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Französisch-Äquatorialafrika, Juli 1942.

Der Turm des französischen Panzers drehte sich überraschend schnell. Der Abschuss klang hell und peitschend, aber die Granate schlug etwa dreißig Meter zu kurz ein. Das bedeutete noch keine Gefahr.

Trotzdem zog Unteroffizier Heinz Nagel den Kopf tiefer zwischen die Schultern und krallte sich noch fester in den trockenen Boden. Er blickte zur Seite. Sie waren nur noch zu viert. Und hier schien das Ende ihrer Expedition gekommen zu sein.

Er blinzelte in den grellen Himmel. In der Ferne war der dunkle Strich des Tümmo-Gebirges zu erkennen. Sie waren weit vorgestoßen. So weit in das Innere Afrikas wie noch kein deutscher Soldat vor ihnen. Sie waren Angehörige der berühmten Division Brandenburg, und ihr Auftrag war, bis zum Tschad-See vorzustoßen und dort zu erkunden, wie der Nachschub der Alliierten gestört werden konnte.

Wieder krachte die Panzerkanone. Diesmal lag der Einschlag näher. Es hatte keinen Sinn mehr. Sie mussten zurück. Sie hatten nur noch ein Maschinengewehr mit zwei vollen Gurten. Das war entschieden zu wenig gegen drei feindliche Panzer.

Heinz Nagel spähte zu den Gegnern hinüber. Er erkannte die weißen Käppis der französischen Fremdenlegionäre. Sie arbeiteten sich langsam auf die Anhöhe zu, wo die Brandenburger lagen und den Pass sperrten.

Er winkte zu Werner Müller hinüber, der einige Meter weiter hinter dem Maschinengewehr kauerte, das hinter Felsbrocken versteckt war.

Der andere nickte. Das hieß Rückzug. Sie hatten nur noch die Chance, über das Gebirge zu entkommen.

Sie sprachen alle mehrere Sprachen perfekt. Deshalb hatte man sie für diesen Auftrag ausgesucht. Sie hatten nirgendwo Schwierigkeiten, sich anzupassen. Sie waren ein Team von ausgesuchten Spezialisten, gefürchtet von ihren Gegnern.

„Gib uns Feuerschutz!“, rief Heinz Nagel.

Sein Kamerad nickte und betätigte den Abzug. Das schwere MG ratterte und überschüttete die angreifenden Legionäre mit einem Hagel von Geschossen. Blitzschnell verschwanden die weißen Käppis.

Heinz Nagel robbte den Hang hinunter, und die beiden anderen Soldaten folgten ihm. Nur Werner Müller hielt weiter aus. Als sie weit genug gekrochen waren, sprangen sie auf und rannten. Fünfzig Meter weiter stand ihr Fahrzeug. Wenn sie es erreichten, hatten sie vielleicht noch eine Chance.

Der Einschlag der Granate hob Heinz Nagel von den Beinen. Er überschlug sich zweimal und wurde von Dreck und kleinen Steinen überschüttet. Schwankend stand er auf und tastete sich ab. Aber er war nicht verletzt.

Sein nächster Blick galt dem Wagen. Er schien unbeschädigt zu sein. Dann erst bemerkte er die still daliegenden Gestalten seiner beiden Kameraden. Er lief hin und beugte sich nieder. Aber hier kam jede Hilfe zu spät. Die Granatsplitter hatten sie fast durchsiebt.

Er erhob sich und blickte zu Werner Müller hinüber, der in diesem Augenblick seine Hand vom MG löste und ebenfalls den Rückzug antrat.

Heinz Nagel rannte zum Wagen und schwang sich in den Fahrersitz.

Er ließ den Motor an und wartete, bis Müller heran war und keuchend in das Führerhaus kletterte.

„Keine Munition mehr“, sagte er mit leiser Stimme.

„Ich weiß“, antwortete Heinz Nagel. „Das wär’s dann wohl. Die Falle hier war jedenfalls gut aufgebaut. Die Franzosen müssen uns schon seit Tagen beobachtet haben. Und sie hätten uns auch alle erwischt, wenn ein Panzer nicht so früh gefeuert hätte.“

„Und was jetzt?“, fragte Müller.

Heinz Nagel deutete mit dem Daumen nach hinten zur Ladefläche.

