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Bount Reiniger lehnte sich zurück und sah seinen Besucher nachdenklich an. Der Mann war etwa Mitte fünfzig. Er hatte gelichtetes Haar und einen leichten Bauchansatz. Er trug einen modisch geschnittenen Anzug. Seine Bewegungen waren sparsam und ruhig. Seine Stimme war leise, aber man hörte ihr zu. Und seine Augen blickten immer noch scharf und klar und verrieten Entschlossenheit.

„Und wie ging es dann weiter?“, fragte Bount Reiniger. Die Geschichte vom Einsatz der deutschen Spezialeinheit im tiefsten Afrika hatte ihn fasziniert, obwohl er noch nicht wusste, was sein Besucher eigentlich von ihm wollte.

Der Mann hatte sich bei ihm angemeldet und gefragt, ob er einen Fall übernehmen würde, der ihn möglicherweise ins Ausland führte. Bount hatte ihm versprochen, dass er die Geschichte anhören würde, bevor er eine Entscheidung traf.

Der Mann hatte sich als Henry Nail vorgestellt und gesagt: „Ich muss sehr weit ausholen. Sonst verstehen Sie nicht, worum es geht.“ Dann hatte er seine Geschichte erzählt, und Bount hatte ihn nicht unterbrochen.

Es war schon spät am Nachmittag, und die Sonne stand tief zu dieser Jahreszeit. Bount schaltete eine Lampe ein, und bei dem milden Licht konnte er die Gesichtszüge seines Besuchers besser erkennen. Schließlich hatte er gesagt: „Sie sind Heinz Nagel.“

Sein Besucher hatte nur leicht mit dem Kopf genickt. „Ich wusste, dass Sie es erraten würden. Bei der Ähnlichkeit des Namens ist das ja auch nicht sehr schwer. Ich bin nach dem Krieg nach Amerika ausgewandert und habe dann meinen Namen geändert. Inzwischen bin ich amerikanischer Staatsbürger. Schon seit vielen Jahren.“

Bount nickte. „Sie wollten erzählen, wie es weiterging, nachdem Sie den Wagen versteckt hatten.“

Henry Nail hob die Schultern. „Der Rest ist schnell erzählt. Wir erreichten das Dorf Ghezehida am gleichen Abend. Dort befand sich eine französische Garnison. Kolonialsoldaten und Sudanesen, auch einige Legionäre. Wir setzten uns in ein Lokal und aßen eine Kleinigkeit. Wir waren sehr zufrieden, dass wir es so weit geschafft hatten. Und dann ging alles schief. Eine Streife der Militärpolizei nahm uns fest, da man uns für französische Deserteure hielt. Und den vielen Verhören konnten wir nicht standhalten. Man fand heraus, dass wir Deutsche waren, und steckte uns in ein Gefangenenlager. Wir hatten noch Glück, dass man uns nicht gleich erschossen hat.“

„Und worin besteht jetzt Ihr Problem?“, fragte Bount.

Nail hob die Hand.

„Darauf komme ich gleich. Ich will nur noch meinen Bericht beenden. Einige Monate später brachen wir aus dem Lager aus. Dabei hat es Werner Müller erwischt. Ein Posten hat auf ihn geschossen, und ich sah, dass man ihn zurückschleppte. Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört. Ich selbst konnte mich durchschlagen, bis Marokko. Als ich endlich dort war, landeten die Amerikaner. Ich bin untergetaucht und nach dem Krieg in die USA gegangen. Ich habe mir hier eine neue Existenz aufgebaut, und ich kann mich nicht beklagen. Es geht mir recht gut. Die Vergangenheit war tot und vergessen. Bis vor Kurzem jedenfalls.“

„Und was ist da passiert?“

„Mein Sohn George, er ist jetzt dreiundzwanzig, fand durch Zufall beim Aufräumen ein altes Tagebuch von mir. Ich habe kurz nach dem Krieg alles aufgeschrieben, was mir noch einfiel, bis ich es dann vergaß. Und jetzt, mehr als dreißig Jahre später, fragte mich mein Sohn nach den alten Geschichten. Ich habe es ihm natürlich erzählt. Etwa dasselbe, was Sie eben gehört haben. Er lauschte gebannt und sprach mich auch später noch mehrmals darauf an, bis er alles erfahren hatte, was ich noch wusste.“

„Und dann?“ Bount hatte zwar immer noch keine Ahnung, worum es ging, aber sein Interesse war geweckt.

