Читать книгу Der Beginn einer kosmischen Saga: Chronik der Sternenkrieger - Der Einstiegsband: 1200 Seiten Romanpaket - Alfred Bekker - Страница 23
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Ich schaffte es, etwas an den Energiezellen und deren Einstellung zu verändern, die in Naomis Kleidung eingearbeitet waren. Sie trug Thermokleidung, die sie eigentlich warm halten sollte. Aber anscheinend hielt sie sich schon zu lange im Freien auf. Die körpereigene Wärme sollte durch die in die Kleidung eingewebten Thermoelemente eigentlich zum Großteil bewahrt werden. Ein vollständiges Recyclen der Energie geht natürlich nicht. Das Verbieten die thermodynamischen Gesetze. Aber man kann den Verlust minimieren.
Das geht allerdings nur, wenn der Körper auch noch Wärme produziert und an dieser Stelle beißt sich dann die Katze in den Schwanz, wie man, glaube ich, auf der Erde sagt. (Ich glaube, nur da ergibt dieser Satz auch irgendeinen Sinn, weil es abgesehen vom Mutterplaneten aller Menschen ziemlich wenige Orte im Universum gibt, an dem es Katzen gibt. Jedenfalls solche, die sich so eigenartig verhalten.)
"Wird es wärmer?", fragte ich.
"Wo hast du das gelernt?", fragte Naomi.
"Sowas lernt man, wenn man nicht in einem Habitat unter Erdnorm aufwächst, sondern in einer etwas weniger perfekten Umgebung, in der nicht immer alles so funktioniert, wie es soll und man sich dann zu helfen wissen muss."
"Angeber."
"Wie? "
"Trotzdem danke."
"Na, dann..."
"Es wird etwas besser. Also dies ist ja nun wirklich kein warmer Planet, aber so habe ich wirklich noch nie gefroren."
"Auf die Dauer ist das keine Lösung", sagte ich. Aber das wäre eigentlich überflüssig gewesen, denn das wussten wir beide. Aber was gab es schon für dauerhafte Lösungen unter den Umständen, die wir gerade erlebten? Ich hatte Unsinn geredet und war in dem Moment nur einigermaßen dankbar dafür, dass das offenbar niemandem aufgefallen war. Glück muss man eben haben. Selbst im Unglück.
"Die Energieversorgung wird irgendwann den Geist aufgeben, nicht wahr?", meinte Naomi.
“ Ja”, bestätigte ich.
"Und das wird früher sein, als wenn du die ursprünglichen Einstellungen belassen hättest?"
“ Das ist nicht zu vermeiden. Aber sonst kühlst du zu sehr aus.”
“ Ein Feuer machen ist wohl nicht drin, oder?”
“ Wenn du hier irgendwo etwas siehst, was sich verbrennen lässt - wieso nicht? Davon abgesehen würden wir damit aber auf uns aufmerksam machen.”
“ Die werden uns sowieso entdecken”, meinte Jorian Kelly. “Früher oder später.”
“ Dann besser später”, sagte Naomi.
“ Wenn es dunkel wird...”, begann Jorian Kelly, aber ich unterbrach ihn.
“ Wenn es dunkel wird, sind wir keineswegs sicher, denn ich gehe jede Wette ein, dass auch die Qriid so etwas wie Infrarotkameras besitzen.”
“ Und was schlägst du vor?” Der Zwerg verschränkte die kräftigen Arme vor der Brust und seine sehr buschigen Augenbrauen waren jetzt steil nach oben gerichtet. Ich fragte mich, was diese Augenbrauen wohl mit dem genetischen Anpassungsprogramm der Adaptionisten zu tun hatten. Oder ob sie überhaupt etwas damit zu tun hatten. Vielleicht war das auch einfach nur ein unbeabsichtigter Nebeneffekt. Jedenfalls gab es auf Maldena 22b nun wirklich nicht so viel Staub, dass man sich unbedingt dermaßen buschige Augenbrauen wachsen lassen musste. Aber vielleicht hatte ich auch einfach nur noch nicht kapiert, wozu die gut waren und weshalb jeder Maldena-Zwerg nur froh sein konnte, sie zu haben.
“ Keine Ahnung.”
“ Ich dachte, das gehört zu einem genetischen Überlebensprogramm: Immer eine Idee haben, immer etwas tun, immer überleben...”
“ Hörmal, ich bin zwölf und kein diensterfahrener Raumsoldat, der weiß, wie er mit einer Backe voll Atemluft im freien Weltraum überleben kann."
"Ich dachte nur, du hättest eine Idee, wie wir vielleicht doch noch am leben bleiben", sagte Jorian Kelly.
"Auf jeden Fall werden wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie wir etwas zu essen, etwas zu trinken und warme Sachen bekommen", sagte ich.
Das waren die wesentlichen Dinge, um die es immer ging. Schon bei den Homo-erectus-Horden, die vor zwei Millionen Jahren Afrika verließen, um zu sehen, ob es auch anderswo noch ein nettes Plätzchen gibt, an dem man gut leben kann.
