Читать книгу Unbekannte Raumzeit: Das Science Fiction Abenteuer Paket auf 1200 Seiten - Alfred Bekker - Страница 28
Naryavos VERGANGENHEIT
ОглавлениеDie Xaradim-Station im Zentrum der Milchstraße, in der Zeit vor dem Exodus der Bhalakiden ...
Ein hundert Kilometer durchmessender Körper, golden schimmernd und einer Station gleichend, die jemand auf geheimnisvolle Weise am Ereignishorizont jenes gigantischen Schwarzen Loches befestigt hatte, das sich im Zentrum der Milchstraße befand, so hätte sie auf einen hypothetischen Betrachter gewirkt. Aber normalerweise war es für kein Lebewesen möglich, den Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs zu überschreiten.
Die unglaubliche, für niemanden wirklich vorstellbaren Gravitationskräfte jenes Monstrums, das einer Sonne gleich im Zentrum der Galaxis hockte und sich nach und nach von deren Materie ernährte, ließen für gewöhnlich niemanden wieder fort, der diese Grenze überschritten hatte. Die Grenze, nach der jede Rückkehr ausgeschlossen war.
Die Xaradim-Station im Zentrum der Milchstraße war nur ein winziges Glied in einer unvorstellbar großen Kette weiterer Stationen, deren Funktion die Aufrechterhaltung eines Kommunikations- und Transportnetzes war. Ein Netzwerk, das von schier unvorstellbar großer Ausdehnung war und es ermöglichte, in Nullzeit von einer Galaxis zur anderen zu gelangen.
Aber dieses Netzwerk breitete sich nicht in die Unendlichkeit des Raumes aus, sondern auch in der Zeit und allen weiteren, höheren Dimensionen.
Jede der Milliarden Xaradim-Stationen, die es in den Zentren von Milliarden Galaxien gab, zeichnete sich durch diese besondere Art von Permanenz aus.
Ewigkeit im wahrsten Sinn des Wortes.
Eine Xaradim-Station existierte vom Anbeginn der Zeit an bis zum Ende des Universums.
Eine Kontinuität, die allerdings wohl nur für die Station selbst und nicht für deren Bewohner, die Bhalakiden, galt, die das Wartungspersonal dieses Wunderwerks einer ungeheuer alten und ungeheuer fortgeschrittenen Dimensionen überwindenden Technologie darstellten.
Die Bhalakiden waren nicht die Erbauer, aber sie hatten viel Zeit damit verbracht, nach diesen geheimnisvollen und sicher selbst im Vergleich zu uns unvorstellbar mächtigen Wesen zu suchen.
Bislang jedoch vergeblich.
Die Schöpfer der Xaradim-Stationen blieben im Verborgenen.
Naryavo hatte ein Zeitquantum mit der Reinigung seiner Gedanken und Übungen zur seelischen Stabilisierung verbracht. Übungen, die für jeden Pflicht waren, dem ein Zeitquantum im Dienst der Erhaltung einer Xaradim-Station bevorstand, denn diese Arbeit erforderte ein Höchstmaß an geistiger Konzentration.
Naryavo befand sich in der Mitte eines Raumes, dessen Inneres golden-metallisch schimmerte, aber über so gut wie keine Einrichtungsgegenstände verfügte. Die Wände waren aus jener absolut glatten Legierung, deren konturlose Oberfläche prägend sowohl für das Innere als auch das Äußere der Station war.
Dieser Raum stand Naryavo für seine ganz persönlichen Bedürfnisse zur Verfügung.
Bei einem Wesen, das seine Körpermaterie jederzeit in pure Energie umzuwandeln vermochte, waren dies naturgemäß in erster Linie geistige Bedürfnisse. Die Schlichtheit der Inneneinrichtung dieses Raums war ein Spiegelbild. Je schlichter das Äußere, umso mehr Raum bietet sich dem Geist, so lautete ein Axiom der uralten Überlieferung der Bhalakiden.
Einer Überlieferung, von der manche sagten, dass Teile davon älter waren als das Volk der Bhalakiden selbst und vielleicht sogar noch aus jener Zeit stammten, als die Schöpfer der Stationen ihre >Ewige Kette< selbst instand gehalten und verwaltet hatten.
Naryavo wusste, das Zeit etwas Relatives war und das sein Zeitbegriff erheblich von dem der meisten anderen Intelligenzen abwich, auf die er in jenen ungezählten Galaxien getroffen hatte, die er bereits besucht hatte. Wie hätte es auch anders sein können. Jenseits des Ereignishorizontes eines Schwarzen Lochs war nichts so wie in dem Raum, der diesen umgab.
Auch die Zeit nicht.
Es wäre verwunderlich gewesen, wenn das Zeitempfinden der Bhalakiden von dieser Tatsache völlig abgekoppelt gewesen wäre.
Naryavo schwebte als Lichtball in der exakten geometrischen Mitte des Raums. Mit Hilfe seiner Geisteskraft dehnte er diesen Lichtballon abwechselnd auf und ließ ihn auf Punktgröße in sich zusammenfallen.
