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Mäxi war aufgebracht. Er tobte herum und schrie sie an. »Das dürfen sie einfach nicht, Karla. Versteh doch endlich, es ist zu gefährlich. Sollen die doch selbst zusehen, wie sie mit ihren Problemen fertig werden.«

»Ich habe mich freiwillig gemeldet, und niemand kann mich davon abhalten.«

Verden kam aus dem Büro ihres Chefs. Der machte ein undurchdringliches Gesicht. Als Barbesitzer musste er sehen, dass er sich mit der Polizei gut stand, obwohl er gar nicht einverstanden war, dass Karla jetzt für einige Zeit ausfallen sollte.

»Und was darf ich deinen Stammkunden erzählen? «

»Sage ihnen einfach, ich sei krank.«

»Hoffentlich dauert es nicht zu lange.«

»Ihr denkt alle nur an das Geld«, schrie sie aufgebracht. »Aber ich will Vera rächen. Ich werde den Mörder finden und stellen. Ich komme erst wieder zurück, wenn er hinter Schloss und Riegel sitzt.«

Mäxi machte ein mutloses Gesicht.

»Karla, pass auf dich auf, ja?«

»Du bist ein guter Kumpel, ich werde vorsichtig sein.«

»Wenn du Hilfe brauchst, dann rufe mich.«

»Ich werde es nicht vergessen.«

Verden nahm sie mit.

Bevor sie wieder zur Polizei fuhren, wollte sie noch einmal Claudia sehen. Sie war gar nicht tapfer und wenig davon überzeugt, dass alles gut ausging. Sie hatte schreckliche Angst im Bauch und wünschte sich verzweifelt ein gutes Ende, schon um Claudias willen.

Wieder wurde sie stürmisch begrüßt. Sie hingen wie Kletten zusammen. Verden hatte ein eigenartiges Gefühl in der Magengegend.

»Sei ein tapferes Mädchen, Claudia, tu alles, was die Schwester dir sagt.«

»Du kommst doch wieder, Karla, nicht wahr! Du wirst mich hier rausholen. Du hast es mir versprochen. O Karla, ich möchte zu dir, du bist doch meine allerbeste Freundin.«

»Ich werde dich nicht vergessen, Mäuschen, das musst du dir vor Augen halten.«

Claudia sah sie zärtlich an.

Dann mussten sie sich wieder trennen. Als Karla mit dem Kommissar im Auto saß, sagte sie mit leiser Stimme: »Du musst mir etwas versprechen.«

»Und das wäre?«

»Sollte ich nicht mehr für Claudia sorgen können, du weißt Bescheid, was ich damit meine, versprich mir, darauf zu achten, dass sie in eine gute Pflegefamilie kommt. Im Heim verkümmert sie.«

»Karla, noch kannst du zurück.«

»Ich weiß, aber ich muss diesen Weg gehen. Begreifst du das denn nicht?«

»Doch, aber es steht viel auf dem Spiel.«

»Ich weiß das und tue es trotzdem.«

Nun waren sie in der Direktion. Die Beamten hatten einen Plan ausgearbeitet.

Karla erhielt ein kleines Funkgerät, das sollte sie stets bei sich in der Tasche tragen.

»Es zeigt uns immer an, wo du bist. Wir sind in deiner Nähe, aber man sieht uns nicht. Wenn Gefahr droht, dann musst du diesen Knopf drücken, und wir kommen sofort. Hast du das verstanden? «

Das Gerät war klein und handlich.

»Sollen wir ihr eine Waffe mitgeben?«

»Nein«, sagte Karla mit fester Stimme. »Ich werde mit dem Hund schon fertig.«

»Karla, sei vorsichtig.«

»Klar, denn ich habe ja Claudia.«

Verden blickte sie eindringlich an. »Wann willst du anfangen?«

»Gleich heute. Wozu sollte ich noch warten?«

»Hals- und Beinbruch!«

»Ich habe jetzt alles bei mir und kann wohl gehen. Ich muss mich noch ein bisschen ausruhen und werde pünktlich um neun in der Strichstraße sein.«

»In Ordnung. Rufe uns vorher an, und wir setzen uns sofort in Bewegung.«

Man gab ihr die Direktwahlnummer, und dann ging sie fort. Sie durfte nicht direkt von der Polizei in die Strichstraße gehen. Es musste alles möglichst normal aussehen.

