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II Landschaftsmalerei in ihrem Einfluß auf die Belebung des Naturstudiums – Graphische Darstellung der Physiognomik der Gewächse – Charakteristik ihrer Gestaltung unter verschiedenen Zonen

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Wie eine lebensfrische Naturbeschreibung so ist auch die Landschaftsmalerei geeignet, die Liebe zum Naturstudium zu erhöhen. Beide zeigen uns die Außenwelt in ihrer ganzen gestaltenreichen Mannigfaltigkeit; beide sind fähig, nach dem Grad eines mehr oder minder glücklichen Gelingens in Auffassung der Natur das Sinnliche an das Unsinnliche anzuknüpfen. Das Streben nach einer solchen Verknüpfung bezeichnet das letzte und erhabenste Ziel der darstellenden Künste. Diese Blätter sind durch den wissenschaftlichen Gegenstand, dem sie gewidmet sind, auf eine andere Ansicht beschränkt: Es kann hier der Landschaftsmalerei nur in der Beziehung gedacht werden, als sie den physiognomischen Charakter der verschiedenen Erdräume anschaulich macht, die Sehnsucht nach fernen Reisen vermehrt und auf eine ebenso lehrreiche wie anmutige Weise zum Verkehr mit der freien Natur anreizt.

Im Altertum, welches wir vorzugsweise das klassische nennen, bei den Griechen und Römern, war nach der besonderen Geistesrichtung dieser Völker die Landschaftsmalerei ebensowenig wie die dichterische Schilderung einer Gegend ein für sich bestehendes Objekt der Kunst. Beide wurden nur als Beiwerk behandelt. Anderen Zwecken untergeordnet, diente die Landschaftsmalerei lange nur als Hintergrund historischer Kompositionen oder als zufälliges Ornament in Wandgemälden. Auf eine ähnliche Weise versinnlichte der epische Dichter durch eine malerische Beschreibung der Landschaftich könnte wieder sagen des Hintergrunds, vor dem die handelnden Personen sich bewegendas Lokal eines geschichtlichen Vorgangs. Die Kunstgeschichte lehrt, wie allmählich das Beiwerk zur Hauptsache der Darstellung wurde; wie die Landschaftsmalerei, von der historischen gesondert, als eine eigene Gattung auftrat, wie die menschlichen Gestalten bald nur als Staffage einer Berg- und Waldgegend, eines Seestrandes oder einer Gartenanlage gedient haben. Die Trennung zweier Gattungen, der Geschichtsund Landschaftsmalerei, ist so, den allgemeinen Fortschritt der Kunst auf verschiedenen Bildungsstufen begünstigend, allmählich vorbereitet worden; und man hat mit Recht bemerkt, daß, wenn überhaupt bei den Alten die Malerei der Plastik untergeordnet blieb, insbesondere das Gefühl für die landschaftliche Schönheit, welche der Pinsel wiedergeben soll, kein antikes, sondern ein modernes Gefühl ist.

Graphische Andeutung von der Eigentümlichkeit einer Gegend mußte sich allerdings schon in den ältesten Gemälden der Griechen finden, wenn, um einzelne Beispiele anzuführen, nach Herodots106 Berichte Mandrokles von Samos für den großen Perserkönig den Übergang des Heeres über den Bosporus darstellen ließ, oder wenn Polygnot107 in der Lesche zu Delphi den Untergang von Troja malte. Unter den Bildern, die der ältere Philostrat beschreibt, wird sogar eine Landschaft erwähnt, in der man Rauch aus dem Gipfel eines Vulkans aufsteigen und Lavaströme sich in das nahe Meer ergießen sah. In dieser sehr verwickelten Komposition einer Ansicht von sieben Inseln glauben die neuesten Kommentatoren108 sogar die Darstellung einer wirklichen Gegend, die kleine Aeolische oder Liparische Vulkan-Gruppe nördlich von Sizilien zu erkennen. Die perspektivische Bühnenmalerei, durch welche die Aufführung der Meisterwerke des Äschylus und Sophokles verherrlicht worden war, erweiterte allmählich diesen Teil des Kunstgebiets109, indem sie das Bedürfnis einer täuschenden Nachahmung lebloser Gegenstände (von Baulichkeiten, Wald und Felsen) vermehrte.

