Читать книгу Drachenreiter und Magier: 4 Fantasy Abenteuer - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 38

4. DIE RINGWÄCHTER

Оглавление

Nachdem sie dem Gang eine Weile lang gefolgt waren, kamen sie schließlich an eine Tür. Sie war zwar ebenso wie die erste Tür, die sie überwunden hatten, aus Holz, aber nicht so alt und morsch.

Mit zwei mächtigen Hieben seiner Axt trennte der Namenlose die Scharniere und Halterungen heraus. Die brach heraus und stürzte hart auf den Steinboden.

"Ich habe euch erwartet", sagte eine dünne Stimme. Grüne Facettenaugen starrten leer und scheinbar tot auf den Namenlosen und seine beiden Begleiter.

In der Tür stand ein mannshohes Insekt.

"Du weißt, dass du gegen meine Axt nichts auszurichten vermagst, Ringwächter! Also gib den Weg frei!", krächzte der Namenlose.

Das erste Paar von insgesamt acht Gliedmaßen bestand aus furchterregenden Zangen, mit denen der Ringwächter drohend hin und her fuchtelte.

Der Namenlose schien zu allem entschlossen.

"Das Schattenland wird sich zurückholen, was ihm gehört!", rief er.

Dann holte er zu einem furchtbaren Schlag mit seiner Axt aus und lies die Waffe auf den Kopf seines Gegenübers niedersausen. Das rötliche Leuchten der furchtbaren Axt wirkte gespenstisch.

Das Insekt wollte zurückweichen und den Schlag mit seinen Scheren abwehren. Aber die schreckliche Waffe drang durch den harten Panzer des Ringwächters, als wäre dort nichts. Ein letztes Summen ging von dem Ringwächter aus. Dann folgte ein zweiter Schlag, der den Insektenkörper von oben bis unten durchtrennte und in zwei Hälften spaltete, die jede für sich zu Boden stürzten. Ein Fühler regte sich noch schwach, aber das hatte nichts zu bedeuten.

Es war ein Bild des Grauens!

"Der Weg ist frei", sagte der Namenlose jetzt und bedeutete Kryll und Norjan, ihm zu folgen.

In dem Saal, den sie nun betraten, schien sich nichts besonderes zu befinden. An den Wänden leuchteten Fackeln.

"Ist der Ring hier?", fragte Kryll.

Doch noch ehe er eine Antwort auf seine Frage bekam, vernahm er Schritte. Mehrere Türen öffneten sich und Dutzende von insektenhaften Ringwächtern strömten in den Saal.

Ihre Facettenaugen glänzten, ihre mörderischen Scheren schwangen sie hin und her.

Kryll zog mit einer raschen Bewegung sein Schwert.

Und dann war auch schon das erste Insekt mit seinen mehr als armlangen Zangen heran. Die Fühler am Kopf vibrierten leicht. Geschickt stieß der Ringwächter mit den Scheren vor und Kryll musste sein ganzes Geschick aufbieten, um diesem Angriff auszuweichen.

Stahl klirrte gegen die ebenso harten Hornscheren. Ein schier unerträgliches Summen erfüllte den Raum.

Mit wütenden Schlägen drang Kryll auf den Ringwächter vor ihm ein. Doch schon wenig später wurde er von mehreren Seiten angegriffen. Für einen kurzen Moment suchten Krylls Augen nach Norjan. Aber er sah den alten Ritter nirgends in dem Getümmel.

Die Hornpanzer, mit denen diese Wesen ausgestattet waren, waren mindestens so hart wie ein Harnisch.

Kryll war eingekreist.

Von hinten legte sich ein harter Insektenarm um seinen Hals und riss ihn zurück. Er schrie, aber sein Schrei ging im Summen der Ringwächter unter. Das Schwert wurde ihm entrissen und hornige Insektenhände griffen nach ihm.

Das Letzte, was er spürte, war etwas Hartes, das er gegen seinen Kopf bekam. Dann wurde es dunkel vor seinen Augen. Namenlose Finsternis hüllte ihn ein.

