Читать книгу Der Beginn einer kosmischen Saga: Chronik der Sternenkrieger - Der Einstiegsband: 1200 Seiten Romanpaket - Alfred Bekker - Страница 21
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Wir fanden Naomi schließlich in einer Senke, aus der sie vermutlich auch allein nie wieder herausgekommen wäre. Die Senke wurde von schroffen Felsmassiven begrenzt. Die Kletterfähigkeiten eines Normalmenschen reichen nicht aus, um sie zu übersteigen. Jedenfalls nicht wenn dieser Normalmensch ein zwölfjähriges Mädchen ohne jegliches Training ist, dass sich ansonsten lieber von einem Antigrav-Aggregat über solche Hindernisse tragen lässt.
Aber das hatte sie sich in diesem Fall nicht getraut - bei all dem, was am Himmel zurzeit los war.
Und daran hatte sie gut getan.
Vor allem auch deshalb, weil sie mit den Energiezellen ihres Antigrav-Paks sehr sparsam sein musste. Für sie war dieses Antigrav-Pak nämlich lebenswichtig. Für mich hingegen war es nur Luxus.
Allerdings wussten wir nicht, wann und wo wir eventuell wieder an eine vollgeladene Energiezelle herankamen.
Naomi kauerte unter einem Felsvorsprung. Ein guter Ort, um sich zu verbergen, dachte ich. Jedenfalls der Beste weit und breit.
Sie stand auf, als sie uns bemerkte. Es dauerte eine Weile, bis wir sie erreicht hatten.
"Hi ", sagte ich. "Ich hoffe, du hattest eine weiche Landung."
"Nachdem ich schon einen ziemlich abrupten und unfreiwilligen Start hatte, war die Landung eine Kleinigkeit”, sagte sie.
Ich sah kaum mehr als ihre Augen. Denn mehr ließ die Neopren-Maske, die sie gegen die Kälte trug, nicht erkennen. Aber ich kannte sie gut genug, um daraus alles lesen zu können, was wesentlich war. Mehr als andere Leute vielleicht aus einem vollständigen Gesicht mit ausgeprägter Mimik hätten erkennen können. Ich sah ihre Trauer. Ich sah, dass sie geweint hatte und dass sich ihre Augen deshalb entzündet hatten, denn in einer Umgebung, die so kalt ist wie Maldena 22b, sollte man besser nicht weinen. Unter keinen Umständen. Und ich sah, dass sie vollkommen verzweifelt war. Verzweifelt wegen dem, was mit ihren Eltern und allen, die sie kannte, geschehen sein musste und ebenso wegen ihres eigenen ungewissen Schicksals.
Die Verzweiflung, die ich in diesen Augen sah, war der, die ich selbst fühlte so ähnlich, dass ich ihren Blick so schnell es ging auswich.
Denn ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich mich mit diesen Gefühlen jetzt besser nicht auseinandersetzen sollte. Es war besser, nicht weiter darüber nachzudenken. Nicht denken, sondern einfach handeln. Das war das Gebot der Stunde. Oder vielleicht auch das Gebot des immanenten Programms, das in mir wirkte. Spielte im Moment aber keine Rolle, woher das kam. Ob es nur Ausprägung eines individuellen Charakters oder einer genetisch fixierten Routine war, die einfach ablief, ohne dass man etwas dagegen tun konnte.
Ich war mir im übrigen inzwischen auch nicht mehr sicher, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, uns vor dem Qriid-Angriff zu retten. Zumindest, wenn man das Ganze unter dem Aspekt betrachtete, dass wir vielleicht nur einen schnellen Tod durch Traser-Strahlen gegen einen langsamen durch die Natur dieses Planeten eingetauscht hatten.
Und es gab zahllose unangenehme Todesarten für jemanden, der versuchte, auf Maldena 22b ohne besondere technische Unterstützung zu überleben.
“ Hast du dir irgendwas gebrochen?”, fragte ich.
“ Ich glaube nicht”, sagte Naomi. “Raggie...”
“ Ja?”
Ich wusste, was sie fragen wollte.
Nein, eine Frage war es eigentlich nicht, was da nun kommen würde. Es war mehr ein Ausdruck dafür, dass sie sich noch weigerte, die Wahrheit zu akzeptieren. Sie war über dieses Stadium noch nicht hinaus. Ich konnte das verstehen.
“ Es lebt niemand mehr in Far Galaxy City”, sagte ich. “Jedenfalls wäre das äußerst unwahrscheinlich. Und im Dorf der Zwerge sowieso nicht. Vermutlich sind auch einige andere Siedlungen getroffen worden, die es noch gibt. Die Qriid haben wirklich ganze Arbeit geleistet...”
“ Habt ihr das gesehen?”, fragte sie.
“ Nein.”
“ Dann glaube ich es auch nicht.”
“ Naomi...”
“ Wir sollten nachsehen, ob...”
“ Das hat keinen Sinn. Wir würden uns nur unnötig in Gefahr bringen.”
Sie schwieg. Eigentlich wusste sie, dass ich recht hatte. Denn selbst sie, mit ihren Normalmenschenaugen, die nicht ganz so leistungsfähig wie meine optimierten Sehorgane sind und nichtmal die Fernsicht der Maldena-Zwerge erreichten, hatte während ihres Antigrav-Pak-Fluges genug gesehen, um die Lage einschätzen zu können. Das war ein Inferno. Ein Höllenfeuer. Und wenn man nicht hinsah, änderte das einfach nichts an den Tatsachen. Leider. Ich hätte mir nichts so sehr gewünscht, als dass das alles nicht passiert wäre, aber so war es nunmal nicht. Die Würfel waren gefallen. Leider auf eine Weise, die keinem von uns gefallen konnte.
Ich bemerkte, dass Naomi zitterte.
Das fiel nicht sofort auf, weil sie wirklich gut eingepackt war. Aber jetzt sah ich es sehr deutlich - trotz der Neopren-Maske.
“ Frierst du?”, fragte ich.
“ Nicht so schlimm”, log sie.
“ Du hast dich zu wenig bewegt.”
“ Ich bin völlig erledigt, wie soll ich mich noch bewegen?” Sie machte eine Pause. “Vielleicht war es keine gute Idee, mich mit dem Anti-Grav-Pak fort zu katapultieren. Ich bin nunmal an das Wetter auf diesem Planeten nicht so richtig gewöhnt.”
“ Dann wärst du tot”, sagte ich.
“ Ja, ich weiß”, sagte sie. “Aber das bin ich so vielleicht auch bald. Nur, dass es länger dauert.”
Wir hatten kaum unser Leben gerettet und uns wiedergefunden, da fingen die Probleme schon an.