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Kapitel 1: Der Phönix Am Starnberger See, Frühjahr 2019 – ein paar Tage vorher

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»Aaah! Solo una canzone!«, sang Franky und übertönte damit sogar die voll aufgedrehte Box, die er im alten Heinrich installiert hatte. Weil er nur etwa jeden zweiten Ton korrekt traf und den Rest einfach improvisierte, klang diese Mischung äußerst schrill.

Jaron, die Hand an der Außenklinke des ausgemusterten Zirkuswagens, drehte sich zu Antonia um und sah sie stirnrunzelnd an. »Hat noch keiner von uns herausgefunden, wo er diese blöde Box versteckt hat, mit der er uns immer karaoke-foltert?«

Antonia seufzte. »Nein, wie du unschwer hören kannst, hat das noch niemand geschafft. Keine Ahnung, wie Franky das hinkriegt.«

Der Wagen, auf dem das Logo eines Zirkus Heinrich langsam verblasste, war der Treffpunkt der vier Freunde, wo sie in Ruhe neue Abenteuer planen konnten. Und Die vier vom See, wie sie sich nannten, hatten in den vergangenen Monaten schon so einige davon bestanden.

Plötzlich wäre Jaron beinahe die Tür an die Stirn geprallt, so schnell wurde sie von innen aufgestoßen.

Dann stapfte Emma sichtlich genervt die Stufen hinunter und knallte die Tür hinter sich zu. »Er feiert«, schnaubte sie, »und behauptet, das mache man in Italien so. Wenn das stimmt, will ich da nie hin.«

»Also feiern wir heute nicht nur seinen Geburtstag, sondern er hat den Gips tatsächlich ab?«, fragte Jaron.

Emma nickte. »Ja, das hat geklappt. Er ist ihn los.«

Franky hatte sich vor etwa zwei Monaten bei einem Fußballspiel den Ellbogen verletzt. Die Heilung hatte sich aus verschiedenen Gründen in die Länge gezogen, sodass er den Arm eine ganze Weile in Gips gehabt hatte. Das war für den begabten Programmierer und Hacker eine echte Einschränkung gewesen.

Also schon irgendwie verständlich, dass ihm zum Feiern zumute ist, dachte Jaron und grinste in sich hinein. Und dann ist auch noch sein Geburtstag – eine bessere Gelegenheit gibt es nicht.

Die Tür des Zirkuswagens wurde erneut aufgerissen und Franky breitete die Arme aus. »Amici!«, rief er. »Kommt doch rein, hier ist Party! Ich habe Pizza dabei – Zeit zu feiern!«

Aus der offenen Tür drang die Popmusik nun so laut, dass Jaron ihn kaum verstehen konnte. Gleichzeitig roch er einen verlockenden Duft und merkte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Frankys Vater servierte in seiner Pizzeria am Sportplatz die beste Pizza der ganzen Gegend.

»Gerne. Aber nur, wenn du den Lärm runterfährst«, rief Antonia.

»Lärm? Welchen Lärm?«, erwiderte Franky.

»Mach dieses Gejaule aus!«, brüllte sie und trat näher.

Beschwichtigend hob er die Hände. »Jo, chill mal. Ihr habt einfach keine Ahnung von guter Musik.«

»Jetzt mach leiser!«

»Ja, ja, keine Sorge.« Mit diesen Worten drehte Franky sich um und verschwand im Wagen.

Jaron, Emma und Antonia folgten ihm.

Nachdem Franky die Musik mithilfe seines Handys auf ein erträgliches Maß reduziert hatte, winkte er seinen Freunden, sich zu setzen. Auf dem kleinen Tisch am Fenster standen vier offene Pizzaschachteln neben einer Flasche Limonade und Gläsern.

Obwohl Jaron es kaum erwarten konnte, mit dem Essen anzufangen, folgte er dieser Aufforderung nicht sofort. Etwas anderes kam zuerst. »Hey, zeig mal her!«, sagte er zu seinem Freund.