*


Kryll erwachte.

Es war still um ihn herum.

Kein Summen war zu hören.

Kryll blickte sich um und bemerkte, dass er in einem kahlen, kaum erleuchteten Raum lag.

Der König erhob sich. Seine Gedanken waren bei Norjan und dem Namenlosen. Was mochte mit ihnen geschehen sein?

Die Tür stand weit offen. Ein Ringwächter stand dort und musterte den König mit seinen kalten Facettenaugen.

Instinktiv glitt die Hand des Königs zur Seite, um zum Schwert zu greifen. Aber die Waffe war natürlich nicht mehr an ihrem Ort.

"Wo sind meine Begleiter?", fragte Kryll dann den Wächter.

Das Insekt trat näher und schwieg.

Vielleicht können nicht alle Ringwächter sprechen, dachte Kryll. Die Scheren des Wächters klapperten drohend und Kryll lief es kalt über den Rücken.

Wo waren Norjan und der Namenlose? Waren sie getötet worden? Er musste damit rechnen.

Es wunderte ihn ohnehin, dass er selbst noch am Leben war.

Der König wandte sich wieder um und setzte sich auf den Boden.Es wäre Wahnsinn gewesen, den Versuch zu unternehmen, den Wächter mit seinen mörderischen Scheren zu überrumpeln. Es blieb ihm also vorerst nichts anderes, als hier auszuharren.

Warum hat man mich am Leben gelassen?, ging es erneut durch Krylls Gedanken. Er bedachte den Wächter mit einem misstrauischen Blick. Was konnten die Beweggründe dieser seltsamen Wesen sein?

Die Ringwächter gehörten einem vielleicht schon uralten, nichtmenschlichen Volk an. Wer konnte schon ihre Motive kennen und einschätzen?

Stumm und starr stand der Wächter noch immer in der Tür. Er wirkte fast wie ein Standbild. Nur fast unmerkliche Bewegungen der Fühler erinnerten daran, dass es sich um ein lebendes Wesen handelte.

"Wo bin ich hier?", fragte Kryll jetzt den Wächter. Das Insekt wandte ein wenig den Kopf.

Aber es blieb stumm.

"Verflucht, kannst du nicht reden!", stieß Kryll wütend hervor. Er erhob sich wieder und trat auf den Wächter zu.

"Ich werde dir keine Auskünfte erteilen", sagte der Wächter nun mit seiner zirpenden Stimme.

"Warum nicht?"

Der Wächter schwieg.

In Krylls Augen blitzte es grimmig.

"Was habt ihr mit mir vor?"

"Was hattest du mit uns vor? Weshalb bist du hier eingedrungen?", kam die Gegenfrage. Kryll war gleichermaßen überrascht und ärgerlich, aber auch froh, sein Gegenüber in ein Gespräch verwickeln zu können.

"Weißt du wirklich nicht, weshalb wir hier her kamen?", fragte der König verwundert.

Der Wächter wedelte etwas mit seinen Fühlern und sagte dann: "Nein. Aber es würde mich interessieren, was ihr für Motive hattet."

Kryll ließ das unbeantwortet und überlegte kurz.

"Von mir aus kannst du alles erfahren. Aber ich knüpfe eine Bedingung daran."

"Die Bedingungen stellen wir!" Die zirpende Stimme schien jetzt sogar einen drohenden Unterton zu bekommen.

*


Der Namenlose war dem Schlachtgetümmel entgangen. Seine Axt hatte ihn gerettet. Noch während die Ringwächter Kryll und Norjan davongeschafft hatten, floh der Mann mit dem Metallkopf durch eine der vielen Türen. Er kannte seinen Weg durch das uralte Gemäuer sehr genau.

Der Namenlose schnellte durch dunkle Gänge und über steile und brüchige Steintreppen. Mehr als einmal musste er mit seiner Axt Türen aufbrechen.

Noch immer erfüllte ein unangenehmes Summen die Luft.

