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Erster Teil
V

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Ich versuchte vergebens wieder einzuschlafen.

Die Tischuhr schlug acht.

Ich stand auf und zählte das Gold, welches Alfred auf den Teppich geschüttet hatte.

Es waren etwas über sechstausend Francs.

Ich that die Goldstücke in eine bronzene Schale und stellte sie auf den Camin.

Dann kleidete ich mich an und ging hinunter. Da alle Hausbewohner erst zu Bett gingen, ging ich selbst in den Pferdestall, sattelte ein Pferd und machte einen Spazirritt.

Gegen zehn Uhr kam ich zurück. Alfred wünschte bis Mittag zu schlafen und ersuchte mich, von seinem Cabinet Besitz zu ergreifen und den Präfecten zu spielen, wenn es mir Vergnügen mache.

Mein Frühstück war bereit. Ich frühstückte.

Während ich bei Tische saß wurde eine Dame gemeldet, die Herrn von Senonches zu sprechen wünsche.

Ich schickte den Bedienten mit dem Auftrage zurück, nach dem Namen der Dame zu fragen.

Er kam zurück und sagte, es sey Frau von Chambray, sie komme in Geschäftsangelegenheiten.

Ich wurde neugierig; es fiel mir ein, daß mich Alfred beauftragt hatte, diesen Vormittag seine Stelle zu vertreten; wir hatten Abends zuvor von Frau von Chambray gesprochen; ich befahl dem Diener, sie in das Geschäftszimmer zu führen.

Es war keine Indiscretion von mir, meinen Freund zu vertreten.

Ich sah die Straße hinunter. Die Dame war in einem eleganten zweispännigen Coupé gekommen. Der Kutscher war in kleiner Livrée.

Ich verließ das Speisezimmer und als ich durch das zum Cabinet führende Vorzimmer ging, sah ich einen zweiten Bedienten in derselben Livrée, der seine Gebieterin in das Haus begleitet hatte.

Aus dem Wagen und der Dienerschaft war zu schließen, daß Frau von Chambray wirklich in Geschäftsangelegenheiten gekommen war und daß ich durch Benutzung der mir ertheilten Vollmacht keine Indiscretion beging.

Ich trat in das Cabinet.

Eine Dame saß vom Fenster abgewandt; sie stand auf als sie mich bemerkte.

»Herr Alfred von Senonches?« fragte sie mit melodischer Stimme. Ich bat sie durch eine verbindliche Handbewegung, ihren Platz wieder einzunehmen.

»Nein, Madame,« erwiederte ich, »aber ich bin ein Freund von ihm, der das Glück hat, diesen Morgen seine Stelle zu vertreten, und ich werde mir mein Leben lang Glück dazu wünschen, wenn ich Ihnen in dieser kurzen Zwischenzeit nützlich seyn kann.«

»Entschuldigen Sie,« sagte Frau von Chambray aufstehend; »ich wünschte den Herrn Präfecten« – sie betonte dieses Wort – »um eine Gunst zu bitten, die er allein mir bewilligen kann. Ich werde später wiederkommen, wenn er sichtbar ist.«

»Ich bitte, Madame —« sagte ich.

Sie nahm wieder Platz.

»Wenn Sie um eine Gunst zu bitten haben, Madame, warum nehmen Sie dann meine Vermittlung nicht in Anspruch? Zweifeln Sie an meiner Bereitwilligkeit, Ihre Angelegenheit warm zu befürworten?«

»Entschuldigen Sie, mein Herr, ich weiß nicht einmal, mit wem ich die Ehre habe zu sprechen.«

»Mein Name ist Ihnen ganz unbekannt, Madame, und wird Ihnen daher nichts nützen. Ich heiße Maximilian von Villiers. Aber ich bin Ihnen nicht so fremd, wie Sie glauben; ich hatte gestern das Vergnügen, Herrn von Chambray vorgestellt zu werden; ich war sein Tischnachbar und wir haben bei Tische und nachher viel miteinander gesprochen. Er war so gütig, mich zur Eröffnung der Jagd auf Ihr Schloß Bernay einzuladen, und ohne mir einen Besuch zu erlauben, gedachte ich heute die Ehre zu haben, meine Karte bei Ihnen abzugeben.

Ich verneigte mich und setzte hinzu:

»Herr von Chambray ist ein sehr feingebildeter Mann —«

»Ja« das ist wahr« ein feingebildeter Mann.«

Frau von Chambray begleitete diese Antwort mit einem leisen Seufzer.

