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Kapitel 3 – Mann o Mann

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Frisch geduscht, dezent geschminkt und nach momentanem Empfinden auch recht sexy, stehe ich um fünf vor acht vorm Restaurant Hasenstall. Es ist ziemlich weit draußen gelegen, aber das alte Fachwerkhaus mit den hohen Bäumen und seinem ländlichen Bauerngarten verströmt auf Anhieb eine heimelige Atmosphäre. Überall blühen Blumen und ein leichter Duft von Zitrone und Vanille liegt in der Luft, sodass ich schnell ins Schwärmen und Träumen gerate. Den Treffpunkt hat Thomas wirklich gut gewählt! Der Biergarten ist bei dem herrlichen Sommerwetter reichlich gefüllt, bietet aber hier und da noch einige freie Tische. Ich entscheide mich für einen Platz am leise plätschernden Bach, der sich malerisch durch die Wiese schlängelt. Abgetrennt durch einen luftigen Sichtschutz aus Weidenruten bietet die rustikale Sitzgruppe außerdem ein wenig Privatsphäre. Perfekt also für ein erstes Date und meine romantische Ader, die sich von Zeit zu Zeit bemerkbar macht. Meinen Regenschirm, den wir als Erkennungszeichen vereinbart haben, hänge ich gut sichtbar mit der Krücke an die vordere Tischkante. Da er kräftig rot und somit gut zu erkennen ist, wird meine Verabredung ihn sicher schnell entdecken. Warum es als Erkennungszeichen unbedingt ein Regenschirm sein musste, ist mir immer noch schleierhaft. Vermutlich war Thomas die klassische rote Rose zu auffällig und unangenehm, und die Wahrscheinlichkeit, dass im Hochsommer viele Menschen mit einem Regenschirm herumlaufen, ist auch eher gering. Mir soll es recht sein.

Da ich bislang keinen weiteren Schirm erspähen kann, lasse ich meinen Blick schweifen – und verharre mit den Augen am Nachbartisch hinter dem Sichtschutz, durch den ich schemenhaft etwas erkennen kann. Ist das nicht der Typ, der mir vorhin das Schokoeis auf die Bluse gesaut hat? Hm, was trägt der denn jetzt für ein T-Shirt mit so einer komischen Aufschrift? Hasenjäger. Hat der wirklich Hasenjäger auf dem Shirt stehen? Ich glaube es nicht! Nee, den rufe ich ganz bestimmt nicht an. Der Hasenjäger ist im Hasenstall, wenn das nicht zusammenpasst, dann weiß ich es auch nicht.

„Hallo Freddy!“ ruft ihm jetzt einer der Kellner zu. Scheint ja hier bekannt zu sein wie ein bunter Hund. „Einmal wie immer?“

„Nein danke, ich bin nur auf der Durchreise und muss mich noch um die Rösser kümmern!“, antwortet Freddy offenbar gut gelaunt, steht auf und geht, wobei er mir den Rücken zudreht. Er ist wirklich verdammt groß und der Hintern scheint recht knackig zu sein. Auch seine tiefe, warme Stimme hat was. Aber nein, Johanna, ein Typ der Freddy heißt, Sprüche-T-Shirts trägt und fremden Frauen Schokoladeneis auf den Busen klatscht ist nun wirklich nichts. Aber was hat er bloß damit gemeint, er muss sich noch um die Rösser kümmern? Na ja, vielleicht arbeitet er ja irgendwo als Pferdepfleger auf einem Reiterhof. Es kann mir auch egal sein.

„Johanna?“ Eine Männerstimme reißt mich aus meinen Gedanken.

„Äh, ja, das bin ich“, stammele ich los, erblicke zuerst einen grün-beige-karierten Regenschirm und nehme dann auch den Mann wahr, der dazugehört.

„Ich bin Thomas, Thomas Thorstedt“.