Eine jener Übungen, durch die ein Bhalakide geistige Disziplin erlangte. Die Voraussetzung dafür, jene Kraft aufbringen zu können, die nötig war, um mitzuhelfen, die Ewige Kette aufrechtzuerhalten.
Niemand wagte, dies mental intensiv oder gar akustisch laut, geschweige denn in einer aggressiven energetischen Impulsfolge, zu äußern, und doch wusste im Innersten jeder Bhalakide, dass es so war: Die Kette war nicht mehr das, was sie einmal gewesen war. Noch funktionierte sie reibungslos und Entfernungen waren der wichtigste Faktor bei der Planung einer Reise.
Aber überall nahmen kleinste Schäden zu. Die Wartungsmannschaften der Stationen schafften es nur unter immer größeren Anstrengungen, dafür zu sorgen, dass die Straßen zwischen den Sterneninseln, deren Endpunkte die Xaradim-Stationen darstellten, passierbar blieben.
Das kosmische Netz, das einen ungeheuer großen Teil des Kosmos miteinander verband, verfiel.
Der Zeitpunkt, da es reißen würde, musste unweigerlich kommen.
Es war nur eine Frage der ...
Ja, der Zeit, dachte Naryavo. Dieser unberechenbarsten Dimensionen des n-dimensionalen Kosmos.
>Die Zeit ist veränderlich - trotz einer permanenten Existenz< lautete ein anderer Satz der bhalakidischen Überlieferung, die dem legendären Lichtbringer zugeschrieben wurde, von dem niemand wusste, ob es sich nur um eine kollektive Projektion bhalakidischer Wunschvorstellungen handelte oder über eine Person, die real existiert hatte.
Dieser Satz war lange beinahe in Vergessenheit geraten, aber in letzter Zeit wurde er wieder häufiger aus dem Fundus der Vergangenheit hervorgeholt, den jeder Bhalakide in seinem mentalen, auf Quantenebene arbeitenden Gedächtnisspeicher verinnerlicht hatte.
Kein Wunder.
Die Zahl derjenigen, die sich Sorgen machen, wuchs, auch wenn sie von der Mehrheit noch als unglaubwürdige Schwarzseher abgetan wurden.
Naryavo spürte die Anwesenheit eines anderen Individuums, das mit ihm Kontakt aufzunehmen wünschte.
Es war der Ruf Mantayans, der ihn erreichte.
Diesen Bhalakide hatte er vor mehreren Zeitquanten zum letzten Mal gesehen und sich mit ihm ausgetauscht. Möglicherweise hätten Angehörige anderer Spezies den Begriff Zuneigung für das benutzt, was Naryavo diesem Bhalakiden entgegenbrachte.
Naryavo hatte Ähnliches vor allem bei Spezies kennengelernt, die in verschiedene Geschlechter gespalten waren und von daher viel mehr aufeinander angewiesen waren, als dies bei Bhalakiden der Fall war.
Naryavo selbst bevorzugte den Begriff Wertschätzung.
Er bewunderte an Mantayan die Gedankenschärfe, die diesen Bhalakiden auszeichnete und die bewirkte, dass der geistige Austausch zwischen ihnen stets fruchtbar war. Ihm verdankte Naryavo viele Bereicherungen seiner eigenen Gedankenwelt und daher sah er einem Wiedersehen mit Freude entgegen.
„Du bist willkommen“, signalisierte Naryavo.
Daraufhin schmolz sein derzeit im vollenergetischen Stadium befindlicher Körper zunächst zu einem winzigen, dafür aber ausgesprochen intensiv leuchtenden Punkt zusammen, bevor eine stofflich fassbare androgyne Gestalt geformt wurde.
Im nächsten Moment drang ein Licht durch die Wand.
Naryavos Privatraum verfügte über keinerlei Türen. Für Wesen, die sich in Energie zu verwandeln vermochten, war das auch nicht nötig.
Das aus der Wand hervorbrechende Licht formte sich zu einem zweiten Bhalakiden-Körper, der Naryavo fast völlig glich. Die äußeren Unterschiede zwischen Bhalakiden waren verschwindend gering. Die Gestalt ist nichts, die Substanz alles, so lautete ein anderer Satz aus der Überlieferung des Lichtbringers.
Die äußere Erscheinung war instabil, ihre Wahrnehmung leicht manipulierbar.
Es blieb nur das Bewusstsein.
Die Struktur der Persönlichkeit.
Das, was das Individuum unterschied.
Alles andere war nur vordergründiger Schein, dem man nicht trauen durfte.
„Sei gegrüßt, Mantayan“, begrüßte Naryavo seinen Gast.