Unterdessen sah ich sie an.

Ihr Anzug war sehr einfach und geschmackvoll; es war ein Morgenanzug von perlgrauem Taffet, der Hut, halb von italienischem Stroh, halb von Taffet, der mit dem Kleide gleiche Farbe hatte, war nur mit einigen Haferähren und Kornblumen geziert.

Ein Halbschleier von Spitzen beschattete den oberen Theil des Gesichtes.

Ich benutzte das kurze Stillschweigen, welches dem erwähnten Seufzer folgte, um einen Blick auf Frau von Chambray zu werfen. Es war eine junge Dame von zwanzig bis vierundzwanzig Jahren, mehr groß als klein, und ihr schlanker zarter Wuchs war unter ihrer weiten Mantille deutlich zu bemerken. Sie hatte graublaue Augen, lange blonde Locken, kleine weiße Zähne und rothe Lippen, welche gegen die Blässe ihres Gesichtes stark abstachen.

Ihre ganze Haltung zeigte eine gewisse Abspannung oder ein Wehgefühl, als ob sie des Kampfes gegen ein physisches oder moralisches Leiden überdrüssig gewesen wäre.

Der flüchtige Blick, der mir alles dies zeigte, erregte in mir den eifrigen Wunsch, die Ursache, des Erscheinens der Frau von Chambray in der Präfectur kennen zu lernen.

»Wenn ich Sie fragen wollte, Madame,« begann ich, »was mir die Ehre Ihres Besuches verschafft, so würden Sie vielleicht glauben, «ich wünschte die Zeit abzukürzen, die ich in Ihrer Gegenwart zuzubringen das Glück habe; allein ich gestehe, daß ich gern wissen möchte, worin Ihnen mein Freund nützlich seyn kann.«

»Die Angelegenheit, welche mich zu dem Herrn Präfecten führt, ist folgende,« erwiederte die Dame. »Vor einem Monate hat die Ziehung zur Conscription stattgefunden. Der jüngere Bruder meiner Milchschwester, die ich sehr lieb habe, muß sich stellen. Der junge Mensch ist die Stütze seiner Mutter und einer jüngeren Schwester; überdies war er im Begriff, seine Braut zu heirathen; dies wird nun vereitelt: die unglückliche Nummer hat also vier Personen in Trauer gesetzt.«

Ich verneigte mich, um anzudeuten, daß ich die Aeußerung ihres Wunsches erwartete.

»Nächsten Sonntag, fuhr Frau von Chambray fort, »versammelt sich die Revisionscommission. Herr von Senonches führt den Vorsitz; er braucht dem Arzt nur ein Wort zu sagen und der arme junge Mensch ist frei, und vier Personen werden ihm ihr Glück verdanken.«

»Aber vier Andere werden dadurch vielleicht unglücklich,« erwiederte ich lächelnd.

»Wie so?« fragte Frau von Chambray erstaunt.

»Allerdings, Madame. Wie viele junge Leute muß der Canton stellen, in welchem Ihr Schützling seinen Wohnsitz hat?«

»Fünfundzwanzig.«

»Hat er einen Grund zur Abdankung?«

Frau von Chambray erröthete.

»Ich glaube Ihnen gesagt zu haben,« stammelte sie, »daß ich mir seine Befreiung als eine Gunst von dem Herrn Präfecten erbitten wollte.«

»Entschuldigen Sie meine Aufrichtigkeit, Madame. Diese Gunst ist eine Ungerechtigkeit, sobald einer anderen Familie dadurch eine Last aufgebürdet wird.«

»Ich verstehe Sie nicht —«

»Es ist sehr leicht zu verstehen, Madame. Der Canton muß fünfundzwanzig Recruten stellen; angenommen, es werde von zweien einer tauglich befunden, so sind es fünfzig, und Nr. 51 wird eben durch die von ihm gezogene Nummer frei. Verstehen Sie mich, Madame?«

»Ja wohl, ich verstehe Sie sehr gut.«

»Wenn nun einer der fünfundzwanzig tauglichen Recruten durch besondere Begünstigung frei wird, so muß der einundfünfzigste, der sich freigelost hatte, an seine Stelle treten.«

»Das ist wahr,« sagte Frau von Chambray betroffen.