Karla suchte ihre Wohnung auf und war so nervös, dass sie gar nicht ruhen konnte. Wie ein gefangenes Tier lief sie hin und her. Immer wieder hörte sie Claudias Worte.

Sie machte sich ein kleines Abendbrot und musste an die Zeiten mit Vera denken. Das heulende Elend packte sie. Am liebsten hätte sie sich volllaufen lassen, um für eine Weile nicht denken zu müssen.

In den Straßen wurde es Nacht. Viele Leute saßen jetzt vor dem Fernseher und entspannten sich vom Arbeitstag. Der ihre fing erst an.

Sie telefonierte und meldete, dass sie gehen wollte.

Karla konzentrierte sich darauf, ob sie beobachtet wurde. Sie konnte sich gut vergewissern. Hier waren die Straßen noch breit. Es gab keine Haustore wie in den alten Quartieren. Das änderte sich schlagartig, als sie das Strichviertel erreichte. Die Straßen wirkten ärmlich und schmutzig. Sie lagen im Industrieviertel.

Karla wunderte sich, dass so wenig Tippelmädchen unter den Laternen standen. Ob die alle unterwegs waren? Sie zog die Schultern hoch und begriff jetzt so richtig, dass das Leben einer Strichbiene auf der Straße viel erbärmlicher war als ihre Arbeit in der Bar.

Kaum hatte sie sich aufgebaut, da erschien schon eine verkommene Frau. Sie hatte eine Fluppe im Mundwinkel, roch nach Schnaps, und taufrisch war sie auch nicht mehr.

»Mensch, dich hab’ ich ja noch nie hier stehen gesehen. Wie ist das, haste keine Angst?«

»Vor wem denn?«

»Nun, viele von den flüggen Küken getrauen sich doch nicht mehr ins Viertel. Die Luden stellen sie hier nicht mehr auf, von wegen abgemurkst zu werden und so weiter.«

»Ach, dann sind wir die einzigen?«

»Ne, aber wer jetzt steht, der macht das lange Geld«, grinste die Alte sie an.

Karla konnte sich nicht vorstellen, dass ein Mann mit dieser Tülle loszog.

»Was ist, woher kommst du?«

Karla hatte keine Zeit, ihr Antwort zu geben. Es erschien in rasender Fahrt ein Fahrzeug auf der Straße. Drei Männer sprangen heraus. Ehe sie sich versah, packte sie jemand und warf sie ins Auto. Die Tasche wurde ihr abgenommen, an Alarm war nicht mehr zu denken. In einem Höllentempo ging es zu einigen verfallenen Schuppen am Rande der Stadt. Da wurde sie aus dem Wagen gezerrt und in eine Halle geschleift. Ihr Herz schlug wild, aber sie hatte seltsamerweise keine Angst. Sie wusste, der Mörder konnte es nicht sein, denn er arbeitete still und lautlos. Was dies zu bedeuten hatte, war ihr noch nicht klar.

»Boss, hier ist sie.«

Ein großer, schlanker Mann löste sich aus dem Hintergrund und kam auf sie zu. Sie hatte ihn noch nie gesehen, aber sie fürchtete sich vor seinen eiskalten Augen.

Er grinste sie böse an.

»Du hast also gedacht, der Strich ist unbewacht, wie?«

Karla war verwirrt.

»Was wollt ihr von mir?«

»Die Fragen stellen wir. Wenn du uns nicht auf jede Frage eine Antwort gibst, wirst du uns kennenlernen. Beeilen wir uns, du bist dann bald wieder frei, einverstanden.«

Sie war noch immer baff.

»Wer schickt dich?«

»Niemand! Was wollt ihr eigentlich von mir?«

Sofort schlug man ihr ins Gesicht. Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen.

»Ich habe dir gesagt, ich will die richtige Antwort hören.«

»Wer seid ihr?«, stammelte sie.

Die beiden Männer an ihrer Seite hielten sie im Griff. Sie konnte nicht einmal die Tränen abwischen.

Der Großlude kniff die Augen zusammen.

»Soll das etwa heißen, dass du keine Hure bist?«

»Schon«, sagte sie zögernd.