Dann hörte er hinter sich plötzlich das unheilvolle Klappern von Hornscheren. Blitzschnell drehte er sich herum, die leuchtend rote Axt in der Rechten.

Einer Ringwächter kam die Steintreppe empor, die der Namenlose gerade erklommen hatte.

Mit einem mächtigen Hieb tötete der Namenlose das Insekt, das auf ihn zugestürmt kam. Mit einem Krachen und einem letzten, heftigen Summen stürzte es die Stufen hinunter.

Der Namenlose empfand Abscheu, als er dem stürzenden Körper nachblickte. Dann setzte er seinen Weg fort.

Der Ring!

Der Ring war jetzt das Wichtigste!

Wieder brach er eine Tür aus ihren Halterungen und drang weiter in die Zitadelle vor.

Er kam nun in einen relativ kleinen Raum, von dem der Namenlose aber instinktiv wusste, dass hier der Ring sein musste. Er folgte einer unsichtbaren Spur, als ob eine nicht fassbare Macht ihn in die Nähe des Ringes führte. Er konnte es nicht erklären. Und er hatte auch gar nicht das Bedürfnis danach.

Vorsichtig setzte der Namenlose einen Schritt vor den anderen, während seine monströse Streitaxt heller als je zuvor leuchtete.

Einst war ihm gesagt worden, dass ein überhelles Leuchten der Axt ein Zeichen für die Anwesenheit des Ringes sein konnte.

Unwillkürlich überkam ihn ein Gefühl des Triumphes. Sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen.

Er war auf dem richtigen Weg und musste ganz nah am Ziel sein!

Aber da war unterschwellig auch so etwas wie Bitterkeit.

Nicht er würde es sein, der den Ring letztlich tragen und über seine Macht gebieten würde, sondern Kryll, von Arkull!

Nur ein gewöhnlicher Sterblicher wie Kryll würde den Ring tragen können, nur an seinen Fingern würde er seine Macht entfalten und diese seinem Träger zur Verfügung stellen - so hatte Tarak es dem Namenlosen einst gesagt.

Einen Grund dafür hatte der Herr der Schatten nicht erwähnt, aber das war nicht ungewöhnlich. Tarak pflegte selten etwas zu erklären.

Der Namenlose drang weiter in den Raum vor. Eine Säule aus Licht erschien dann an der der gegenüberliegenden Wand. Und inmitten dieser Lichtsäule leuchtete gespenstisch der Ring von Kuldan.

Der Namenlose hielt einen Moment lang inne.

Er war fasziniert und wie gebannt von diesem Anblick.

"Was willst du, Mann aus dem Schattenland, du Sklave Taraks?", fragte eine tiefe, melancholisch wirkende Stimme.

"Wer spricht da?", wollte der Namenlose wissen.

"Ich."

"Wer bist du?"

"Ich bin der Ring."

Die Lichtsäule mit dem darin eingeschlossenen Ring bewegte sich langsam auf den Namenlosen zu.

"Warum bist du gekommen, Namenloser?"

"Ich will den Ring nach Pragan holen!"

"Gibt es dort einen, der es vermag, mich zu tragen?"

"Ja."

"Wer ist es?"

"Es ist Kryll von Arkull!"

Die letzte Antwort des Namenlosen war erst nach einigem Zögern gekommen, aber das Wesen, das den Ring von Kuldan darstellte, schien dies nicht weiter zu registrieren.

"Du wirst mit mir kommen, Ring!", rief der Namenlose jetzt, die Axt drohend erhoben.

"Und wenn ich mich weigere?", kam es zurück.

"Du weißt, dass ich dich zwingen kann. Und ich habe keinerlei Hemmungen, dies auch zu tun!"

*


Die Lichtsäule des Ringes begann etwas zu flimmern. Der Namenlose stellte sich breitbeinig vor der Säule auf.

"Du wirst jetzt in meine Hand kommen, Ring! Oder ich werde dich zwingen!"

