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Die Flammen loderten hellrot und rauchlos, leckten züngelnd um den Tierkörper, den Hartford an einem primitiven Holzspieß in zwei Astgabeln drehte. Prasselnd zerbarsten die Fasern der Äste im Feuer. Es klang wie Schüsse, die durch die Stille des Waldes hallten. Hartford sah sich mit schmalen Augen um. Immer wieder spähte er über den freien Hang zum jenseitigen Waldrand hinauf, wo der Tote zwischen den Bäumen lag.

Der Nachmittag ging zur Neige. Aber noch herrschte Tageslicht. Wegen des Feuers machte sich Hartford keine große Sorgen. Selbst wenn noch ein Suchflugzeug aufkreuzen sollte, würden die Burschen mit ihren Superkameras keine Ergebnisse nach Hause bringen. Die Baumwipfel verdeckten den ohnehin schwachen Flammenschein. Was an Hartfords Nerven nagte, war die Tatsache, dass der tote Bergmensch noch immer unverborgen dort drüben im Wald lag.

Aber es hatte sich nicht vermeiden lassen. Bohrender Hunger hatte Hartford dazu gezwungen, zuerst an seinen Magen zu denken. Endlose Stunden hatte er gebraucht, um Holz für das Feuer zu suchen. Weitere kostbare Zeit war damit zugegangen, die Antilope auszuweiden. Doch er hatte keine andere Wahl gehabt. Nach Einbruch der Dunkelheit konnte er es nicht mehr riskieren, ein Feuer zu entfachen. Folglich musste er es eben an diesem Abend schaffen, die Leiche des Trappers zu verscharren und noch vorhandene Spuren zu beseitigen — ehe Kojotenrudel aus allen Richtungen herbeiströmten. Falls am nächsten Tag Luftaufnahmen von dieser Gegend geschossen wurden, registrierten sie eine solche verdächtige Konzentration von Aasfressern mit Sicherheit.

Der beißende Geruch angesenkten Fleisches stieg in Hartfords Nase. Er nahm sein Messer, schabte einen Teil der verschmorten Haut weg und schnitt einen dicken Fladen aus dem Rücken der Antilope. Das Fleisch war zäh, hatte einen strengen Geschmack. Aber Hartford spürte die wohlige Wärme, die sich in seinem Magen auszudehnen begann. Das Hungergefühl, das er stundenlang unterdrückt hatte, flackerte nur kurz wieder auf. Mit jedem Bissen, den er hinunterschlang, schwand es rascher. Und auch seine Nerven beruhigten sich allmählich wieder. Es erschien ihm verrückt, dass es eine Wechselbeziehung zwischen körperlichem Unbehagen und seelischen Spannungen geben sollte. Aber er wusste nur zu gut, dass das Leben in der Wildnis die unglaublichsten Reaktionen hervorrufen konnte. Vorläufig funktionierte sein Verstand noch ungetrübt genug, um Überlegungen dieser Art anzustellen. Wie lange würde das so bleiben?

Er schnitt sich ein neues Stück Fleisch heraus, kaute schneller und konzentrierte sich auf den durchdringenden Wildgeschmack, um die Gedanken zu verscheuchen.

Der Schneefall hatte nachgelassen. Durch die Baumkronen rieselten nur noch spärliche weiße Flocken bis auf den Waldboden herab. Wind kam auf. Bislang nur in schwachen Böen, die rasch wieder versiegten. Dennoch spürte Hartford, dass ein Wetterumschwung bevorstand. Die Temperatur würde weiter absinken — so weit, bis der klirrende Frost jeden Atemzug zu einem stechenden Schmerz machte, wenn man unvorsichtig Luft holte.

Ein jäher Impuls traf Hartfords Gehör. Es war wie ein Alarmsignal, das ins Zentrum seines Nervensystems vordrang.

Motorengeräusch!

Weit entfernt noch. Unverkennbar jedoch, dass es sich nicht um ein Flugzeug handelte.

Hartfords erste Reaktion war mechanisch, ohne jede gedankliche Basis.

Er sprang auf, ließ das angekaute Stück Fleisch fallen und trat das Feuer aus. Hastig bückte er sich, schaufelte mit beiden Händen Schnee auf die Glutreste. Es zischte. Weißer Qualm stieg auf, minutenlang, ehe das Feuer endgültig erstickt war.

