie wir erwähnten, in Guienne verhaßt gemacht. Nanon, der man die Ehre erwies, sie in einen bösen Genius zu verwandeln, hatte sich verwünscht gemacht. Ein Aufstand verjagte Beide von Bordeaux und trieb sie nach Agen. In Agen aber begann der Aufruhr abermals. Eines Tage warf man auf einer Brücke den vergoldeten Wagen um, in welchem Nonen den Herzog einholen sollte. Nanon befand sich, ohne daß man wußte wie, im Flusse, und Canolles zog sie heraus. In einer Nacht brach in dem Hause von Nanon Feuer aus. Canolles drang bis in ihr Schlafzimmer und rettete sie aus den Flammen. Nanon dachte, ein dritter Versuch könnte den Bewohnern von Agen wohl gelingen. – Obgleich Canolles sich so wenig als möglich von ihr entfernte, so hätte er doch nur durch ein Wunder stets im bestimmten Augenblicke bei ihr sein können, um sie der Gefahr zu entziehen. Sie benutzte einen Abgang den Herzogs, der eine Runde in seinem Gouvernement versuchen wollte, und eine Eskorte von zwölfhundert Mann, von welcher ein Theil zu dem Regiment Navailles gehörte, um sich aus der Stadt zu gleicher Zeit mit Canolles zu entfernen, wobei sie aus dem Schlage, ihrer Carrosse den Pöbel verhöhnte, der gern den Wagen in Stücke geschlagen hätte, aber nicht den Muth dazu besaß.

Dann wählten der Herzog und Nanon, oder Canolles hatte vielmehr insgeheim das kleine Landhaus gewählt, wo Nanon wohnen sollte, bis man ihr ein Haus in Libourne eingerichtet haben würde. Canolles erhielt einen Urlaub, scheinbar um einige Familienangelegenheiten in der Heimath abzumachen, in Wirklichkeit aber, um das Recht zu haben, sein Regiment zu verlassen, das nach Agen zurückgekehrt war, und um sich nicht zu weit von Matifou zu entfernen, wo seine beschützende Gegenwart nothwendiger wurde, als je. Die Ereignisse begannen wirklich einen beunruhigenden Ernst anzunehmen. Die Prinzen von Condé, von Conti und Longueville boten, am vorhergehenden 17. Januar verhaftet und in Vincennes eingesperrt, den vier oder fünf Parteien, welche Frankreich zu dieser Zeit theilten, ernten vortrefflichen Vorwand zum Bürgerkriege. Der Widerwille des Volkes gegen den Herzog von Epernon, von dem man wußte, daß er ganz und gar dem Hofe angehörte, Wuchs immer mehr, obgleich man vernünftiger Weise hätte hoffen sollen, er könnte nicht mehr zunehmen. Eine von allen Parteien, welche in der seltsamen Lage, in der sich Frankreich befand, nicht mehr wußten, woran sie waren, gewünschte Katastrophe stand nahe bevor. Nanon verschwand wie die Vögel, welche den Sturm kommen sehen, vom Horizont und kehrte in ihr Blätternest zurück, um dunkel und unbekannt das Ereigniß abzuwarten.

Sie gab sich für eine Wittwe aus, welche die Einsamkeit sucht: so hatte sie, wie man sich erinnern wird, Meister Biscarros bezeichnet.

Herr von Epernon war also am Tage vorher zu der reizenden Einsiedlerin gekommen und hatte ihr angekündigt, er würde zu einer Rundreise von acht Tagen abgehen. Sobald er sich entfernt hatte, schickte Nanon durch den Einnehmer, ihren Günstling, ein Wort an Canolles, der sich, seinen Urlaub benützend, in der Gegend aufhielt. Nur verschwand dieses kleine Wort im Original, wie wir erzählt haben, unter den Händen des Boten, und es wurde daraus eine Einladungsabschrift von der Feder von Cauvignac. Der sorglose Baron beeilte sich, dieser Einladung Folge zu leisten, als ihn der Vicomte von Cambes vierhundert Schritte von seinem Ziele zurückhielt.

