Читать книгу Drachenreiter und Magier: 4 Fantasy Abenteuer - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 40

Оглавление

1. DIE GLÄSERNEN DÄMONEN


Die GEEDRA segelte an den großen tharkischen Städten Cronth und Ralan vorbei und passierte dann den großen Fjord von Waico.

Sie erreichte das Land Az im Nordosten.

In Azhaven, der Hauptstadt, machte man kurz Halt, um Vorräte einzukaufen.

Dann ging die Reise weiter die azische Küste entlang, vorbei an der Stadt Shua.

Das Wetter war gut, die See spiegelglatt. Nur hin und wieder waren Wolken am Himmel zu sehen.

Die Tage gingen dahin, während die GEEDRA ihren Weg nach Süden fortsetzte. Kryll stand zumeist am Bug des Schiffes und blickte zum Horizont, so als könnte er es kaum erwarten, dass sie endlich Uz erreichten.

So stand er auch jetzt wieder dort und blickte mit in sich gekehrtem Blick hinaus.

Norjan trat in diesem Moment an den König heran und deutete auf den glitzernden Ring mit dem weißen Juwel.

"Habt Ihr die Macht des Ringes bereits auszuprobieren versucht?", erkundigte sich der alte Ritter.

Der König schüttelte den Kopf.

"Der Namenlose sagt, dass mir der Ring schon helfen würde, wenn es notwendig sei. Der Ring ist eine Art vernunftbegabtes Wesen..."

"Das ist alles?"

Kryll zuckte mit den Schultern.

"Ich habe den Eindruck, dass der Namenlose mir einiges verschweigt."

"Könnt Ihr ihn nicht zwingen, Euch alles zu sagen, was er weiß, mein König?"

Der Namenlose stand am Heck und wandte ihnen den Rücken zu. Kryll bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick.

Olkyr trat jetzt zu Kryll und Norjan. Er trug noch immer einen Verband, der die Wunde bedeckte, die der Locori ihm geschlagen hatte.

Er deutete zum Horizont.

"Seht dort!", forderte er.

Die Blicke der anderen folgten seinem Arm.

"Ein Schiff...", murmelte Kryll.

"Seht Euch das Wappen am Segel genau an", meinte Olkyr.

Kryll kniff die die Augen zusammen.

"Ein Drachen!"

Olkyr nickte.

"Ja, ganz recht! Ein siebenköpfiger Drachen!"

Die Männer waren einen Moment lang wie erstarrt.

Der siebenköpfige Drachen war das Symbol der Koroi, einem seefahrenden Volk, über das nicht viel bekannt war.

Nur eins ließ sich mit Sicherheit sagen: dass es sich um ein uraltes, nichtmenschliches Volk handelte.

Vor Äonen, als die Erde noch nicht von Menschen besiedelt gewesen war, hatten die Koroi mächtige Reiche besessen, aber davon waren nur noch vereinzelte Ruinen zu finden.

Es gab Stimmen, die behaupteten, dass die Koroi die Insel Dalara und Teile des Eislandes im Süden bewohnten. Aber das wusste niemand genau.

Die Letzten der Koroi waren zu Piraten geworden, die die See blutig färbten und überall gefürchtet waren...

"Verfluchte Koroi", murmelte Norjan furchterfüllt und wandte sich an Kryll. "Wir müssen etwas tun!"

Die GEEDRA glitt schnell über die See, aber das Koroi-Schiff folgte ihr. Es holte beständig auf und die Männer der GEEDRA blickten immer öfter mit Besorgnis zum Horizont.

Krylls Hand legte sich um den Schwertgriff.

Er hatte nicht die Absicht, einen Haufen dahergelaufener Koroi-Piraten zwischen sich und sein hochgestecktes Ziel treten zu lassen!

Er hatte den Ring von Kuldan und mit dem Ring würde er die Koroi besiegen können! Dieser Gedanke jagte wie ein greller Blitz durch seinen Kopf. Kryll betrachtete das funkelnde Etwas an seiner Hand.

Immer näher kam das Schiff der Koroi.

Kryll sah bleiche, vierarmige Gestalten.

Die Köpfe wurden gekennzeichnet von jeweils drei roten Augen.

Unterdessen war das Koroi-Schiff schon gefährlich nahe herangekommen. Es konnte kaum noch einen Zweifel daran geben, dass die GEEDRA geentert werden sollte.

Ring, warum tust du nichts?, fragten Krylls Gedanken, aber der Ring von Kuldan zeigte nicht die geringste Reaktion.