"Hör mir zu, Sklave des Schattenlandes, der du schon selbst kaum mehr als ein Schatten bist! Es ist schon Äonen her, seit mich zum letzten Mal ein Mensch an seinem Finger getragen hat. Havlu hieß dieser Mensch, der mich damals in einer Felsengruft fand. Er stammte aus einer Stadt, die heute längst versunken, einem Reich, dass längst untergegangen ist. Von dem Moment an, da mich Havlu auf seinen Finger steckte, war ich sein Sklave. Ich besaß keinen eigenen Willen mehr. Ich war ein Teil von Havlu geworden. Er nutzte meine magischen Kräfte für seine Zwecke. Ich gab ihm unvorstellbare Macht, aber er missbrauchte diese Macht, so wie er mich missbrauchte. Kryll wird nicht anders sein, als Havlu und all die anderen, die mich trugen. Aber ich will nicht wieder Sklave sein und ich will auch nicht wieder missbraucht werden! Mit meiner Hilfe errichtete Havlu ein Tor zu Welt der Schatten. Durch dieses Tor fielen die Horden des Schattenlandes über diese Welt her - wie eine Meute hungriger Wölfe! Sie waren allesamt Willenlose - ohne Gesicht und ohne Namen, denn beides sind Zeichen von unverwechselbarer Persönlichkeit. Aber Tarak, ihr Herr verweigerte ihnen das, so wie er es dir verweigert! Du bist ohne Namen, ohne freien Willen und ohne Gesicht."

"Ich bin niemandes Sklave. Ich bin nur ein Diener Taraks, aber ich besitze sehr wohl einen freien Willen!"

"Du irrst! Wie könntest du auch anders? Tarak gaukelt dir etwas vor. Er gaukelt dir vor, dass du selbst es bist, der sich entscheidet. In Wirklichkeit bist du nicht mehr als eine Puppe - und Tarak spielt mit dieser Puppe, wie es ihm beliebt! Jedenfalls war es sehr schwierig, Taraks Einfluss auf unsere Welt wieder zurückzudrängen. Ich hatte Glück, dass Havlu in einer Schlacht fiel und ich so meine Freiheit zurückgewann. Die Verbindung zum Schattenland riss ab, denn nur ich bin dazu im Stande, ein solches Tor zu errichten zwischen den Welten zu errichten!"

"Nein, Ring! Du überschätzt dich bei weitem! Du vergisst, dass du dies nur in Verbindung mit dem Spiegel von Uz kannst!", warf der Namenlose ein.

"Das ist richtig. Aber ich bin von uns beiden, dem Spiegel und mir, der stärkere Teil!"

Die Lichtsäule begann jetzt stärker zu flimmern. Der Namenlose war von diesem Anblick noch immer wie betäubt, aber er hatte nicht die Absicht, noch länger damit zu warten, den Ring von Kuldan in seine Gewalt zu bringen.

"Ich wusste, dass Tarak seine Diener ausschicken würde, um mich erneut zu versklaven. Aber diesmal bin ich vorbereitet. Diesmal werde ich kämpfen!"

Die Entschlossenheit des Ringes verwunderte den Namenlosen. Die Worte der melancholischen Stimme hallten in ihm wider.

Es ist wahr, dachte er. Ich habe weder Gesicht noch Namen...

Nein!, schrie es es dann in ihm.

Er durfte sich durch die Stimme des Ringes nicht verunsichern lassen. Er musste tun, was ihm aufgetragen war - nicht mehr und nicht weniger.

"Es hat keinen Sinn, wenn du gegen mich kämpfst! Gegen meine Streitaxt hast du keine Chance!"

Die Worte des Namenlosen klangen grimmig und wütend, aber der Ring in der Lichtsäule schien davon kaum beeindruckt. Den Namenlosen erschreckte die Selbstsicherheit dieses Wesens und in ihm loderte kalter Hass auf.

Es war letztlich der Hass gegen eine Stimme, von der der Namenlose tief in seiner Seele wusste, dass sie die Wahrheit sprach...