Das Uebrige wissen wir.

Nanon erwartete also Canolles, wie eine liebende Frau wartet, das heißt, zehnmal in der Minute ihre Uhr aus der Tasche ziehend, jeden Augenblick sich dem Fenster nähernd, aus jedes Geräusche horchend und mit dem Blicke die rothe, glänzende Sonne befragend, welche hinter den Berg hinabsank, um dem ersten Schatten der Nacht Platz zu machen. Zuerst klopfte man an die Vorderthüre, und sie schickte hastig Francinette dahin. Aber es war nichts Anderes, als der vorgebliche Küchenjunge, welcher das Abendbrod brachte, wozu der Gast fehlte. Nanon tauchte ihre Blicke in das Vorzimmer und sah den falschen Boten von Meister Biscarros, welcher seinerseits in das Schlafzimmer schaute, wo ein kleiner Tisch mit zwei Gedecken bereit stand. Nanon empfahl Francinette die Fleischspeisen warm zu halten, schloß traurig die Thüre und kehrte an ihr Fenster zurück, das ihr, so viel man bei der ersten Dunkelheit sehen konnte, eine leere Straße zeigte.

Ein zweiter Schlag, ein Schlag besonderer Art, erscholl an der Hinterthüre und Nanon rief: »Er ist es!« Aber befürchtend, er könnte es abermals nicht sein, blieb sie unbeweglich mitten im Zimmer stehen. Einen Augenblick nachher öffnete sich die Thüre, und Mademoiselle Francinette erschien, mit bestürzter Miene, stumm und das Billet in der Hand haltend, auf der Schwelle. Die junge Frau erblickte das Papier, lief auf die Zofe zu, entriß ihr dasselbe, öffnete es und las mit der größten Angst.

Nanon war wie vom Blitze getroffen, Sie liebte Canolles in hohem Maße, aber bei ihr war der Ehrgeiz ein Gefühl, das der Liebe gleich kam, und wenn sie den Herzog verlor, verlor sie nicht nur ihr zukünftiges Glück sondern vielleicht auch Alles, was ihr das frühere Glück gebracht hatte. Doch es war eine Frau von Kopf; sie fing damit an, daß sie die Kerze auslöschte, welche ihren Schatten hätte zeigen können, und lief an das Fenster. Es war die höchste Zeit. Vier Männer näherten sich dem Hause, von dem sie nur noch etwa zwanzig Schritte entfernt waren. Der Mann mit dem Mantel ging voraus und in dem Mann mit dem Mantel erkannte Nanon ganz genau den Herzog. In diesem Augenblick trat Mademoiselle Francinette ein Licht in der Hand, ein. Nanon warf einen Blick der Verzweiflung auf den Tisch, auf die zwei Gedecke, auf die zwei Fauteuils, auf die zwei gestickten Kopfkissen, welche ihre freche Weiße auf dem carmoisinrothen Grund der Damastvorhänge ausbreiteten, auf das appetitliche Nachtnegligé endlich, das so gut mit allen diesen Vorbereitungen im Einklange stand.

»-Ich bin verloren,« dachte sie.

Aber beinahe in demselben Augenblicke kam diesem feinen Gedanke, und ein Lächeln umschwebte die Lippen von Nanon. Rasch wie der Blitz ergriff sie das für Canolles bestimmte einfache Kristallglas und warf es auf den Zufall in den Garten, zog aus einem Etui den goldenen Becher mit dem Wappen des Herzogs, legte neben den Teller sein Gedeck von Vermail, lief dann, zwar kalt vor Schrecken, aber mit einem in Eile gebildeten Lächeln, die Stufen hinab und gelangte in dem Augenblick zur Thüre, wo ein ernster, feierlicher Schlag daran ertönte.

