Читать книгу Das Monster Krimi Paket Februar 2019 - 1300 Seiten Spannung - Alfred Bekker - Страница 76
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ОглавлениеEs war ein trüber Tag. Dunkle Wolken hingen am Himmel. Leichter Nieselregen fiel herab. Nasse Blätter lagen auf den Straßen und machten den Asphalt zu einer Rutschbahn. Das Wetter drückte auf die Stimmung der Menschen. Wer es sich leisten konnte, blieb zu Hause, denn bei diesen Temperaturen und Wetterverhältnissen machte das Autofahren keinen Spaß. Privatdetektivin Katharina Ledermacher konnte es sich nicht leisten, zu Hause zu bleiben. Sie mussten Geld verdienen.
Zügig steuerte sie ihren VW-Golf durch Berlin. Auf den Straßen herrschte kaum Verkehr. Schon nach zwanzig Minuten hatte sie ihr Ziel erreicht. Katharina parkte ihren Wagen vor der zweistöckigen Villa, stieg aus und ging die acht Stufen zum Haus empor. „Hans Steinwedel“ stand auf dem Messingschild neben der Haustür. Direkt darunter befand sich der Klingelknopf. Katharina drückte zwei Mal. Mehrere Minuten vergingen. Dann wurde die Tür geöffnet. Ein etwa sechzigjähriger Mann stand im Rahmen. Er hatte einen kantigen Kopf mit spärlichem Haarwuchs, eine scharf geschnittene Nase und buschige Augenbrauen.
„Da sind Sie ja endlich“, sagte er. „Ich fragte mich bereits, ob Sie überhaupt noch kämen.“
Sie folgte ihm durch einen langen Flur ins Wohnzimmer. Die Jalousie vor dem Fenster war heruntergelassen. Eine Schreibtischlampe warf ihren abgeschirmten Lichtstrahl auf den großen Tisch, auf dem eine Menge Papiere unordentlich herumlagen. Der übrige Teil des Zimmers befand sich im Halbdunkel. Weder Hans Steinwedel, noch Katharina konnten sich richtig sehen.
„Bitte, setzen Sie sich“, sagte er. „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“
„Nein, danke.“
Katharina kam herüber an den Tisch, rückte sich einen Stuhl zurecht und setzte sich. Sie trug eine schwarze Jeans, eine helle Bluse und darüber eine dunkelblaue Jacke.
Hans Steinwedel setzte sich ebenfalls. Er hielt sich im Schatten.
„Nun, wie kann ich ihnen behilflich sein?“, fragte Katharina.
Er zögerte einen Moment, bevor er antwortete. „Es geht um meine Enkeltochter Melissa.“
Er zog eine Schublade auf, holte ein Foto heraus und reichte es der Detektivin. Die darauf abgebildete Frau mochte höchstens siebzehn oder achtzehn Jahre alt sein. Sie hatte lange blonde Haare, blaue Augen und eine Stupsnase.
„Melissas Eltern starben vor drei Jahren bei einem Flugzeugabsturz. Deshalb habe ich mich um das Mädchen gekümmert. Aber offenbar nicht besonders gut.“
„Ist sie verschwunden?“, wollte Katharina wissen.
„Nein, Frau Ledermacher“, entgegnete er mit dumpfer Stimme. „Sie ist tot.“
Er holte ein Taschentuch hervor und betupfte sich die Stirn.
„Starb an einer Überdosis Schlaftabletten“, fuhr er fort. „Die Wohnungstür war von innen versperrt. Der Rechtsmediziner sagt, es sei Selbstmord.“
„Aber Sie glauben nicht daran?“, vermutete Katharina.
Der Mann senkte den Kopf. „Sie hat die Tabletten geschluckt. Das stimmt schon. Aber irgendwie stand ihr das Wasser bis zum Hals, und sie sah das vermutlich als letzten Ausweg an.“
Hans Steinwedel sprach langsam und nachdenklich, und er hatte die Angewohnheit, Katharina dabei zu beobachten, sodass er seine Wortwahl modifizieren konnte, je nachdem, welchen Eindruck ihm seine Zuhörerin vermittelte. Auch Katharina pflegte sich dieser Methode hin und wieder zu bedienen. Aber sie fragte sich, warum sich ein Mann in seiner Situation so viel Mühe gab.