Von der Bühne, durch die Vervollkommnung der Szenographie, ging die Landschaftsmalerei bei den Griechen und den nachahmenden Römern in die durch Säulen gezierten Hallen über, wo lange Wandflächen erst mit eingeschränkten Naturszenen110, bald aber mit großen Prospekten von Städten, Seeufern und weiten Triften bedeckt wurden, auf denen Viehherden weiden111. Solche anmutigen Wandverzierungen hatte im Augusteischen Zeitalter nicht erfunden, aber allgemein beliebt gemacht112 und durch die Staffage kleiner Figuren erheitert113 der römische Maler Ludius. Fast zu derselben Zeit und wohl noch ein halbes Jahrhundert früher finden wir schon bei den Indern in der glänzenden Epoche des Vikramaditya die Landschaftsmalerei als eine sehr geübte Kunst erwähnt. Im reizenden Drama ›Sakuntala‹ wird dem König Duschmanta das Bild seiner Geliebten gezeigt. Er ist nicht zufrieden damit, denn er will, „daß die Malerin die Plätze abbilde, welche der Freundin besonders lieb sind, den Malini-Fluß mit einer Sandbank, auf der die roten Flamingos stehen, eine Hügelkette, welche sich an den Himalaja anlehnt, und Gazellen auf dieser Hügelkette gelagert“. Das sind Anforderungen nicht geringer Art; sie deuten wenigstens auf den Glauben an die Ausführbarkeit einer verwickelten Komposition.

Seit den Cäsaren trat die Landschaftsmalerei zu Rom als eine eigene abgesonderte Kunst auf; aber nach dem vielen, was uns die Ausgrabungen von Herculaneum, Pompeji und Stabiä zeigen, waren diese Naturbilder oft nur landkartenähnliche Übersichten der Gegend: wieder mehr Darstellung von Hafenstädten, Villen und Kunstgärten als der freien Natur zugewandt. Den Griechen und Römern schien fast allein das gemächlich Bewohnbare anziehend in der Landschaft, nicht das, was wir wild und romantisch nennen. Die Nachahmung konnte genau sein, soweit eine oft störende Sorglosigkeit in der Perspektive und ein Streben nach konventioneller Anordnung es erlaubten; ja die arabeskenartigen Kompositionen, denen der strenge Vitruvius abhold war, vereinigten, rhythmisch wiederkehrend und genialisch aufgefaßt, Tier- und Pflanzengestalten; aber, um mich eines Ausspruchs von Otfried Müller zu bedienen114, „der ahnungsvolle Dämmerschein des Geistes, mit welchem die Landschaft uns anspricht, erschien den Alten nach ihrer Gemütsrichtung jeder künstlerischen Ausbildung unfähig, ihre Landschaften waren mehr scherzhaft als mit Ernst und Gefühl entworfen“.

Wir haben die Analogie des Entwicklungsgangs bezeichnet, auf dem im Klassischen Altertum zwei Mittel, die Natur anschaulich darzustellen, durch die Sprache (das begeisterte Wort) und durch graphische Nachbildungen allmählich zu einer Selbständigkeit gelangt sind. Was uns die neuerlichst so glücklich fortgesetzten Ausgrabungen in Pompeji von antiker Landschaftsmalerei in der Manier des Ludius zeigen, gehört höchstwahrscheinlich einer einzigen und zwar sehr kurzen Zeitepoche115 von Nero bis Titus an; denn die Stadt war 16 Jahre vor dem berühmten Ausbruch des Vesuvs schon einmal durch Erdbeben gänzlich zerstört worden.

Die spätere christliche Malerei blieb nach ihrem Kunstcharakter von Konstantin dem Großen an bis zum Anfang des Mittelalters der echt griechischen und römischen nahe verwandt. Es offenbart uns dieselbe einen Schatz von alten Erinnerungen sowohl in den Miniaturen116, welche prachtvolle und wohlerhaltene Manuskripte zieren, wie in den selteneren Mosaiken derselben Epochen. Rumohr gedenkt eines Psalmenmanuskripts in der Barberina zu Rom, wo in einer Miniatur „David die Harfe schlägt, von einem anmutigen Hain umgeben, aus dessen Gezweig Nymphen hervorlauschen. Diese Personifikation deutet auf die antike Wurzel des ganzen Bildes.“ Seit der Mitte des 6. Jahrhunderts, als Italien verarmt und politisch zerrüttet war, bewahrte vorzugsweise die byzantinische Kunst im östlichen Reich den Nachklang und die schwer verlöschenden Typen einer besseren Zeit. Solche Denkmäler bilden den Übergang zu den Schöpfungen des späteren Mittelalters, nachdem die Liebe zur Ausschmückung der Manuskripte sich aus dem griechischen Orient nach den Abendländern und dem Norden in die fränkische Monarchie, unter den Angelsachsen und die Niederlande verbreitet hatte. Es ist daher von nicht geringer Wichtigkeit für die Geschichte der neueren Kunst, „daß die berühmten Brüder Hubert und Johann van Eyck dem Wesentlichen nach aus einer Schule der Miniaturmaler hervorgegangen sind, welche seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Flandern eine so große Vollkommenheit erlangt hatte“117.

