Читать книгу Tempelritter und Nachtgeschöpfe: 20 Mystery Thriller um Liebe und Geheimnis: Krimi Koffer - Alfred Bekker - Страница 10
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„Nein!“
„Patricia!“
„Nein! Nicht!“
„Patricia, wach auf!“
Ich fühlte einen kräftigen Griff um meine Schultern, und ich fuhr hoch. Kerzengerade saß ich da – und fand mich in meinem Bett wieder.
Das Mondlicht sickerte durch das große Fenster und fiel in das Gesicht von Tante Lizzy, in deren Villa ich wohnte.
„Es ist alles gut, Patricia! Du hast nur geträumt!“
Langsam wurde mir das auch klar. Ich schluckte, versuchte etwas zu sagen. Mein Mund war trocken, meine Lippen fühlten sich spröde und aufgesprungen an, während ich mit der Zunge darüber fuhr.
„O mein Gott“, hörte ich mich selbst flüstern, aber der Arm, den Tante Lizzy jetzt um meine Schultern legte, gab mir die Gewissheit, dass mir jetzt nichts passieren konnte.
„War es wieder der Traum?“, fragte Tante Lizzy.
Ich nickte. „Ja. Ich war angekettet, und ein Kreuzritter wollte mich mit seinem Schwert erschlagen...“
„Es ist das dritte Mal, Patricia...“
„Ich weiß...“
„Du solltest diese Sache sehr ernst nehmen...“
Tante Lizzy brauchte nichts weiter zu sagen. Ich wusste auch so, worauf sie hinaus wollte.
Meine Großtante Elizabeth Vanhelsing war eine leidenschaftliche Okkultistin und an allem interessiert, was sich auch nur ansatzweise als übersinnliches Phänomen ansehen ließ.
Ihr verschollener Mann Frederik Vanhelsing war ein bekannter Archäologe gewesen und hatte dafür gesorgt, dass die Villa mit Fetischen und Kultgegenständen aus aller Welt vollgestopft war. Dazu kam noch Tante Lizzys eigene Sammlung von Zeitungsartikeln, Büchern und allerlei Gegenständen zum Bereich des Übersinnlichen, so dass die Vanhelsing-Villa fast so etwas wie ein kleines Privatmuseum des Okkulten war.
„Es ist wie damals“, erklärte Tante Lizzy in ernstem Tonfall, nachdem sie aufgestanden war und Licht gemacht hatte. Damals...
Schon wieder fing sie mit diesem Thema an.
Als 12jährige hatte ich den tragischen Tod meiner Eltern in einem Traum vorausgesehen, so behauptete zumindest Tante Lizzy. Und im Alter von 16 einen Hausbrand.
Seitdem war meine Großtante, die mich nach dem Tod meiner Eltern wie eine Tochter aufgezogen hatte, überzeugt davon, dass ich übersinnliche Fähigkeiten hätte.
Ich persönlich stehe diesen Dingen etwas skeptischer gegenüber. Schließlich bin ich Journalistin und als solche nüchternen Fakten verpflichtet.
Tante Lizzy aber hatte wohl mehr Vertrauen in meine paranormalen Fähigkeiten als ich selbst.
Mein Name ist Patricia Vanhelsing und – ja, ich bin
tatsächlich mit dem berühmten Vampirjäger gleichen Namens
verwandt. Weshalb unser Zweig der Familie seine
Schreibweise von „van Helsing“ in „Vanhelsing“ änderte,
kann ich Ihnen allerdings auch nicht genau sagen. Es
existieren da innerhalb meiner Verwandtschaft die
unterschiedlichsten Theorien. Um ehrlich zu sein,
besonders einleuchtend erscheint mir keine davon. Aber muss
es nicht auch Geheimnisse geben, die sich letztlich nicht
erklären lassen? Eins können Sie mir jedenfalls glauben: Das Übernatürliche spielte bei uns schon immer eine besondere
Rolle. In meinem Fall war es Fluch und Gabe zugleich.
Ich sträubte mich einfach gegen den Gedanken, dass Zukunft vorhersagbar war. Das war ein Gedanke, der mir nicht gefiel.