»Hast du einen Luden? «

»Das war einmal.«

»Sein Name!«

»Hanko heißt er.«

»Du bist Hankos Mädchen gewesen? «

»Ja, jetzt arbeite ich in einer Bar. Ich bin keine Strichmieze, wenn ihr das glauben solltet.«

»Zufälligerweise haben wir dich aber auf dem Strich angetroffen, Süße.«

»Das stimmt, aber ich will da nicht stehen, ich schwöre es.«

Langsam begriff sie, was das zu bedeuten hatte. Gehört hatte sie schon davon, wie gefährlich die Luden wurden, wenn man ihnen ins Gehege kam.

»Ach, und was hast du dort gemacht?«

»Ich bin ein Lockvogel.«

Sie lachten brüllend.

»Das sind alle unsere Mädchen, Kleine. Mit deinen dummen Sprüchen kommst du nicht weit. Und jetzt die Wahrheit, wer hat dir gesagt, dass du dich hier auf bauen sollst?«

»Verden, der Kommissar.«

Die Luden zuckten zusammen.

»Meinst du vielleicht den Bullen Verden?«

»Ja, genau den.«

»Seit wann hat der Pferdchen laufen?«

»Ich laufe nicht für ihn«, schrie Karla. »Kapiert ihr denn noch immer nicht? Ich bin der Lockvogel, und es ist vielleicht schon alles zu spät.«

»Lockvogel, für wen?«

»Für den Mörder, verflucht noch mal!«

Der Großlude gab den Männern einen Wink. Sie ließen das Mädchen los.

»Soll das heißen, du willst den Mörder fangen?«

»Ja, davon rede ich doch die ganze Zeit.«

Sie waren zum ersten Mal sprachlos.

»Das glauben wir dir nicht!«

»Es ist die Wahrheit. Sobald er geschnappt ist, werde ich nicht mehr dort stehen. Ich denke gar nicht daran.«

»Wie kannst du uns beweisen, dass du die Wahrheit sagst?«

»In der Tasche ist ein Gerät. Wenn man die mir nicht gleich fortgerissen hätte, wäre von mir Alarm geschlagen worden. Ich glaube, die Polizei hat schon den Schuppen umstellt. Es ist ein Sender in der Tasche.«

Sie rissen die Tasche auf und fanden tatsächlich das Gerät.

Der Großlude kam nicht mehr dazu, eine Antwort zu geben, da öffneten sich von allen Seiten die Türen, und die Beamten betraten den Raum.

Nun waren sie wiederum von den Socken.

»Was geht hier vor?«

Der Großlude bekam ein verlegenes Gesicht.

»Tut mir leid, Verden, das konnte ich ja nicht wissen. Ich dachte, ein revierfremder Nachtvogel hätte sich bei uns eingeschlichen. Wenn wir auch im Augenblick die gute Ware nicht laufen haben, so bewachen wir doch unseren Strich. Denn die anderen warten doch nur darauf, unser Gebiet zu erobern. Ihr hättet uns Bescheid sagen müssen, dass sie als Lockvogel fungiert. Selbstverständlich geben wir ihr jetzt Geleitschutz und passen von unserer Seite auf. Das ist doch Ehrensache. Hab’ nicht gewusst, dass eine Tippelschickse den Mut aufbringt, sich dem Mörder anzubieten.«

»Man sollte eigentlich zuerst denken und dann handeln. Wenn man sie an Ort und Stelle befragt hätte, wäre alles in Ordnung gewesen.«

Der Großlude wandte sich an Karla.

»Du bist also ein Bullenfreund.«

»Vera war meine Freundin.«

»Das letzte Opfer, aber sie hat ja gar nicht bei uns gestanden.«

»Sie war keine Dirne.«

Verden nahm sich Karlas an und brachte sie zum Strich zurück. Die alte Mieze war gleich wieder zur Stelle und wollte wissen, was los gewesen war.

»Ich habe die Genehmigung erhalten«, sagte sie nur. Karla war sich bewusst, dass sie nicht erzählen durfte, weswegen sie hier stand. Vielleicht war der Mörder sogar mit einigen Dirnen bekannt und erfuhr von ihnen zufällig, was er wissen wollte.

»Na, dann auf gute Zusammenarbeit. Haste vielleicht eine Buddel bei dir?«

»Tut mir leid, ich trinke nicht.«

»Bist eine verdammt stolze Nutte, aber den Zahn ziehen sie dir schnell. Unsere Brüder sind nicht wählerisch. Na, wirste alles schon noch erleben.«

Karla dachte, warum gehst du nicht auf deinen Platz, ich kann dich nicht mehr ertragen. Die Alte dachte aber nicht daran. Als die ersten Kunden erschienen, machte sie auf wild und stürzte sich gleich auf die haltenden Wagen. Sie bot sich in derart widerlicher Art an, dass Karla an sich halten musste, um nicht fortzulaufen. Allein der Gedanke, dass die Männer annehmen mussten, sie sei genauso verkommen, machte sie wütend.