„Sei ebenfalls gegrüßt, Naryavo.“
„Ich habe im zentralen Datenspeicher dieser Xaradim-Station gesehen, dass dein Dienstzeitquantum unmittelbar bevorsteht ...“
„Das ist richtig.“
„So werden wir uns nicht lange dem Austausch von Gedanken und Erlebnissen hingeben können.“
„Bedauerlicherweise, aber uns beide dürfte klar sein, wie wichtig der Dienst an der Xaradim-Station ist ...“
„Natürlich. Wie auch immer, ich brauche sehr dringend die Möglichkeit, mich mitteilen zu können und eine zweite Beurteilung einzuholen.“
„Du weißt, dass ich dir dazu immer zur Verfügung stehe!“
„So werde ich mich kurz fassen“, sagte Mantayan. „Ich kehre gerade aus einer Galaxis zurück, die in unseren Sternkarten unter der Bezeichnung 33456667 zu finden ist. Es ist ein sehr exotisches Gebilde. Eine gigantische Materieansammlung, die aus der Kollision mehrerer kleinerer Galaxien entstand und nun eine vollkommen bizarre und irreguläre Form bildet ... aber davon werde ich dir ein anderes Mal berichten.“
„Was liegt dir dann auf dem Herzen?“
„Die Umstände meiner Rückkehr. Es gibt in 33456667 nicht nur ein zentrales Schwarzes Loch, sondern mehrere, von denen jedes von nur ein paar Äonen das Zentrum einer eigenen Galaxis bildete. Dementsprechend existieren hinter dem Ereignishorizont eines jeden dieser Schwarzen Löcher auch Xaradim-Stationen. Ich gab meine Zieldaten wie immer ein, ich hatte es mit einer gut geführten Stationsmannschaft zu tun, die ihre Station in hervorragendem Zustand hielt ... Keine Ahnung, woran es gelegen haben mag, aber zunächst wollte die Reise hier einfach nicht klappen. Zuerst glaubte ich, dass die Ursache in 33456667 zu finden sei und so reiste ich dort von einer Xaradim-Station zur anderen. Aber es gelang mir auch von dort nicht, in die Heimat zurückzukehren. Ich dachte schon, dass es mit den besonderen astronomischen Verhältnissen in 33456667 zu tun hätte, schließlich handelt es sich um ein wahrhaft außergewöhnliches Objekt.“
„Angesichts des Zustandes, in dem sich manche Stationen befinden, hätte ich eher auf ein wartungstechnisches Problem getippt“, erklärte Naryavo.
Er bekam von Mantayan Signale der Zustimmung.
„Auch daran hatte ich gedacht. Jeder von uns kennt die Schwierigkeiten, die es zurzeit in der Ewigen Kette gibt. Dennoch – ich habe noch nirgends von einem Fall gehört, dass die Kette tatsächlich unterbrochen wurde, wenn du verstehst, was ich meine.“
„Ja.“
„Und genau das schien hier ja der Fall zu sein!“
Naryavo sandte einen Impuls an das Steuersystem seines Raums. Aus dem Boden wuchs ein Konturensitz, der sich dem Körper des Bhalakiden perfekt anpasste, als er sich darauf setzte.
Ein weiterer, eher beiläufiger Impuls signalisierte Mantayan, dass ihm dasselbe gestattet wäre und er Zugang zum System dieses Privatraums hatte. Nachdem auch Mantayan sich auf einen zweiten, aus dem Boden emporwachsenden Möbelstück, das einer Couch ähnelte, niedergelassen hatte, fuhr er fort: „Wie du siehst, gelang es mir schließlich doch noch, hierher zurückzukehren. Das war nur mit ein paar Tricks und der Hilfe einiger Freunde auf den Xaradim-Stationen von 33456667 möglich. Wir benutzten einen anderen Transportkanal. Der Hauptkanal, der 33456667 mit meiner Heimatstation verband, war jedoch blockiert! Und zwar eindeutig von >dieser< Seite aus.“
„Ein Transportkanal blockiert? Wie kann das möglich sein?“ Naryavo hatte noch nie davon gehört, dass so etwas geschehen war. „Da gibt es wirklich keinen Zweifel?“
„Nein.“
„Bist du beim Stationsweisesten vorstellig geworden?“
„Ja. Es wird an der Behebung des Schadens gearbeitet. Ich frage nun dich, ob du nicht irgendetwas davon gehört hast!“
Naryavo sandte einen deutlichen, fast vehement zu nennenden Impuls der Verneinung. „Natürlich nicht! Glaubst du, ich hätte soeben dir gegenüber den Ahnungslosen gespielt?“
„Möglicherweise will der Stationsweiseste zunächst nichts von diesem Geschehen verbreiten, um keine Panik ausbrechen zu lassen. Was den Zustand dieser und anderer Xaradim-Station angeht, hört man ja durch besorgniserregende Gerüchte.“
„Jedenfalls kannst du davon ausgehen, dass ich mit dem Stationsweisesten sprechen werde“, versprach Naryavo.
Wenn Mantayans Darstellung den Tatsachen entsprach, war das der schlimmste Störfall im Betrieb des intergalaktische Netzes, von dem Naryavo in all den Äonen gehört hatte.