Sorgfältige Ausbildung des Landschaftlichen findet sich nämlich zuerst in den historischen Bildern dieser Brüder van Eyck. Beide haben nie Italien gesehen; aber der jüngere Bruder Johann genoß den Anblick einer südeuropäischen Vegetation, als er im Jahr 1428 die Gesandtschaft begleitete, welche der Herzog von Burgund Philipp der Gute wegen seiner Bewerbung um die Tochter König Johanns I. von Portugal nach Lissabon schickte. Wir besitzen hier im Museum zu Berlin die Flügel des herrlichen Bildes, welches die eben genannten Künstler, die eigentlichen Begründer der großen niederländischen Malerschule, für die Kathedralkirche zu Gent angefertigt hatten. Auf den Flügeln, welche die heiligen Einsiedler und Pilger darstellen, hat Johann van Eyck die Landschaft durch Orangenbäume, Dattelpalmen und Zypressen geschmückt, welche äußerst naturgetreu über andere dunkle Massen einen ernsten, erhabenen Charakter verbreiten. Man fühlt bei dem Anblick des Bildes, daß der Maler selbst den Eindruck einer Vegetation empfangen hat, die von lauen Lüften umweht ist.

Bei dem Meisterwerk der Gebrüder van Eyck stehen wir noch in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, als die vervollkommnete Ölmalerei eben erst angefangen hatte, die Malerei in Tempera zu verdrängen und doch schon eine hohe technische Vollendung erlangt hatte. Das Streben nach einer lebendigen Darstellung der Naturformen war erweckt; und will man die allmähliche Verbreitung eines sich erhöhenden Naturgefühls verfolgen, so muß man erinnern, wie Antonello di Messina, ein Schüler der Brüder van Eyck, den Hang zu landschaftlicher Auffassung nach Venedig verpflanzte, und wie die Bilder der van Eyckschen Schule selbst in Florenz auf Domenico Ghirlandajo und andere Meister in ähnlichem Sinn eingewirkt haben118. Die Bestrebungen dieser Zeit waren auf eine sorgsame, aber meist ängstliche Nachahmung der Natur gerichtet. Frei und großartig aufgefaßt, erscheint diese erst in den Meisterwerken des Tizian, dem auch hier Giorgione zum Vorbild diente. Ich habe das Glück gehabt, viele Jahre lang im Pariser Museum das Gemälde des Tizian bewundern zu können, welches den Tod des von einem Albigenser im Wald Überfallenen Petrus Martyr119 in Gegenwart eines anderen Dominikanermönchs darstellt. Die Form der Waldbäume und ihre Belaubung, die bergige blaue Ferne, die Abtönung und Beleuchtung des Ganzen lassen einen feierlichen Eindruck von Ernst und Größe, von einer Tiefe der Empfindungen, welche die überaus einfache landschaftliche Komposition durchdringt. So lebendig war das Naturgefühl des Tizian, daß er nicht etwa bloß in Bildnissen schöner Frauen wie im Hintergrund der üppigen Gestalt der Dresdner Venus, sondern auch in den Bildnissen strengerer Auffassung, z.B. in dem des Dichters Pietro Aretino, sei es in der Landschaft, sei es dem Himmel einen der individuellen Darstellung entsprechenden Charakter gab. Einem solchen Charakter der Erhabenheit blieben treu in der Bologneser Schule Annibale Caracci und Domenichino.