Kann ich meinen Augen wirklich trauen oder halluziniere ich? Vor mir steht ein großgewachsener Mann mit olivfarbenen Cord-Bundfaltenhosen, leberwurstfarbenem Hemd und brav gekämmtem Seitenscheitel. Dieser Look war doch sogar in den Achtzigern schon längst ausgestorben und hat keine Wiederbelebung erfahren. Oder sollte ich irgendwas verpasst haben?

„Johanna Bergström“, antworte ich immer noch etwas irritiert. „Setzt dich doch, freut mich, dich kennen zu lernen.“ Da musst du jetzt durch Johanna, rede ich mir gut zu, schließlich ist es selbst gemachtes Leid, es hat dich niemand zu diesem Date gezwungen.

„Ich hoffe, du hast noch nicht allzu lange auf mich gewartet, ich bin etwas verspätet, weil . . . “ Thomas stockt.

„Weil was?“, hake ich nach, jetzt doch sehr neugierig geworden.

„Na ja, weil . . . weil die Wanda einen Kaiserschnitt hatte und es Komplikationen gab.“

Wer um alles in der Welt ist Wanda? Thomas will mir hier doch wohl nicht gerade schonend beibringen, dass seine Frau soeben entbunden hat?

„Wanda ist eine unserer achtzig Milchkühe. Ich bin Bauer. Jetzt ist es raus“, sagt Thomas mit gesenktem Blick.

„Ach so! Aber was ist denn daran so schlimm?“ Er tut mir fast ein wenig leid, wie er so mit hängendem Kopf auf seinem Stuhl sitzt.

„Du findest es nicht schlimm, dass ich Bauer bin?“, fragt Thomas jetzt schon mit deutlich hoffnungsvollerer Stimme.

„Nein, warum denn auch? Ich mag Tiere, das Land und ohne Milchbauern müsste ich meinen Latte Macchiato ohne Latte trinken – welch grausame Vorstellung.“

Thomas lächelt nun tatsächlich, was ihm sehr gut steht und seine Ausstrahlung um Jahre jünger erscheinen lässt. Jetzt sprudelt es förmlich aus ihm heraus, dass die meisten Frauen bisher immer sofort Reißaus genommen haben, wenn er seinen Beruf genannt hat, und dass er zusammen mit seiner Mutter, seiner unverheirateten älteren Schwester und seinem zweiundneunzigjährigen Opa auf einem Hof hier ganz in der Nähe lebt. So langsam dämmert es mir: Thomas sucht eine Frau, die mit ihm zusammen den Hof schmeißt und gleichzeitig mit der gesamten Familie unter einem Dach lebt. Über ein Leben als Bäuerin hatte ich mir bis heute ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht – und will es eigentlich auch nicht. Ich liebe meinen Job als Werbetexterin und kann mir nicht vorstellen, ihn gegen das Stallausmisten zu tauschen.

„Eigentlich wollte ich auch bei Bauer sucht Frau mitmachen, aber das hat meine Mutter nicht erlaubt“, reißt Thomas mich wieder aus meinen Gedanken.

„Du wolltest im Fernsehen auf Brautschau gehen? Das ist ja stark. Aber wieso hatte deine Mutter was dagegen?“

„Na ja, sie will halt keine Fremden in ihrer Küche und auf ihrem Hof haben. Seit mein Vater die Familie vor zwanzig Jahren verlassen hat und mit einer Jüngeren durchgebrannt ist, herrscht bei ihr ein strenges Regiment und sie ist ziemlich verbittert. Meine Schwester ist ihr da übrigens sehr ähnlich. Nur mein Großvater, der früher den Hof bewirtschaftet hat, ist trotz seines fast biblischen Alters wirklich umgänglich.“

Der arme Kerl, der hat es bestimmt nicht einfach mit zwei so komplizierten Weibern zu Hause. So langsam kommt unser Gespräch in Fahrt und Thomas verliert nach und nach seine Schüchternheit. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt und werden erst von der Kellnerin unterbrochen, die fragt, ob sie uns noch eine letzte Runde vor Lokalschluss bringen kann. Wir bestellen beide noch einen Kaffee zum Abschluss.

