Читать книгу Krimi Doppelband 2214 - Alfred Bekker - Страница 9

3

Оглавление

Gleißendes Sonnenlicht drang in gebündelten Strahlen durch die schneebehangenen Zweige der Föhren und warf ein bizarres Muster auf den weißen Waldboden. Was durch die Baumwipfel vom Himmel zu erkennen war, war leuchtendes Blau. Ein Wintertag, der schon zu seinem Beginn erkennen ließ, dass die darauffolgende Nacht noch kälter werden würde als die vorangegangene.

Die Sonnenstrahlen, die Brett Hartfords Gesicht kitzelten, vermittelten eine trügerische Wärme. Er schlug die Augen auf. Blinzelte. Brauchte Sekunden, um aus einer wirren Traumwelt in die Wirklichkeit zurückzukehren.

Über ihm war die mit einem Schneewulst gekrönte Kante des steil aufragenden Erdhanges, an dessen Fuß er sein Nachtlager aufgeschlagen hatte. Die mühevolle Arbeit, die riesigen Bahnen der Fallschirmseide auf etwa zweieinhalb Yard Breite zusammenzufalten und aufzurollen, war vergessen. Er hatte überraschend gut geschlafen, fühlte sich ausgeruht, empfand das Verlangen, noch eine Weile in der Behaglichkeit des zum Schlafsack umfunktionierten Fallschirms auszuharren. Die zahllosen Lagen des aufgerollten feinen Stoffes isolierten hervorragend, hielten seine Körperwärme, ließen keine Kälte durchdringen.

Motorengeräusch kitzelte Hartfords Bewusstsein vollends wach. Es musste schon länger dagewesen sein, aber erst jetzt nahm er es wahr.

Ein Hubschrauber. Weit entfernt noch.

Hartford zog die Mundwinkel nach unten. Selbst wenn sie Luftaufnahmen schossen und die Fotos zigfach vergrößerten, würden sie ihn nicht aufspüren. Da waren zum einen die dichten Zweige der Bäume, die ihn weitgehend schützten. Zum anderen konnte er sich keine bessere Tarnung als seinen provisorischen weißen Schlafsack wünschen.

Er blieb liegen und wartete. Das unverkennbare Hubschraubergeräusch näherte sich nur wenig, blieb eine Weile konstant und nahm dann allmählich wieder ab. Sie waren in beträchtlicher Distanz vorbeigeflogen. Zweifellos suchten sie das Gebiet nach Planquadraten ab. Aber sie würden sehr lange dafür brauchen. Lange genug, um Hartfords Vorsprung auszubauen.

Er begann, sich aus der Fallschirmseide zu schälen.

Jäh zuckte der Impuls einer Wahrnehmung durch seine Sinne. Eine Bewegung zwischen den Baumreihen.

Er erstarrte, drehte langsam den Kopf zur Seite. Graue Konturen. Huschende, schattenhafte Bewegungen — zögernd, lauernd.

Kojoten.

Ihre schmutzig gelben Lichter glühten voller Fressgier. Hartford schätzte die Entfernung auf knapp dreißig Yards. Er rührte sich nicht, überlegte. Sinnlos, darauf zu hoffen, dass die struppigen Bestien sich durch Gebrüll oder Gesten verscheuchen lassen würden. Was über Kojoten in den Schulbüchern stand, galt schon seit Jahren nicht mehr. Hartford wusste das. Er war auf dem Land aufgewachsen, in Wisconsin. Vom feigen Aasfresser hatte sich der Kojote in den vergangenen Jahrzehnten zum aggressiven Raubtier gewandelt. Kojotenrudel drangen sogar bis in die Außenbezirke der Großstädte vor. Durch veränderte Umweltbedingungen hatte sich nicht nur das Verhalten dieser Tiere geändert — sie waren auch bedeutend größer und kräftiger als noch vor hundert Jahren, behaupteten die Zoologen. Mutation nannten sie das.