Die Kunden musterten die Alte und nickten dann Karla zu.

»Los, komm, Puppe, mit dir will ich es mal versuchen. Mach schon, oder brauchst du eine Extraeinladung.«

»Ich komme«, sagte sie leise und dachte: Ich tue es für Claudia und Vera.

Jetzt sollte sie den Strich von seiner dunklen Seite kennenlernen. Die Männer waren in ihrer Art gemeiner und brutaler zu den Dirnen. Außerdem waren sie längst nicht bereit, viel zu bezahlen. Sie versuchten sogar, die Dirnen noch zu betuppen. Und die mussten das Spielchen mitmachen. Karla ekelte sich. So schlimm hatte sie sich den Straßenstrich nicht vorgestellt.

Zwölf Kunden musste sie in dieser Nacht bedienen. Sie kamen mit dem Auto. Dann fuhr man auf einen der Industriehöfe und erledigte schnell das Geschäft. War das noch normal? Karla verstand die Männer nicht, und was die in der Kürze nicht alles von ihr verlangten. Sie waren tatsächlich der Überzeugung, ich habe eine Nutte im Wagen, mit der kann ich anstellen, wonach mir der Sinn steht. Schließlich habe ich sie ja bezahlt.

Da kamen sie bei Karla aber nicht weit. Sie wehrte sich so gut sie konnte, und weil sie ja nicht ewig hier stehen wollte, brauchte sie auch keine Stammkunden. Sie sagte den widerlichsten Kunden ihre Meinung ins Gesicht. »Du bist ein dreckiges, widerliches Schwein. Wenn du denkst, wir sind der Abschaum, was bist du dann erst?«

Ein paar schwiegen, andere wollten sie prügeln, aber sie hielt sich diese miesen Kunden vom Leib.

Das war noch nicht alles. Wenn sie aus dem Wagen stieg, stand schon die Alte da. Je länger die Nacht, um so wütender wurde sie.

»Zisch ab, hörst du, du verdirbst mir das Geschäft.«

»Wieso das denn?«

»Nur weil du eine Neue für die bist, nehmen sie dich, klar. Morgen ist es schon wieder anders.«

»Warum regst du dich auf?«, konterte sie. »Und warum musst du so mit mir reden? Kannst du es nicht vernünftig sagen? Wir ziehen doch an einem Strick.«

»Scheiße noch mal, ich soll mich wohl mit dir verbrüdern. Ich lach’ mich tot, wenn der Mörder dich holt. Mich lässt man zufrieden, verstehst du. Alte Huren will er nicht. Dich wird er auch noch mundtot machen, darum gebe ich dir einen Rat: Verschwinde, bevor es zu spät ist.«

Karla blickte sie aufmerksam an.

Ruhig sagte sie: »Du sprichst ja grade so, als wolltest du dem Mörder Bescheid stoßen.«

Die Alte gaffte sie entsetzt an.

»Das ist ja wirklich die Höhe.«

»Du tust es vielleicht. Willst du den Strich für dich? Müssen deswegen die Jungen dran glauben?«

Da kreischte sie los und wollte sich auf Karla stürzen, ihr das Gesicht zerkratzen.

Da machten sich die Luden nützlich. Sie waren sofort zur Stelle und jagten die Alte davon.

»Wenn sie dich noch einmal belästigt, sag uns Bescheid, darin jagen wir sie für alle Zeiten zum Teufel.«

Karla packte das Mitleid mit der Alten. Sie kämpfte um das Überleben und hatte noch nichts eingenommen. Deshalb war sie so wütend geworden. Sollte sie ihr die Einnahmen schenken? Eigentlich mochte sie das Geld von den Kunden nicht annehmen, weil es einfach unter ihrer Würde war.

Dann war der Augenblick da, wo sie heimgehen musste. Der Mörder war nicht gekommen.

Sie fühlte eine tiefe Resignation und fragte sich, ob das Ganze überhaupt sinnvoll war.

Das Monster Krimi Paket Februar 2019 - 1300 Seiten Spannung

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