Ich persönlich hätte auch noch eine ganze Weile ohne Nahrung und Wasser auskommen können. Auch das gehört nämlich zu meiner Gen-Optimierung. Mein Körper schaltet dann in eine Art Sparmodus, der Stoffwechsel wird auf ein Minimum reduziert. Allerdings hat das den Nachteil, dass auch weniger Energie zur Verfügung steht. Im Extremfall falle ich in eine Art Winterschlaf. Das lässt sich sogar willentlich beeinflussen, obwohl ich nie besonders gut darin war und das auch nie wirklich geübt hatte. Wozu auch? Es bestand ja nie zuvor die Notwendigkeit dafür. Aber ich weiß, dass meine Mutter ziemlich gut darin war. Zumindest wurde das erzählt. Sie hat sich ihren Stoffwechsel als Kind auf das Niveau eines katatonischen Scheintodes herabgefahren, nur um sich der Zumutung zu entziehen, bestimmte Ausbildungsprogramme durchlaufen zu müssen. Manchmal auch einfach nur, um ihren Willen durchzusetzen.
Die Erinnerungen stiegen in mir auf.
In diesem Moment hätte ich mir sehr gewünscht, dass es in meinem Leben überhaupt noch jemanden gegeben hätte, gegen den ich meinen Willen hätte durchsetzen können, ob nun durch einen todesähnlichen Winterschlaf, nerviges Teenager-Gequatsche oder einfach nur durch Geschrei, das wäre mir egal gewesen.
Ich schluckte und unterdrückte die Tränen.
Und während wir noch immer unter dem Felsvorsprung kauerten, sahen wir ein gewaltiges Luftfahrzeug durch die Atmosphäre gleiten. Einen Transportgleiter, so nahm ich an, der vermutlich von einem ihrer größeren Raumschiffe ausgeschleust worden war.
Soldaten in schweren, raumtauglichen und vermutlich servoverstärkten Kampfanzügen sprangen ab. Die Antigrav-Paks auf ihrem Rücken verhinderten, dass sie wie Steine vom Himmel fielen. Sie würden sanft landen, das stand außer Frage.
Es handelte sich offenbar um Truppen, die mit den Space Marines der Humanen Welten vergleichbar waren. Ich zählte fast einhundert Absprünge. Man konnte an den Helmen eine leichte Ausbuchtung sehen, die wohl Platz genug für die Schnäbel der Qriid bieten sollte. Und wenn man davon absah, dass ihre Knie genau andersherum einknicken ließen als es bei Menschen der Fall war und sie natürlich mit Traser-Waffen anstatt mit Gauss-Gewehren und Nadel-Strahlern ausgerüstet waren, dann gab es kaum Unterschiede. De Ähnlichkeiten waren erschreckend.
So viel unterschied uns vielleicht gar nicht von ihnen.
Dieser Gedanke war jetzt einfach da. Und obwohl er mir nicht gefiel und ich ihn eigentlich auch am liebsten aus meinem Kopf verbannt hätte, erwies er sich doch als ziemlich hartnäckig.
“ Hast du mal darüber nachgedacht, ob es nicht vielleicht das Beste wäre, sich einfach zu ergeben?”, fragte Joey.
Sie sprach Jorian Kelly an, nicht mich.
Aber ich antwortete, weil es mir einfach auf der Zunge lag und Jorian Kelly einfach etwas zu lange gebraucht hatte, um seine Gedanken zu ordnen.
“ Kommt nicht in Frage”, sagte ich. “Du kannst ihnen ja gerne entgegengehen. Die haben schon so viele umgebracht, da wird ihnen ein dickes, ungläubiges Zwergenmädchen auch nichts mehr ausmachen! Im Gegenteil.”
“ Wir sollten das als letzte Option sehen”, meinte Jorian Kelly. “Aber wirklich nur als letzte.”
“ Ich bin mir nicht sicher, ob das überhaupt eine ist”, sagte Naomi.
Und ich hatte das Gefühl, dass sie mit dieser Einschätzung richtig lag.
Irgendwie schienen sämtliche Bewohner von Maldena 22b der göttlichen Ordnung der Qriid schlicht und ergreifend im Weg zu sein. Es war gar nicht vorgesehen, dass wir ein Teil davon werden könnten. In so fern war es folgerichtig, uns zu vernichten - und nicht etwa zu einem Glauben zu bekehren, den man offensichtlich nur teilen konnte, wenn man einen Schnabel besaß.
Und das war leider bei keinem von uns Vieren der Fall. Ich fragte mich, ob die Adaptionisten es wohl zurechtbekommen hätten, sich innerhalb von ein, zwei, drei Generationen auch optisch an das Leben unter Qriid anzupassen. Möglicherweise ja. Und vielleicht war das irgendwo anders sogar schon geschehen. Schließlich hatten die Adaptionisten bereits vor der Erfindung des Sandström-Antriebs die Weiten des Alls erforscht, um sich an allen möglichen und unmöglichen Orten anzusiedeln. Es war nicht ausgeschlossen, dass vereinzelte Gruppen unter ihnen sogar schon Kontakt zu den Qriid gehabt hatten, lange bevor sich Menschen und diese vogelartigen Kriegerspezies überhaupt offiziell begegnet waren.