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IV. Verfassungsrechtlicher Schutz und Grenzen der Privatautonomie

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Die seit jeher in Widerspruch zueinander stehenden Konzepte der unbeschränkten Vertragsautonomie und der Vertragsgerechtigkeit durch staatliche (Inhalts-)Kontrolle211 fließen im deutschen Recht in den grundgesetzlich geschützten Begriff der Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG ein212. Hierunter fallen nicht nur positive und negative Abschlussfreiheit, d.h. die freie Entscheidung über das „Ob“ eines Vertragsabschlusses, sondern auch die (beschränkte) Inhaltsfreiheit, d.h. die (beschränkte) Entscheidung über das „Was“ eines Vertrages213. Auch aus Sicht der unternehmerischen Freiheit nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG könnte man die Notwendigkeit der Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung als legitimes Risikobegrenzungsinstrument zur Förderung unternehmerischer Initiative herleiten, welche zumindest dann verletzt sein könnte, wenn hierdurch in bestimmten Branchen jegliche wirtschaftliche Aktivität infolge falscher Anreizstrukturen zum Erliegen käme214.

Verfassungsrechtlich geschützt ist auch die Möglichkeit des Staates, für verschiedene Bereiche Haftungshöchst- und Mindestsummen zu definieren, wobei dem Staat hierbei nur im Rahmen anderer verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter (wie der Vertragsfreiheit und dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3. Abs. 1 GG)) Grenzen gesetzt sind215.

Umgekehrt stellt sich natürlich die Frage, wo die Privatautonomie ihre verfassungsrechtlichen Grenzen findet. Wo die Privatautonomie des einen beginnt, könnte dies die Privatautonomie des anderen beschränken oder übergeordneten verfassungsrechtlichen Zielen zuwider stehen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des BVerfG ist anerkannt, dass auch das staatliche Eingreifen in die Privatautonomie des strukturell überlegenen Vertragspartners gerade dem Schutz der Privatautonomie des unterlegenen Vertragspartners und somit generell der Zielsetzung der Vertragsfreiheit dienen kann216. Ansatzpunkt ist, wie im später vertretenen Vertragsparitätskonzept tiefergehend erläutert, eine strukturell ungleich verteilte Verhandlungsmacht217. Es wird somit nicht das strenge liberale Modell der Vertragsfreiheit verfolgt, sondern eine vom Staat in gewissen Bereichen korrigierend eingreifendes, „paternalistisches Vertragsfreiheitsmodell“218. Bereits aus der geschilderten rechtshistorischen Entwicklung und angesichts der verfassungsrechtlich garantierten Privatautonomie heraus muss die Möglichkeit privatautonomer Haftungsbeschränkungen, zumindest solange dies nicht zu einem vollständigen Haftungsausschluss und somit zur Verletzung der Vertragsfreiheit des anderen Vertragspartners führt, erhalten bleiben219. Genauso wie dem Gesetzgeber aber auch ein weiter Gestaltungsspielraum für die Festlegung angemessener Haftungshöchst- und Mindestsummen gewährt werden muss (z.B. weil eine angemessene Summe stets schwer ermittelbar ist), so muss auch den Wirtschaftssubjekten ein weiter Einschätzungsspielraum zugestanden werden und die Inhaltskontrolle betraglicher Haftungsbeschränkungen darf nicht zu einem „scharfen Schwert“ verkommen220.

Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass keine Gründe ersichtlich sind, weshalb eine Inhaltskontrolle mit den grundgesetzlichen Vorgaben nicht im Einklang stehen sollte221. Vielmehr wird heute nicht mehr von der „Richtigkeitsgewähr“ von Verträgen222 gesprochen, welche infolge eines Aushandelns der Vertragspartner auf Augenhöhe ein optimales Ergebnis liefern, sondern von „Ungleichgewichten“, welche regulierende staatliche Eingriffe geradezu einfordern.

Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen

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