„Ich will dich jetzt nicht länger aufhalten“, sagte Mantayan. „Schon genug deines Zeitquantums habe ich verschwendet ...“
„Ja, das ist wahr. Aber wie heißt es so schön in der Überlieferung des Lichtbringers? Nicht allein für dich selbst und den Frieden deiner Seele lebst du, sondern um das Band zu halten, das Netz zu knüpfen und die Tore nicht zu schließen ...“
„Ja, diese altertümlichen Überlieferungen“, entgegnete Mantayan. Diese Äußerung war mit Impulsen so eindeutiger Gleichgültigkeit oder gar Geringschätzung vermischt, dass Naryavo unwillkürlich zurückschrak.
Fast scheint es so, als würde Mantayan jetzt bereits zu jenen gehören, die den Glauben an die Ewige Kette und die Möglichkeit ihrer Erhaltung verloren hatten. Bhalakiden, die nicht mehr davon ausgingen, dass ihr Volk eine wichtige, ja, einzigartige Mission im Kosmos zu erfüllen hatte, sondern die Xaradim-Stationen als langsam verfallendes Netzwerk betrachteten, dessen einzelne Komponenten immer häufiger und immer schwerer versagten.
Naryavo hatte diese Geisteshaltung immer verachtet.
Aber es war ihm nicht verborgen geblieben, dass sie sich mehr und mehr ausgebreitet hatte.
Schleichend.
Und damit trug sie dazu bei, dass sich genau jene düsteren Prophezeiungen bewahrheiteten, die die Angehörigen dieser Denkrichtung als unvermeidlich ansahen.
Mantayan schien die Gedanken seines Gegenübers zu erraten. „Du weißt, dass ich nie zu der kleinen Gruppe jener gehörte, die im Hinblick auf die Erfüllung unserer Aufgabe den dazu notwendigen Optimismus verloren gab - doch mittlerweile frage ich mich, ob die Skeptiker nicht recht haben. Ich jedenfalls bin nicht bereit, meine Sinne vor der Realität zu verschließen, nur um nicht in Widerspruch mit der allgemeinen Doktrin zu geraten, die uns überliefert wurde.“
„Das ist Doktrinabweichung“, stellte Naryavo fest.
„Das mag sein. Aber ist dir wirklich nie in den Sinn gekommen, dass die Fraktion der Skeptiker vielleicht recht haben könnte und die Ewige Kette tatsächlich auf lange Sicht gesehen vor ihrem Ende steht?“
„So schlimm habe ich die Situation niemals eingeschätzt“, widersprach Naryavo. Er hat Recht, meldete sich gleichzeitig eine unüberhörbare Stimme in seinem Bewusstsein. Du hast es bisher nur nicht wahrhaben wollen, aber auch du hast die Zeichen doch bemerkt, wenn du in dich gehst und deine Erinnerungen ehrlich befragst.
Die Worte Mantayans drangen nun wie aus weiter Ferne in Naryavos Gedanken.
„Ich werde nicht mehr lange abwarten. Wenn sich meine Befürchtungen bestätigen, wonach sich meine Heimatstation absichtlich vom Rest der Ewigen Kette zu isolieren versucht, gehe ich fort.“
„Fort?“, echote Naryavo, dem jetzt erst mit voller Konsequenz bewusst wurde, wie ernst Mantayan seine bisherigen Worte gemeint hatte und wie tief ihn seine Erlebnisse im Zuge der Rückkehr zu seiner Heimatstation beeindruckt hatten.
„Ich möchte einfach nicht eines Tages aus meiner energetischen Traummeditation erwachen und isoliert sein.“
„Weißt du nicht, wie viele Bhalakiden in dieser Xaradim-Station leben, von der du behauptest, sie sei deine Heimat!“, stieß Naryavo geradezu entsetzt hervor.
Eine Verbundenheit zur jeweiligen Xaradim-Heimat war jedem Bhalakiden eigen. Zwar nutzten sie ausgiebig die fantastischen Reisemöglichkeiten, die ihnen das kosmische Transportnetz bot, aber dennoch blieb der überwiegende Teil von ihnen für die Dauer seiner Existenz seiner Xaradim-Heimat treu und kehrte immer wieder dorthin zurück. Selbst dann, wenn die Erfüllung wichtiger Aufgaben es notwendig machte, dass der Betreffende den überwiegenden Teil seines persönlichen Existenzzeitquantums an einem unvorstellbar weit entfernten Ort verbrachte.
Trotz all seiner Reisen, die Naryavo daher bis dahin hinter sich hatte, wäre es für ihn, wie für die meisten anderen Bhalakiden auch, unvorstellbar gewesen, seiner Xaradim-Heimat für immer den Rücken zu kehren.
Die Vorstellung allerdings, vom Rest des kosmischen Transport- und Kommunikationsnetzes abgeschnitten zu sein, ängstigte ihn beinahe noch mehr.
„Es wird schon nicht so schlimm kommen, wie du befürchtest“, äußerte Naryavo.
Aber nicht einmal er selbst glaubte daran, dass sich diese Aussage bewahrheiten würde.