Francinette wollte öffnen, aber Nanon ergriff sie beim Arme, stieß sie auf die Seite und sagte mit dem raschen Blicke, welcher bei ertappten Frauen den Gedanken so gut ersetzt:

»Es ist der Herr Herzog, den ich erwarte, und nicht Herr von Canolles.«

Dann zog sie selbst die Riegel zurück und warf sich dem Manne mit der weißen Feder, der eines seiner wildesten Gesichter bereit hielt, um den Hals.

»Ah!« rief Nanon, »mein Traum hat mich also nicht getäuscht. Kommt, mein lieber Herzog, Ihr sollt bedient werden, wir speisen sogleich zu Nacht.«

Epernon war ganz verblüfft; da jedoch die Liebkosung einer hübschen Frau immer gut hinzunehmen ist, so ließ er sich küssen.

Alsbald aber erinnerte er sich wieder, welche niederschmetternde Beweise er gegen sie besaß und sagte:

»Einen Augenblick, mein Fräulein, erklären wir uns, wenn es Euch gefällig ist.«

Und er machte mit der Hand den Männern, die ihm folgten, ein Zeichen. Sie wichen ehrfurchtsvoll zurück, jedoch ohne sich gänzlich zu entfernen; er war allein mit ernstem, abgemessenem Schritte in das Haus.

»Was habt Ihr denn, mein lieber Herzog?« sagte Nanon, mit einer so gut geheuchelten Heiterkeit, daß man sie hätte für natürlich halten sollen. »Habt Ihr vielleicht das letzte Mal, da Ihr hierher kamt, etwas vergessen, daß Ihr Euch so ängstlich nach allen Seiten umschaut?«

»Ja,« sprach der Herzog- »ich habe vergessen, Euch zu sagen, ich wäre kein Dummkopf, kein Géronte, wie Herr Cyano von Bergerac sie in seinen Komödien bringt, und da ich vergessen habe, Euch zu sagen, so komme ich in Person zurück, um es Euch zu beweisen.« .

»Ich begreife Euch nicht Monseigneur,« erwiederte Nanon mit der ruhigsten, offensten Miene. »Ich bitte, erklärt Euch.«

Der Blick des Herzogs heftete steh auf die zwei Fauteuls, ging von den zwei Fauteuils auf die zwei Gedecke und von den zwei Gedecken auf die zwei Kopfkissen über. Auf diesen verharrten seine Augen länger, und die Röthe des Zornes stieg dem Herzog ins das Gesicht.

Nanon hatte Alles dies vorhergesehen und erwartete den Erfolg der Prüfung mit einem Lächeln, das ihre Zähne, so weiß wie Perlen, enthüllte. Nur glich dieses Lächeln erneut Zusammenziehen der Nerven, und diese Zähne würden wohl geklappert haben, hätte sie die Furcht nicht aneinander geschlossen gehalten.

Der Herzog wandte seinen zornigen Blick auf sie.

»Ich warte immer noch auf das Belieben von Monseigneur,« sprach Nanon mit einer anmuthigen Verbeugung.

»Das Belieben von Monseigneur,« antwortete er, »besteht darin, daß Ihr mir erklären sollt, warum dieses Abendbrod?

»Weil ich, wie gesagt, einen Traum hatte, der mir ankündigte, daß Ihr, obgleich Ihr mich gestern verlassen, doch heute zurückkommen würdet. Meine Träume täuschen mich nie. Ich ließ also ein Abendbrod nach Eurem Geschmacke bereiten.«

Der Herzog machte eine Grimasse, welche seiner Absicht nach für ironisches Lächeln gelten sollte.

»Und diese zwei Kopfkissen?« sagte er.

»Sollte Monseigneur im Sinne haben, zum Nachtlager nach Libourne zurückzukehren? Diesmal hätte mein Traum gelogen, denn er kündigte mir an, Monseigneur würde bleiben.«

Der Herzog machte eine zweite Grimasse, welche noch bezeichnender war als die erste.