Daraufhin schob Franky strahlend einen Ärmel hoch und streckte ihm seinen Arm entgegen. Der war sichtlich dünn geworden, die Haut war völlig bleich und ein wenig verschrumpelt. »Das hat so dermaßen gestunken, als sie den Gips abgemacht haben«, berichtete er geradezu triumphierend. »Und eine ganze Schicht Haut konnte ich abrubbeln.«

»Igitt!«, sagte Emma. »Wenn du so eklige Sachen erzählst, kannst du deine Pizza gleich allein essen.«

»O super«, freute er sich. »Da gibt es noch was viel Ekligeres, wisst ihr, als ich …«

»Stopp!«, sagte Jaron. »Ich hab Hunger, lasst uns essen.«

Alle setzten sich an den Tisch. Antonia sprach ein kurzes Dankgebet, dann griffen alle herzhaft zu. Franky hatte jedermanns Lieblingspizza besorgt – für Emma mit Pilzen, Antonia liebte Pizza Hawaii und Jaron Salami.

Franky selbst hatte seine ganz eigenen Vorstellungen von gutem Geschmack: Er kombinierte am liebsten Sardellen mit Peperoniwurst.

»Erzähl doch mal, was du zum Geburtstag gekriegt hast«, forderte Jaron ihn auf, während er in sein erstes Stück Pizza biss.

»O Mann, ihr werdet es nicht glauben: Meine Eltern haben einen 3-D-Drucker springen lassen!«

»Echt? Wahnsinn«, kommentierte Emma kauend, »so was hätte ich auch gerne. Dann kannst du jetzt alles ausdrucken, was du brauchst?«

Franky nickte. »Nur Pizza funktioniert leider nicht.«

Alle lachten.

Franky griff schon nach dem zweiten Stück. »Jetzt, wo ich wieder ganz fit bin, könnten wir doch eigentlich einen neuen Versuch starten. Was unsere Suche nach der Schale angeht, meine ich.«

Seit dem vergangenen Sommer bemühten sich die vier Freunde, ein großes Rätsel zu lösen: Franky war im Internet auf eine Legende gestoßen, die besagte, dass am Starnberger See ein geheimnisvoller Schatz versteckt sei. Unter der nah gelegenen Sankt-Valentins-Kapelle hatten die Freunde durch Zufall eine Gruft entdeckt, die mehrere Hinweise enthalten hatte: ein altes Tagebuch, dessen Schrift allerdings so verwischt war, dass sie nichts damit anfangen konnten, ein silberner Schlüssel, die Fassung einer Brosche und ein sichelförmiger Bernstein.

Offenbar sollte die Brosche – sobald sie komplett war – zum Versteck einer wertvollen goldenen Schale führen, die aus dem Tempel in Jerusalem stammte.

Die fehlenden beiden Steine, die neben dem Bernstein in die Broschenfassung hineinpassten, hatten die Freunde inzwischen auch tatsächlich gefunden. Doch immer noch hatten sie keine Ahnung, was sie mit dem Schmuckstück anfangen sollten.

Außer ihnen schienen noch zwei weitere Personen von der Existenz der Schale zu wissen: der Antiquitätenhändler Richard Weixlhammer – und Hans Bernwieser, ein älterer Fischer, der in einer Hütte direkt am See wohnte und für Antonia sozusagen ein Ersatz-Opa war. Beide Männer hatten ihnen schon gelegentlich gute Tipps gegeben und sie sogar aus gefährlichen Situationen gerettet.

Allerdings verhielten sich die beiden Männer manchmal auch ziemlich merkwürdig, sodass die Freunde nicht wussten, ob sie ihnen trauen sollten.

