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2. Rückschluss auf Kenntnis aus Anspruchsanmeldung bzw. Anschuldigungen der Patientin/des Patienten

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In den Fällen, in denen bei dem Patienten die Überzeugung von einem schadenskausalen Behandlungsfehler bereits gereift und durch Anschuldigungen oder Anspruchsanmeldung auch nach außen getragen wird, wird es für den Patienten schwierig, sich im Nachhinein auf verbliebene Unsicherheiten bzw. ein weiteres Absicherungsbedürfnis zu berufen. Zwar wird man aus Unmutsäußerungen eines Patienten nicht auf eine Kenntnis von einem Behandlungsfehler schließen dürfen. Wenn jedoch konkret – auch laienhaft – eine medizinische Wertung ausgesprochen wird und mit Nachdruck Forderungen nach Schadensersatz oder gar strafrechtlicher Verfolgung gestellt werden, muss die Patientin/der Patient damit rechnen, dass ihr/ihm unterstellt wird, dass ein haftungsbegründendes Fehlverhalten in ihr/sein Bewusstsein getreten ist und Kenntnis von einer schadenskausalen Standardunterschreitung als (verjährungsrechtlich ausreichende) Parallelwertung in ihrer/seiner Laiensphäre vorlag.

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Bei dem Versuch des Patienten, Behandlungsfehlervorwürfe z.B. gegenüber der Gutachterkommission zu substantiieren, muss tatsächlich noch keine Kenntnis vorliegen. Darauf weisen Jaeger[19] und Goehl[20] zutreffend hin. Der Patient muss aber damit rechnen, an der von ihm selbst oder in seinem Auftrag von seinem Anwalt behaupteten Kenntnis festgehalten zu werden.

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Es ist daher hoch riskant, nach konkret ausformulierter Schadensersatzforderung mehr als 3 Kalenderjahre ohne Verjährungshemmung verstreichen zu lassen. Das wird an den nachfolgend referierten Beispielen aus der Rechtsprechung deutlich.

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So hatte es der BGH in seiner Entscheidung vom 31.10.2000[21] mit einem Fall zu tun, in welchem der Kläger schon vorprozessual konkrete Vorwürfe im Zusammenhang mit den Folgen einer ERCP der Gallengänge und des Pankreasgangsystems erhoben hatte. Der Patient hatte etwa fünf Monate nach der Feststellung einer Infektion diese auf die ERCP zurückgeführt und erklärt, es sei bekannt, dass eine derartige Untersuchung eine Infektion der Bauspeicheldrüse auslösen könne, es hätte eine vorbeugende antibiotische Therapie eingeleitet werden müssen und die Unterlassung sei fehlerhaft gewesen. Unter Hinweis auf das klinische Wörterbuch von Pschyrembel hatte er anwaltlich vertreten zudem dargelegt, dass die ERCP bei ihm angesichts einer akuten Pankreatitis wegen der Gefahr der Auslösung eines Schubs kontraindiziert gewesen und die Anwendung der ERCP als schwerer ärztlicher Kunstfehler anzusehen sei.

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Gegen die Verjährungseinrede nach der mehr als drei Jahre später erhobenen Klage hat der Patient versucht, seine Behandlungsfehlervorwürfe als Vermutungen zu relativieren. Erst ein über die Krankenkasse eingeholtes MDK-Gutachten habe eine ausreichend sichere Kenntnis über das behandlungsfehlerhafte Vorgehen ergeben.

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Dem hat der BGH entgegengehalten, dass eine Gewissheit, wie sie sich der Kläger durch dieses Gutachten verschaffen zu können hoffte, für die Kenntnis i.S.d. § 852 Abs. 1 BGB a.F. nicht erforderlich sei. Der Verjährungsbeginn setze keineswegs voraus, dass der Geschädigte bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand habe, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Es müsse dem Patienten lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt sei, Klage zu erheben, wenn auch mit verbleibendem Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit eines schadensursächlichen ärztlichen Fehlverhaltens. Dabei war für den BGH auch von Bedeutung, dass der Anwalt des Klägers mit den Behandlungsfehlervorwürfen bereits eine Klagerhebung in Aussicht gestellt hatte.

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Mit ähnlicher Argumentation hatte das OLG München in einer Entscheidung vom 6.2.1992[22] den Vorwurf der Patientin gegen Unfallchirurgen, deren unzureichende Reaktion auf Schmerzen nach einer Radiustrümmerfraktur habe zu einem Morbus Sudeck geführt, ausreichen lassen, von Kenntnis i.S.d. § 852 Abs. 1 BGB a.F. auszugehen.

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Die bereits für sich in Anspruch genommene Kenntnis und entsprechende Behauptung, durch Behandlungsfehler geschädigt zu sein, führt auch in anderen obergerichtlichen Entscheidungen zur Annahme einer Kenntnis der Patientenseite.[23] In dem am 2.7.2014 vom OLG Saarbrücken entschiedenen Fall[24] hatte die Klägerin im Januar 2007 gegen die ihre Schwangerschaft betreuenden Gynäkologen anwaltlich vertreten Schadensersatzansprüche geltend gemacht und diese auf den Vorwurf gestützt, sie hätten es versäumt, sie zur Durchführung einer Sectio in stationäre Behandlung einzuweisen. Hierdurch sei es zum Tod ihres Kindes gekommen. Die Nichteinweisung sei grob behandlungsfehlerhaft gewesen. Im etwa zeitgleich durch ihre Strafanzeige eingeleiteten Ermittlungsverfahren hatte sie weiter ausgesagt, auch sie selbst hätte sterben können, wenn weiter gewartet worden wäre. Die Vorwürfe wurden – differenzierter mit der Annahme unzureichender CTG-Befundung – durch den Gutachter im Ermittlungsverfahren im Jahr 2011 bestätigt. Das OLG sah hierin jedoch lediglich eine Bestätigung der schon im Jahr 2007 vorliegenden Kenntnis. Der im Jahr 2013 eingereichte Prozesskostenhilfeantrag war damit in verjährter Zeit gestellt worden.

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Genauso hat der BGH in seiner Entscheidung vom 8.11.2016[25] Kenntnis spätestens unterstellt, nachdem mit einem Anwaltsschreiben vom August 2007 deutlich Behandlungsfehlervorwürfe angesprochenen wurden.

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Dass Unmutsäußerungen eines Patienten nicht gleich auf Kenntnis von einem Behandlungsfehler schließen lassen, hat das OLG München in seiner Entscheidung vom 23.1.2014[26] in einem Fall unterstrichen, in welchem es um die Auslegung der Weigerung eines Patienten ging, die Eigenanteil-Rechnung eines Hautarztes zu begleichen. Der Patient hatte gegen die Rechnung eingewandt, dass „nach Aussagen mehrerer Ihrer Kollegen das Ausmaß des operativen Eingriffs an meinem Rücken weit überzogen“ gewesen sei. Das OLG München sah darin noch nicht die Behauptung eines Behandlungsfehlers und auch noch keinen Hinweis auf ausreichende Kenntnis, da dem Patienten diverse Unterlagen zur Beurteilung fehlten.

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