Der Namenlose hob seine Axt und schwenkte sie mit unglaublicher Leichtigkeit über dem Kopf.

"Warum willst du mich bekämpfen?", fragte der Ring mit seiner tiefen, melancholischen Stimme. Der Namenlose hielt in seiner Bewegung inne.

"Was willst du noch?", rief er unwirsch.

"Ich möchte, dass du die Wahrheit erkennst!"

"Du hast lange genug geredet! Jetzt müssen Taten folgen! Entweder, du unterwirfst dich freiwillig, oder ich werde dich dazu zwingen. Hast du mich verstanden?"

"Ja, das habe ich."

"Dann unterwirf dich!"

"Nein."

"Du hast es nicht anders gewollt! Ich werde dich zwingen..."

"Ich ahnte, dass eines Tages wieder jemand versuchen würde, mich zu unterwerfen, um meine Kraft zu nutzen. Diesmal habe ich vorgesorgt!"

"Pah! Ich habe deine Wächter hinweggefegt!"

"Ich spreche nicht von den Ringwächtern..."

"Aber..."

"Du wirst es noch früh genug erkennen!"

Zum ersten Mal wurde der Namenlose unsicher, was seine Überlegenheit anging.

War alles nur Gerede, dass ihn einschüchtern sollte - oder steckte tatsächlich etwas dahinter?

Der Namenlose schwang die Axt und holte zu einen fürchterlichen Schlag aus.

Die monströse, rot leuchtende Waffe drang in die Lichtsäule ein. Im gleichen Moment fuhr ein stechender Schmerz durch die Axt in die Hand des Namenlosen und durchflutete seinen ganzen Körper.

Er schrie laut auf und ließ die Axt los. Die Zauberwaffe fiel zu Boden.

"Willst du noch immer versuchen, mich zu unterwerfen, Namenloser?"

Die Stimme des Ringes hatte jetzt keine Spur mehr von Melancholie. Sie hatte einen hohntriefende, triumphierenden Unterton bekommen.

Der Namenlose empfand Verwirrung und er versuchte fieberhaft, seine Gedanken zu ordnen.

"Tarak wird dich zu bestrafen wissen!", rief er der Lichtsäule dann grimmig entgegen.

"Tarak hat keine Macht auf dieser Welt, solange es kein Tor zum Schattenland gibt", war die nüchterne Antwort des Ringes.

Der Namenlose wusste, dass sein Gegenüber recht hatte.

Was konnte er tun?

Ohne den Ring von Kuldan würde es kein Weltentor geben, das war ihnen beiden vollkommen klar.

Doch der Mann aus dem Schattenland hatte keineswegs die Absicht jetzt aufzugeben.

Der Namenlose kam ein wenig näher an die Säule heran. Er sah die Axt auf dem Steinboden liegen. Aber die Waffe war jetzt bedeutungslos, denn offenbar vermochte sie gegen den Ring nichts auszurichten.

Aber die noch immer von einem rötlichen Leuchten umgebene Streitaxt war nicht seine einzige Waffe...

Da vernahm er plötzlich wieder die Stimme des Ringes.

Ihr Klang war eisig geworden.

"Ich habe gesiegt, aber ich werde dich nicht töten. Du kannst gehen!"

"So, du glaubst also, gesiegt zu haben..."

"Geh, bevor ich es mir anders überlege und dich vollständig auslösche!"

"Du irrst dich, Ring!"

Der Namenlose legte seine Kapuze zurück, so dass der dunkle Metallkopf sichtbar wurde.

Es dauerte nur einen Augenaufschlag, dann hatte der dunkle Metallkopf die Farbe gewechselt. Er leuchtete jetzt in demselben Rot wie die Axt.

Das Leuchten wurde abwechselnd stärker und schwächer. Es war ein gleichmäßiges Pulsieren.

Ein Pfeifen ertönte. Es war ein schriller, hässlicher Laut, der jedem gewöhnlichen Sterblichen die Nackenhaare aufgestellt hätte.