»Ich hatte also Recht, Madame,« setzte ich hinzu, »daß das Glück Ihrer vier Schützlinge vielleicht vier andere Personen unglücklich macht und daß mein Freund durch die Gewährung Ihrer Bitte eine Ungerechtigkeit begehen würde.«

»Sie haben vollkommen Recht, sagte Frau von Chambray aufstehend; »ich habe nur noch eine Bitte an Sie.

»Reden Sie, Madame.»

»Schreiben Sie den unpassenden Schritt, den ich gethan, nur meiner Unbedachtsamkeit und nicht etwa meiner Herzlosigkeit zu. Ich hatte die Sache nicht überlegt, ich wollte nur einen jungen Menschen für seine Familie erhalten; es kann nicht seyn, ich begnüge mich – es wird vier Unglückliche mehr in der Weit geben, aber in der großen Menge wird man’s nicht merken.»

Frau von Chambray wischte verstohlen eine an ihren Wangen zitternde Thräne ab, verneigte sich und ging auf die Thür zu.

Ich schaute ihr mit tiefem Bedauern nach.

»Madame – sagte ich.

Sie stand still.

»Würden Sie die Güte haben, mir ebenfalls eine Gunst zu bewilligen?»fragte ich.

»Ich?»– erwiderte sie mit Befremden. »Was meinen Sie?»

»Ich bitte Sie, Madame« sich zu setzen und mir ein kurzes Gehör zu schenken.«

Sie lächelte wehmüthig und setzte sich wieder auf ihren Fauteuil.

»Es wäre unverzeihlich von mir, Madame,»sagte ich, »so schonungslos zu reden, wenn ich Ihnen nicht ein Auskunftsmittel vorzuschlagen hätte.

»Was für ein Mittel?«

»Es gibt Gewerbsleute, die mit todtem Fleisch handeln, es sind die Fleischer; es gibt auch Speculanten, die lebendiges Fleisch verkaufen, ich weiß nicht wie man sie nennt, aber ich weiß, daß sie existiren: man kann für Ihren Schützling einen Stellvertreter kaufen.«

Dieser Vorschlag schien einen sehr schmerzlichen Eindruck auf die Dame zu machen.

»Ich habe auch schon daran gedacht,« erwiederte sie; »aber —«

»Aber?« wiederholte ich.

»Man kann sich nicht immer ein gutes Werk vergönnen; ein Stellvertreter kostet zweitausend Francs —«

Ich nickte zustimmend.

»Wenn ich über mein Vermögen frei verfügen könnte,« fuhr Frau von Chambray fort, »so würde ich keinen Augenblick zögern; aber mein Vermögen gehört meinem Gatten, und da ihm meine Milchschwester ganz gleichgültig ist, so bezweifle ich, daß er mir erlauben wird, diese Summe zu opfern.

Madame,« fragte ich, »würden Sie einem Fremden erlauben, an Ihre Stelle zu treten, und das Ihnen versagte gute Werk zu thun?«

»Ich verstehe Sie nicht,« erwiederte sie; »denn ich kann nicht glauben, daß Sie sich erbieten, für meinen Schützling einen Stellvertreter zu kaufen.«

»Entschuldigen Sie, Madame, sagte ich mit einer Bewegung, welche sie einlud, ihren Platz wieder einzunehmen, denn sie stand auf; »haben Sie die Güte mich ausreden zu lassen.«

Sie nahm ihren Platz wieder ein.

»Ich hatte meiner Mutter feierlich versprochen, nie zu spielen, fuhr ich fort, »und ich habe mein Versprechen gehalten. Gestern Abends zwang mich mein Freund Alfred von Senonches, ihm hundert Francs als Einsatz anzuvertrauen. Mit diesen hundert Francs hat er sechs- bis siebentausend gewonnen, und wahrscheinlich einen Theil dieser Summe von Ihrem Herrn Gemal. Dieses Spielgeld, welches mir Alfred diesen Morgen brachte, habe ich nur mit dem Vorbehalt angenommen, es zu mehren guten Werken zu verwenden. Ihr Besuch, Madame, gibt mir Gelegenheit, diesen Vorsatz sogleich auszuführen.«

Frau von Chambray unterbrach mich, indem sie wiederaufstand.