Emma seufzte zufrieden und schob ihre Pizzaschachtel von sich. »Ja, wir sollten weitersuchen. Aber ganz ehrlich: Ich habe keine Ahnung, wie wir das anstellen sollen. Noch mal Weixlhammer fragen? Oder Opa Hans? Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee wäre.«

Jaron zuckte mit den Schultern, und auch Antonia sah ratlos aus.

»Jetzt bleibt mal ganz locker und lasst das Onkel Franky machen.« Vergnügt stopfte Franky sich den letzten Bissen in den Mund und wischte sich seine Hände an der Hose ab.

»Ja, klar, und wie willst du weiter vorgehen, ›Onkel Franky‹?«, meinte Antonia schnippisch.

»Lasst uns doch einfach noch mal in Ruhe über alles nachdenken und zusammentragen, was wir bisher schon herausgefunden haben.«

»Na, wenn du meinst, dass das mit dem Denken bei dir klappt«, foppte Jaron seinen besten Freund.

»Lasst den Meister nur machen«, gab Franky selbstsicher zurück, worauf Antonia schnaubte und Emma kicherte.

Der Computerspezialist griff nach seinem Tablet. »Also, auf dem letzten Stein, den wir an der Zährenborn-Quelle gefunden haben, war ein Vogel abgebildet, richtig?«

»Richtig«, sagte Antonia.

»Hol den Stein doch mal her.«

»Aber natürlich, großer Meister, ich tue alles, was du sagst«, erwiderte sie ironisch und stand auf.

Emma stapelte inzwischen alle Kartons aufeinander und räumte den Tisch ab.

Antonia holte die Brosche aus ihrem Versteck und legte sie auf die Tischplatte. Die runde Broschenfassung war etwa so groß wie eine Mandarine. Auf der Rückseite war unter der Nadel ein lateinischer Spruch eingeritzt: Et absterget Deus omnem lacrimam ab oculis – Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, ein Spruch aus der Offenbarung, dem letzten Buch der Bibel.

Die einzelnen Bestandteile dieses Spruchs fanden sich auch auf den drei Steinen, die sich in die Fassung einsetzen ließen.

In einen sichelförmigen Bernstein war außerdem ein Kreuz eingearbeitet; es hatte sie zu einem Baum geführt, dessen zwei Stämme kreuzförmig übereinandergewachsen waren.

Dort hatten sie den zweiten Stein entdeckt, einen Mondstein in der Form eines Fisches. Die Tränen oder Wassertropfen darauf hatten auf das Versteck des dritten Steins hingewiesen: eine längst versiegte Quelle namens Zährenborn.

Der dritte Stein, eine Koralle, den sie dort gefunden hatten, war wieder sichelförmig. Auf ihm war ein Vogel zu sehen. Er saß auf einem Ast, reckte den langen Hals und breitete die Flügel aus.

Dieser letzte Stein, so hofften die Freunde, würde sie nun endlich zum Versteck der goldenen Schale führen.

»Okay, wir hatten uns geeinigt, dass dieses Vogelvieh ein Phönix sein könnte«, meinte Jaron.

»Ja, nachdem ich tagelang im Internet nach allen möglichen Vogelbildern geforscht habe«, ergänzte Franky.

»Das war ja für den großen Meister kein Problem, oder – Onkel Franky?« Antonia zog die Augenbrauen hoch.

Franky grinste. »Ich lese mal vor, was wir über diesen komischen Phönix schon alles rausgefunden haben.« Er öffnete Wikipedia und las:

»Der Phönix (…) ist ein mythischer Vogel, der am Ende seines Lebenszyklus verbrennt oder stirbt, um aus dem verwesenden Leib oder aus seiner Asche wieder neu zu erstehen. Diese Vorstellung findet sich heute noch in der Redewendung ›wie Phönix aus der Asche‹ für etwas, das schon verloren geglaubt war, aber in neuem Glanz wieder erscheint … Bei den Christen galt er als Sinnbild der Auferstehung.«

»Schon krass«, kommentierte Jaron, als Franky fertig war.