Die Gedanken gingen Hartford durch den Kopf, während er das Rudel beobachtete. Die Zahl der Tiere war schwer zu schätzen, weil sie unruhig zwischen den Baumreihen hin und her trotteten. Es mochten fünfzehn, vielleicht auch zwanzig sein. Noch verhielten sie sich absolut ruhig, versuchten mit ihrem Instinkt die Möglichkeiten für eine leichte Beute einzuschätzen.

Behutsam, damit sich die äußere Hülle des Fallschirmschlafsacks nicht bewegte, griff Hartford unter seine Weste, die er auf dem Leib trug. Nacheinander zog er die MPi, die Schulterstütze, das gefüllte Magazin und den Schalldämpfer aus den Futteralen und setzte die Waffe zusammen.

Unvermittelt löste sich einer der Kojoten aus den schützenden Baumreihen, wagte sich in das offene Blickfeld des einsamen Mannes vor. Das zottige Tier verharrte in zwanzig Schritt Abstand, zog den knochigen Schädel tiefer zwischen die Schultern und spähte herüber. Kleine Atemwolken standen vor den blitzenden Reißzähnen. Das Leittier des Rudels. Keine Frage.

Die anderen drängten nach.

Hartford gab sich keinen Illusionen hin. Sie waren kaum harmloser als Wölfe. Und der Winter machte sie hungrig. Sie kannten die Stärke ihres Rudels, scheuten nicht davor zurück, einen Menschen anzugreifen.

Das Leittier stieß einen heiseren Knurrlaut aus, schnellte jäh vorwärts.

Hartford riss die MPi unter der Fallschirmseide hervor, schaltete auf Einzelfeuer, lud durch, entsicherte.

Während die übrigen Kojoten noch zögerten, reagierte ihr Anführer auf die plötzliche Bewegung des Mannes zu spät. Nur kurz visierte Hartford an, ehe er durchzog. Ein blassgelber Mündungsblitz zuckte aus dem etwa unterarmlangen Schalldämpfer. Der Schuss war nicht lauter als das sanfte Zuklappen einer Autotür. Hartford verwendete Unterschallmunition, deshalb gab es keinen Geschossknall.

Der Kojote wurde emporgeschleudert, überschlug sich und fiel rücklings in den Schnee. Seine Läufe zuckten. Blut quoll durch das graue Fell unterhalb seiner Kehle.

Die übrigen Tiere wichen erschrocken zurück, verharrten minutenlang. Im nächsten Moment stürmten sie jäh vorwärts. Ihre Gier ließ sie für diese Sekunden den Menschen mit der tödlichen Waffe ignorieren. Mit rauem, abgehackten Kläffen drängten sie sich um ihren sterbenden Anführer, schlugen die Reißzähne in sein Fell und zerrten ihn weg, immer weiter weg, in die sichere Tiefe des Waldes.

Eine blutige Schleifspur und unzählige Abdrücke der Läufe blieben im Schnee zurück.

Hartford sicherte die MPi, demontierte sie und verstaute die Einzelteile wieder in der Weste. Nach seinem Zeitplan brauchte er noch nicht mit Verfolgern zu rechnen, die auf dem Landweg in die Einöde vorgedrungen waren. Trotzdem war der Schalldämpfer nötig gewesen. Es gehörte zu Hartfords eisernen Grundsätzen, niemals ein überflüssiges Risiko einzugehen.

Eine Menge Arbeit lag für diesen Tag vor ihm. Mit neuem Schneefall war nicht zu rechnen. Deshalb musste er die Blutspur und die Fährten der Kojoten beseitigen. Dann galt es, das unförmige Fallschirmpaket so zu verkleinern, dass ein transportabler Schlafsack daraus wurde. Den Rest musste er verschwinden lassen. Und er musste versuchen, etwas Essbares zu schießen. Möglichst bald. Denn ein Feuer konnte er nur tagsüber riskieren.

Hartford verzehrte ein Drittel seiner Tafel Schokolade, rauchte eine Zigarette und machte sich an die Arbeit. Durch den Atem bildeten sich kleine Eiskristalle in seinem dichten Oberlippenbart.

Krimi Doppelband 2214

Подняться наверх