Читать книгу Florentine Blix (1). Tatort der Kuscheltiere - Alice Pantermüller - Страница 11
Оглавление»Das wird alles ganz easy-peasy. Wirst schon sehen«, hat Papa gesagt und mein Trinkglas weggestellt, damit ich es nicht aus Versehen umwerfe. In dem Glas war Leitungswasser mit Limettensirup. Ich trinke kaum was anderes (auch nicht Papas Smoothie mit Gurke, Spinat und Grünkohl. Den mag ich einfach nicht, obwohl Grün meine Lieblingsfarbe ist). »Schon in einer Stunde ist alles wieder so wie immer.«
Papa war wie immer tiefenentspannt, aber er ist ja auch ein langhaariger Hippie.
Ich bin allerdings fast geplatzt. Das war aber auch kein Wunder, wenn an einem einzigen Morgen schon so viel falsch läuft wie an diesem 31. August zwischen sechs Uhr fünfundfünfzig und sieben Uhr achtundzwanzig:
Die Schule mag ich schon normal nicht. Ich meine, wenn sie so ist wie immer. Dort gibt es nämlich deutlich zu viele Menschen und das meiste, was die von einem wollen, ist überflüssig oder verwirrend.
Aber direkt nach den Sommerferien ist es noch viel schrecklicher. Auf meiner Farbskala von Lindgrün bis Glutrot sind erste Schultage Feuerlöscher-Tage. Meistens gibt es neue Lehrer und auch neue Klassenzimmer, und ich weiß vorher nicht, ob ich wieder meinen Sitzplatz bekomme.
Deshalb bin ich schon mit einem richtig miesen Gefühl in meinem Körper aufgewacht. Und dann haben meine T-Shirts so komisch gerochen, dass ich sie nicht anziehen konnte.
»Ich habe ein neues Waschmittel gekauft«, hat Mama erklärt. »Von Green Life mit Eukalyptusduft.« Sie ist auch ein Hippie, so wie Papa.
Wahrscheinlich kauft sie deswegen gern antibürgerliche Waschmittel, die es nur im Eine-Welt-Laden gibt. Doch als sie gemerkt hat, dass ich auf keinen Fall T-Shirts mit Eukalyptusduft anziehen kann, hat sie mir sofort beim Suchen geholfen. Als Erstes hat sie ein paar T-Shirts ganz unten aus dem Stapel gezogen, die noch mit dem alten Waschmittel gewaschen waren. »Warum trägst du nicht mal das hier von Oma Bärbel? Das ist noch wie neu.«
Aber ich hab nur auf das T-Shirt gestarrt und nichts gesagt. Weil ich nicht weiß, warum ich ein und dieselbe Frage mehrmals beantworten soll.
Das T-Shirt von Oma Bärbel war weiß mit Glitzer und einem Bild vom Eiffelturm drauf und dabei trage ich nur Grün:
Weiß geht nur, wenn das T-Shirt grün-weiß gestreift ist. Überhaupt sind Streifen in Ordnung, aber keine Punkte, Sprüche, Glitzer oder Bilder von Eiffeltürmen. Und das weiß Mama genau.
Es hat also viel zu lange gedauert, bis ich endlich ein altes grünes T-Shirt gefunden hab und in meine Hose geschlüpft bin. Ich ziehe nur Hosen an, die unten ein Bündchen haben, weil ich es nicht mag, wenn der Hosenstoff um meine Knöchel schlabbert. Die Hose war grünbraun und in den Ferien so kurz geworden, dass meine Knöchel rausgeguckt haben. Aber das war nicht schlimm, weil ich sowieso immer Stiefel trage, sobald ich das Haus verlasse.
Leider war es inzwischen schon sieben Uhr neunzehn und normalerweise gehe ich um sieben Uhr fünfzehn zum Frühstück. Deshalb war ich kurz davor, mich aufzuregen, und da hat Mama schnell angeboten, dass sie meine Brote macht. Das fand ich nett und sehr hilfreich in dieser Situation.
Ich esse jeden Morgen zwei Scheiben Bio-Dinkel-Crisp-Brot mit jeweils einer Scheibe Esrom drauf. Das ist ein Käse, und der passt genau auf die Brote.
Aber als ich in die Küche kam, hatte Mama die Scheiben so daraufgelegt, dass sie über den Rand hingen. Währenddessen hat sie sich mit Papa und meinem Bruder unterhalten und alle haben durcheinandergeredet. Jemand hatte Marmelade auf den Tisch gekleckert und überhaupt war in dieser Hippie-Küche gar nichts in Ordnung.