»Okay, so viel zum Phönix. Was haben wir noch?«, fragte Emma.

Antonia begann aufzuzählen: »Wir haben es mit drei verschiedenen Symbolen zu tun, jedes bezieht sich auf den Bibelspruch auf der Brosche. Et absterget Deus bedeutet ›Gott wird abwischen‹.« Sie betrachtete die Brosche, die sie in der Hand hielt.

»Dem Anfang des Spruchs können wir das Kreuz auf dem Bernstein zuordnen. Es ist das Zeichen für Jesus – also Gottes Sohn«, stellte Jaron fest. »Und der zweite Stein mit der Inschrift omnem lacrimam – ›alle Tränen‹ – hatte Tränen eingraviert.«

»Dass dies zusammenpasst, ist offensichtlich. Vermutlich soll der dritte Stein mit der Inschrift ab oculis – ›von ihren Augen‹ – auf eine Erneuerung hinweisen. Der Phönix als Symbol der Auferstehung lässt sich damit gut vereinbaren«, überlegte Franky, während er weiter konzentriert auf sein Tablet starrte. »Der ganze Spruch steht in der Offenbarung, also dem Buch der Bibel, das sich mit der Wiederkunft von Jesus beschäftigt. Wenn Jesus wiederkommt, wird er alle Tränen abwischen, er wird alles neu machen und wir werden auferstehen.«

»Mag ja alles stimmen«, warf Jaron ein, »klingt alles logisch. Aber was ich nicht verstehe: Auf welchen Ort weist denn nun der Phönix hin? Von dem Kreuz und den Tränen konnten wir die Verstecke der beiden fehlenden Steine herleiten. Aber worauf bezieht sich dieses Federvieh – auf einen Hühnerstall vielleicht?«

Die anderen drei lachten.

»Hühnerstall ist gut«, prustete Franky. »Und die Schale als Osternest – passt doch.«

»Jetzt aber mal ernsthaft: Was sollen wir mit dem Phönix anfangen – habt ihr eine Ahnung?«, fragte Jaron.

»Nein, keinen Schimmer«, gab Emma zu.

Auch Antonia und Franky schüttelten den Kopf.

»Und was sollen wir dann jetzt machen?«

»Vielleicht gehen wir einfach noch mal an den Anfang unserer Suche zurück«, schlug Franky vor. »Damals haben wir bei Weixlhammer doch dieses Buch über die Legenden vom Starnberger See gesehen, wisst ihr noch? Inzwischen habe ich es nicht nur online gelesen, sondern mir sogar ein Exemplar der Printausgabe besorgt. Und ratet mal, wie die Autorin heißt.«

»Keine Ahnung, sag schon«, erwiderte Jaron ungeduldig.

Franky griff in seinen Rucksack, holte ein abgegriffenes kleines Büchlein mit verblasstem grünem Leineneinband hervor und streckte es den anderen hin. »Die Autorin heißt Martha Weixlhammer.«

»Gibt’s ja nicht!«, rief Emma.

»Krass«, ergänzte Jaron. »Ist die mit unserem Antiquitätenhändler verwandt?«

»Könnte schon sein«, meinte Antonia.

»Vielleicht macht es doch Sinn, dass wir noch mal mit Weixlhammer reden.« Franky blickte in die Runde.

Antonia verzog das Gesicht. »Oh, nee, bitte nicht, ich trau diesem schrägen Vogel nicht über den Weg.«

»Ja klar, du willst bestimmt zu Opa Hans gehen, oder?«, sagte Franky etwas gereizt.