Die Koroi schwenkten ihre Schwerter und riefen den Männern der GEEDRA ihre Schlachtrufe in einer längst vergessenen Sprache zu.

Plötzlich fühlte Kryll, wie der Ring an seiner Hand zu pulsieren begann. Eine seltsame Kraft strömte von ihm aus und durchflutete seinen gesamten Körper.

"Was soll geschehen?", schien der Ring zu wispern.

Kryll starrte den Ring wie gebannt an.

"Was kannst du tun?", fragte Kryll zurück.

"Ich kann Illusionen erschaffen. Tödliche Illusionen, die in gewisser Hinsicht ebenso real wie Wirklichkeit sind. Wer sie nicht als Trugbilder erkennt, stirbt an ihnen!"

"Dann hetze deine Trugbilder auf die Koroi!"

Krylls Worte waren ein Befehl.

Und der Ring gehorchte.

Das Wasser spritzte plötzlich zu hohen, merkwürdig gestalteten Wellen auf - Wellen, die kein Wind der Welt je so hätte auftürmen können!

Aus den Wellen formten sich innerhalb weniger Augenblicke Gestalten, die entfernt an menschliche Körper erinnerten. Wie gläserne Dämonen sahen sie aus. In ihren Händen hielten sie durchsichtige Schwerter, die Sonnenlicht brachen.

Auf Seiten der Koroi waren jetzt die ersten Schreie des Entsetzens zu hören.

Die ersten Glasdämonen, die Kryll mit dem Ring zum Leben erweckt hatte, erklommen bereits die Schiffswand des Koroi-Seglers.

Sie sprangen an den Deck und stürzten sich auf vierarmigen Koroi. Kryll, der dies von der GEEDRA aus beobachtete, konnte kaum glauben, dass die Wesen, die aus dem Wasser emporgestiegen waren, nichts als Trugbilder sein sollten!

Sie müssen mehr sein als das!, durchzuckte es ihn.

Mit wuchtigen Hieben ihrer gläsernen Schwerter töteten die Wassermenschen einen Koroi nach dem anderen. Diese wehrten sich so gut sie konnten, aber es blieb ihnen letztlich nichts anders, als vor der Masse der Angreifer zurückzuweichen, die von allen Seiten die Schiffswände erklomm.

Schreie des Entsetzens gellten über das Meer zur GEEDRA hinüber. Es waren Todesschreie.

"Ist es nicht faszinierend, wie die Dämonen des Ringes unsere Feinde besiegen?", hörte Kryll den Namenlosen sagen.

Kryll selbst konnte diesem grausamen Schauspiel nicht die geringste Faszination abgewinnen.

Als die Wasserwesen den letzten der Koroi getötet hatten, sprangen sie zurück ins Wasser und lösten sich in ihm auf.

Ein Schauder lief über Krylls Rücken, während er das Koroi-Schiff führerlos umhertreiben sah. Es war eine gewaltige, kaum vorstellbare Macht, die ihm durch den Ring in die Hände gelegt war...

"Ich hoffe nur, dass unsere magischen Helfer immer auf unserer Seite kämpfen", meinte Norjan. "Wenn es einmal anders kommen sollte - dann mögen uns die Götter gnädig sein."

Kryll verzog den Mund zu einem dünnen Lächeln.

"Ich bin der Herr und der Ring ist mein Diener, Freund Norjan! Ihr könnt völlig unbesorgt sein!"

*


Die GEEDRA erreichte schließlich nun die Küste von Garam. Am Horizont sahen sie die Türme und Zinnen von Städten wie Lomoi oder Dagana.

Die Winde kamen günstig und so ging es schnell südwärts, ihrem Ziel entgegen.

Im garamitischen Hafen Koras legte man dann erneut an, um Nahrungsmittel an Bord zu nehmen. Aber schon bald ging es weiter.

Gerade hatte man Garhaven hinter sich gelassen, da war plötzlich ein Kreischen aus der Luft zu hören.

Die Männer blickten sich um und sahen einen schneeweißen, riesenhaften Vogel, der würdevoll seine Kreise zog.

Der weiße Vogel...

Ein Unbehagen überkam Kryll.

Es war ein weißer Vogel, der erschreckende Ähnlichkeit mit jenem Vogel besaß, den der Namenlose vom Himmel geschossen hatte...

'Du wirst großes Unglück über die Welt bringen!', hallte die Warnung des weißen Vogels in ihm wider.

Das Tier kam näher und näher und es war Kryll so, als würde es nun nicht mehr kreischen, sondern zu ihm sprechen.

