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Ein leises Schaben an der Bürotür, dann wurde diese vorsichtig aufgestoßen und Kathi Semslacher schob ihren Kopf ins Büro. Mit dem Rollkragenpullover, den sie unter der offenen gelben Weste mit dem Logo des Baumarktes trug, sah sie aus wie eine Schildkröte. Genauso verhielt sie sich auch.

Er winkte sie genervt herein. Kathi blinzelte hinter den dicken Brillengläsern und kroch auf seinen Schreibtisch zu.

»Hier, ein Kaffee«, murmelte sie und stellte ein silbernes Tablett, auf dem sich eine dampfende Tasse sowie ein Glas Wasser befanden, vor ihn hin. Ein Müsliriegel lag daneben. »Heute bist du aber besonders früh da.«

Es war noch nicht einmal halb acht, und das Geschäft sperrte erst um neun Uhr auf, aber er hatte einiges nachzuholen, was im alten Jahr liegen geblieben war. »Es gibt viel zu tun. Was machst du denn schon so früh da?«

Mit den Zähnen riss er den Müsliriegel auf. Der kam ihm gerade recht, denn auf ein Frühstück hatte er verzichtet.

Kathi lächelte und rückte mit dem Zeigefinger ihre Brille zurecht. »Wie du sagst, es gibt viel zu tun. Da will ich dich nicht im Stich lassen.«

Warum konnte Manuela nicht mehr so sein wie sie? Nicht vom Aussehen her, Gott bewahre, denn seine elegante, schlanke Ehefrau würde er nie gegen einen Bauerntrampel eintauschen wollen. Aber was den Charakter betraf, ja, da wäre ihm die Kathi weit lieber. Da gab es kein Theater. Kathi fragte nicht lange, sondern tat, was man ihr anschaffte, und bemühte sich darüber hinaus, es ihm recht zu machen. Noch nie hatte sie sich beschwert, wenn sie einmal länger im Geschäft bleiben musste, was aktuell häufiger der Fall war. Außer ihr und zwei Lagerarbeitern, die stundenweise beschäftigt waren, war nur noch Florian Drussnitzer hauptberuflich angestellt. Denn vor Weihnachten hatte ausgerechnet Herbert, sein bester Verkäufer, gekündigt, da er ein hoch dotiertes Angebot als Außenhandelsvertreter erhalten hatte. Noch hatte er keinen Ersatz für ihn gefunden.

Der Baumarkt lief längst nicht mehr so gut wie früher einmal. Die Zeiten änderten sich; kleine Familienbetriebe hatten es schwer. Die über Jahrzehnte aufgebaute Stammkundschaft starb nach und nach weg, und die Jungen, die ohnehin auswärts arbeiteten, kauften lieber in Städten wie Spittal und Lienz ein. Die großen Baumarktketten dort waren eine schmerzhafte Konkurrenz. Mit der Billigpreispolitik konnte Walter nicht mithalten, und er ärgerte sich über jene Kunden, die sich nur dann wie Geier auf die Ware stürzten, wenn ein großes Prozentzeichen darüber hing.

Er überlegte schon, ob er die Bücher etwas frisieren sollte; nicht für das Finanzamt, Gott bewahre. In den Knast wollte er nicht. Aber für seinen Vater. Denn der war ein Kaufmann durch und durch und hatte sich nach dem dritten Herzinfarkt nur widerwillig zur Ruhe gesetzt. Was waren das für Diskussionen gewesen, ihn davon abzuhalten, weiterhin jeden Tag in den Betrieb zu kommen! »Ich will ja nur nach dem Rechten schauen«, hatte er geraunzt. Der Vater würde nicht verkraften, wenn der vom Großvater aufgebaute Betrieb in dritter Generation heruntergewirtschaftet werden würde. Wobei sich Walter keiner Schuld bewusst war; es waren die Rahmenbedingungen, die ihm zusetzten. Dafür hätte sein Vater aber kein Verständnis – und noch besaß dieser den größten Eigentümeranteil am Geschäft.

Dabei wäre es keine Katastrophe, wenn Walter den Baumarkt zusperren würde. Am Hungertuch nagen müsste er deswegen nicht, denn seine Vorgänger hatten in den fetten Jahren eisern gespart und in Immobilien investiert, was bedeutete: Als einziger Sohn würde Walter einmal ein Vermögen erben. Es war mehr eine Frage der kaufmännischen Ehre, den Baumarkt am Laufen zu halten.

»Kommt die Frau Chef heute?«, fragte Kathi.

»Weiß ich nicht«, brummte er.

In der letzten Woche, der ersten nach den Weihnachtsferien, in denen Valentin auch wieder im Kindergarten war, hatte Manuela es nicht der Mühe wert gefunden, sich im Baumarkt blicken zu lassen. Auch wenn sie nicht mehr draufhatte, als ein paar Mails zu tippen, an der Kassa zu sitzen und hübsch auszuschauen, wären durch ihre Anwesenheit Kathi und Florian für andere Tätigkeiten freigespielt. Glaubte sie, Walter hätte sie nur aus steuerlichen Gründen halbtags angestellt? Es rächte sich bitter, dass er vor Herberts Kündigung zu lasch gewesen war und Manuela – meist hatte sie Valentin als Ausrede vorgeschoben – kommen und gehen ließ, wie es ihr beliebte, was sie schamlos ausgenutzt hatte.

Wenn er da an seine Mutter dachte, die wie der Vater jeden Tag von früh bis spät im Geschäft gestanden war … Sie hatte auch Walter noch fleißig unterstützt, dann aber großmütig Manuela – »der jungen Chefin« – Platz gemacht, um den bereits aufflammenden Revierkämpfen mit der Schwiegertochter zuvorzukommen. Jetzt wünschte sich Walter fast, er hätte Manuela rausgekickt und seine Mutter als Arbeitskraft erhalten.

»Ist sie krank?«

Walter schnaubte verächtlich. »Sie leidet wohl an Faulitis.«

Kathi kicherte und wurde rot. »Na ja, du hast immer noch mich.«

Walter lächelte. »Mein Glück. Was täte ich nur ohne dich?«

Waidmannsruh

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