„Wir müssen auf jeden Fall die Kisten in Sicherheit bringen. Es wäre doch zu schade, wenn die schönen Münzen nach dieser langen Fahrt unseren Gegnern in die Hände fallen würden.“

Müller nickte nachdenklich und starrte auf die hölzernen Kisten mit den dicken Seilen, die als Tragegriffe dienten. Sie enthielten tatsächlich Münzen. Goldmünzen. Maria-Theresia-Taler. Eine Währung, die in ganz Afrika sehr beliebt war.

Die Münzen waren als Bezahlung für Beduinen-Stämme gedacht, die den Franzosen nicht besonders freundlich gesinnt waren. Aber diesen Zweck konnten sie jetzt nicht mehr erfüllen.

Heinz Nagel warf einen Blick zurück. Auf der kleinen Anhöhe war einer der Panzer erschienen. Ein Rauchwölkchen stieg aus seiner Kanone, aber der Einschlag der Granate lag weit ab.

„Sie werden uns verfolgen“, sagte er. „Wir werden es nicht mehr rechtzeitig zum Gebirge schaffen. Sie können uns jederzeit den Weg abschneiden.“

„Also Volltarnung“, meinte Müller. Nagel nickte. „Ich versuche, einen möglichst großen Abstand herauszufahren. Wir vergraben alles, was uns verraten könnte, und übernehmen wieder unsere Prachtrolle als französische Kolonialsoldaten. Mit etwas Glück müssten wir es eigentlich schaffen.“

„Ja, wenn keine Flugzeuge kommen.“

Nagel schüttelte den Kopf. „Viele Flugzeuge dürften sie in der Gegend nicht haben. Wir haben nur einige Kilometer bis Ghezehida. Dort können wir untertauchen.“

Sie fuhren schweigend weiter, und Heinz Nagel holte alles aus dem Wagen heraus. Sie jagten über die trockene und aufgerissene Piste und beteten, dass die Achse nicht brach. Zu Fuß hätten sie keine Chance mehr gehabt.

Werner Müller schraubte seine Feldflasche auf und nahm einen kräftigen Schluck von dem lauwarmen Wasser. Er schüttelte sich.

Nagel grinste ihn an. „Ein Bier wäre besser, aber ich fürchte, da müssen wir noch warten. Die nächste Brauerei ist ganz schön weit weg.“

„Vorsicht!“, schrie Müller.

Nagel riss das Steuer herum. Er konnte dem großen Stein gerade noch ausweichen. Ein dumpfer Schlag ertönte. Sie sahen sich erschrocken an, als der Motor spuckte und stotterte.

Nagel bremste und stieg aus. Der Stein hatte die Ölwanne beschädigt und den Auspuff weggerissen. Lange konnten sie damit nicht mehr fahren.

Nagel warf einen schnellen Blick in die Runde. Die Verfolger hatten sie abgehängt, aber wahrscheinlich nicht sehr lange. Sie mussten sich beeilen. Er deutete nach vorn.

„Bis Ghezehida sind es nur noch ein paar Kilometer. Ich schlage vor, dass wir den Wagen und die Ladung dort drüben zwischen den Felsen verstecken und zu Fuß weitergehen.“

Müller nickte und zuckte mit den Schultern. „Wir haben wohl keine andere Wahl.“

Sie stiegen wieder ein und fuhren querfeldein weiter, solange es ging. Die Räder holperten über den felsigen Boden. Der Motor heulte unter der Belastung, als es steil aufwärts ging. Gleich würde er seinen Geist aufgeben.

Der Einschnitt zwischen den Felsen war sehr schmal, und der Wagen passte gerade noch hinein. Sie hatten die Geröllhalde überwunden, und die Schlucht fiel sanft nach innen ab. Nagel schaltete den Motor ab und ließ den Wagen ausrollen, bis es unten nicht mehr weiterging.

Sie schoben den Wagen unter eine überhängende Felskante und tarnten ihn mit Steinen, die sie in mühsamer Arbeit aufschichteten. Die Ladung blieb drinnen. In dieser gottverlassenen Gegend würde sich wohl kaum jemand hierher verirren.

Sie zogen ihre Uniformen aus und ließen alles zurück, was einen Hinweis auf ihre wahre Identität geben konnte. Als sie Stunden später fertig waren, sahen sie völlig verändert aus.

Beim Rückweg aus der Schlucht verwischten sie noch die verräterischen Fahrspuren, obwohl zwischen dem Geröll kaum etwas zu erkennen war. Ein letzter prüfender Blick von oben zeigte ihnen, dass die Schlucht völlig unberührt aussah. Das Versteck war gut gewählt. Sie waren sicher, dass niemand es entdecken würde.


Lotterie für Killer: 7 Strand Krimis

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