*
NACHDEM MANTAYAN SICH verabschiedet, seinen Körper in eine energetische Form verwandelt und durch die golden schimmernde Außenwand entschwunden war, musste sich Naryavo zu seinem Dienstort begeben. In seinem Fall war das die Steuerzentrale der Xaradim-Station, wo er für die Stabilisierung des Energieflusses im Transportsystem verantwortlich war. Im Wesentlichen handelte es sich dabei um eine Überwachungsaufgabe, die allerdings seine volle Aufmerksamkeit verlangte und daher mental sehr anstrengend war. So anstrengend, dass nicht alle Bhalakiden dazu in der Lage waren, ihre geistigen Kräfte ausreichend zu sammeln und die nötige Konzentration aufzubringen. Das war erst nach einem intensiven Training möglich, das nur gut dreißig Prozent der Bewerber erfolgreich abzuschließen pflegten.
Die mentalen Anforderungen wurden dabei immer höher, denn die Zahl der Störungen im Energiefluss der Transportsysteme war im Verlauf des letzten Großzeitquantums aus unerfindlichen Gründen stark angestiegen. Zunächst hatte Naryavo geglaubt, dass es sich dabei lediglich um eine subjektive Wahrnehmung handelte, bei der es sich um erste Anzeichen einer instabilen mentalen Verfassung handeln konnte. Ein Alarmzeichen also, das bedeuten konnte, dass er auf längere Sicht seinen Dienst nicht mehr ausfüllen konnte.
Aber wenn dem so war, so schien die schnellere mentale Erschöpfung alle Bhalakiden zu betreffen, die innerhalb dieser Xaradim-Station mit derartigen Überwachungsaufgaben betraut waren.
Je länger Naryavo darüber nachdachte, desto plausibler erschien ihm Mantayans skeptische Haltung.
Gewiss, es war unter den Bhalakiden bislang nicht verpönt, ein Skeptiker zu sein. Aber Naryavo fühlte, dass sich dies schon sehr bald ändern konnte.
War es wirklich eine reale Gefahr, dass diese Xaradim-Station schon in relativ kurzer Zeit vom Rest des kosmischen Transport- und Kommunikationsnetzes abgekoppelt sein würde?
Bei dem Gedanken daran graute ihm ebenso wie Mantayan.
Aber noch schloss er die Option, deswegen seine Heimat-Xaradim-Station zu verlassen, so gut wie aus.
Naryavo schwebte durch die Decks der gewaltigen Station. Er strebte auf die Zentralregion hin. Dort befand sich der Kontrollraum, von dem aus sämtliche Transport- und Kommunikationsfunktionen der Xaradim-Station gefeuert wurden.
Nur die mental stabilsten Bhalakiden taten hier ihren Dienst. Naryavo gehörte zu ihnen.
In einem Konturensitz, der sich exakt in der Mitte der Zentrale auf einer kleinen Erhöhung befand, hatte Gantorayn Platz genommen, der seit mehreren Großzeitquanten die Position eines Stationsweisesten bekleidete.
Ein Stationsweisester zeichnete sich durch ein besonders hohes Niveau an mentaler Stabilität aus. Ihm oblag die letzte Entscheidungsbefugnis innerhalb der Xaradim-Station. Allerdings war es Tradition unter Bhalakiden, dass Entscheidungen, soweit das irgend möglich war, im Konsens getroffen wurden.
Von seiner Entscheidungsbefugnis machte ein Stationsweisester so wenig Gebrauch wie möglich, da dies der mentalen Stabilität des Gemeinwesens diente.
Die Überlieferung der Bhalakiden kannte eine Legende von einem Stationsweisesten, der sein Amt mit den Worten niederlegte: „Ich bin in eine Lage geraten, in der ich eine Entscheidung zu treffen hatte. Mit anderen Worten: Ich habe versagt.“
Der Stationsweiseste wandte sich an Naryavo.
„Es gibt Schwierigkeiten“, erklärte Gantorayn. „Die energetischen Schwankungen in den Transportkanälen sind besonders hoch. Du wirst dein ganzes Können brauchen.“
„Was ist die Ursache dieser Schwierigkeiten?“, verlangte Naryavo zu wissen.
„Bisher unerkannt“, war die ratlose Antwort des Stationsweisesten. „Es leisten viele Bhalakiden unserer geliebten Xaradim-Heimat doppelte Dienstzeitquanten, sonst würden wir den Netzbetrieb kaum aufrechterhalten können.“
„Ich werde tun, was ich kann.“
„Davon bin ich überzeugt.“
*
NACH DEM ENDE DIESES Dienstzeitquantums fühlte sich Naryavo so ausgelaugt und energiearm wie nie zuvor. Er war kaum noch in der Lage, seine körperliche Form wieder naturgetreu zu konfigurieren. Nur mit äußerster Anstrengung gelang ihm dies, nachdem er in energetischer Form einen Großteil der Station durchdrungen hatte.
Er verzichtete darauf, zunächst in sein Privatgemach zurückzukehren, sondern suchte gleich einen jener Gemeinschaftsräume auf, in denen die Energiezufuhr in ritualisierter Form durchgeführt wurde. Für Bhalakiden war das ein soziales Ereignis ersten Ranges. Die Energiezufuhr stellte ein Gemeinschaftserlebnis dar und wurde öffentlich zelebriert.