„Du glaubst, dass dieser Traum etwas über meine Zukunft enthüllt, nicht wahr?“, erriet ich Tante Lizzys Gedanken.
Ich stand auf und warf mir einen Morgenmantel über. An Schlaf war jetzt ohnehin nicht mehr zu denken, auch wenn ich am nächsten Morgen an meinem Arbeitsplatz in der Redaktion der LONDON EXPRESS NEWS einschlafen würde.
Tante Lizzy nickte und trat auf mich zu.
„Lass uns darüber reden, Patti!“
„Tante Lizzy...!“
„Doch, es muss sein! Als du diesen Traum das letzte Mal hattest, bist du einem Gespräch auch schon ausgewichen, aber du wirst dich dieser Sache stellen müssen! Dieser Traum hat eine Bedeutung. Vielleicht geht es um Leben und Tod! Also...“
Ich seufzte. „Was soll ich tun?“
„Versuche dich an jede Einzelheit zu erinnern“, beschwor mich Tante Lizzy eindringlich.
„Es war wieder exakt derselbe Traum.“
„Keine Veränderung?“
„Nein. Ich war an eine Steinwand gekettet und ein Kreuzritter wollte mich umbringen. Du glaubst doch wohl kaum, dass das meine Zukunft sein kann! Schließlich sind Ritter nicht gerade zeitgemäß! Ich denke, es war ein ganz gewöhnlicher Alptraum, wie ihn hin und wieder jeder mal hat. Und der Ritter ist nichts weiter als ein Symbol für die Furcht, die mich packt, wenn mich mein kratzbürstiger Chefredakteur in sein Büro zitiert!“
„Patti!“, beschwor mich Tante Lizzy eindringlich. „Mach darüber keine Witze. Waren da noch irgendwelche Einzelheiten? Versuch dich zu erinnern, bevor der Traum verblasst.“
Ich versuchte es. „Dieses Kreuz auf dem Gewand des Ritters,“ flüsterte ich.
„Was war damit?“ Tante Lizzy ließ nicht locker.
„Wie soll ich das beschreiben? Es war ein besonderes Kreuz. An jeder der vier Enden hatte es zwei kleine Spitzen...“
„Das achtspitzige Kreuz!“, rief Tante Lizzy plötzlich aus. „Weißt du, was das bedeutet?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir leid!“
„Das ist das Zeichen des Ordens der Tempelritter; auch Templer von Jerusalem genannt... Zunächst beteiligte sich der Orden an den Kreuzzügen, und nach der Vertreibung der Kreuzfahrer aus dem Heiligen Land bildete er im mittelalterlichen Europa eine Art Staat im Staat. Vor allem in Frankreich und Spanien war er sehr mächtig, bis er schließlich verboten und wegen der Anwendung Schwarzer Magie aufgelöst wurde. Die Templer wurden gnadenlos verfolgt und auf die Scheiterhaufen gebracht. Aber bis heute hat sich das Gerücht gehalten, dass der Orden im Verbogenen über all die Jahrhunderte weiterexistiert hat und vielleicht sogar heute noch besteht – als okkulte Geheimgesellschaft!“
Ich merkte schon, das Tante Lizzy jetzt in ihrem Element war.
„In meiner Bibliothek steht ein Buch, dessen Autor den Beweis anzutreten versucht, dass der Orden bis in unser Jahrhundert hinein existierte und für eine Reihe von Ritualmorden verantwortlich ist. Es stammt von einem Deutschen namens Dietrich von Schlichten. Die einzige englische Übersetzung erschien 1923, der Verleger starb unter mysteriösen Umständen, und von Schlichten selbst verschwand auf einer Reise nach Südfrankreich – nur wenige Monate später.“
Ich sah Elizabeth Vanhelsing etwas müde an. Meine Großtante war zwar an allem interessiert, was übersinnliche Erscheinungen betraf, aber obskuren Kulten und sektenartigen Vereinigungen stand sie sehr kritisch gegenüber.
„Pass auf dich auf, mein Kind“, sagte Tante Lizzy leise. „Ich weiß nicht, was dein Leben mit den Templern zu tun hat – aber ich fürchte, das wird sich schon bald herausstellen.“
Und das sollte schon am nächsten Tag der Fall sein...