Regungslos verharrte Hartford hinter einem Baumstamm. Das Blut in seinen Adern pulsierte langsamer. Eine kühle Ruhe erfüllte ihn. Diese vollendete Selbstbeherrschung in Augenblicken der Gefahr war etwas, das man nicht lernen konnte. Nur die Erfahrung brachte das. Für Brett Hartford war diese Erfahrung eine Summe von Momenten, in denen es für ihn nur zwei Alternativen gegeben hatte: das Leben oder den Tod.

Seine vage Hoffnung verflog.

Das Motorengeräusch entfernte sich nicht. Es schwoll an, von Sekunde zu Sekunde.

Hartford gab sich keinen Illusionen hin. Für ein motorgetriebenes Fahrzeug war der unbewaldete Hang eine prächtige Fahrtroute. Aber das allein hätte noch keine unmittelbare Bedrohung bedeutet.

Der Blick des einsamen Mannes hakte an den Spuren fest. Für ihn waren sie überdeutlich, obwohl der Schnee sie fast vollständig verwischt hatte. Fast. Es erschien wie ein Hohn, dass der Schneefall so plötzlich aufgehört hatte. Und die Dämmerung war noch immer nicht hereingebrochen. Für ein geübtes Auge waren die Spuren so deutlich wie die Großbuchstaben in einer Schulfibel.

Hartford rechnete nicht damit, dass sie Anfänger auf seine Fährte gesetzt hatten. Während er angestrengt nach beiden Seiten spähte, wärmte er die Hände in den Taschen seiner Jacke.

Sekunden später war er sicher, dass das Motorengeräusch aus westlicher Richtung herannahte.

Mit beinahe bedächtigen Handbewegungen begann er, die Einzelteile der Maschinenpistole aus den Futteralen seiner Spezialweste zu ziehen. Unter seiner dicken Jacke setzte er die Waffe zusammen, um das verräterische metallische Klicken zu dämpfen. Eine überflüssig erscheinende Vorsichtsmaßnahme angesichts des nun bereits dröhnenden Motorenlärms. Doch es gehörte zu Hartfords Prinzipien, ein Risiko niemals unnötig in die Höhe zu treiben.

Er verbarg die schussbereite MPi weiter unter der Jacke. Mit einem letzten Blick überzeugte er sich, dass kein Rauch mehr aus den verkohlten Holzresten des Feuers emporstieg.

Unvermittelt schwoll das Motorengedröhn zu fast doppelter Lautstärke an.

Hartfords Kopf ruckte herum. Seine Augenlider zogen sich zusammen. Kantige Konturen schoben sich um den westlichen Fuß des Hanges. Eine Wolke von feinem, aufgewirbeltem Schnee umgab das Fahrzeug, das sich mit zügiger Geschwindigkeit heranwühlte.

Hartford hielt den Atem an, rührte sich nicht vom Fleck.

Über dem Planenaufbau des Snow Cat Tractors wippte eine Funkantenne. Das Gesicht des Mannes hinter dem Lenkrad war durch die Windschutzscheibe als heller Punkt zu erkennen. In etwa dreißig Yard Entfernung verlangsamte der Snow Cat plötzlich seine Fahrt. Hartford war noch nicht sicher, ob sich nur ein Mann in dem Fahrzeug befand. Dafür bestätigte sich seine böse Vorahnung.

Die Ketten und Kufen des Snow Cat mahlten noch zehn, zwanzig Yard weiter durch den Schnee, um dann endgültig zu stoppen. Das Motorengeräusch erstarb. Es war eine beklemmende Stille, die jetzt einkehrte. Nur einen Steinwurf weit war der Snow Cat von Hartfords Versteck entfernt.

Er sah, wie sich der Mann hinter der Windschutzscheibe bewegte, hantierte. Kein Zweifel mehr, dass es sich nur um einen einzelnen handelte. Doch diese Tatsache geriet zur Bedeutungslosigkeit. Denn das Funkgerät konnte bewirken, dass sich innerhalb kürzester Zeit sämtliche Verfolger auf diesen einen Geländepunkt konzentrierten.

Hartford glaubte, das Krächzen des Funklautsprechers zu hören. Doch er war nicht sicher. Möglich, dass seine zum Zerreißen gespannten Nerven ihm diese Wahrnehmung vorgaukelten.