»Genau, das will ich! Der scheint nämlich mehr zu wissen, als er uns bisher erzählt hat.«

»Aber er rückt eben nicht mit der Sprache raus«, gab Emma zu bedenken. »Und er hat sich manchmal schon reichlich merkwürdig benommen.«

»Das stimmt«, erklärte Jaron. »Und was Weixlhammer betrifft: Wenn er uns vor einigen Wochen nicht unterstützt hätte, hätten wir diese Dr. Dragumir mit ihren Machenschaften jedenfalls nicht drangekriegt.«

Dr. Dragumir hatte Frankys Arm in der Klinik in Kempfenhausen behandelt; die Freunde waren dahintergekommen, dass sie Gelder im großen Stil unterschlagen hatte. Bei der spektakulären Aufdeckung des Skandals hatte der Antiquitätenhändler zum Schluss tatkräftig mitgeholfen.

»Ich bin derselben Meinung wie Franky: Ich denke, wir sollten noch mal mit Weixlhammer reden«, fuhr Jaron fort. Das mutige Vorgehen des alten Mannes hatte ihm imponiert, auch wenn dieser, zugegeben, ziemlich verschroben war.

»Ich bin für Opa Hans«, sagte Antonia bockig.

»Leute, so kommen wir doch nicht weiter«, seufzte Emma. »Wie wäre es, wenn wir uns aufteilen und jedem der beiden nur zwei Fundstücke zeigen? Dann weiß keiner von ihnen, dass wir schon die komplette Brosche haben, und wir kriegen doppelte Hilfe.«

»Gar keine blöde Idee«, stimmte Franky zu. »Obwohl Opa Hans die zusammengesetzte Brosche ja schon gesehen hat, als er mich damals im Krankenhaus besucht hat.«

»Mag sein, aber vielleicht weiß er das nicht mehr«, sagte Antonia. »Ich finde den Vorschlag auch gut.«

»Also, dann machen wir es so«, entschied Jaron. »Du und Franky, ihr sprecht mit Opa Hans, und, Emma, wir beide gehen zu Weixlhammer.«

»In Ordnung. Aber bevor wir das tun, möchte ich die Brosche gerne noch genau dokumentieren«, erklärte Emma. »Um sicherzugehen, dass wir noch alle Hinweise haben, sollte sie abhandenkommen.«

»Ganz die Wissenschaftlerin«, zog Jaron sie auf.

Emma begeisterte sich für Naturwissenschaften und war unangefochten die Beste von ihnen, was Sachwissen, Experimente oder logisches Denken betraf.

Ohne auf seinen gutmütigen Spott einzugehen, holte sie einen Maßstab von der kleinen Werkbank, auf der sie immer ihre Versuche aufbaute. Sie positionierte die einzelnen Steine so, dass sie vom Tageslicht gut ausgeleucht wurden, legte den Zollstock daneben und fotografierte alle vier Fundstücke erst getrennt und dann zusammengesteckt von allen Seiten. Hinterher verstaute sie alles wieder in ihrem Versteck.

»So«, schloss sie befriedigt, »jetzt müssen wir die Originale gar nicht mehr mitnehmen, wenn wir zu Weixlhammer und Opa Hans gehen. Die Fotos genügen.« Sie tippte auf ihrem Smartphone und versendete die Bilder an ihre drei Freunde.

»Clever«, kommentierte Jaron, während er die Fotos auf seinem Display betrachtete.

»Tja.« In Emmas Stimme schwang ein kleiner Stolz, als sie ihre Brille zurechtrückte.

»Okay«, sagte Antonia, »dann kann’s ja losgehen. Onkel Franky, sprechen wir morgen mit Opa Hans, wenn wir zu seiner Geburtstagsfeier gehen?«

»Aber natürlich, Chefin«, sagte er strahlend, »der Meister ist bereit.«

»Hast du eigentlich sein Geschenk besorgt, wie wir es abgesprochen hatten?«, fragte Emma.

