Читать книгу Florentine Blix (1). Tatort der Kuscheltiere - Alice Pantermüller - Страница 22

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Als ich an diesem Tag ins Bett gegangen bin, hatte ich bestimmt schon fünfhundert Mal auf mein Smartphone geguckt, doch über die letzten Stunden hatte sich in meinem Häuschen nichts Verdächtiges geregt. Trotzdem war mir noch immer ziemlich merkwürdig zumute. Irgendetwas war anders als sonst … und zwar irgendwas, was gar nichts mit dem Eindringling in meinem Haus zu tun hatte. Es hat sich eher so angefühlt, als ob … also, fast hatte ich das Gefühl, nicht allein in meinem Zimmer zu sein.

Das war natürlich Unsinn. Hier war niemand außer mir, auch nicht im Kleiderschrank, als ich hineingeguckt hab. Und erst recht nicht unter meinem Bett.

Zum fünfhundertundersten Mal hab ich auf mein Smartphone geschaut, doch mein Häuschen lag still und dunkel in der Abenddämmerung, eingebettet in rankendes Gestrüpp wie bei Aschenputtel (oder wie die heißt).

Also habe ich das Handy auf meinen Schreibtisch gelegt, das Licht gelöscht und bin ins Bett geschlüpft. Anschließend hab ich die Decke bis zum Kinn hochgezogen und die Augen geschlossen.

Dann habe ich sie wieder geöffnet und an die Decke gestarrt, die so grau war wie alles im Zimmer abends um Punkt einundzwanzig Uhr. Draußen war alles ruhig, aber in meinem Kopf herrschte Alarmstufe Rot.

Wer war in meinem Hauptquartier gewesen? Und warum?

Beim Gedanken daran, dass jemand die Ordner mit meinen Fällen durchwühlt haben könnte, wurde mir so übel wie damals vor acht Jahren, als Oma Bärbel mich gezwungen hatte, zu ihrem sechzigsten Geburtstag das rosa Rüschenkleid anzuziehen. Die Ordner sind nämlich wichtig. Meine Fälle sind wichtig. Seitdem ich vor vier Jahren und elf Monaten meinen ersten Ordner angelegt habe, ist es in meinem Kopf viel übersichtlicher geworden. Und zwar weil es mich beruhigt, mysteriöse Vorkommnisse aufzuklären und sie dann ordentlich wegzuheften.

Aus dem Grund brauche ich meine Ordner und Listen und auch die Gespräche mit Maja … weil sie so vieles so gut erklären kann. Und ich brauche mein Hauptquartier für all meine Sachen – und weil nur dort niemand komische Fragen stellt.

Ohne mein Häuschen hätte ich bestimmt noch nicht so viele Fälle gelöst. Und ich habe wirklich schon einiges herausgefunden:


Außerdem ist es Hausfriedensbruch, wenn man unerlaubt in ein fremdes Gebäude eindringt.

Im selben Moment musste ich wieder an den Einbrecher denken. Ruckartig hab ich mich hingesetzt, nach meinem Smartphone getastet und ein weiteres Mal das Kamerabild aufgerufen. Nichts. Alles war still.

Ich habe mich wieder hingelegt, doch das merkwürdige Gefühl blieb. Das Gefühl, dass ich nicht allein war. Dass mich jemand beobachtete. Es nützte auch nichts, die Augen zu schließen, sie gingen immer wieder von allein auf.

KAN DU HJÆLPE BO?

»Was?« Wie eine Rakete bin ich hochgeschossen und hab in mein dämmerig-graues Zimmer gestarrt. »Ist da jemand?« Schon wieder hat mein Herz so angefangen zu rasen, dass es mir rot in den Ohren gerauscht hat. Blinzelnd habe ich den Schatten meines Kleiderschranks angestarrt, dann hab ich schnell das Licht angemacht. Natürlich war niemand da.

Trotzdem hatte ich noch immer diese Stimme im Ohr. Die Stimme eines Mannes oder vielleicht auch Jugendlichen, der dänisch mit mir gesprochen hatte.

An dieser Stelle sollte ich erwähnen, dass mein Dänisch nicht besonders gut ist, obwohl ich die Sprache seit dreihundertsiebenundfünfzig Tagen lerne. Dennoch hatte ich diesen Satz aus der Dunkelheit meines Zimmers sofort verstanden. Kannst du Bo helfen? Nervös hab ich mich geräuspert, dann hab ich den Kleiderschrank mit ziemlich dünner Stimme gefragt: »Warum? Was ist denn? Warum soll ich ihm helfen?«

Der Schrank hat nicht geantwortet.

»Was soll ich machen?«

Ich meinte, einen leichten Eukalyptusduft wahrzunehmen, doch ansonsten zeigte der Schrank keine Regung. Das war ja auch logisch. Was hätten ein paar Holzbretter schon tun sollen?

Es war albern. Ich musste geträumt haben. Ja, genau, wahrscheinlich war ich doch schon kurz eingenickt, ohne es zu bemerken, und der dänische Satz hatte sich in meine Träume geschlichen. Wahrscheinlich war ich nur verwirrt von den Ereignissen des vergangenen Tages.

Entschlossen hab ich das Licht gelöscht, mich hingelegt und die Augen zugepresst.

Doch mein Gehirn blieb hellwach. Du hast nicht geträumt, hat es mir zugeflüstert. Erinnerst du dich nicht?

Und da habe ich mich erinnert. An ein paar besonders seltsame Dinge in meinem Leben, die ich versucht hab zu vergessen – weil sie mir immer das Gefühl gegeben haben, anders zu sein. Irgendwie nicht normal.

Gedächtnisprotokoll Florentine Blix

(seltsame Ereignisse):

•Mit vier Jahren hatte ich einen (ganz echten!) Freund namens Heinz, von dem meine Eltern einfach behauptet haben, ich hätte ihn mir nur eingebildet (was aber gar nicht schlimm gewesen sein soll, weil viele Kinder in dem Alter einen unsichtbaren Freund haben).

•Mit sechs Jahren hab ich mein damaliges Lieblingsbuch „Dinosaurukset“ zum ersten Mal von vorn bis hinten durchgelesen – aber Mama und Papa haben behauptet, ich hätte nur die Bilder angeguckt und hätte all die Informationen aus einem anderen Buch – weil es nämlich auf Finnisch war.

•Mein Opa Kurt hat auf seiner eigenen Trauerfeier vor fünf Jahren in der Kirche neben mir gesessen. Aber Mama hat behauptet, das hätte sich nur so angefühlt, weil ich ihn so vermisst habe.


•Im Laufe mehrerer Jahre hab ich in unserem Gemüsebeet immer mal wieder Ananas, Käsewürfel und Eier geerntet anstatt Salat und Zucchini. (Vielleicht hat Emilian die aber auch nur da versteckt, um mich zu ärgern.)


Doch vor allem musste ich an die dänische Stimme denken, die ich noch immer in meinem Kopf hören konnte. Sie hatte ziemlich real geklungen. Und, um ehrlich zu sein, wusste ich ganz genau, dass ich noch nicht das geringste bisschen geschlafen hatte.

Ich musste dringend gleich morgen mit Maja darüber reden.

Aber vorher noch musste ich Bo Ture Tordenskjold fragen, ob ich ihm helfen kann.

Florentine Blix (1). Tatort der Kuscheltiere

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