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DER ABREK

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Bei der Ankunft in Schukowaja war meine erste Sorge, mich beim Oberst zu melden.

Schukowaja ist ebenso schmutzig wie Kislar.

Dann eilte ich ins Quartier zurück, um für den Tisch zu sorgen. Die Hausarbeit war bereits getan. Der nach Derbent zurückkehrende Offizier hatte einen armenischen Diener, der in der Zubereitung von Schaschlik sehr geschickt war. Der Wein machte uns keine Sorgen: Wir hatten ja neun Flaschen mitgebracht, und die weinselige Stimmung des Leutnants bewies, dass in Schukowaja an Traubensaft kein Mangel war.

Als wir eben gespeist hatten, erschien der Oberst, um meinen Besuch zu erwidern.

Unsere erste Frage betraf die Weiterreise. Der Postenlauf ist auf einer Strecke von hundertfünfzig Werst unterbrochen, denn kein Posthalter will seine Pferde von den Tschetschenen rauben, niemand sich den Kopf abschneiden lassen.

Der Oberst versicherte uns, dass wir mit den Mietkutschern um achtzehn bis zwanzig Rubel einig werden würden, und versprach, noch denselben Abend Pferdevermieter zu schicken, mit denen wir uns verständigen möchten.

Eine Viertelstunde nach dem Fortgehen des Obersts erschienen tatsächlich zwei Mietkutscher, mit denen wir den Preis von achtzehn Rubeln abschlossen. Dies war für dreißig Wegstunden sehr billig; die Kutscher konnten übrigens mit unserer Eskorte zurückkehren und hatten daher für ihre Pferde nichts zu fürchten.

Voll Vertrauen auf das Versprechen der beiden Schukowajer legten wir uns auf unsere Bänke und schliefen so sanft ein wie auf der weichsten Matratze.

Als wir erwacht waren, ließen wir den Leuten sagen, sie sollten die Pferde schicken. Aber statt der Pferde kamen die Kutscher selbst. Sie hatten sich besonnen; sie verlangten fünfundzwanzig Rubel unter dem Vorwand, es habe in der Nacht gefroren.

Nichts empört mich mehr als ein plumper Betrug. Ohne zu wissen, wie wir weiterkommen würden, warf ich die beiden Kerle zur Tür hinaus und begleitete diese Antwort mit einem russischen Kernfluch, den ich mir für vorkommende Fälle gemerkt und durch Übung mit ziemlicher Reinheit aussprechen gelernt hatte.

»Was ist jetzt zu tun?«, fragte Moynet, als sie fort waren.

»Wir wollen etwas sehr Hübsches sehen – ein Genuss, den wir hätten entbehren müssen, wenn wir es nicht mit den beiden Schurken zu tun gehabt hätten.«

»Was meinen Sie?«

»Im Kaukasus liegt ein hübsches Kosakendorf, das durch die Tapferkeit der Männer und die Schönheit der Frauen so berühmt ist, dass jeder junge Offizier seinen Obersten um Urlaub zum Besuch des Dorfes bittet. Es heißt Tscherwelonaja und ist nur fünfunddreißig Werst oder neun Stunden von hier entfernt.«

»Aber wie wollen wir dahin kommen?«

»Natürlich zu Pferde.«

»Wir haben aber keine Pferde.«

»Wagenpferde freilich nicht, aber Reitpferde so viel wir wollen. Kalino, sagen Sie doch dem Dragoneroffizier unseren Wunsch, nach Tscherwelonaja zu reiten, und Sie werden sehen, dass er alle seine Remontepferde zu unserer Verfügung stellen wird.«

Kalino teilte dem Offizier unseren Wunsch mit.

In einer halben Stunde waren fünf Pferde gesattelt und zwölf Kosaken bereit.

Ich gestehe, dass ich sehr unbequem saß auf dem Kosakensattel, der acht Zoll höher ist als der Rücken des Pferdes. Dafür waren freilich die Steigbügel zu kurz.

In anderthalb Stunden erreichten wir die Festung Schedrenskaja.

Wir machten halt, um die Pferde ausruhen zu lassen und unsere Begleitung zu wechseln.

Unsere aus zwölf Mann bestehende Eskorte hatte sich in Vorhut, Nachtrab und Zentrum geteilt. Zwei ritten voraus, zwei beschlossen den Zug, und acht Mann ritten rechts und links.

Auf beiden Seiten des Weges, zur rechten, so weit das Auge reichte, zur linken bis zum Terek breitete sich ein drei Fuß hohes Dickicht aus, aus dem hier und da eine Baumgruppe hervorragte. Mein Pferd, das sich mit großer Hartnäckigkeit immer links hielt, jagte etwa fünfzehn Schritte vom Weg ein Volk Rebhühner auf. Ich nahm unwillkürlich meine Doppelflinte von der Schulter und schlug an, aber es fiel mir ein, dass sie mit Kugeln geladen war. Die Rebhühner fielen in einer Entfernung von hundert Schritten mitten in die Büsche.