Da habe ich die Augen geschlossen, ganz tief durchgeatmet und im Kopf bis zehn gezählt. Auf Dänisch.
»Deine Hose sieht cool aus«, hat Emilian dann gesagt und einen Daumen in die Höhe gereckt.
Cool? Meinte er das wirklich so? Oder wollte er mich schon wieder ärgern? Ich kann nämlich nicht immer erkennen, ob mein Bruder freundlich sein will oder nicht – obwohl er inzwischen eindeutig netter geworden ist als früher. Deshalb hab ich mich nur an meinen Platz am Tisch gesetzt und den Käse richtig aufs Bio-Dinkel-Crisp-Brot geschoben.
»Vielleicht sind die anderen immer noch wütend auf mich«, hab ich dann gesagt und die linke Brotscheibe angeguckt.
»Ach was!«, hat Mama schnell behauptet. »Bestimmt ist längst Gras über die Sache gewachsen.«
Da hab ich hochgeschaut, und zwar genau auf Mamas Nasenspitze. »Welches Gras?« Ich verstehe sie manchmal einfach nicht.
»Es ist doch schon so lange her«, hat sie weitergeredet. »Zwei Monate. Bestimmt haben die anderen längst alles vergessen.«
»Neun Wochen und fünf Tage«, habe ich ihr erklärt. »Und bestimmt haben sie nichts vergessen. Bestimmt sind sie immer noch böse. Auf jeden Fall Nils und Aaron. Schließlich sind sie Robins Freunde.«
»Dann solltest du in Zukunft eben niemanden mehr verpetzen«, hat Emilian sich eingemischt. »Nur so als guter Tipp. Niemand mag Petzen.«
»Aber er hat die Aufgaben der letzten Mathearbeit aus der Tasche von Frau Barke geklaut«, habe ich erklärt, und diesmal hab ich meinem Bruder direkt in die Augen geschaut. »Und dann hat er sie an seine Mitschüler verkauft. Das darf man nicht. Das ist kriminell. Und außerdem nicht gerecht gegenüber den Schülern, die gelernt haben.« Warum bekommt man Ärger, wenn man das Richtige tut? Das ist doch nicht fair! Schließlich wissen auch alle anderen in meiner Klasse, dass man so etwas nicht darf.
Aber sie haben so getan, als wäre es meine Schuld, dass Robin sehr viel Ärger bekommen hat. Dass er sogar sitzen geblieben ist. Ungefähr zwei Fünftel meiner Klasse waren vor den Sommerferien wütend auf mich. Und das ist ein weiterer Grund dafür, warum es sich nicht gut anfühlte, dass ich heute wieder in die Schule gehen muss.
Leider geht meine beste Freundin Maja nicht in meine Klasse. Sie geht nicht mal auf dieselbe Schule wie ich, sondern auf die Kurt-Tucholsky-Schule.
An Tagen wie diesen finde ich das besonders schlimm. Genauer gesagt: tomatenrot.
Mama wollte Emilian und mich mit dem Auto zur Schule fahren. Mit unserem Bulli. Das ist ein schon ziemlich alter Kleinbus (in Türkis und Eierschalenfarben und mit Blumenaufklebern drauf).
Leider kann Mama uns nicht immer mitnehmen, weil sie Ärztin ist und ständig zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten muss. Sie ist sehr interessiert daran, dass alle Menschen Zugang zu medizinischer Versorgung bekommen. Deshalb hat sie früher auch eine Zeit lang in Afrika gearbeitet. Das war allerdings, bevor Emilian und ich geboren wurden.
Meine Tante Annerose (Mamas ältere Schwester) ist der Meinung, dass solch ein Beruf nicht zu einem Hippie passt. Wegen der weißen Kittel und der Hygiene. Aber Tante Annerose mag sowieso keine Hippies, glaube ich.
Ich persönlich finde Mamas Beruf jedoch interessanter als den von Papa. Der arbeitet nämlich in so einer Werkstatt, wo er mit den Bewohnern einer betreuten Einrichtung sozialpädagogische Vogelhäuschen baut.
Als ich nach dem Frühstück in mein Zimmer gegangen bin, um meine Schultasche zu holen, war ich noch immer so nervös, dass ich über den großen Müllsack mit meinen Kuscheltieren gestolpert bin. Ich hatte all die Hunde, Bären und Kalmare da reingesteckt, um sie zum Krankenhaus zu bringen. Dort gibt es nämlich viele kranke Kinder, denen es nicht gut geht, und Mama hat mir vorgeschlagen, denen meine Kuscheltiere zu spenden.