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Kapitel 2 – Schwesterherz und Brause

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Auf dem Weg nach Hause versuchen sich Isgard und Wilko gegenseitig zu übertrumpfen.

„Ich hatte zweihundert Läuse im Eis“, gibt Wilko mit Stolz geschwellter Brust bekannt.

„Bei mir waren es zwölfundfünfzig Mijonen“, hält Isgard dagegen.

Als wir um die Häuserecke biegen, kann ich es kaum glauben: Linda und Michael stehen schon vor der Haustür, beide mit etwas gestressten Gesichtern. Nach einer stürmisch-kindlichen Begrüßung fällt Lindas Blick auf mich.

„Meine Güte, Johanna, wie siehst du denn aus?“, fragt sie verwundert.

„Ich freue mich auch dich zu sehen, Schwesterlein. Zur Feier des Tages habe ich extra in Schokolade gebadet.“

„Das solltest du bei deiner Figur lieber lassen“, rät Michael mir mit einem ekelhaft anzüglichen Lächeln.

Noch bevor ich Luft holen und kontern kann, legt Linda los. „So mein Lieber, jetzt reicht es. Du hältst mir seit Tagen vor, dass ich zugenommen habe, meine Brüste hängen und die Dellen an meinen Oberschenkeln die Größe des Bodensees haben, und jetzt gehst du auch noch auf meine Schwester los. Nimm deine Sachen, du Arsch, und verschwinde aus meinem, nein, unserem Leben.“

Linda schnappt sich energisch Michaels offene Reisetasche und schmeißt sie ihm vor die Füße. So kenne ich sie gar nicht. Ein abartiger String im Tiger-Look, weiße Tennissocken und eine original verschlossene Großpackung Kondome verteilen sich auf der Straße.

Wilko und Isgard staunen über das, was sie da alles zu sehen bekommen, gleichzeitig feuern sie ihre Mutter an. „Gib’s ihm Mama, der ist schuld, dass Tante Johannas Sofa abgebrannt ist.“

„Was?“ Linda traut ihren Ohren offenbar nicht, und so erkläre ich ihr nochmal kurz und bündig, was sich heute in meinem Arbeitszimmer abgespielt hat. „Das darf ja wohl nicht wahr sein, was bist du eigentlich für ein Idiot, den Kindern solche Tricks zu zeigen?“, tobt sie. „Zück dein Portemonnaie und her mit der Kohle, du schleppst doch immer eine ordentliche Marie mit dir rum und machst auf dicke Hose, bist aber zu geizig, die Gebühr für die Strandliege zu bezahlen.“ Wenn Blicke töten könnten, wäre Michael auf der Stelle mausetot. „Was hat dein Sofa gekostet, Johanna?“

„Vierhundertundfünzig Euro. Im Sonderangebot.“

„Also, neunhundert Euronen, schließlich kostet die Entsorgung des alten Sofas auch was und das Angebot wird es sicherlich nicht mehr geben. Oder möchtest du, dass ich deiner Frau erzähle, dass du gar nicht auf Geschäftsreise warst?“ Linda fährt mächtig ihre Krallen aus.

„Der Kerl ist verheiratet?“ Ich kann es kaum glauben.

Michael zögert, zückt dann aber seine Geldbörse und gibt Linda widerwillig das Geld. „Erpresserin!“

„Ehebrecher, Macho, Kinder-zum-Zündeln-Anstifter, Arschgeige . . . zisch endlich ab.“

Ohne Worte sammelt Michael seine auf dem Pflaster verteilten Habseligkeiten ein, schmeißt sie in den Wagen und pfeffert im Gegenzug Lindas Gepäck aus dem Auto. Dann startet er den Motor und fährt mit quietschenden Reifen davon.

„Juhu, den sind wir los“, jubeln Wilko und Isgard und klatschen sich gegenseitig in die Hände.

„So, jetzt lasst uns erstmal nach oben gehen, ich glaube, wir haben uns alle ein Tütchen Brause verdient“, schlage ich vor.

„Du hast Brause? Die haben wir doch schon als Kinder geliebt und zu allen möglichen Anlässen geschleckt. Wenn wir Streit hatten, bei Liebeskummer oder auch, wenn wir mal wieder zusammen was ausgeheckt hatten“, schwelgt Linda in alten Zeiten und ihre Laune bessert sich schlagartig.

„Genau, einfach immer und insbesondere an ereignisreichen Tagen.“

Nach einer Tüte Brause in meinem gemütlichen, im Landhausstil eingerichteten Wohnzimmer sieht die Welt schon wieder anders aus. Die Kinder spielen nebenan Sofafeuerwehr, natürlich ohne Wasser, und Linda erzählt mir von ihrem grauenvollen Trip mit Michael.

„Glaub mir, wir waren kaum gelandet und hatten unser Gepäck vom Band, da hat Michael schon den Macho raushängen lassen. Der war wie ausgewechselt, hat nur an meiner Figur rumgemäkelt und mich von früh bis spät gescheucht. Linda bring mir mal ein Handtuch, Linda hol mir ein Bier an der Bar.“

„So ein Kotzbrocken, sei froh, dass du ihn so schnell wieder losgeworden bist.“

„Können wir heute Nacht noch bei dir bleiben, Jojo?“

„Ja, sicher, die Kinder können im Wohnzimmer auf der Couch schlafen, das Sofa nebenan ist ja nun nicht mehr zu gebrauchen. Du kannst bei mir im Bett schlafen, es ist ja groß genug für zwei. Ich bin aber nachher weg, habe noch ein Blind Date.“

„Du hast was?“ Aus Lindas Stimme ist eine gute Portion Entsetzen zu hören und sie schüttelt ungläubig ihre blonde Lockenmähne.