„Seit drei Tagen ist er verschwunden“, sagte Henry Nail langsam. „Und ich glaube, dass er auf der Suche nach dieser verdammten Schlucht ist.“

Für ein paar Sekunden herrschte Schweigen. Bount stand auf und ging zum Fenster.

„Wie viel sind die Goldmünzen heute wert?“

„Etwa zwei Millionen Dollar. Vielleicht mehr. Und es ist sogar möglich, dass der Wagen sich noch dort befindet, wo wir ihn versteckt haben. Ich glaube nicht, dass sich dorthin jemand verirrt hat.“

„Sie wissen also nicht, ob sich die Goldmünzen noch dort befinden.“

„Natürlich nicht. Ich habe seit Jahren überhaupt nicht mehr daran gedacht.“

„Und Ihnen ist nie der Gedanke gekommen, den Schatz selbst zu heben?“

Nail schüttelte den Kopf. „Nein. Nie. Die Chancen sind sehr gering. Deswegen bin ich auch bei Ihnen. Mein Sohn wird es nicht schaffen. Er geht zugrunde, bevor er auch nur auf hundert Kilometer heran ist. Er hat keine Ahnung, auf was er sich da einlässt. Nur eine Expedition mit erfahrenen Spezialisten hat eine gewisse Chance. Ich kann mich noch sehr gut an die Strapazen erinnern. Es war mörderisch.“

„Sind Sie denn sicher, dass Ihr Sohn nach Afrika auf gebrochen ist?“

„Wenn ich völlig sicher wäre, brauchte ich Sie nicht. Aber mein Gefühl sagt es mir. Alles deutet darauf hin. Nicht zuletzt das, was er mitgenommen hat. Ich vermute allerdings, dass er noch in New York ist, denn er wird nicht allein auf Schatzsuche gehen.“

„Hat er Freunde, die ihn begleiten würden?“

Nail verzog das Gesicht.

„Er hält sie für Freunde, aber ich glaube, dass es Gangster sind. Drei junge Burschen in seinem Alter, mit denen er seit einiger Zeit durch die Kneipen zieht. Ich muss zugeben, dass mein Sohn etwas willensschwach ist. Seine drei Freunde beeinflussen ihn stark.“

„Und Sie glauben, dass er mit den drei Burschen nach Afrika geht?“

Nail nickte. „Wenn er die Geschichte jemandem erzählt hat, dann diesen dreien. Und ich bin sicher, dass sie ihn dazu überredet haben, die Goldmünzen zu suchen. Ein Vater spürt so etwas. Ich kann es nicht beweisen, aber ich bin mir trotzdem sicher.“

„Was kann ich für Sie tun?“, fragte Bount.

„Holen Sie meinen Jungen zurück. Ich weiß, dass ich ihn nicht wiedersehe, wenn er auf diese verrückte Reise geht. Als ich mit meiner Frau zum letzten Mal gesprochen habe, bevor sie gestorben ist, habe ich ihr versprochen, mich um den Jungen zu kümmern, so gut ich kann. Er darf einfach nicht nach Afrika, schon gar nicht mit seinen Freunden. Denn wenn die tatsächlich an das Gold kommen sollten, werden sie keine Rücksicht mehr auf meinen Sohn nehmen.“

Bount starrte durch das Fenster auf das abendliche Verkehrsgewühl der riesigen Stadt. Er überlegte. Es war ein schwieriger Auftrag, aber auch ein reizvoller.

Er drehte sich um.

„Ich nehme an. Aber bevor ich mit meinen Nachforschungen beginne, muss ich Ihnen noch eine Menge Fragen stellen.“


Lotterie für Killer: 7 Strand Krimis

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