Er nahm einen Umschlag vom Schreibtisch und reichte ihn Katharina. Die Privatdetektivin betrachtete die darin enthaltenen Nacktfotos von Melissa.
„Das ist ziemlich harter Stoff.“
„Ja“, stimmte er ihr zu.
Sie steckte die Aufnahmen wieder in den Umschlag und gab ihn Steinwedel zurück.
„Offenbar hatte sie sich mit irgendwelchen miesen Typen eingelassen“, sagte er. „Und aus diesem Grund habe ich mich an Sie gewandt.“
Steinwedel zog ein goldenes Zigarettenetui aus der Innentasche seine Jacke, hielt es Katharina hin, erntete ein Kopfschütteln und steckte sich eine Zigarette in den Mundwinkel.
„Melissa mag zwar Hand an sich gelegt haben, aber dazu getrieben wurde sie von den Kerlen, die hinter diesen Pornoaufnahmen stehen. Weiß der Himmel, wie viele andere junge Mädchen, die schon auf dem Gewissen haben.“ Steinwedel zog finster die Brauen zusammen. „Sie war ein ordentliches Mädchen. Wollte unbedingt Model werden, war aber sonst ordentlich und gradlinig. Das war vor einem knappen Jahr. Jetzt ist sie eine Selbstmörderin und“ - er deutete auf den Umschlag - „ das hier noch dazu. Ich will die Leute haben, die dafür verantwortlich sind.“
„Warum wenden Sie sich dann nicht an die Polizei?“
„Weil ich mir nicht viel davon verspreche. Wenn sie der Sache nachgehen, dann nur halbherzig. Ich brauche aber jemanden, der sich rund um die Uhr darum kümmert. Nicht nur von Berufs wegen, sondern mit persönlichem Einsatz.“
Er nahm die Zigarette aus dem Mund und drehte sie nachdenklich zwischen Daumen und Zeigefinger.
„Diese Kerle sollen zu spüren bekommen, dass sie einen Fehler gemacht haben. Vermitteln Sie ihnen diese Einsicht.“
Katharina lächelte verständnisvoll. „Ich werde tun, was ich kann. Können Sie mir noch ein paar Einzelheiten geben? Wo sie wohnte, zum Beispiel?“
Steinwedel zog eine Schublade auf. Wortlos reichte er Katharina einen großen Umschlag. „Hier drin befinden sich sämtliche Informationen, die Sie benötigen.“
Die Detektivin öffnete ihn, nahm einige Papiere heraus und betrachtete sie eingehend. Katharinas und Steinwedels Blicke trafen sich. Schließlich steckte sie die Pepiere wieder in den Umschlag zurück und schob ihn in die Innentasche ihrer Jacke.
„Ich möchte, dass Sie sofort mit Ihren Nachforschungen beginnen. Geld spielt keine Rolle. Abrechnung versteht sich.“
Katharina musste lächeln, dass der alte Mann trotz der angespannten Lage die Abrechnung nicht vergaß. Dennoch fühlte sie sich verpflichtet, Steinwedel sofort zu warnen.
„Versprechen Sie sich von mir oder Ihrem Geld nicht allzu viel“, sagte sie mit Nachdruck. „Sie wären nicht mein erster Klient, der glaubt, ich könnte Wunder vollbringen. Ich kann zwar Wege einschlagen, die der Polizei verschlossen sind, aber ich bin auch an die Gesetze gebunden, und vor allem – ich bin ein ganz gewöhnlicher Mensch.“
„Sie sind eine bekannte Detektivin“, entgegnete Steinwedel. „Erledigen Sie Ihre Arbeit gewissenhaft, dann bin ich zufrieden. Ich möchte mir nicht den Vorwurf machen, dass ich nichts unternommen hätte.“