»Sie werden einsehen,« sagte sie, »daß ich ein solches Anerbieten nicht annehmen kann.«

»Ich habe es ja nicht Ihnen gemacht, Madame,« erwiderte ich; »Sie haben mir gesagt, wo der Schmerz ist, den ich heilen, wo die Thränen sind, die ich trocknen kann; Sie sind mir deshalb keinen persönlichen Dank schuldig. Bei der nächsten Sammlung, die man für eine arme Familie, für einen Kirchenbau, für eine Grabstelle macht, würde ich zu Ihnen kommen und Sie um eine Gabe bitten; wenn Sie auch nur einen Louisd’or geben, so geben Sie mehr als ich heute spende, denn der Louisd’or gehört Ihnen, ich hingegen gebe zweitausend Francs, die mir der Zufall, oder wenn Sie wollen, die Vorsehung in die Hände gegeben hat.«

»Geben Sie mir Ihr Ehrenwort,« erwiederte Frau von Chambray bewegt, »daß Sie auf die angegebene Weise in den Besitz des Geldes gekommen sind?«

»Ja, Madame« ich gebe Ihnen mein Ehrenwort; ich würde mich nicht einmal, um das Recht zu haben, ein gutes Werk zu thun, einer Unwahrheit schuldig machen.«

Sie reichte mir die Hand.

Ich faßte ihre Hand und berührte sie ehrerbietig mit den Lippen. Sie trat etwas zurück und erwiederte:

»Ich darf Sie nicht hindern, eine Familie der Verzweiflung zu entreißen; ich will Ihnen meinen Schützling, oder vielmehr seine Braut schicken; sein Glück wird größer seyn, wenn er es von ihr erfährt.«

Dieses Mal stand ich auf.

»Zweimal habe ich Sie zurückgehalten, Madame,« sagte ich; »jetzt gebe ich Ihnen mit Vergnügen Ihre Freiheit.«

»Zürnen Sie mir nicht, wenn ich mich beeile, meinen Schützlingen die erfreuliche Nachricht zu bringen. Sie machen eine ganze Familie glücklich, Gott vergelte es Ihnen!«

Ich verneigte mich und begleitete Frau von Chambray bis an die Thür des Vorzimmers, wo ihr Diener wartete,

Als ich allein war, befand ich mich in einer seltsamen Gemüthsstimmung. Anfangs, als ich die Thür geschlossen hatte, blieb ich, ohne zu wissen warum, mitten im Zimmer stehen. Ich dachte über die Unterredung nach und konnte mir nicht verhehlen, daß ich durch einen unwiderstehlichen Zauber gefesselt war.

Ohne mir die Ursache erklären zu können, war mir unaussprechlich wohl. Es schien mir, als ob eine nie geahnte Harmonie von meinem Innern Besitz genommen. Alle meine Sinne hatten eine ungemeine Schärfe, meine Gedanken eine nie geahnte Klarheit bekommen. Ich fühlte mich glücklich, ohne daß in meinem Leben eine Veränderung, die mir das Glück zu versprechen schien, vorgegangen war.

Ich fühlte fast eine Anwandlung von Reue, denn nach dem Tode meiner Mutter hatte ich gedacht, ich könne nie mehr glücklich werden. Und nun dachte ich an jenen Verlust nicht mehr mit dem ursprünglichen Schmerzes den er mir verursacht hatte, sondern mit heiterer Wehmuth, welche meinen Blick himmelwärts zog.

Meine Augen wurden durch einen Sonnenstrahl geblendet.

»O meine theure Mutter,« sagte ich leise für mich »siehst Du auf mich herab?«

In diesem Augenblicke zog eine leichte Wolke über den Sonnenstrahl, der aber alsbald wieder glänzender hervorbrach. Es war mir als ob der Schatten des Todes vorüberzöge.

Der Sonnenstrahl war ein Lächeln, ich begrüßte ihn mit Freude und setzte mich wieder in den Fauteuil, der dem nun leeren Sitz gegenüberstand.

Hier verträumte ich eine der süßesten halben Stunden meines Lebens.

Diesen Träumereien wurde ich durch Alfreds Diener entrissen, der mir meldete, ein junges Mädchen in normannischer Bauerntracht wünsche mich zu sprechen.

Ich errieth, daß es die Milchschwester der Frau von Chambray sey, die mir danken wollte.

Ich befahl dem Bedienten, das Mädchen hereinzuführen und mir sodann aus der bronzenen Schale, die auf meinem Camine stand, zweitausend Francs zu bringen.

So sey es

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