Naryavo setzte sich in einen der Schalensessel. Darüber befanden sich trichterförmige Vorrichtungen, die der Energieübertragung dienten. Der Stoffwechsel der Bhalakiden brauchte nicht den Umweg über die Aufnahme und Verbrennung von Nahrungsmitteln um mit Energie versorgt zu werden. Stattdessen waren sie in der Lage, buchstäblich jegliche Form von Energie zu absorbieren und bis zu einem gewissen Grad auch zu speichern.
Aus dem trichterförmigen Energiespender schoss ein breiter, blassrosa schimmernder Strahl hervor und hüllte ihn in ein Feld ein.
Naryavo fühlte, wie die Kraft in ihn zurückkehrte.
Er lauschte den Gesprächen der anderen. Überall war von Schwierigkeiten mit dem Transport- und Kommunikationsnetz die Rede. Der Verbindung zu ganzen Galaxienhaufen war zeitweilig abgerissen.
„Es gibt ein Gerücht, aber ich weiß nicht, ob es stimmt“, sagte jemand.
„Was für ein Gerücht?“
„Angeblich steht unsere geliebte Xaradim-Heimat vor ihrem Ende.“
„Aber wie verträgt sich das mit ihrem Zustand der zeitlichen Permanenz?“
„Ich meinte das Ende ihrer Funktionsfähigkeit. Sie mag bis zum Ende der einen existieren, aber sie ist dann nicht viel mehr als ein bizarrer Materiebrocken an einem bizarren Ort ...“
Weitere Stimmen erhoben sich.
„Aber das kann nicht sein“, widersprach jemand.
„Aber wieso? Sehen wir nicht um uns herum, dass alles sich ändert? Dass unser gesamtes Universum dem Verfall unterworfen ist und in einen Zustand immer größerer Entropie zusteuert? Die thermodynamischen Gesetze sorgen für die Zunahme des Chaos' und es gibt nichts, was dagegen getan werden kann, außer den Verfall zu verlangsamen.“
„Dagegen steht die Permanenz der Xaradim-Station. Im Gegensatz zu einem meiner Vorredner möchte ich nämlich bemerken, dass die Existenz einer Xaradim-Station nur in einem funktionstüchtigen Zustand und nicht als verlassene Ruine denkbar ist.“
„Wie kommst du zu dieser Annahme?“
„Weil wir uns an einem Ort befinden, der für alle anderen Leben im Universum tödlich wäre. Ein Ort, der in einer Zone des Todes liegt. Alles, was sich hier befindet, unterliegt normalerweise den gigantischen Kräften des nahen Schwarzen Loches, und wenn die vollkommen funktionsunfähig wird, vielleicht sogar auf Energiestatus von Null sinkt, dann stürzt sie in die namenlose Schwärze, die sogar das Licht und die Zeit zu verschlingen scheint.“
„Niemand weiß, was mit einer funktionsuntüchtigen Xaradim-Station geschehen würde“, wandte ein anderer Sprecher ein. „Möglicherweise gibt es sogar Notfunktionen, die sie selbst bei Abwesenheit der Besatzung an ihrer Position hielten. Bis in alle Ewigkeit.“
Naryavo hatte inzwischen genug Energie in sich aufgenommen, um wieder aktiv werden zu können und sich in das Gespräch einzuschalten.
„Ich habe im Verlauf dieser vielstimmigen Unterhaltung immer wieder davon reden hören, dass die Xaradim-Station >verlassen< wird ... Das es überhaupt als Möglichkeit angesehen wird, um den gegenwärtigen Schwierigkeiten zu entgehen, löst in mir großen Schrecken aus. Was soll geschehen, wenn die Bhalakiden nicht nur dieser Station, sondern vielleicht hundertfach, tausendfach, millionenfach ihre Xaradim-Heimat verlassen? Das kann niemand wollen. Dieser Gedanke ist ...“ Naryavo zögerte. „Er sprengt den großen Konsens über unsere Aufgabe und unsere Bestimmung“, erklärte Naryavo dann entschieden.
Einige Augenblicke lang herrschte in Naryavos Umgebung betretenes Schweigen, während in anderen Bereichen des großen Gemeinschaftstraums die Debatten mit ungebremstem Temperament fortgesetzt wurden.
„Es ist nicht verboten, Gedanken zu äußern, die dem großen Konsens widersprechen“, wandte schließlich einer der anderen Bhalakiden ein.
„Nein“, bestätigte Naryavo. „Aber es ist unehrenhaft.“
*
WAS HAST DU DA EIGENTLICH gesagt?, durchzuckte es Naryavo wie ein greller Blitz, nachdem er den Gemeinschaftsraum verlassen hatte. Er fühlte sich zum Bersten mit Energie geladen und obgleich seine geistigen Prozesse mit einem Höchstmaß an Brillanz und Präzision abliefen, hatte er ein Gefühl der Verwirrung. Warum hast du dich als Verteidiger des großen Konsenses aufgespielt? Angst vor der Realität? Angst vor der Veränderung? Vielleicht ist all das, woran du geglaubt hast, nichts anderes als ein schwacher Trost gegen die übermächtige Entropie ...
