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IV. Keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis durch einen Behandlungsfehler verneinendes MDK-Gutachten

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Da es nicht auf die grob fahrlässige Unkenntnis anderer Abteilungen oder externer Stellen, sondern auf die grob fahrlässige Unkenntnis des zuständigen Bediensteten der Regressabteilung ankommt, kann grob fahrlässige Unkenntnis nicht dadurch begründet werden, dass ein Gutachter des MDK ein fehlerhaft einen Behandlungsfehler verneinendes Gutachten erstellt.

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Der MDK-Gutachter ist nicht Kenntnisvertreter der Krankenkasse. Im System der gesetzlichen Krankenversicherung wird der MDK im Rahmen seiner Begutachtungstätigkeit nicht als Organ, Vertreter oder Erfüllungsgehilfe der Krankenkasse, sondern in einem eigenen Pflichtenkreis tätig.[108] Daran ändert nichts, dass der MDK eine von den Krankenkassenverbänden im jeweiligen Bundesland gemeinsam getragene Arbeitsgemeinschaft ist, die als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts oder als Verein verfasst ist. Der MDK ist organisatorisch und rechtlich nicht mit den Krankenkassen verbunden. Es besteht kein allgemeines Aufsichtsrecht der Krankenkassen gegenüber dem MDK oder dessen Mitarbeitern. Der MDK unterliegt auch keinem Weisungsrecht der Krankenkasse im Einzelfall und ist daher auch nicht Erfüllungsgehilfe der Krankenkasse. Vielmehr untersteht der MDK der Aufsicht der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde des Landes. Die Ärzte des MDK sind bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen.

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Entsprechend hat das OLG Frankfurt ein negatives geburtshilfliches MDK-Gutachten aus dem Jahr 2002 nicht ausreichen lassen, den Klägerinnen, Krankenkasse und Pflegekasse eines im Februar 2000 geborenen, schwerstgeschädigten Kindes, Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis zu unterstellen.[109] Die Krankenkasse hatte im Jahr 2001 die Behandlungsunterlagen der Geburtsklinik und der Neonatologie angefordert und die Vorgehensweise durch den MDK begutachten lassen. Der Gutachter des MDK übersah (ähnlich wie ein später von der Familie der Versicherten eingeschalteter Privatgutachter) den Hinweis in einem Gedächtnisprotokoll der geburtsleitenden Ärztin, dass neben einem Wehentropf auch zweimal eine Bolusgabe des wehenfördernden Mittels Oxytocin gegeben wurde – ein im Gerichtsverfahren der Versicherten dann als grob fehlerhaft gewertetes Vorgehen. Das OLG Frankfurt hat die im Jahr 2001 gegebene Kenntnis von den Behandlungsunterlagen (einschließlich des Gedächtnisprotokolls) für den Verjährungsbeginn nicht ausreichen lassen. Und es hat den Fehler des Gutachters des MDK den klagenden Kassen nicht als eigene Fehler zugerechnet und auch klargestellt, dass der MDK nicht Wissensvertreter der Kranken- und Pflegekasse ist. Es hat weiter unterstrichen, dass die Klägerseite nicht verpflichtet war, zur Vermeidung des Vorwurfs grob fahrlässiger Unkenntnis das MDK-Gutachten durch weitere Gutachten überprüfen zu lassen.

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Die ärztliche Gutachtertätigkeit des MDK kann den Krankenkassen also nicht aus einer Vertreterstellung heraus zugerechnet werden. Insbesondere wird der MDK nicht wie ein vom Geschädigten oder vom SVT beauftragter Rechtsanwalt mit der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen in eigener Verantwortung betraut. Diese Kompetenz kommt allein den für die Verfolgung von Regressansprüchen zuständigen Bediensteten der Krankenkasse bzw. Pflegekasse zu. Und diese wiederum sind darauf angewiesen, dass ihnen die erforderliche Kenntnis vermittelt wird, was im Falle eines negativen Gutachtens gerade nicht geschehen ist.[110]

Handbuch Arzthaftungsrecht

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