»Und diesen reizende Negligé, Madame? und diese ausgezeichneten Wohlgerüche?«

»Es ist eines von denjenigen, welche ich anzuziehen pflege, wenn ich Monseigneur erwarte. Diese Wohlgerüche kommen von den Säckchen Peau d’Espagnet, welche ich in meine Schränke lege, und die Monseigneur, wie er mir oft gesagt hat, allen andern Odeurs vorzieht, weil es auch der Lieblingsgeruch der Königin ist.«

»Ihr erwartetet mich also?« fuhr der Herzog mit einem ironischen Lachen fort.

»Ah, Monseigneur,« sprach Nanon, ebenfalls die Stirne faltend, »Gott vergebe mir! ich glaube, Ihr habt Lust in die Schränke zu schauen. Solltet Ihr zufällig eifersüchtig sein?«

Der Herzog nahm eine majestätische Miene an.

»Eifersüchtig, ich? oh, nein! Gott sei Dank! ich habe diese Lächerlichkeit nicht an mir. Alt und reich, weiß ich natürlich wohl, daß ich getäuscht werden muß; aber denjenigen, welche mich täuschen, will ich wenigstens beweisen, daß ich nicht ihr Thor bin.«

»Und wie werdet Ihr ihnen dies beweisen?« sprach Nanon. »Ich bin begierig, es zu erfahren.«

»Oh, das wird nicht schwierig sein; ich brauche ihnen nur diesen Papier zu zeigen.«

Der Herzog sog ein Billet aus seiner Tasche.

»Ich habe keine Träume mehr,« sagte er; »in meinem Alter träumt man nicht mehr, selbst im wachen Zustande, aber ich erhalte Briefe. Lest diesen, er ist interessant.«

Nanon nahm zitternd den Brief, den ihr der Herzog reichte, und bebte, als sie die Schrift sah; aber diesen Beben war unmerklich, und sie las:

»Monseigneur der Herzog von Epernon wird benachrichtigt, daß diesen Abend ein Mann, der sich seit sechs Monaten eines vertraulichen Umgangs mit Fräulein Nanon von Lartigues erfreut, zu dieser kommen und bei ihr Abendbrod nehmen und die Nacht zubringen.

»Da man Monseigneur den Herzog von Epernon nicht in irgend einer Ungewißheit lassen will, so setzt man ihn davon in Kenntniß, daß sich dieser glückliche Nebenbuhler Baron von Canolles nennt.«

Nanon erbleichte, der Streich traf mitten in das Herz.

»Ah, Roland! Roland!« Murmelte sie, »ich glaubte doch von Dir befreit zu sein!«

»Bin ich unterrichtet?« sprach der Herzog triumphierend.

»Ziemlich schlecht,« antwortete Nanon, »und wenn Eure politische Polizei nicht besser ist, als Eure Liebespolizei, so beklage ich Euch.«

»Ihr beklagt mich?«

»Ja; denn dieser Herr von Canolles, dem Ihr die unentgeltliche Ehre erweist, ihn für Euren Nebenbuhler zu halten, ist nicht hier, und Ihr könnt überdies warten und Ihr werdet dann sehen, ob er kommt.«

»Er ist gekommen!«

»Ei!« rief Nanon, »das ist nicht wahr!«

Diesmal lag ein Ausdruck tiefer Wahrheit in dem Tone der Angeschuldigten.

»Ich will sagen: er ist bis auf vierhundert Schritte hierher gekommen und hat zu seinem Glücke in dem Gasthause zum Goldenen Kalb angehalten.«

Nanon begriff, daß der Herzog viel weniger weit vorgerückt war, als sie Anfangs geglaubt hatte. Sie zuckte die Achseln; denn ein anderer Gedanke, den ihr ohne Zweifel der Brief eingegeben hatte, welchen sie in ihren Händen hin und her drehte, keimte in ihrem Innern.