„Nun spiel hier mal nicht die moralische Mutter Oberin. Wer präsentiert denn eine neue Männerbekanntschaft nach der nächsten?“

„Ich! Aber du bist doch immer so brav und zurückhaltend, was Flirts und Männer anbelangt. Jetzt bin ich echt von den Socken. Erzähl doch mal, was weißt du bisher von ihm? Und wo hast du ihn aufgegabelt? Sieht er gut aus? “

„Ach, da gibt’s nicht viel zu erzählen“, versuche ich dem Ganzen aus dem Weg zu gehen, denn ein wenig mulmig ist mir bei dem Gedanken an unser Treffen heute Abend schon. Schließlich ist es mein erstes Blind Date.

„Nix da, so kommst du mir nicht davon“, bohrt meine große Schwester weiter. Das konnte sie schon immer gut.

„Na ja, ich bin jetzt seit fast zwei Jahren Single, eile schnellen Schrittes auf die Dreißig zu und lerne im echten Leben irgendwie keinen kennen, der zu mir passt. Also habe ich mich neulich in einer Singlebörse im Internet angemeldet. Das ist alles.“

„Liebes Schwesterlein, das ist nicht alles, das ist erst der Anfang! Und, wie viele Männer haben dich angeschrieben?“

Puh, jetzt will sie aber alles wissen. „Na ja“, druckse ich rum „von den durchgeknallten Fetischisten mal abgesehen . . .“

„Was denn für Fetischisten? Jojo, auf was für Seiten treibst du dich rum?“

„Auf ganz normalen, aber abgefahrene Typen gibt es halt überall. Einer hat mich angeschrieben und gleich im zweiten Satz erwähnt, dass er auf große Frauen mit Plateauschuhen steht, ein Anderer geht bevorzugt in Swingerclubs und der Nächste wollte mit mir und meiner Freundin auf dem Biedermeiersofa im Wohnzimmer seiner Oma Sex haben.“

Ich habe Linda selten sprachlos erlebt, aber genau jetzt ist einer dieser denkwürdigen Augenblicke.

„Ich werde verrückt, Jojo, ist das spannend. Und, was hast du mit den Typen gemacht?“, fragt sie nach einem kurzen Augenblick der vollkommenen Stille.

„Nichts. Ich habe die Mails gelöscht. So nötig habe ich es nun auch wieder nicht. Na ja, geblieben ist dann noch Stier35, und mit dem treffe ich mich um acht im Hasenstall.“

Linda bricht in schallendes Gelächter aus und quietscht vor lauter Vergnügen.

„Mama, tut dir was weh?“ Wilko schaut ganz besorgt durch den Türspalt in mein Wohnzimmer.

„Nein Willi, es ist alles okay mit deiner Mama. Geh du wieder mit Isi spielen“, beruhige ich ihn.

Wilko dackelt ohne Protest, dafür aber mit einem verwunderten Gesichtsausdruck wieder ab.

„Johanna, du triffst dich mit einem Typen namens Stier35 in einem Restaurant das Hasenstall heißt? Ich lache mich schlapp, das wird ja bestimmt ein tierischer Abend.“

Linda kriegt sich nicht mehr ein und kringelt sich immer noch vor Lachen. Ich kann sie ja verstehen, es hört sich wirklich alles etwas merkwürdig an. Aber Stier35 heißt tatsächlich Thomas und macht bisher einen wirklich netten, wenn auch schüchternen Eindruck. Auch seine Stimme klang bei unserem bisher einzigen Telefonat sehr nett. Okay, wir haben uns nur recht kurz unterhalten, aber aller Anfang ist eben schwer und es kann nicht jeder so gesprächig sein wie ich. Er ist einsachtundachtzig groß – und somit genau zehn Zentimeter größer als ich, was bedeutet, dass ich ohne Probleme Schuhe mit Absatz anziehen kann – und er mag Frauen mit weiblichen Rundungen. Damit ist er bei mir genau an der richtigen Adresse, denn mit meiner Konfektionsgröße bin ich weit vom Magerwahn entfernt. Ich bin halt ein bisschen mehr Frau. Eigentlich fühle ich mich ganz gut in meinem Körper, aber obwohl ich in der Werbebranche arbeite, lasse ich mich von Hochglanzmagazinen und makellosen Models dennoch verunsichern. Ich kenne zwar die Tricks, mit denen nachgeholfen wird (und das Ergebnis hat mit der Realität oftmals nicht mehr viel gemeinsam), aber trotzdem fühle ich mich beim Anblick gertenschlanker Stars und Sternchen einfach dick und unattraktiv.

Was Thomas beruflich macht, weiß ich nicht, er schrieb bisher nur, dass er ein sehr naturverbundener Mensch ist und auch beruflich viel im Freien arbeitet. Ich werde mich einfach überraschen lassen.

„Sag mal Jojo, hast du eigentlich schon ein Foto von ihm gesehen?“, will Linda nun wissen.

„Nein, Fotos haben wir bisher nicht ausgetauscht. Aber er ist groß und blond und trägt keinen Bart, soviel weiß ich.“

„Na, das ist ja ein ganz schönes Überraschungsei, das du heute Abend knacken wirst. Mensch, bin ich gespannt.“

„Ich auch, Schwesterlein, aber jetzt muss ich mich sputen, sonst schaffe ich es nicht mehr pünktlich in den Hasenstall. Und um Tiffy vorher einen Besuch zum Outfit-Check abzustatten, ist es nun auch schon zu spät. Dann musst du eben einen Blick darauf werfen.“

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