War aber die große Kunstepoche der Historienmalerei das Cinquecento, so ist die Epoche der größten Landschafter das 17. Jahrhundert. Bei dem immer mehr erkannten und sorgsamer beobachteten Reichtum der Natur konnte das Kunstgefühl sich über eine größere Mannigfaltigkeit von Gegenständen verbreiten; auch vermehrte sich zugleich die Vollkommenheit der technischen Darstellungsmittel. Beziehungen auf die Stimmung des Gemüts wurden inniger, und durch sie erhöhte sich der zarte und milde Ausdruck des Naturschönen wie der Glaube an die Macht, mit welcher die Sinnenwelt uns anregen kann. Wenn diese Anregung dem erhabenen Zweck aller Kunst gemäß die wirklichen Gegenstände in ein Objekt der Phantasie verwandelt, wenn sie harmonisch in unserm Inneren den Eindruck der Ruhe erzeugt, so ist der Genuß nicht ohne Rührung; sie ergreift das Herz, sooft wir in die Tiefen der Natur oder der Menschheit blicken120. In einem Jahrhundert finden wir zusammengedrängt Claude Lorrain, den idyllischen Maler des Lichts und der duftigen Ferne, Ruysdaels dunkle Waldmassen und sein drohendes Gewölk, die heroischen Baumgestalten von Gaspard und Nicolaus Poussin, die naturwahren Darstellungen von Εverdingen, Hobbema und Cuyp121.

In dieser glücklichen Entwicklungsperiode der Kunst ahmte man geistreich nach, was die Vegetation des Nordens von Europa, was das südliche Italien und die Iberische Halbinsel darboten. Man schmückte die Landschaft mit Orangen- und Lorbeerbäumen, mit Pinien und Dattelpalmen. Die letzten (das einzige Glied dieser herrlichen Familie, das man außer der kleinen, ursprünglich europäischen Strandpalme, Chamaerops, durch eigenen Anblick kannte) wurden meist konventionell mit schlangenartig schuppigem Stamm dargestellt122; sie dienten lange als Repräsentanten der ganzen Tropenvegetation, wie Pinus pinea nach einem noch sehr verbreiteten Glauben die Vegetation Italiens ausschließlich charakterisieren soll. Die Umrisse der hohen Gebirgsketten wurden wenig studiert; ja Schneegipfel, welche sich über grüne Alpenwiesen erheben, wurden damals noch von den Naturforschern und Landschaftsmalern für unerreichbar gehalten. Die Physiognomik der Felsmassen reizte fast nur da zu einer genaueren Nachbildung an, wo der Gießbach sich schäumend und furchend eine Bahn gebrochen hat. Auch hier ist wieder die Vielseitigkeit eines freien, sich in die ganze Natur versenkenden künstlerischen Geistes zu bezeichnen. Ein Geschichtsmaler,derselbe Rubens, der in seinen großen Jagdstücken das wilde Treiben der Waldtiere mit unnachahmlicher Lebendigkeit geschildert hat, faßte beinahe gleichzeitig die Gestaltung des Erdreichs in der dürren, gänzlich öden, felsigen Hochebene des Escorials mit seltenem Glück landschaftlich auf123.

Die Darstellung individueller Naturformen, den Teil der Kunst berührend, welcher der eigentliche Gegenstand dieser Blätter ist, konnte an Mannigfaltigkeit und Genauigkeit erst dann zunehmen, als der geographische Gesichtskreis erweitert, das Reisen in ferne Klimate erleichtert und der Sinn für die relative Schönheit und Gliederung der vegetabilischen Gestalten, wie sie in Gruppen natürlicher Familien verteilt sind, angeregt wurden. Die Entdeckungen von Columbus, Vasco da Gama und Alvarez Cabral in Mittelamerika, Südasien und Brasilien, der ausgebreitete Spezerei- und Drogenhandel der Spanier, Portugiesen, Italiener und Niederländer, die Gründung botanischer, aber noch nicht mit eigentlichen Treibhäusern versehener Gärten in Pisa, Padua und Bologna zwischen 1544 und 1568 machten die Maler allerdings mit vielen wunderbaren Formen exotischer Produkte, selbst mit denen der Tropenwelt, bekannt. Einzelne Früchte, Blüten und Zweige wurden von Johann Breughel, dessen Ruhm schon am Ende des 16. Jahrhunderts begann, mit anmutiger Naturtreue dargestellt; aber es fehlte bis kurz vor der Mitte des 17. Jahrhunderts an Landschaften, welche den individuellen Charakter der heißen Zone, von dem Künstler selbst an Ort und Stelle aufgefaßt, wiedergeben konnten. Das erste Verdienst einer solchen Darstellung gehört wahrscheinlich, wie mich Waagen belehrte, dem niederländischen Maler Franz Post aus Harlem, der den Prinzen [Johann] Moritz von Nassau[-Siegen] nach Brasilien begleitete, wo dieser mit den Erzeugnissen der Tropenwelt lebhaft beschäftigte Fürst in den Jahren 1637 bis 1644 holländischer Statthalter in den eroberten portugiesischen Besitzungen war. Post machte viele Jahre lang Studien nach der Natur am Vorgebirge San Augustin, in der Bucht Aller Heiligen, an den Ufern des Rio San Francisco und am unteren Lauf des Amazonenstroms124. Diese Studien wurden von ihm selbst teils als Gemälde ausgeführt, teils mit viel Geist radiert. Zu derselben Zeit gehören die in Dänemark (in einer Galerie des schönen Schlosses Frederiksborg) aufbewahrten, sehr ausgezeichneten großen Ölbilder des Malers Eckhout, der 1641 sich ebenfalls mit Prinz Moritz von Nassau an der brasilianischen Küste befand. Palmen, Melonenbäume, Bananen und Helikonien sind überaus charakteristisch abgebildet, auch die Gestalten der Eingeborenen, buntgefiederte Vögel und kleine Quadrupeden.