»Klar«, sagte Antonia und deutete auf ein kleines Päckchen, das auf Emmas Labortisch lag. »Ein Smartphone für Senioren, wie geplant. Mein Vater hat sich um die SIM-Karte gekümmert, und eingerichtet ist das Handy auch schon. Opa Hans kann also gleich lostelefonieren. Seine neue Nummer schicke ich euch noch.«

»Super!«, lobte Emma, dann wandte sie sich an Jaron. »Und wir gehen zu Weixlhammer?«

»Ja, machen wir«, bestätigte Jaron, »aber erst am Mittwoch. Ich hab morgen Training und hinterher reicht die Zeit nicht mehr.«

Emma nickte.

Die vier Freunde verließen den Zirkuswagen. Antonia und Franky gingen voraus.

»Weißt du, was wir noch vergessen haben?«, sagte Emma zu Jaron. »Wir wollten doch den Sekretär suchen, zu dem der silberne Schlüssel gehört. Der, den wir in der Gruft gefunden haben.«

»Stimmt, im Schloss Unterallmannshausen. Hat ja beim letzten Mal nicht so gut geklappt«, meinte Jaron. Bei ihrem ersten Versuch, auf den Speicher des Schlosses zu gelangen, waren die vier Freunde nämlich entdeckt und rausgeworfen worden.

»Na ja, aber mir ist da eine Idee gekommen.« Emmas Stimme klang ein wenig geheimnisvoll, während sie Jaron anblickte.

»Eine Idee? Und welche?«, fragte Jaron verdutzt.

»Ähm – Isabelle?«, druckste Emma herum.

»Isabelle?«

»Ja, die steht doch voll auf dich.«

»Ach was«, winkte Jaron ab, konnte aber vor sich selbst nicht verleugnen, dass er es auch schon bemerkt hatte: Isabelle von Beilstein, die Tochter des stinkreichen Besitzers des Schlosshotels Unterallmannshausen – und bei Weitem das eitelste und eingebildetste Mädchen in der Klasse –, hatte ein Auge auf ihn geworfen.

»Ach komm, das ist ja wohl offensichtlich«, beharrte Emma. »Jedenfalls, könntest du sie nicht bitten, dir mal eine Schlossführung zu geben?«

»Vergiss es.« Jaron schüttelte den Kopf.

»Warum denn nicht?«

»Weil sie eingebildet ist. Wenn ich sie das frage, meint sie, dass ich auf sie stehe.«

»Ist doch egal. Du musst sie ja nicht heiraten.« Emma ließ nicht locker. »Das ist unsere beste Möglichkeit.«

Jaron war hin- und hergerissen. Er sah ein, dass die Idee gut war, aber mit Isabelle abhängen – nein, darauf konnte er wirklich verzichten. Ihm war die Gartenparty im Herbst noch in allzu schlechter Erinnerung.

»Jetzt stell dich nicht so an. Du sagst einfach, dass du auf den Speicher willst, und guckst dich nach dem Sekretär um. Wenn der da ist, probierst du den Schlüssel aus. Vielleicht verschafft uns das den entscheidenden Hinweis.« Sie sah ihn auffordernd an.

»Das wird niemals funktionieren«, versuchte Jaron, sich herauszuwinden.

»Das kannst du nicht wissen, solange du es nicht probierst. Komm schon, das ist die einzige Chance, die wir haben.«

Jaron wusste, dass sie recht hatte. Schließlich seufzte er und gab nach: »Na, gut, ich versuche es.«

»Du bist klasse!«, meinte Emma und umarmte ihn, was Jaron überraschte.

Nachdem sie davongeradelt war, holte Jaron sein Handy aus der Hosentasche und rief Isabelle an. Er brachte es lieber gleich hinter sich.

Isabelle ging sofort ran. »Hi, Jaron!«, flötete sie begeistert.

»Hi Isabelle«, sagte er. »Du, ich wollte dich fragen, ob dein Angebot noch gilt und du mir das Schloss zeigen kannst.«

»Klar, gerne!«

Jaron hörte, wie begeistert sie klang, und verzog sein Gesicht. Sie verabredeten sich für den Mittwochnachmittag.

Der Wächter der goldenen Schale

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