„Sag mal Johanna, wie findest du mich denn?“

Oh je, was will er jetzt hören oder anders gefragt, was soll ich jetzt sagen? Ich entscheide mich für die Wahrheit.

„Ich finde dich sehr sympathisch, Thomas. Du bist ein lieber Kerl, aber ganz ehrlich: der Funke ist bisher bei mir nicht gesprungen.“

„Danke, dass du so ehrlich bist.“ Er schaut mich an und nickt leicht mit dem Kopf. „Ich mag dich auch und habe mich schon lange nicht mehr so gut unterhalten. Aber auch bei mir kribbelt es nicht. Ich habe nach meiner letzten Beziehung, die vor acht Jahren in die Brüche gegangen ist, gedacht, dass ich jede sich mir bietende Chance nutzen muss, um überhaupt noch eine Frau abzukriegen. Aber das ist falsch. Ich glaube noch an die große Liebe und werde es merken, wenn sie da ist.“

Ich bin ehrlich beeindruckt. „Ja Thomas, so sehe ich es auch. Man muss seinem Glück halt manchmal etwas auf die Sprünge helfen, aber nicht auf Biegen und Brechen. Auch wir werden eines Tages die große Liebe finden. Aber sag mal, könntest du dir trotzdem vorstellen, dass wir Freunde bleiben oder besser gesagt, Freunde werden?“

Thomas strahlt über das ganze Gesicht. „Ja, total gerne! Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir in Kontakt blieben, schließlich eint uns ja in gewisser Weise das gleiche Schicksal.“

Mit diesem guten Gefühl und einer herzlichen Umarmung verabschieden wir uns und treten beide den Heimweg an, Thomas mit dem Fahrrad, ich mit Tiffys und meinem Stadtflitzer.

Trotz der nächtlichen Stunde brennt in meiner Wohnung noch Licht, wie ich bereits von der Straße aus erkennen kann. Ich hatte schon den ganzen Abend damit gerechnet, dass Linda sicherlich eine brühwarme und detaillierte Berichterstattung haben will. Und genauso ist es auch. Meinen Wohnungsschlüssel brauche ich gar nicht, denn meine Schwester öffnet mir bereits schwungvoll und mit großer Erwartung im Gesicht die Tür.

„Wie war er?“, sprudelt es aus ihr heraus.

„Lass mich doch erstmal rein, oder möchtest du dich in deinem Schlafanzug ins Treppenhaus setzen?“

Zähneknirschend genehmigt Linda mir schließlich auch noch ins Bad zu gehen und ebenfalls den Schlafanzug anzuziehen, dann machen wir es uns beide in meinem großen Bett bequem.

„So, jetzt aber, ich bin gespannt wie ein Flitzebogen.“

Da ich morgen wieder früh aufstehen und arbeiten muss und Linda mir ohne Bericht über mein Blind Date eh keine Ruhe gönnen würde, tue ich ihr den Gefallen und erzähle von Thomas. Mit offenem Mund und hibbelig hin- und herrutschend hört sie mir zu.

„Das ist ja aufregend. Na ja, die große Liebe hast du wohl nicht gefunden, aber dafür einen Kumpel mit Cord-Bundfaltenhosen.“ Linda kichert wie ein Teenager.

„Das ist nicht nett, Linda. Okay, sein Äußeres ist verbesserungswürdig, aber Thomas ist wirklich ein feiner Kerl, der es auch nicht gerade einfach hat. Ich war zuerst auch völlig verunsichert, aber im Lauf unseres Gesprächs habe ich bemerkt, dass Thomas weder altmodisch noch verschroben ist, sondern ein netter, aufgeschlossener Landwirt, der modisch einfach nur den Anschlusszug verpasst hat. Wie du siehst, sind Äußerlichkeiten manchmal einfach nur Schall und Rauch.“

Mit dieser Erkenntnis schlafen wir beide ein und ziehen uns nachts gegenseitig die Bettdecke weg. Das haben wir auch früher schon gemacht, wenn wir ausnahmsweise aufgrund von allzu großer Geschwisterliebe in einem Bett geschlafen haben.

Moppel-Leben

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