"Kryll! Kehrt um, Kryll von Arkull! Werft den Ring von Euch! Der Ring bedeutet Macht, aber er wird sie Euch eines Tages auch wieder nehmen! Und haltet Euch von dem Spiegel von Uz fern! Der Spiegel bedeutete Wissen, aber Wissen bedeutet nicht Weisheit und so wird er Euch dabei helfen, Euch selbst und die Welt uns Unglück zu stürzen!"

"Gebt mir einen Bogen! Ich werde den Vogel erlegen!", hörte Kryll im Hintergrund den Namenlosen rufen.

Und dann wandte er sich herum und entriss einem der Männer den Bogen. Der Mann aus dem Schattenland legte einen Pfeil ein.

"Halte ein!", rief Kryll durchdringend. Aber der Namenlose ließ den Bogen nicht sinken.

Er schien nicht weiter auf den Befehl des Königs zu warten!

Krylls Mund verzog sich grimmig.

"Halt habe ich gesagt und wenn du meinem Befehl nicht Folge leistest, dann werde ich alle Geister und Dämonen auf dich hetzen, die ich mit diesem Ring zu beschwören vermag!"

So hat er noch nie geredet, dachte Norjan mit Verwunderung, in die sich zugleich eine gute Portion Erschrecken mischte. Wie konnte nur eine solche Wandlung im Wesen des Königs vor sich gegangen sein?

Der Namenlose ließ den Bogen sinken.

"Warum soll ich den Vogel nicht töten?", fragte er.

"Weil ich es dir sage!", war die harte Antwort.

"Der Vogel ist gefährlich."

Diese Worte hat er schon einmal gesagt, dachte Kryll. Aber der König war nicht bereit, in dieser Situation nachzugeben.

Es ging darum, wer auf der GEEDRA das Sagen behalten sollte...

Bisher war es der Namenlose gewesen, aber Kryll hielt die Gelegenheit für günstig, die Herrschaft zurückzugewinnen.

"Leg den Bogen aus der Hand!", zischte der König.

Aber der Namenlose reagierte nicht.

Seine dunkel und leer wirkende Kapuze schien Kryll nur vorwurfsvoll anzustarren.

"Du wirst mir gehorchen!", rief Kryll bestimmt.

"Ich bin niemand anderem als Tarak zu Gehorsam verpflichtet!"

Zwei der Glasdämonen, die der Ring zu beschwören vermochte, entstiegen jetzt dem Wasser, erklommen die Reling der GEEDRA und stellten sich mit ihren durchsichtigen Schwertern zu beiden Seiten des Namenlosen, der erschrocken herumwirbelte.

"Was soll das?", rief er grimmig. Dann beruhigte er sich ein wenig. "Du wirst mich nicht töten, Kryll, denn du brauchst mich noch. Falls du deine Dämonen auf mich loshetzt, so bedenke, dass ich eine Zauberaxt besitze..."

"Auch dein Arm wird erlahmen, Namenloser", erwiderte Kryll kühl.

"Die Arme der Schattenwesen erlahmen nie, Kryll!"

Krylls Blick ging wieder zu dem weißen Vogel, der noch immer seine Kreise hoch über der GEEDRA zog. "Traue dem Namenlosen nicht! Traue dem Ring nicht! Traue Tarak nicht! Und traue dem Spiegel nicht!", rief das seltsame Tier zu dem König herab.

Der Namenlose wandte den Kopf ebenfalls nach oben. Er schien diese Worte auch gehört zu haben.

"Warte nur...", zischte er wütend. Er legte den Bogen blitzschnell an.

"Halt!"

Kryll war herbeigesprungen und hatte dem Schattenmann die Waffe entrissen.

"Du wirst dieses Tier am Leben lassen!"

"Es ist gefährlich!"

"In wie fern? Das hast du mir noch immer nicht gesagt."

Der Namenlose schwieg.

Es ist dieselbe Stimme und es scheint auch dasselbe Tier zu sein, dass der Namenlose mit seinem Pfeil durchbohrte!, überlegte Kryll. Gewöhnliche Waffen schienen diesem Wesen nicht viel anhaben zu können.

Kryll wandte sich um und schleuderte den Bogen über Bord. Hinter sich vernahm er das leise Fluchen des Namenlosen. Noch ein paar Kreise zog der Vogel und flog dann gen Horizont davon.

"Du hast eben einen großen Fehler begangen", raunte der Namenlose dem König zu. Doch Kryll zuckte nur mit den Schultern.

Drachenreiter und Magier: 4 Fantasy Abenteuer

Подняться наверх