Am Kopf des Namenlosen öffnete sich eine Klappe und etwas Grünes, Funkelndes kam zum Vorschein.

Die Lichtsäule des Ringes wich unwillkürlich einige Schritt weit zurück. Das Wesen, das darin wohnte, schien die Gefahr zu ahnen.

Aber der Namenlose war unerbittlich.

Er folgte der Säule.

Das Grüne Etwas, dass sich im Innern des Metallkopfes verborgen gehalten hatte, kam nun heraus und löste sich von der rötlich schimmernden Kugel.

Das Pfeifen und Schrillen stieg jetzt bis auf ein schier unerträgliches Maß.

Das grüne, formlose Etwas schwebte auf den Ring zu. Es funkelte in einem giftigen Glanz.

Ein kurzer Aufschrei war zu hören, als das grüne Funkeln die Lichtsäule des Ringes erreicht hatte. Das konnte nur bedeuten, dass der Ring Furcht hatte.

Gefühle des Triumphes durchwogten den Namenlosen.

Als grüne Funkeln in die Lichtsäule eindrang, löste sich diese mit einem Zischen in Dampf auf und der Ring fiel zu Boden.

Das funkelnde Etwas kam daraufhin zurück zum geöffneten Metallkopf des Namenlosen. Die Klappe schloß sich hinter ihm und das schrille Pfeifen hörte auf.

Der Namenlose zog sich die Kapuze wieder über den Kopf und und bückte sich dann zuerst nach seiner Axt und dann nach dem Ring.

Und es kam ihm so vor, als flüsterte der Ring ihm etwas zu.

"Eines Tages werden wir ins im Kampf wiedersehen, Namenloser! Und dann werde ich Vergeltung üben für das, was du mir jetzt angetan hast! Eigentlich sollten wir Verbündete sein, denn wir wurden beide missbraucht und wir werden auch beide nichts als Sklaven sein. Aber du bist unfähig, das zu erkennen. Du bist schon so sehr Sklave, dass es außerhalb deiner Vorstellung liegt, etwas anderes zu sein! Ein Werkzeug, dass glaubt einen eigenen Willen zu besitzen!"

Unwillkürlich schauderte der Namenlose.

Aber er hatte keine Neigung dazu, über diese Dinge weiter nachzudenken und umschloss den Ring mit seiner Faust.

*


Eilig verließ der Namenlose jenen Ort, an dem er mit dem Ring von Kuldan gekämpft hatte.

Er hatte sich die Auseinandersetzung einfacher vorgestellt.

Und vor allem hätte es nie für möglich gehalten, dass er irgend wann einmal an Taraks furchtbarer Autorität zweifeln könnte.

Aber jetzt zweifelte er - zum ersten Mal, soweit er sich erinnern konnte.

Während er geschwind durch die unzähligen Gänge der Zitadelle eilte, jagten fremde Gedanken durch seinen Kopf. Gedanken, die ihn erschrecken ließen und die er mit aller Macht zu verscheuchen suchte.

Innerlich verfluchte er den Ring und das Wesen, dass aus ihm gesprochen hatte, während seine dünnen Finger das Artefakt beinahe krampfhaft umschlossen hielten.

Der Ring hatte etwas in seine Seele hineingepflanzt, das dort jetzt zu nagen begann...

*


Der Wächter fuhr herum und fuchtelte mit seinen Scheren. Kryll spürte die Unruhe, die das Insekt erfasst hatte.

"Was ist los?", fragte der König. Aber das schweigsame Wächterwesen verweigerte ihm die Auskunft.

"Tarak!", gellte in diesem Moment der Schrei des Namenlosen durch die Luft. Noch ehe das Insekt etwas tun konnte, wurde es von der rötlich leuchtenden Streitaxt in zwei Hälften gespalten.

Hinter dem Namenlosen stand Norjan, den der Namenlose offenbar zuvor befreit hatte.

Er reichte dem König die Hand.

"Ich freue mich, dass Ihr unverletzt seid, mein König!", rief der alte Ritter aus.