Die Versuchung war zu stark; ich zog die Kugelpatrone heraus, schob zwei Schrotpatronen ein und stieg ab.

Wir gingen auf die Rebhühner zu. Sie flogen zwanzig Schritte von mir auf. Ich feuerte beide Läufe ab. Ein Rebhuhn fiel.

»Haben Sie gesehen, wohin es gefallen ist?«, rief ich Moynet zu; »ich habe nur gesehen, dass es gefallen ist.«

In diesem Augenblick fiel hundert Schritte von uns ein Schuss; ich sah den Rauch und hörte die Kugel, die die Spitzen der niedrigen Büsche streifte, drei Schritte von mir vorüberpfeifen.

Wir sollten also tatsächlich mit den Tschetschenen nähere Bekanntschaft machen.

Die uns begleitenden Kosaken ritten einige Schritte voraus, um uns zu decken. Ein Einziger blieb auf seinem Platz, oder vielmehr sein Pferd stürzte. Die Kugel, die ich pfeifen gehört, hatte ihm ein Vorderbein zerschmettert.

Unterdessen hatte ich, den Weg zurückeilend, meine Doppelflinte wieder mit Kugeln geladen.

Ein Kosak hielt mein Pferd am Zügel. Ich stieg wieder auf und hob mich in die Steigbügel, um weiter zu sehen. Ich wunderte mich über die Verzögerung des Angriffs, der sonst rasch dem ersten Schuss zu folgen pflegt.

Gleich darauf sahen wir sieben oder acht Tschetschenen am Terek davoneilen.

»Hurra!«, riefen unsere Kosaken und jagten ihnen nach.

Aber während diese sieben oder acht Tschetschenen flohen, stürzte ein Einziger aus dem Gebüsch, wo er geschossen hatte, hervor, und rief, sein Gewehr über den Kopf schwenkend: »Abrek! Abrek!«

»Was bedeutet Abrek?«, fragte ich Kalino.

»Es bedeutet einen Mann, der geschworen hat, jede Gefahr aufzusuchen und vor keiner zu fliehen.«

»Und was will dieser? Er wird uns doch nicht allein angreifen wollen?«

»Nein, aber vermutlich bietet er den Zweikampf an.«

»Hören Sie?«, sagte Kalino zu mir. »Er fordert einen unserer Kosaken zum Kampf.«

»Sagen Sie ihnen, dass der, welcher den Kampf annimmt, zwanzig Rubel bekommt.«

Kalino teilte den Kosaken mein Anerbieten mit.

Eine kurze Pause folgte. Die Kosaken sahen einander an, als ob sie den Tapfersten auswählen wollten.

Unterdessen galoppierte der Tschetschene zweihundert Schritte von uns hin und her und rief: »Abrek! Abrek!«

»Geben Sie mir meine Büchse, Kalino«, sagte ich, »ich möchte den Kerl vom Pferd schießen.«

»Tun Sie es nicht, Sie würden sich eines merkwürdigen Schauspiels berauben. Unsere Kosaken beraten sich, wen sie zum Zweikampf schicken sollen. Sie haben ihn erkannt, es ist ein sehr bekannter Abrek. Sehen Sie, einer unserer Leute bietet sich an.«

Der Kosak, dessen Pferd verwundet war, hatte sich inzwischen überzeugt, dass es verloren war, und wollte nun sein Recht geltend machen.

Inzwischen war uns der Tschetschene immer näher gekommen. Die Augen der Kosaken sprühten Feuer. Sie betrachteten sich alle als beteiligt, und gleichwohl würde keiner von ihnen auf den Feind geschossen haben, denn nach der Herausforderung wäre es eine Schande gewesen.

Der Führer der Eskorte gab seine Einwilligung zum Zweikampf.

»Ich habe kein Pferd«, sagte der Kosak, »wer leiht mir eins?«

Keiner von seinen Kameraden antwortete. Keiner wollte sein Pferd der Gefahr aussetzen, zwischen den Beinen eines anderen getötet zu werden. Ich stieg ab und gab dem Kosaken meins, ein vortreffliches Remontepferd. Er schwang sich sogleich in den Sattel, sprengte auf den Tschetschenen zu und schoss.

Der Abrek spornte sein Pferd, sodass es sich bäumte. Die Kugel schlug dem Pferd in die Schulter. Der Tschetschene feuerte fast zu gleicher Zeit und schoss seinem Gegner den Papak vom Kopf.