Die Seitenplane des Snow Cat wurde hockgeklappt. Der Mann stieg aus. Seine Bewegungen hatten etwas Zögerndes und zugleich Raubtierhaftes. Nach allen Seiten sichernd bewegte er sich an der Motorhaube des Geländefahrzeugs entlang. Er war mindestens eins neunzig groß, trug dicke Winterkleidung. Der Pelzrand der Kapuze umrahmte seinen struppigen blonden Vollbart. Über seiner rechten Schulter lag der Tragegurt einer Atchisson MPi, deren kurzer Lauf einen fest integrierten Schalldämpfer besaß. Deutlich sah Hartford, wie der bärtige Hüne mit misstrauischem Blick den Verlauf der fast verwehten Spuren verfolgte.

Für welche Richtung würde er sich entscheiden?

Einen Atemzug lang spielte Hartford mit dem Gedanken, die Waffe in Anschlag zu bringen und das böse Spiel zu beenden, ehe es begann. Er ließ es. Er war kein kaltblütiger Killer, brachte es nicht fertig, einem anderen in den Rücken zu schießen — selbst wenn er dadurch sein eigenes Leben in zunehmende Gefahr brachte.

Der Hüne wandte sich nach links, zum gegenüberliegenden Waldrand. Geduckt, nach Infanteristenart, pirschte er den Hang hinauf. Selbst wenn er es fertigbrachte, sich bei der geringsten Bewegung blitzschnell zu Boden zu werfen, war es doch höllischer Leichtsinn, was er tat.

Hartford dachte nicht darüber nach, weshalb der Bursche Kopf und Kragen riskierte, obwohl er besser daran getan hätte, auf Unterstützung durch diejenigen zu warten, mit denen er Funkverbindung hatte. Der Hüne hatte die Hälfte der Distanz bis zum Waldrand hinter sich gebracht.

Eine plötzliche Windbö fauchte über die freie Fläche. Der Bärtige duckte sich unwillkürlich tiefer, setzte dann aber seinen Vormarsch fort. Für einen Sekundenbruchteil wurde die rechte Seitenplane des Snow Cat durch die Bö angehoben. Hartford sah die dunkelgrünen Umrisse des Armee-Funkgeräts, das auf dem Beifahrersitz festgeschnallt war.

Und er zögerte nicht mehr. Legte den Sicherungsflügel herum, schaltete auf Dauerfeuer, lud durch und visierte an.

Es war ein flüssiger, blitzschneller Bewegungsablauf. Hartfords Zeigefinger krümmte sich.

Dumpf blubbernd spie die Maschinenpistole Feuer.

Der bärtige Hüne zuckte zusammen, warf sich flach in den Schnee und drehte sich auf der Gürtelschnalle. Die Projektile perforierten ein faustgroßes Siebmuster in die Seitenplane des Snow Cat. Haargenau dort, wo sich das Funkgerät befand. Die klatschenden, knirschenden Einschläge bewiesen, dass Hartford aus dem Gedächtnis heraus präzise anvisiert hatte.

Weit hinter dem Snow Cat begriff der Bärtige jäh, aus welcher Richtung die tödliche Gefahr drohte. Hastig riss er die Atchisson an die Schulter. Bläulich weiße Mündungsblitze leckten dicht über die verharschte Oberfläche des Schnees hinweg.

Hartford wechselte im gleichen Moment die Stellung, schnellte nach rechts, ging am Fuß eines Baumstamms in Deckung und schaltete auf Einzelfeuer um. Dort, wo er eben noch gestanden hatte, prasselten die Geschosse in das Holz der Föhren. Die Schläge übertönten die dumpfen Laute des Feuerstoßes aus der Atchisson MPi.

Hartford kannte kein Mitleid mehr. Der Mann hatte seine Chance gehabt. Eine ausreichende Chance.

Er zog in dem Sekundenbruchteil durch, als der Bärtige aufsprang und versuchen wollte, die sichere Deckung hinter dem Snow Cat Tractor zu erreichen. Das Projektil stoppte die Bewegung des Mannes wie in einem abgerissenen Film. Der Schrei hallte weit über das Land — markerschütternd und nicht enden wollend.

Krimi Doppelband 2214

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