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4. Rückschluss auf Kenntnis aus Behandlungsfehlervorwürfen im Klagverfahren
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Wir finden in einzelnen Entscheidungen die Überlegung, der Patient trage zum Behandlungsfehlervorwurf etwas vor, was er schon vor Jahren in verjährungsrelevanter Zeit hätte vortragen können. So schließt das OLG Koblenz in seiner Entscheidung vom 24.2.2015[30] aus Vorwürfen des Patienten, die in verjährungsrelevanter Zeit gar nicht erhoben worden waren, sondern erst in seiner Klagschrift vom Juni 2013, deshalb auf Kenntnis in verjährungsrelevanter Zeit, weil der Erkenntnisstand des Klägers mit Blick auf mögliche Behandlungsfehler sich in den letzten 3 Jahren vor der Klagerhebung nicht verbessert habe, der Kläger also mit derselben Begründung wie im Jahr 2013 auch schon 2009 hätte Klage erheben können. Es ging in diesem Fall um diverse Komplikationen nach der Versorgung von Unfallverletzungen im Jahr 2007. Der Vorwurf in der Klagschrift ging dahin, die Unfallchirurgen hätten Schäden im rechten Knie zu spät erkannt und dann fehlerhaft nicht operativ versorgt und sie hätten eine Femurfraktur unsachgemäß operiert und den Heilungsverlauf falsch beurteilt. Was konkret standardwidrig gewesen sein sollte, ging aus der Klagschrift nicht hervor. Welche Verstöße gegen den fachärztlichen Standard dem Kläger schon in verjährungsrelevanter Zeit bekannt gewesen sein sollen, geht aus der Entscheidung des OLG Koblenz ebenfalls nicht hervor.
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Damit konnte, wie Jaeger in seiner Anmerkung[31] zutreffend herausarbeitet, der Ablauf der Verjährungsfrist nicht begründet werden. Zu der vom Schuldner darzulegenden und zu beweisenden Kenntnis vor dem Jahr 2010 fehlen der Entscheidung des OLG Koblenz tragfähige Feststellungen, zumal auch die Klagschrift (in zulässiger Weise) nicht auf konkrete Standardabweichungen, sondern allein auf Vermutungen gestützt war.[32] Feststellungen zu einer Kenntnis von einem Verstoß gegen den medizinischen Standard wären jedoch Voraussetzung für die Annahme des Eintritts der Verjährung.
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In einer umstrittenen Entscheidung des Brandenburgischen OLG vom 28.10.2010[33], die noch näher zu beleuchten sein wird, ist der klagenden Patientin ebenfalls vorgehalten worden, es sei nicht deutlich geworden, welche konkreten Informationen zu Behandlungsfehlern sie erst in den letzten drei Jahren vor Klagerhebung erlangt habe. Jaeger unterstreicht in seiner Anmerkung zu dieser Entscheidung[34], dass es Sache der Beklagten gewesen wäre, darzulegen und zu beweisen, dass die Klägerin in verjährungsrelevanter Zeit Kenntnis hatte, und dass dazu auch in dieser Entscheidung Feststellungen fehlten.
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Auch wenn die vorstehend erörterten obergerichtlichen Entscheidungen nicht überzeugen, empfiehlt es sich für die Klägerseite deutlich zu machen, was wann zu einer für die Klagerhebung hinreichenden Kenntnis geführt hat. Mit der Entscheidung des BGH vom 8.11.2016[35] ist jedoch geklärt, dass nicht wie in den vorstehend zitierten Entscheidungen des OLG Koblenz und des OLG Brandenburg einfach aus späteren Äußerungen der Patientenseite auf bereits früher vorhandene Kenntnis geschlossen werden kann.
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Das verkennt auch das OLG Braunschweig in einer Entscheidung vom 28.2.2020[36], wenn es der dortigen Klägerin vorhält, es sei nicht ersichtlich, welche weiteren Erkenntnisse sie in der Zeit zwischen der Übersendung der Behandlungsunterlagen im Februar 2014 und dem ersten Anspruchsschreiben im März 2015 erlangt haben wolle. Die Entscheidung ist mit dem Urteil des BGH vom 8.11.2016 nicht in Einklang zu bringen. Eine sekundäre Darlegungslast der Klägerseite kann hier entgegen der Ansicht des OLG Braunschweig nicht angenommen werden. Wenn keine Verpflichtung besteht, sich medizinisches Fachwissen anzueignen, oder Behandlungsunterlagen auf schadenskausale Fehler zu überprüfen[37], kann auch nicht verlangt werden zu erläutern, weshalb derartiges nicht früher geschehen ist.