Beide warfen nun die Flinten über die Schulter. Der Kosak zog seine Schaska, der Tscherkesse seinen Handschar. Dieser tummelte sein Pferd trotz der Wunde, die es erhalten hatte, mit wunderbarer Gewandtheit und überschüttete dabei seinen Gegner mit Schmähungen.

Die beiden Gegner trafen zusammen. Im ersten Augenblick glaubte ich, unser Kosak habe den Abrek mit seiner Schaska durchbohrt, denn ich sah die Klinge hinter seinem Rücken glänzen; aber er hatte nur die weiße Tscherkesska durchbohrt.

Von nun an sahen wir nur zwei miteinander ringende Menschen. Dieser Kampf dauerte kaum länger als eine Minute, dann sank der eine vom Pferd.

Oder vielmehr sein Rumpf; der Kopf war in der Hand seines Gegners geblieben.

Der Gegner war der Abrek. Er stieß ein wildes Triumphgeschrei aus, ließ das Blut von dem Kopf abtropfen und befestigte ihn am Sattelknopf.

Das reiterlose Pferd lief davon, trabte eine Weile im Kreis umher und gesellte sich wieder zu uns.

Der enthauptete Leichnam lag regungslos am Boden.

Dem Triumphgeschrei folgte eine zweite Herausforderung.

Ich wandte mich zu dem Kosaken, der den Kampf wieder aufnehmen wollte. Er rauchte ruhig seine Pfeife und nickte mir zu.

Dann rief er dem Tschetschenen einige Drohworte zu. Dieser hielt sein Pferd an, um zu sehen, wer seine Herausforderung angenommen hatte.

Der Kosak tat einen tüchtigen Zug aus seiner kurzen Pfeife und galoppierte auf den Abrek zu, ehe dieser sein Gewehr wieder geladen hatte. Vierzig Schritte vor dem Gegner hielt er sein Pferd an und zielte.

Ein leichter Rauch stieg vor seinem Gesicht auf; wir glaubten, dass sich nur das Pulver auf der Pfanne entzündet habe.

Der Abrek sprengte, mit der Pistole in der Hand, auf ihn zu und schoss auf zehn Schritt.

Der Kosak aber machte eine Schwenkung, und zum allgemeinen Erstaunen – denn wir hatten nicht gesehen, dass er frisches Pulver auf die Pfanne geschüttet hatte – zielte er noch einmal und schoss.

Eine heftig zuckende Bewegung des Tschetschenen bewies, dass er getroffen war. Er ließ den Zügel los und umklammerte mit beiden Armen den Hals seines Pferdes.

Das Pferd, durch die Wunde gereizt, lief durch die Büsche dem Terek zu. Der Kosak eilte ihm nach. Wir wollten ihm folgen, als wir den Tschetschenen vom Pferde fallen sahen. Das Pferd blieb bei dem Reiter stehen.

Der Kosak schien zu fürchten, es sei eine List und der Tschetschene stelle sich nur tot, um ihn anzulocken. Er beschrieb daher einen großen Kreis, ehe er sich näherte.

Er wollte offenbar das Gesicht seines Feindes sehen; aber dieser war zufällig oder absichtlich mit dem Gesicht auf die Erde gefallen.

Der Kosak ritt vorsichtig auf ihn zu. Der Tschetschene rührte sich nicht. Der Sieger hielt seine schussfertige Pistole in der Hand.

Zehn Schritte von dem Tschetschenen hielt er sein Pferd an, zielte und schoss. Er hätte sich den Schuss sparen können, denn sein Feind war tot.

Er sprang vom Pferd, zog seinen Handschar, bückte sich – und eine Sekunde nachher hielt er den bluttriefenden Kopf empor.

Die ganze Eskorte brach in einen lauten Hurraruf aus. Der Sieger hatte die Ehre des Korps gerettet und seinen Kameraden gerächt.

In wenigen Augenblicken war der Tschetschene entkleidet. Der Kosak band seine Beute auf den Rücken des verwundeten Pferdes fest, nahm es beim Zügel, bestieg das seine und kehrte zu uns zurück.

Von allen Seiten wurde er nun mit der Frage bestürmt: »Wie konntest du denn schießen, nachdem das Pulver von der Pfanne abgeblitzt war?«

Der Kosak lachte. »Mein Gewehr ist nicht abgeblitzt«, sagte er.

»Aber wir haben doch den Rauch gesehen«, erwiderten seine Kameraden.

»Ihr habt den Tabaksrauch gesehen, den ich im Mund behalten hatte«, sagte der Kosak, »aber keinen Pulverrauch.«

Gefährliche Reise durch den wilden Kaukasus

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