"Die Freude liegt ganz auf meiner Seite, Freund Norjan!", entgegnete der König.

Der Namenlose streckte seine dürre Hand zu Kryll aus. Die Hand öffnete sich und der König sah den Ring.

Der Ring von Kuldan war zweifellos schön.

Ein rundgeschliffener, weißer Edelstein fesselte Krylls Blick.

"Stecke ihn dir an deine Hand, Kryll von Arkull!", befahl der Namenlose. Seine Stimme klang fast feierlich.

Vorsichtig tastete Krylls Hand nach dem magischen Ring. Er nahm ihn zwischen die Finger und betrachtete ihn eingehend. Und dann war ihm, als hörte er eine Stimme. "Ich werde dir Macht geben, Kryll! Aber bedenke, dass Macht ein zweischneidiges Schwert ist. Ich werde dir Macht geben, aber nicht Glück! Du solltest nicht Fehler machen, diese Dinge miteinander zu verwechseln."

Die Stimme des Ringes flüsterte und war sehr leise. Kryll verstand die Worte kaum. Verwundert zog der Augenbrauen in die Höhe.

Nichts wird mich von meinen Weg abbringen!, redete Kryll sich selbst ein.

Und dann steckte er den Ring an seine Linke.

"Jetzt bist du der Träger des Ringes, Kryll von Arkull!", sagte der Namenlose. "Ein Diener Taraks..."

"Jetzt habe ich Macht!", rief Kryll fast feierlich und mit triumphierend leuchtenden Augen. Seine Worte galten niemand anderem als ihm selbst. Er schien einen Augenblick völlig abwesend zu sei, bis schließlich Norjans Stimme in sein Bewusstsein drang.

"Wir sollten jetzt gehen!", schlug Norjan vor.

Der Namenlose schien derselben Meinung zu sein und nickte.

Als sie dann durch die langen, düsteren Gänge und die großen Säle der Zitadelle eilten, trafen sie auf keinen Ringwächter mehr.

Sie waren wie vom Erdboden verschluckt.

Kryll erschien dies als ziemlich merkwürdig.

"Wo mögen die Wächter geblieben sein?", wandte er sich an den Namenlosen, der vielleicht mehr wusste.

"Sie sind fort!", kam die Antwort. "Sie waren Geschöpfe des Ringes. Als du den Ring auf deinen Finger gesteckt hast, wurde er dein Sklave. Die Geschöpfe, die der Geist des Ringes schuf, verschwanden zwangsläufig."

Der König verstand nur zum Teil, was der Namenlose damit meinte, aber er fragte nicht weiter.

Der König war froh, als sie die Zitadelle schließlich verlassen hatten und sich wieder an Bord der GEEDRA befanden.

Der Ring glitzerte in einem unheimlichen Licht an seiner Hand und Kryll lächelte unwillkürlich.

Er war seinem Ziel ein gutes Stück nähergekommen.

"Kraynar!", rief er dem Steuermann der GEEDRA zu.

"Was wünscht Ihr, mein König?", kam es zurück.

"Wir brechen auf!"

"Wohin, mein König?"

"Es geht nach Uz!"

Krylls Stimme zeugte von Entschlossenheit.

Und das glitzernde Etwas an seiner Hand gab ihm zusätzliche Sicherheit.

Die nagenden Zweifel schienen verschwunden.

"Aber meint Ihr nicht auch, dass wir erst einmal frischen Proviant an Bord nehmen sollten?", meinte Kraynar dann. "Nach Uz ist es eine lange Reise..."

Doch der König schüttelte energisch den Kopf.

"Proviant können wir auch in Azhaven oder Shua kaufen. Wir müssen uns beeilen! Brechen wir sofort auf!"

Der Steuermann nickte gehorsam.

Die Taue wurden losgemacht und schon wenig später segelte die GEEDRA entlang der felsigen Nordküste von Thark.

Drachenreiter und Magier: 4 Fantasy Abenteuer

Подняться наверх