Naryavo hatte genügend andere Spezies kennengelernt, um zu wissen, dass die meisten von ihnen diese Furcht vor dem Chaos und dem Tod kannten. Ihre Lebensspannen waren oft so lächerlich gering wie ihre Reisemöglichkeiten, dass Naryavo diese Verzweiflung bei ihnen sehr gut verstehen konnte. Viele suchten Trost in religiösen Vorstellungen, die weit unter dem Niveau ihrer naturwissenschaftlichen Erkenntnisfähigkeit lagen und hielten doch daran fest.
So wie du in deinem Glauben an den großen Konsens?, meldete sich eine Stimme in Naryavo, die der Bhalakide am liebsten zum Schweigen gebracht hätte.
Unter normalen Umständen hätte Naryavo das ihm zur Verfügung stehende Zeitquantum zur Pflege sozialer Kontakte – auch über Galaxien hinweg – genutzt.
Oder aber zur inneren Versenkung und Meditation, vielleicht sogar mit der Vertiefung in die Überlieferung.
Aber nicht nach diesem Dienstzeitquantum, das er erlebt hatte.
Nicht im Anschluss an die deprimierende Lagebeurteilung durch den Stationsweisesten.
Naryavo suchte sich einen Zugang zum Hauptrechner, den jeder Bhalakide mühelos herstellen konnte. Er wollte wissen, wie häufig energetische Schwankungen in den Transport- und Kommunikationskanälen in der Vergangenheit gewesen waren.
Erstaunlicherweise waren sämtliche Informationen dieser Kategorie mit einem Geheimhaltungszugang versehen, unter den Naryavo nicht fiel. Er war kein Zugangsberechtigter.
Im dazugehörigen Datenprotokoll war ersichtlich, auf wessen Anweisung und in wessen Verantwortung dies geschehen war.
Es war niemand geringeres als Gantorayn, der Stationsweiseste persönlich.
Offenbar sollte der Ernst der Lage vor dem Großteil der Bhalakiden geheim gehalten werden.
*
MANTAYAN SUCHTE NARYAVO während dessen Regenerationszeitquantum auf.
„Ich bin entschlossen zu gehen“, verkündete Mantayan seinen Entschluss.
Für Naryavo war dies nach dem letzten Gespräch, das er mit Mantayan geführt hatte, keine Überraschung mehr.
„Wohin wirst du dich wenden?“
„Es gibt so viele Galaxien ...“
„Du hast dich noch nicht entschieden?“
„Galaxis 33456667 wäre die erste Wahl – aber mittlerweile würde ich jede andere funktionierende Fernverbindung nehmen.“
„Dein Skeptikertum werde ich wohl nie verstehen.“
„Das brauchst du auch nicht.“
Die Verabschiedung war kurz. Sowohl Naryavo als auch Mantayan gingen davon aus, dass es das letzte Mal sein würde, dass sie sich begegneten.
Sie irrten sich.
*
EIN KLANGTEPPICH AUS sehr tiefen Tönen erfüllte den Raum. Mantayan hatte immer wieder Zeitquanten dafür geopfert, Musik zu komponieren – eine Kunstform, die sich auf vielen Welten unabhängig voneinander entwickelt hatte.
Die meisten anderen Bhalakiden verachteten diese Aktivität jedoch und hielten sie für die Aneignung einer primitiven Sitte. Mantayan hingegen hatte festgestellt, dass ihm das Komponieren von komplexen Klangbildern ein höheres Maß an mentaler Stabilität gab. Allerdings musste er aufpassen, dass davon nicht zu sehr Notiz genommen wurde. Andernfalls kam es vielleicht zu einem Konsens darüber, dass Mantayan seine Fähigkeiten nicht zur Genüge der Gemeinschaft der Heimat-Xaradim-Station zur Verfügung stellte. Schließlich liebte er es, in die Weiten des Alls zu verreisen, anstelle seinen Dienst gewissenhaft zu tun. Möglicherweise führte das dann dazu, dass seine Stabilitätstests wiederholt wurden und er dazu angehalten wurde, mehr und höhere Dienstzeitquanten abzuleisten.
Diese Aussicht schreckte ihn.
Den Auftrag der Erbauer zu erfüllen, darin sahen die Meisten seiner Artgenossen nicht nur den Existenzsinn der bhalakidischen Spezies, sondern auch ihren ganz persönlichen Lebensinhalt.
Für Bhalakiden wie den Stationsweisesten Gantorayn gab es da nicht die geringste Differenz.
Aber Mantayan sah das in Bezug auf seine eigene Person anders. Auf seinen Reisen hatte er viele Kulturen kennengelernt. Manche, die der Individualität des Einzelnen nicht den geringsten Stellenwert beimaßen, und andere, die genau darin den entscheidenden Faktor sahen, der eine Intelligenz von einem Tier unterschied.
