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Ayurveda-Küche versus indische Küche
ОглавлениеDen meisten sind der exotische Geschmack und die stark gewürzten Speisen der bürgerlichen indischen Küche bekannt. Die verschiedensten Koch-traditionen des indischen Subkontinents gehen auf die vedische Tradition zurück und orientieren sich in Bezug auf Kombination und Auswahlkriterien an den Grundprinzipien des Ayurveda.
Viele unserer Gäste meinten, die indische Volksküche sei mit der ayurvedischen Heilküche gleichzusetzen. Das trifft aber nicht zu. Die Definition der ayurvedischen Heilküche zeigt deutlich, womit sie sich von der indischen Küche abgrenzt. Die brahmanische Priesterkaste Indiens hat sich meist an die Prinzipien der Ayurveda-Küche gehalten. Ein Großteil der Hindus isst vegetarisch. In den ayurvedischen Medizinschriften hingegen werden die Qualitäten, Vorzüge und Nachteile des Verzehrs einzelner Nahrungsmittel wie Fleisch, Fisch oder Milch genauestens analysiert. Es geht dabei um die typenspezifische Zu-/Abträglichkeit und den therapeutischen Nutzen dieser Nahrungsmittel sowie die pathologischen Folgen missbräuchlichen Verzehrs. Fleisch war also in der indischen Antike keineswegs tabu – unter gewissen Voraussetzungen natürlich. Die Ausübung bestimmter religiöser, spiritueller Praktiken und Meditationstechniken legte den Verzicht auf Fleisch- oder Fischverzehr nahe. (Mehr dazu im Kapitel 3, S. 113 ff. )
Wie jedes andere Land sind die Inder in ihre kulturellen Traditionen eingebettet und haben klimatisch bedingte Essgewohnheiten
Die persische Mogulherrschaft führte im 16. Jahrhundert den Fleischverzehr ein. Die Portugiesen brachten etwas später die Chilischote nach Indien. Die Kuh war und ist bis heute die Lebensgrundlage der indischen Familie in ländlicher Gegend. Die hinduistische Religion ist die einzige Weltreligion ohne Religionsstifter. In ihr ist sogar die Nahrung Gott Brahma zugeordnet und das (Verdauungs-)Feuer wird als Gottheit namens Agnideva verehrt.Alle Lebewesen haben hier gleiches Recht auf Leben und seelische Entwicklung. Menschen, die den Tieren das Leben nehmen, verstricken sich nach Auffassung der Hindus in karmische Prozesse, die bis in spätere Reinkarnationen negative Auswirkungen haben können. Deshalb haben die Hindus die älteste vegetarische Tradition der Erde. Diese Gegebenheiten prägen trotz äußerer Einflüsse die Küche Indiens. Indien war zudem das letzte Land,
in dem der McDonald’s-Konzern Fuß gefasst hat – ein positives Zeichen starker und gesunder Ess-traditionen. Die junge Generation der Oberschicht in den indischen Metropolen ernährt sich heute genauso schlecht und unbewusst wie die meisten Menschen in den westlichen Industrieländern.
Ayurvedisch kochen heißt nicht indisch kochen
Die uns bekannten indischen Gewürze sind heute auch in der westlichen Welt wieder zunehmend gefragt – nicht allein wegen ihrer intensiven und exotischen Gaumennoten, sondern vor allem wegen ihrer wohltuenden Wirkung. Viele von ihnen waren schon vor Beginn des 20. Jahrhunderts beliebt und eine Luxusware, die nur wohlhabenden Kreisen vorbehalten war. Wenn man alte Handelsregister der Hafenstädte Europas durchforstet, findet man über Jahrhunderte Gewürze wie Anis, Fenchel, Asant, Cumin, Gelbwurz, Koriander, Zimt, Kardamom und andere aus dem Orient.
Wenn wir unseren heimischen Gerichten Gewürze wie Cumin, Kardamom oder Fenchel hinzufügen, kann es sein, dass das Ganze plötzlich „indisch“, „orientalisch“ oder „weihnachtlich“ schmeckt. Mit Sicherheit gibt es in jedem Teil der Welt äquivalente Gewürze, die den Eigenschaften der bekannten ayurvedischen Gewürze entsprechen. Hierzulande finden wir in der Hildegard-Küche die bei uns beheimateten Wildkräuter und Gewürze. Hildegard von Bingen hat in Anlehnung an die ayurvedische Drei-Säfte-Lehre gearbeitet.
Selten wird in indischen Restaurants Europas nach ayurvedischen Kriterien gekocht
Die Speisen sind, wie in jeder anderen Küchentradition, meist einseitig oder unzeitgemäß zubereitet. Indische Gerichte sind oft viel zu fett. Sie werden in Joghurt oder Sahne gekocht, mit säuernden Tomatensoßen, Brot aus Weißmehl, zu scharf oder schlichtweg überwürzt und mit in altem Frittierfett gebackenen Zutaten serviert. Die Nachtische sind üppig und oft viel zu süß.
Erstaunlich ist, dass diese Küche dennoch vielen Europäern weitaus besser bekommt als jede westliche Fast-Food-Küche. Das liegt vermutlich an den Juwelen der Verdauung – den Gewürzen.