»Ist es möglich,« sagte sie, »daß ein Mann von Geist, einer der gewandtesten Politiker des Königreichs, sich von anonymen Briefen fangen läßt?«

»Anonym so lange Ihr wollt, aber wie erklärt Ihr mir diesen Brief?«

»Oh! die Erklärung ist nicht schwierig, es ist eine Folge des schönen Benehmens unserer Feinde in Agen. Herr von Canolles bat Euch in Familienangelegenheiten um einen Urlaub, den Ihr ihm bewilligtet. Man wußte, daß er hier durchkam und baute auf seine Reise diese lächerliche Anschuldigung.«

Nanon gewahrte, wie daß das Gesicht des Herzogs, statt sich zu entrunzeln, immer düsterer wurde.

»Die Erklärung wäre gut,« sagte er, »wenn diesem Briefe, den Ihr Euren Feinden zuschreibt, nicht eine gewisse Nachschrift beigefügt wäre, die Ihr in Eurer Unruhe zu lesen vergessen habt.«

»Ein tödtlicher Schauer durchlief den ganzen Körper der jungen Frau. Sie fühlte, daß sie den Kampf, wenn ihr der Zufall nicht zu Hilfe käme, nicht länger aushalten könnte.

»Eine Nachschrift?« wiederholte sie.

»Ja, lest,« sagte der Herzog.

Nanon versuchte zu lächeln, aber sie fühlte, daß ihre Züge sich nicht mehr zu diesem Anscheine der Ruhe hergaben. Sie begnügte sich also, mit dem sichersten Tone, den sie anzunehmen vermochte, zu lesen:

»Ich habe in meinen Händen den Brief von Fräulein von Lartigues an Herrn von Canolles, durch welchen das Rendezvous, das ich Euch melde, auf diesen Abend festgesetzt ist. Ich gebe diesen Brief für ein Blanquett, das mir der Herr Herzog durch einen einzigen Menschen in einem Schiffe auf der Dordogne vor dem Dorfe Saint-Michel-la-Rivière um sechs Uhr Abends einhändigen läßt.«

»Und Ihr hattet diese Unklugheit!« rief Nanon.

»Eure Handschrift ist mir so kostbar, liebe Dame, daß ich dachte, ich könnte einen Brief von Euch nicht zu theuer bezahlen.«

»Ein solches Geheimnis der Indiscretion eines Mitwissers aussetzen! Ah, Herr Herzog! . . .«

»Dergleichen vertrauliche Mittheilungen, Madame, nimmt man in Person in Empfang, und so habe ich es auch mit dieser gemacht. Der Mann, der sich auf die Dordogne begab, war ich selbst.«

»Ihr habt also meinen Brief?«

»Hier ist er.

Durch eine rasche Anstrengung des Gedächtnisses suchte Nanon sich dessen zu erinnern, was der Brief enthielt, aber es war ihr unmöglich. Ihr Gehirn fing an sich zu verwirren.

Sie war also genöthigt, ihren eigenen Brief zu, übernehmen und wieder zu lesen. Er enthielt kaum drei Zeilen: Nanon erfaßte sie mit einem gierigen Blicke und erkannte zu ihrer unbeschreiblichen Freude, daß dieser Brief sie nicht völlig compromittirte.

»Lest laut,« sprach der Herzog, »ich bin wie Ihr, ich habe den Inhalt dieses Briefes vergessen.«

Nanon fand das Lächeln wieder, das sie einige Secunden vorher vergeblich gesucht hatte, und las, der Aufforderung des Herzogs gehorchend:

»Ich werde um acht Uhr zu Nacht speisen. Seid Ihr frei? Ich bin es. In diesem Falle seid pünktlich, mein lieber Canolles, und fürchtet nichts für unser Geheimniß.«

»Das ist klar, wie es mir scheint!« rief der Herzog bleich vor Wuth.