Inzwischen war Mantayan zu der Erkenntnis gelangt, dass er ein Recht darauf hatte, sein Leben so zu führen, wie es seinen persönlichen Bedürfnissen entsprach. Der Kampf der Bhalakiden um die Stabilität der Seele und des kosmischen Kommunikations- und Transportnetzes war auf lange Sicht gesehen vergeblich. Davon war Mantayan zutiefst überzeugt. Die Naturgesetze sprachen einfach dafür. Die Entropie nahm den thermodynamischen Gesetzen folgend ständig zu, niemals aber ab, was so manchen Vertreter halbgebildeter, gerade der Primitivität entwachsenen Spezies, die kaum die ersten Schritte zur Erkenntnis hinter sich hatten und immerhin eine Ahnung vom Aufbau des Kosmos', seinem Anfang und seinem Ende besaßen, dazu verleitete, anzunehmen, die Zeit wäre gleichbedeutend mit der Entropiezunahme.
Mantayan speicherte die Daten seiner Komposition in seinem Gedächtnis ab, sodass er jederzeit in der Lage sein würde, sie exakt zu reproduzieren. Der Klangteppich verstummte daraufhin.
Gibt es sonst noch etwas, was dir hier etwas bedeutet?, fragte er sich.
Die Antwort war eindeutig.
Nein.
Mantayan verwandelte sich in Energie und begab sich zum Transportkanal. Das Überwachungssystem stellte seine Identität fest. Eine Reise über ein paar Milliarden Lichtjahre war wirklich keine große Sache.
Die Aufgabe der eigenen Xaradim-Heimat mit dem Vorsatz, nicht zurückzukehren, schon.
Es muss sein, dachte Mantayan.
Im nächsten Moment erschien eine Folge von Symbolen auf einem Projektionsfeld, die nichts anderes bedeuteten, als dass der Transportkanal nach Galaxis 33456667 derzeit blockiert war.
Unbehagen stieg in Mantayan auf.
Das war es, das er befürchtet hatte.
Mantayan versuchte ein anderes Ziel anzuvisieren.
Auch das erwies sich als unmöglich.
Das darf nicht wahr sein!, durchzuckte es ihn. So ist der Verfall weitaus schneller fortgeschritten, als ich es in meinen schlimmsten Albträumen befürchtet habe!
Das intergalaktische Transportsystem war völlig blockiert. Von dieser Xaradim-Station aus gab es keinen Zugang mehr zur Ewigen Kette.
Abgeschnitten vom Universum war er nun. Das, was er am meisten gefürchtet hatte, war eingetreten. Verzweiflung erfüllte ihn. Das darf einfach nicht wahr sein! Ich hätte nicht hierher zurückkehren dürfen! Es war ein verfluchter Fehler ...
Aber all diese Gedanken führten zu nichts. Dasselbe galt für den Zorn und die Wut, die in ihm aufkeimten und für die es keinen wirklich gerechtfertigten Adressaten gab. Welchen Sinn hatte es, auf ein blindes Schicksal und ein kalt funktionierendes Universum zornig zu sein? Was brachte es ein, die eigenen Fehlentscheidungen zu verfluchen? Du wirst dich mit deiner neuen Lage abfinden müssen ...
Mantayan ahnte nicht, dass die Ursache dieser Störung im intergalaktischen Transportsystem der Bhalakiden keineswegs nur in den seit Langem bekannten Schwierigkeiten lag, die im Laufe der Zeit bei der Wartung und Erhaltung des Netzes aufgetreten waren ...
Es gab eine Ursache, von der Mantayan ebenso wenig etwas ahnte wie alle anderen Bhalakiden auf der Xaradim-Station.
*
IN DER ZENTRALE DER Xaradim-Station wurde der Totalausfall der Transportkanäle gemeldet.
Die diensthabenden Bhalakiden glaubten erst, ihren Sinnen nicht trauen zu können.
Natürlich hatte es in den letzten Lang- und Mittelzeitquanten immer wieder einmal Probleme mit einzelnen Verbindungen gegeben, weil das System im Laufe der Äonen offenbar immer fehleranfälliger und die Wartung dafür umso komplizierter und aufwändiger geworden war.
Aber dass eine Station komplett vom Rest des Universums abgeschnitten wurde, weil ihre sämtlichen Transportkanäle auf einmal ausfielen – dafür gab es keinen vergleichbaren Fall, der in den umfangreichen Datenbänken verzeichnet gewesen wäre.
„Wir müssen den Stationsweisesten und seinen Stellvertreter sofort verständigen!“, verlangte der Diensthabende mit der höchsten Rangstufe.
„Sie haben beide gegenwärtig ihr Regenerationszeitquantum genommen“, erwiderte einer der anderen anwesenden Bhalakiden.
„Dann werden sie ihre Regeneration unterbrechen müssen“, lautete die Antwort.
Den wenigsten Bhalakiden in der Zentrale war in diesem Augenblick klar, dass die schwerste Krise begonnen hatte, in der sich die Xaradim-Station und ihre Besatzung jemals befunden hatten.