Solchen Beispielen physiognomischer Naturdarstellung sind bis zu Cooks zweiter Weltumseglung wenige begabte Künstler gefolgt. Was Hodges für die westlichen Inseln der Südsee, was unser verewigter Landsmann Ferdinand Bauer für Neu-Holland [Australien] und Van Diemens Land [Tasmanien] leisteten, haben in den neuesten Zeiten in viel größerem Stil und mit höherer Meisterschaft für die amerikanische Tropenwelt Moritz Rugendas, der Graf Clarac, Ferdinand Bellermann und Eduard Hildebrandt, für viele andere Teile der Erde Heinrich von Kittlitz, der Begleiter des russischen Admirals Lütke auf seiner Weltumseglung, getan125.

Wer empfänglich für die Naturschönheit von Berg-, Fluß- und Waldgegenden die heiße Zone selbst durchwandert ist, wer Üppigkeit und Mannigfaltigkeit der Vegetation nicht etwa bloß an den bebauten Küsten, sondern am Abhang der schneebedeckten Anden, des Himalaja und des mysorischen Nilgiris-Gebirges oder in den Urwäldern des Flußnetzes zwischen dem Orinoco und Amazonenstrom gesehen hat, der allein kann fühlen, welch ein unabsehbares Feld der Landschaftsmalerei zwischen den Wendekreisen beider Kontinente oder in der Inselwelt von Sumatra, Borneo und der Philippinen zu eröffnen ist; wie das, was man bisher Geistreiches und Treffliches geleistet hat, nicht mit der Größe der Naturschätze verglichen werden kann, deren einst noch die Kunst sich zu bemächtigen vermag. Warum sollte unsere Hoffnung nicht begründet sein, daß die Landschaftsmalerei zu einer neuen, nie gesehenen Herrlichkeit erblühen werde, wenn hochbegabte Künstler öfter die engen Grenzen des Mittelmeers überschreiten können; wenn es ihnen gegeben sein wird, fern von der Küste, mit der ursprünglichen Frische eines reinen jugendlichen Gemüts, die vielgestaltete Natur in den feuchten Gebirgstälern der Tropenwelt lebendig aufzufassen?IV

Jene herrlichen Regionen sind bisher meist nur von Reisenden besucht worden, denen Mangel an früher Kunstbildung und anderweitige wissenschaftliche Beschäftigung wenig Gelegenheit gaben, sich als Landschaftsmaler zu vervollkommnen. Die wenigsten von ihnen wußten bei dem botanischen Interesse, welches die individuelle Form der Blüten und Blätter erregte, den Totaleindruck der tropischen Zone aufzufassen. Oft wurden die Künstler, welche große auf Kosten des Staats ausgerüstete Expeditionen begleiten sollten, wie durch Zufall gewählt und dann unvorbereiteter befunden, als es eine solche Bestimmung erheischt. Das Ende der Reise nahte dann heran, wenn die talentvolleren unter ihnen, durch den langen Anblick großer Naturszenen und durch häufige Versuche der Nachbildung, eben angefangen hatten, eine gewisse technische Meisterschaft zu erlangen. Auch sind die sogenannten Weltumseglungen wenig geeignet, den Künstler in ein eigentliches Waldland oder zum oberen Lauf großer Flüsse und auf den Gipfel innerer Gebirgsketten zu führen.