»Das spricht mich frei,« dachte Nanon.

»Ah! Ah!« fuhr der Herzog fort, »Ihr habt ein Geheimnis mit Herrn von Canolles?«

Nanon begriff, daß ein Zögern von einer Secunde sie in das Verderben stürzen würde. Ueberdies hatte sie alle Muße gehabt, den ihr von dem anonymen Briefe eingeflößten Plan in ihrem Gehirn reifen zu lassen.

»Nun ja,« sprach sie, den Herzog fest anschauend, »ich habe ein Geheimnis mit diesem Herrn.«

»Ihr gesteht es zu?« rief der Herzog von Epernon.

»Ich muß wohl, da man Euch nichts verbergen kann.«

»Oh!« schrie der Herzog.

»Ja, ich erwartete Herrn von Canolles,« fuhr »Nanon ruhig fort.

»Ihr erwartetet ihn?«

»Ja, ich erwartete ihn.«

»Ihr wagt es, dies zu gestehen?«

»Laut, Wißt Ihr wohl, was Herr von Canolles ist?«

»Ein Dummkopf, den ich grausam für seine Unklugheit bestrafen werde.«

»Er ist ein hochherziger und braver Edelmann, den Ihr auch fortan wohlwollend behandeln werdet.«

»Oh! ich schwöre, bei Gott, daß dem nicht so sein soll.«

»Keinen Schwur, Herr Herzog, wenigstens nicht, ehe ich gesprochen habe,« antwortete Nanon.

»Sprecht, aber sprecht geschwinde.«

»Ihr habt also nicht wahrgenommen, Ihr, der Ihr die tiefsten Falten des Herzens durchforschte versetzte Nanon, welchen Vorzug ich Herrn von Canolles gönnte? Ihr habt sie nicht wahrgenommen, die Bitten, die ich zu seinen Gunsten an Euch richtete, das Kapitänspatent, welches ich ihm verschaffte, die Bewilligung von Geldern zu einer Reise nach der Bretagne mit Herrn de la Meilleraye, den Urlaub neulich, mit einem Wort, Ihr habt mein beständiges Trachten, mir ihn zu verpflichten, nicht wahrgenommen?«

»Madame, Madame,« sprach der Herzog, »Ihr überschreitet die Grenzen.«

»Um Gotteswillen, Herr Herzog, wartet bis zum Ende.«

»Was brauche ich nach ferner zu warten, und was habt Ihr mir nach zu sagen?«

»Daß ich für Herrn von Canolles die zärtlichste Theilnahme hege.«

»Ich weiß es, bei Gott! ich weiß es wohl!«

»Daß ich ihm mit Leib und Seele ergeben bin.«

»Madame, Ihr mißbraucht . . .«

»Daß ich ihm bis zum Tode dienen werde, und zwar weil . . .«

»Weil er Euer Liebhaber ist; das ist nicht, schwer zu errathen.«

»Weil er,« fuhr Nanon mit einer dramatischen Bewegung, den zitternden Herzog beim Arm ergreifend, fort, »weil er mein Bruder ist.«

Der Arm des Herzogs fiel an seiner Lende herab.

»Eure Bruder!« sprach er.

Nanon machte ein Zeichen mit dem Kopfe, begleitet von einem triumphierenden Lächeln.

Nach einem kurzen Augenblicke rief der Herzoge:

»Das erfordert Erläuterung.«

»Ich will sie Euch geben,« versetzte Nanon. »Um welche Zeit ist mein, Vater gestorben?«

»Vor ungefähr acht Monaten.«

»Um welche Zeit habt Ihr das Kapitänspatent für Herrn den Canolles unterzeichnet?«

»Ich denke, um dieselbe Zeit,« fuhr der Herzog fort.

»Vierzehn Tage hernach,« sagte Nanon.

