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Zweiter Band 1 Anregungsmittel zum Naturstudium Reflex der Außenwelt auf die Einbildungskraft: Dichterische Naturbeschreibung – Landschaftsmalerei – Kultur exotischer Gewächse, den physiognomischen Charakter der Pflanzendecke auf der Erdoberfläche bezeichnend

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Wir treten aus dem Kreise der Objekte in den Kreis der Empfindungen. Die Hauptresultate der Beobachtung, wie sie, von der Phantasie entblößt, der reinen Objektivität wissenschaftlicher Naturbeschreibung angehören, sind eng aneinander gereiht im ersten Band dieses Werks unter der Form eines Naturgemäldes aufgestellt worden. Jetzt betrachten wir den Reflex des durch die äußeren Sinne empfangenen Bildes auf das Gefühl und die dichterisch gestimmte Einbildungskraft. Es eröffnet sich uns eine innere Welt. Wir durchforschen sie, nicht um in diesem Buch von der Natur zu ergründen – wie es von der Philosophie der Kunst gefordert wird –, was in der Möglichkeit ästhetischer Wirkungen dem Wesen der Gemütskräfte und den mannigfaltigen Richtungen geistiger Tätigkeit zukommt, sondern vielmehr um die Quelle lebendiger Anschauung als Mittel zur Erhöhung eines reinen Naturgefühls zu schildern; um den Ursachen nachzuspüren, welche besonders in der neueren Zeit durch Belebung der Einbildungskraft so mächtig auf die Liebe zum Naturstudium und auf den Hang zu fernen Reisen gewirkt haben.

Die Anregungsmittel sind, wie wir schon früher bemerkt haben1, von dreierlei Art: ästhetische Behandlung von Naturszenen in belebten Schilderungen der Tier- und Pflanzenwelt, ein sehr moderner Zweig der Literatur; Landschaftsmalerei, besonders insofern sie angefangen hat, die Physiognomik der Gewächse aufzufassen; mehr verbreitete Kultur von Tropengewächsen und kontrastierende Zusammenstellung exotischer Formen. Jedes der hier bezeichneten Anregungsmittel könnte schon seiner historischen Beziehungen wegen der Gegenstand vielumfassender Erörterung werden; aber nach dem Geist und dem Zweck meiner Schrift scheint es geeigneter, nur wenige leitende Ideen zu entwickeln, daran zu erinnern, wie die Naturwelt in verschiedenen Zeitepochen und bei verschiedenen Volksstämmen so ganz anders auf die Gedanken- und Empfindungswelt eingewirkt hat, wie in einem Zustand allgemeiner Kultur das ernste Wissen und die zarteren Anregungen der Phantasie sich gegenseitig zu durchdringen streben. Um die Natur in ihrer ganzen erhabenen Größe zu schildern, darf man nicht bei den äußeren Erscheinungen allein verweilen; die Natur muß auch dargestellt werden, wie sie sich im Inneren des Menschen abspiegelt, wie sie durch diesen Reflex bald das Nebelland physischer Mythen mit anmutigen Gestalten füllt, bald den edlen Keim darstellender Kunsttätigkeit entfaltet.

Indem wir uns hier auf die einfache Betrachtung der Anregungsmittel zum wissenschaftlichen Naturstudium beschränken, erinnern wir zuerst an die mehrfach sich wiederholende Erfahrung, daß oft sinnliche Eindrücke und zufällig scheinende Umstände in jungen Gemütern die ganze Richtung eines Menschenlebens bestimmen. Kindliche Freude an der Form von Ländern und eingeschlossenen Meeren2, wie sie auf Karten dargestellt sind, der Hang nach dem Anblick der südlichen Sternbilder, dessen unser Himmelsgewölbe entbehrt3, Abbildungen von Palmen und libanotischen Zedern in einer Bilderbibel können den früheren Trieb nach Reisen in ferne Länder in die Seele pflanzen. Wäre es mir erlaubt, eigene Erinnerungen anzurufen, mich selbst zu befragen, was einer unvertilgbaren Sehnsucht nach der Tropengegend den ersten Anstoß gab, so müßte ich nennen: Georg Forsters Schilderung der Südseeinseln, Gemälde von Hodges, die Ganges-Ufer darstellend, im Haus von Warren Hastings zu Londen, einen kolossalen Drachenbaum in einem alten Turm des Botanischen Gartens bei Berlin. Die Gegenstände, welche wir hier beispielsweise aufzählen, gehörten den drei Klassen von Anregungsmitteln an, die wir früher bezeichneten: der Naturbeschreibung, wie sie einer begeisterten Anschauung des Erdenlebens entquillt; der darstellenden Kunst als Landschaftsmalerei und der unmittelbaren objektiven Betrachtung charakteristischer Naturformen. Diese Anregungsmittel üben aber ihre Macht nur da aus, wo der Zustand moderner Kultur und ein eigentümlicher Gang der Geistesentwicklung unter Begünstigung ursprünglicher Anlagen die Gemüter für Natureindrücke empfänglicher gemacht hat.

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