Skizzen, im Angesicht der Naturszenen gemalt, können allein dazu leiten, den Charakter ferner Weltgegenden nach der Rückkehr in ausgeführten Landschaften wiederzugeben; sie werden es um so vollkommenertun, als neben denselben der begeisterte Künstler zugleich eine große Zahl einzelner Studien von Baumgipfeln, wohlbelaubten, blütenreichen, fruchtbehangenen Zweigen, von umgestürzten Stämmen, die mit Pothos und Orchideen bedeckt sind, von Felsen, Uferstücken und Teilen des Waldbodens nach der Natur in freier Luft gezeichnet oder gemalt hat. Der Besitz solcher in recht bestimmten Umrissen entworfenen Studien kann dem Heimkehrenden alle mißleitende Hilfe von Treibhausgewächsen und sogenannten botanischen Abbildungen entbehrlich machen.

Eine große Weltbegebenheit, die Unabhängigkeit des spanischen und portugiesischen Amerika von europäischer Herrschaft, die zunehmende Kultur in Indien, Neu-Holland [Australien], den Sandwich-Inseln [Hawaii] und den südlichen Kolonien von Afrika werden unausbleiblich nicht der Meteorologie und beschreibenden Naturkunde allein, sondern auch der Landschaftsmalerei einen neuen, großartigen Charakter und einen Schwung geben, den sie ohne diese Lokalverhältnisse nicht erreichen würden. In Südamerika liegen volkreiche Städte fast bis zu 13.000 Fuß Höhe über der Meeresfläche. Von da hinab bieten sich dem Auge alle klimatischen Abstufungen und Pflanzenformen dar. Wie viel ist nicht von malerischen Studien der Natur zu erwarten, wenn nach geendigtem Bürgerzwist und hergestellten freien Verfassungen endlich einmal Kunstsinn in jenen Hochländern erwacht!

Alles, was sich auf den Ausdruck der Leidenschaften, auf die Schönheit menschlicher Form bezieht, hat in der temperierten nördlichen Zone, unter dem griechischen und hesperischen Himmel, seine höchste Vollendung erreichen können; aus den Tiefen seines Gemüts wie aus der sinnlichen Anschauung des eigenen Geschlechts ruft schöpferisch frei und nachbildend zugleich der Künstler die Typen historischer Darstellungen hervor. Die Landschaftsmalerei, welche ebensowenig bloß nachahmend ist, hat ein mehr materielles Substratum, ein mehr irdisches Treiben. Sie bedarf einer großen Masse und Mannigfaltigkeit unmittelbar sinnlicher Anschauung, die das Gemüt in sich aufnehmen und, durch eigene Kraft befruchtet, den Sinnen wie ein freies Kunstwerk wiedergeben soll. Der große Stil der heroischen Landschaft ist das Ergebnis einer tiefen Naturauffassung und jenes inneren geistigen Prozesses.

Allerdings ist die Natur in jedem Winkel der Erde ein Abglanz des Ganzen. Die Gestalten des Organismus wiederholen sich in anderen und anderen Verbindungen. Auch der eisige Norden erfreut sich monatelang der krautbedeckten Erde, großblütiger Alpenpflanzen und milder Himmelsbläue. Nur mit den einfacheren Gestalten der heimischen Floren vertraut, darum aber nicht ohne Tiefe des Gefühls und Fülle schöpferischer Einbildungskraft, hat bisher unter uns die Landschaftsmalerei ihr anmutiges Werk vollbracht. Bei dem Vaterländischen und dem Eingebürgerten des Pflanzenreichs verweilend, hat sie einen engeren Kreis durchlaufen; aber auch in diesem fanden hochbegabte Künstler, die Carracci, Gaspard Poussin, Claude Lorrain und Ruysdael, Raum genug, um durch Wechsel der Baumgestalten und der Beleuchtung die glücklichsten und mannigfaltigsten Schöpfungen zauberisch hervorzurufen. Was die Kunst noch zu erwarten hat und worauf ich hindeuten mußte, um an den alten Bund des Naturwissens mit der Poesie und dem Kunstgefühl zu erinnern, wird den Ruhm jener Meisterwerke nicht schmälern; denn, wie wir schon oben bemerkten, in der Landschaftsmalerei und in jedem anderen Zweig der Kunst ist zu unterscheiden zwischen dem, was beschränkterer Art die sinnliche Anschauung und die unmittelbare Beobachtung erzeugt, und dem, was Unbegrenztes aus der Tiefe der Empfindung und der Stärke idealisierender Geisteskraft aufsteigt. Das Großartige, was dieser schöpferischen Geisteskraft die Landschaftsmalerei als eine mehr oder minder begeisterte Naturdichtung verdankt (ich erinnere hier an die Stufenfolge der Baumformen von Ruysdael und Everdingen durch Claude Lorrain bis zu Poussin und Annibale Carracci hinauf), ist wie der mit Phantasie begabte Mensch etwas nicht an den Boden Gefesseltes. Bei den großen Meistern der Kunst ist die örtliche Beschränkung nicht zu spüren; aber Erweiterung des sinnlichen Horizonts, Bekanntschaft mit edleren und größeren Naturformen, mit der üppigen Lebensfülle der Tropenwelt gewähren den Vorteil, daß sie nicht bloß auf die Bereicherung des materiellen Substrats der Landschaftsmalerei, sondern auch dahin wirken, bei minder begabten Künstlern die Empfindung lebendiger anzuregen und so die schaffende Kraft zu erhöhen.