»Vierzehn Tage hernach . . . es ist möglich.«

»Es ist traurig für mich,« fuhr Nanon fort, »die Schande einer andern Frau zu enthüllen, dieses Geheimniß aufzudecken, das unser Geheimnis ist, versteht Ihr wohl? Aber Eure seltsame Eifersucht treibt mich an, Euer grausamen Benehmen zwingt mich dazu. Ich ahme Euer Beispiel nach, Herr Herzog ich begehe eine Sünde gegen die Großmuth.«

»Fahrt fort, fahrt fort!« rief der Herzog, welcher bereits sich an die Phantasieen zu halten anfing, welche die schöne Gascognerin schmiedete.

»Nun wohl, mein Vater war ein Advokat, dem es nicht an einer gewissen Berühmtheit fehlte. Vor achtundzwanzig Jahren war mein Vater noch jung; mein Vater war stets schön gewesen. Er liebte schon vor seiner Verheirathung die Mutter von Herrn von Canolles, deren Hand man ihm verweigert hatte, weil sie adelig und er bürgerlich war. Die Liebe übernahm es, wie dies so oft geschieht, den Fehler der Natur gut zu machen, und während einer Reise von Herrn von Canolles . . . Begreift Ihr nun?«

»Ja, aber wie kommt es, daß diese Freundschaft für Herrn von Canolles Euch so spät erfaßt hat?«

»Weil ich erst bei dem Tode meines Vaters das Band erfuhr, das uns vereinigte; weil dieses Geheimniß in einem Briefe enthalten war, den mir der Baron selbst, mich seine Schwester nennend, überreichte.«

»Und wo ist dieser Brief?« fragte der Herzog.

»Vergeßt Ihr den Brand, der Alles bei mir verzehrt hat, meine kostbarsten Juwelen, meine geheimsten Papiere?«

»Das ist wahr.«

»Zwanzigmal wollte ich Euch diese Geschichte erzählen, überzeugt, Ihr würdet Alles für denjenigen thun, welchen ich ganz leise meinen Bruder nenne; aber er hat mich stets zurückgehalten, stets gebeten den Zins seiner noch lebenden Mutter zu schonen. Ich achtete seine Bedenklichkeiten, weil ich sie verstand.«

»Ah! Wirklich?« sprach der Herzog beinahe gerührt. »Armer Canolles!«

»Und dennoch war es sein Glück, daß er sich weigerte,« fuhr Nanon fort.

»Es zeugt von einem zarten Geheimniß,« versetzte der Herzog, »und sein Skrupel macht ihm Ehre.«

»Ich hatte noch mehr gethan, ich hatte ihm einen Eid geleistet, diesen Geheimniß niemals irgend jemand in der Welt zu enthüllen. Aber Euer Verdacht machte den Becher überströmen. Wehe mir! ich habe meinen Eid vergessen; wehe mir! ich habe das Geheimniß meinen Bruders verrathen.«

Und Nanon zerfloß in Thränen.

Der Herzog fiel vor ihr auf die Kniee und küßte ihre schönen Hände, die sie ganz niedergeschlagen hängen ließ, während ihre Augen, zum Himmel emporgerichtet, Gott um Vergebung wegen ihren Meineiden zu bitten schienen.

»Ihr sagte Wehe mir!« rief der Herzog, »Sagt doch: Glück für Alle! Die verlorene Zeit soll dem lieben Canolles wieder eingebracht werden. Ich kenne ihn nicht, aber ich will ihn kennen lernen. Ihr stellt Canolles vor, und ich werde ihn lieben, wie einen Sohn.«

»Sagt, wie einen Bruder,« versetzte Nanon lächelnd.