Sei es mir erlaubt, hier an die Betrachtungen zu erinnern, welche ich fast vor einem halben Jahrhundert in einer wenig gelesenen Abhandlung, ›Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse‹126, mitgeteilt habeV, Betrachtungen, die im innigsten Zusammenhang mit den eben behandelten Gegenständen stehen. Wer die Natur mit einem Blick zu umfassen und von Lokalphänomenen zu abstrahieren weiß, der erkennt, wie mit Zunahme der belebenden Wärme von den Polen zum Äquator hin sich auch allmählich die organische Kraft und die Lebensfülle vermehren. Der Zauber der Natur nimmt in einem geringeren Maß noch vom nördlichen Europa nach den schönen Küstenländern des Mittelmeers als von der Iberischen Halbinsel, von Süditalien und Griechenland gegen die Tropenwelt zu. Ungleich ist der Teppich gewebt, den die blütenreiche Flora über den nackten Erdkörper ausbreitet, dichter, wo die Sonne höher am dunkelreinen oder von lichtem Gewölk umflorten Himmel emporsteigt, lockerer gegen den trüben Norden hin, wo der wiederkehrende Frost bald die entwickelte Knospe tötet, bald die reifende Frucht erhascht. Wenn in der kalten Zone die Baumrinde mit dürren Flechten oder mit Laubmoosen bedeckt ist, so beleben in der Zone der Palmen und der feingefiederten baumartigen Farne Zymbidium und duftende Vanille den Stamm der Anakardien und riesenmäßiger Ficus-Arten. Das frische Grün der Drakontien und der tief eingeschnittenen Pothosblätter kontrastiert mit den vielfarbigen Blüten der Orchideen; rankende Bauhinien, Passifloren und gelbblühende Banisterien umschlingen, weit und hoch durch die Lüfte steigend, den Stamm der Waldbäume; zarte Blumen entfalten sich aus den Wurzeln der Theobromen wie aus der dichten und rauhen Rinde der Kreszentien und der Gustavia. Bei dieser Fülle von Blüten und Blättern, bei diesem üppigen Wuchs und der Verwirrung rankender Gewächse wird es oft dem Naturforscher schwer zu erkennen, welchem Stamm Blüten und Blätter zugehören; ja ein einzelner Baum, mit Paullinien, Bignonien und Dendrobium geschmückt, bietet eine Fülle von Pflanzen dar, die voneinander getrennt einen beträchtlichen Flächenraum bedecken würden.

Aber jedem Erdstrich sind eigene Schönheiten vorbehalten, den Tropen Mannigfaltigkeit und erhabene Größe der Pflanzengestalten, dem Norden der Anblick der Wiesen und das periodische, lang ersehnte Wiedererwachen der Natur beim ersten Wehen milder Frühlingslüfte. So wie in den Musazeen (Pisang-Gewächsen) die höchste Ausdehnung, so ist in den Kasuarinen und in den Nadelhölzern die höchste Zusammenziehung der Blattgefäße. Tannen, Thuja und Zypressen bilden eine nordische Form, welche in den ebenen Gegenden der Tropen sehr selten ist. Ihr ewig frisches Grün erheitert die öde Winterlandschaft; es verkündet gleichsam den nordischen Völkern, daß, wenn Schnee und Eis den Boden bedecken, das innere Leben der Pflanzen wie das prometheische Feuer nie auf unserem Planeten erlischt.

Jede Vegetationszone hat außer den ihr eigenen Vorzügen auch ihren eigentümlichen Charakter, ruft andere Eindrücke in uns hervor. Wer fühlt sich nicht, um an uns nahe vaterländische Pflanzenformen zu erinnern, anders gestimmt im dunklen Schatten der Buchen, auf Hügeln, die mit einzelnen Tannen bekränzt sind, und auf der weiten Grasflur, wo der Wind im zitternden Laub der Birken säuselt? So wie man an einzelnen organischen Wesen eine bestimmte Physiognomie erkennt, wie beschreibende Botanik und Zoologie im engeren Sinn des Worts Zergliederung der Tier- und Pflanzenformen sind, so gibt es auch eine gewisse Naturphysiognomie, welche jedem Himmelsstrich ausschließlich zukommt. Was der Künstler mit den Ausdrücken Schweizernatur, italienischer Himmel bezeichnet, gründet sich auf das dunkle Gefühl eines lokalen Naturcharakters. Himmelsbläue, Wolkengestaltung, Duft, der auf der Ferne ruht, Saftfülle der Kräuter, Glanz des Laubes, Umriß der Berge sind die Elemente, welche den Totaleindruck einer Gegend bestimmen. Diesen aufzufassen und anschaulich wiederzugeben, ist die Aufgabe der Landschaftsmalerei. Dem Künstler ist es verliehen, die Gruppen zu zergliedern, und unter feiner Hand löst sich (wenn ich den figürlichen Ausdruck wagen darf) das große Zauberbild der Natur gleich den geschriebenen Werken der Menschen in wenige einfache Züge auf.

Aber auch in dem jetzigen unvollkommenen Zustand bildlicher Darstellungen der Landschaft, die unsere Reiseberichte als Kupfer begleiten, ja nur zu oft verunstalten, haben sie doch nicht wenig zur physiognomischen Kenntnis ferner Zonen, zum Hang nach Reisen in die Tropenwelt und zu tätigerem Naturstudium beigetragen. Die Vervollkommnung der Landschaftsmalerei in großen Dimensionen (als Dekorationsmalerei, als Panorama, Diorama und Neorama) hat in neueren Zeiten zugleich die Allgemeinheit und die Stärke des Eindrucks vermehrt. Was Vitruvius und der Ägypter Julius Pollux als „ländliche (satyrische) Verzierungen der Bühne“ schildern, was in der Mitte des 16. Jahrhunderts durch Serlios Kulisseneinrichtungen die Sinnestäuschung vermehrte, kann jetzt seit Prevosts und Daguerres MeisterwerkenVI in Parkerschen RundgemäldenVII die Wanderung durch verschiedenartige Klimate fast ersetzen. Die Rundgemälde leisten mehr als die Bühnentechnik, weil der Beschauer, wie in einen magischen Kreis gebannt und aller störenden Realität entzogen, sich von der fremden Natur selbst umgeben wähnt. Sie lassen Erinnerungen zurück, die nach Jahren sich vor der Seele mit den wirklich gesehenen Naturszenen wundersam täuschend vermengen. Bisher sind Panoramen, welche nur wirken, wenn sie einen großen Durchmesser haben, mehr auf Ansichten von Städten und bewohnten Gegenden als auf solche Szenen angewendet worden, in denen die Natur in wilder Üppigkeit und Lebensfülle prangt. Physiognomische Studien, an den schroffen Berghängen des Himalaja und der Cordilleren oder im Inneren der indischen und südamerikanischen Flußwelt entworfen, ja durch Lichtbilder berichtigt, in denen nicht das Laubdach, aber die Form der Riesenstämme und der charakteristischen Verzweigung sich unübertrefflich darstellt, würden einen magischen Effekt hervorbringen.

Alle diese Mittel, deren Aufzählung recht wesentlich in ein Buch vom Kosmos gehört, sind vorzüglich geeignet, die Liebe zum Naturstudium zu erhöhen; ja die Kenntnis und das Gefühl von der erhabenen Größe der Schöpfung würden kräftig vermehrt werden, wenn man in großen Städten neben den Museen, und wie diese dem Volk frei geöffnet, eine Zahl von Rundgebäuden aufführte, welche wechselnd Landschaften aus verschiedenen geographischen Breiten und aus verschiedenen Höhezonen darstellten. Der Begriff eines Naturganzen, das Gefühl der Einheit und des harmonischen Einklangs im Kosmos werden um so lebendiger unter den Menschen, als sich die Mittel vervielfältigen, die Gesamtheit der Naturerscheinungen zu anschaulichen Bildern zu gestalten.

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