Dann zu einem andern Gedanken übergehend, rief sie den Brief zerknitternd, den sie in das Feuer zu werfen sich stellte, während sie ihn sorgfältig in die Tasche steckte, um später den Urheber damit zu fassen:

»Ungeheuer von Anzeigern!«

»Aber ich bedenke,« sagte der Herzog, »warum kommt denn der Junge nicht? Warum sollte ich warten, um ihn zu sehen? Ich werde ihn sogleich im Goldenen Kalbe holen lassen.«

»Ah! ja, damit er erfährt, daß ich nichts zu verbergen vermag, und daß ich Euch mit Hintansetzung meines Eides Alles gesagt habe.«

»Ich werde diskret sein.«

»Ah! mein Herr Herzog. nun muß ich Euch den Krieg ankündigen,« versetzte Nanon mit jenem Lächeln, das die Teufel von den Engeln entlehnt haben.

»Und warum denn, meine teure Schöne?«

»Weil Ihr einst lüsterner nach einem-Zusammensein unter vier Augen waret, als jetzt. Glaubt mir, wir wollen zu Nacht speisen, und morgen früh ist es noch Zeit, Canolles holen zu lassen.« (Von jetzt bis morgen kann ich Canolles benachrichtigen, dachte Nanon.)

»Es sei,« sprach der Herzog, »setzen wir uns zu Tische.«

Und von einem Reste von Zweifel gepeinigt, fügte er ganz leise bei:

»Von jetzt bis morgen werde ich sie nicht verlassen, und wenn sie nicht eine Zauberin ist, wird sie kein Mittel finden, ihn zu unterrichten.«

»Also,« sprach Nanon und legte ihren Arm auf die Schulter den Herzogs, »also ist es mir erlaubt, meinem Freunde eine Bitte für meinen Bruder vorzutragen?«

»Wie!« Versetzte Epernon, »Alles, was Ihr wollt, Geld . . .«

»Oh! Geld,« sagte Nanon, »dessen bedarf er nicht; er hat mir den prächtigen Ring gegeben, den Ihr bemerkt habt, und der von seiner Mutter kommt.«

»Avancement also?«

»Ja, Avancement. Wir machen ihn zum Obersten, nicht wahr?«

»Teufel! zum Obersten; wie rasch Ihr verfahrt, meine Geliebte! Er müßte zu diesem Behufe der Sache des Königs einen Dienst geleistet haben.«

»Er ist bereit, alle Dienste zu leisten, die man ihm nennen wird.«

»Oh!« sprach der Herzog, Nanon aus einem Winkel seines Auges betrachtend, »oh! ich hätte wohl einen Vertrauensauftrag für den Hof.«

»Einen Auftrag für den Hof!« rief Nanon.

»Ja,« versetzte der alte Hofmann, »aber das würde Euch trennen.«

Nanon sah, hast sie diesen Ueberrest von Mißtrauen vollends vernichten mußte.

»Oh! fürchtet dieß nicht, mein lieber Herzog. Was liegt in her Trennung, wenn diese von Vortheil für ihn sein kann. Verbannt ihn, schickt ihn aus dem Vaterlande, wenn es zu seinem Besten gereicht, und kümmert Euch nicht mehr um mich. Bleibt mir nur die Liebe meines teuren Herzogs, ist das nicht mehr, als ich brauche, um glücklich zu sein?«

»Gut, es ist abgemacht,« erwiederte der Herzog, »morgen früh lasse ich ihn holen und gehe ihm seine Instruktionen. Und nun, wie Ihr gesagt habt,« fügte er mit einem sehr besänftigten Blick auf die zwei Fauteuils, auf die zwei Gedecke und die zwei Kopfkissen beim »und nun wollen wir zu Nacht speisen, meine Schönste.«

Und jedes von ihnen setzte sich zu Tisch, das Gesicht so lächelnd, daß selbst Francinette, so genau sie auch als vertraute Kammerfrau hie Art und Weise des Herzogs und den Charakter ihrer Gebieterin kannte, glaubte, ihre Gebieterin wäre vollkommen ruhig und der Herzog völlig beruhigt.

Der Frauenkrieg

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