Читать книгу Florentine Blix (1). Tatort der Kuscheltiere - Alice Pantermüller - Страница 27
ОглавлениеLeider ist es nicht leicht, unsichtbare Stimmen zu ignorieren, wenn gleichzeitig so viele merkwürdige Dinge um einen herum passieren. Wie heute Nachmittag zum Beispiel, als ich aus der Schule gekommen bin. Wir hatten acht Stunden, sodass ich erst um fünfzehn Uhr zweiundzwanzig zu Hause war. Als Allererstes bin ich in mein Zimmer gegangen, das im Erdgeschoss liegt, um meinen Schulrucksack an den Haken am Schreibtisch zu hängen und ein bisschen Ruhe zu haben. Und da hab ich ihn gesehen: Oktopus nämlich.
Eins meiner ehemaligen Kuscheltiere, und zwar ein Kalmar (auch wenn auf dem Schild, das an einem seiner Tentakel befestigt war, als ich ihn bekam, OKTOPUS stand.)
Ich frage mich wirklich, was in Leuten vorgeht, die Kuscheltiere produzieren, obwohl sie gar keine Ahnung davon haben. Schließlich hat ein Kalmar zehn Arme und nicht nur acht wie ein Oktopus. Und außerdem GESTIELTE SAUGNÄPFE.
Oktopus besteht aus einer Art Frotteestoff, der sich ganz okay anfühlt. Deshalb durfte er früher manchmal in meinem Bett übernachten.
Das traf auf die siebzehn anderen Kuscheltiere nicht zu, die ich in meinen ersten Lebensjahren von allen möglichen Leuten geschenkt bekommen habe. Hundi, der Hund (von meiner Tante Annerose), Bär, der Bär (von Oma Bärbel), selbst das Mammut, das eigentlich ein Elefant sein sollte … alle hatten solch ein knisterndes und kitzelndes Polyesterfell, dass sie die längste Zeit ganz hinten in meinen Kleiderschrank verbracht haben.
Und nun war Oktopus wieder da, und das, obwohl all meine Kuscheltiere doch gestern von der Hollywoodschaukel verschwunden waren. Er klebte mit sternförmig ausgestreckten Tentakeln an meiner Fensterscheibe wie ein echter Kalmar an der Wand des Aquariums. Erst als ich näher herangetreten bin, habe ich gesehen, dass seine zehn Fangarme mit dünnen Bindfäden von außen am Fensterrahmen befestigt worden waren.
Aha. Das war ja jetzt interessant. Sollte das eventuell eine Botschaft sein? Ein Zeichen? Oder sogar eine Warnung? Aber wer wollte mir etwas mitteilen? Und was überhaupt?
Hatte es mit dem Eindringling in meinem Häuschen zu tun? Mit der unsichtbaren Stimme, die mich gefragt hatte, ob ich Bo helfen könne?
Oder mit Bo Ture selbst?
Hm. Nachdenklich habe ich Oktopus angeguckt, der wie gekreuzigt an meinem Fenster hing. Ich konnte mir seine Anwesenheit dort nicht erklären. Noch nicht. Nur eines war sicher: Ich steckte inzwischen in einem wirklich interessanten Fall!
In der nächsten Sekunde hatte ich bereits mein Smartphone in der Hand, um Maja anzurufen. Doch wie meistens ging bei ihr zu Hause niemand ans Telefon.
Das war ärgerlich. Schließlich waren hier seit gestern mehrere merkwürdige Dinge vorgefallen, die ich unbedingt mit ihr besprechen musste.
KUCKUCK!
Ich hatte meinen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da stand Maja hinter mir im Raum. Schon wieder. Das passiert ja öfter mal, vor allem, wenn Mama sie vorher reingelassen hat.
»Maja!«, hab ich erfreut gerufen und sie flüchtig umarmt. »Gut, dass du da bist. Ich brauche nämlich deine sachdienliche Meinung …« Ich hab auf Oktopus am Fenster gedeutet, aber natürlich hatte sie den längst entdeckt.
»Wow, krass!«, hat sie mit leuchtenden Augen gegluckst. »Warst du das? Hast du Oktopus gemeuchelt? Was hast du mit den anderen gemacht? Also, mir würde ja sofort was für Manni, das maulende Mammut einfallen …«
Maja geht sehr oft ins Kino und kennt viel mehr Filme als ich. Ice Age habe ich allerdings auch gesehen, deshalb wusste ich sofort, von wem sie sprach. Obwohl mir Filme eigentlich nicht gefallen, in denen Tiere reden können.
»Nein, natürlich nicht.« Verwundert über diese seltsame Idee hab ich den Kopf geschüttelt. »Gestern Vormittag sind alle meine Kuscheltiere aus dem Garten verschwunden. Und heute komme ich aus der Schule und finde Oktopus an meinem Fenster klebend vor. Was sagen Sie dazu, Hagelstein?«
»Hammer, Blix!« Jetzt haben Majas Augen richtig gefunkelt. »Ein neuer Fall! Haben Sie schon geguckt, ob die anderen Tiere auch wieder da sind? Draußen im Garten vielleicht?«
»Nein. Ich bin gerade erst zur Tür reingekommen«, hab ich erklärt und mich ein bisschen darüber geärgert, dass ich noch nicht selbst auf die Idee gekommen war. »Außerdem muss ich dir erst mal was erzählen, das noch merkwürdiger ist.«
»Noch merkwürdiger als Oktopus am Fenster?«, hat sie gegluckst, aber ich habe nur ernst genickt. Und dann hab ich Maja von der körperlosen dänischen Stimme berichtet. Kan du hjælpe Bo?
Ich wusste schon vorher, dass sie der einzige Mensch auf der Welt ist, dem ich so etwas erzählen kann. Mama und Papa hätten mich wahrscheinlich nur gefragt, ob ich schon wieder heimlich einen gruseligen Krimi unter der Bettdecke gelesen hätte.
Als ob ich so was tun würde! Schließlich ist das schlecht für die Sehkraft.
Doch Maja war begeistert. Ihre Augen haben geglitzert. Und ich weiß: Das ist ein Zeichen dafür, dass sie total begeistert ist. Das kann ich erkennen, auch ohne Erklärung.
Was sie dann allerdings gesagt hat, war so weit entfernt von einer vernünftigen Deutung dieses Phänomens, dass ich jetzt ihr kein Wort geglaubt habe. »Es ist doch eigentlich ziemlich klar«, hat Maja nämlich behauptet. »Du hast mit einem Geist gesprochen, Florentine. Mit der Seele eines verstorbenen Dänen. Hast du nicht gesagt, dass Bo aus Dänemark kommt? Vielleicht ist jemand aus seiner Familie ums Leben gekommen, bevor er eine wichtige Aufgabe erfüllen konnte … oder ein Freund hat ihm noch was Dringendes zu sagen … und nun bittet der dich, Bo zu helfen. Damit er endlich seine Ruhe finden kann.«
Ich habe Maja nur angestarrt. Ganz ehrlich, das war jetzt nicht sehr hilfreich!
»Maja«, hab ich streng gesagt. »Das meinst du nicht ernst. Das ist doch … Erdbeerkäse!« Mir ist leider kein besseres Wort eingefallen für ihre völlig unrealistische und nicht im Geringsten konstruktive Idee. Schließlich hängen verstorbene Dänen auch keine Kalmare an Fensterscheiben.
»Hast du eine andere Erklärung?«, hat Maja gefragt.
»Nein«, hab ich geknurrt. »Aber es muss eine geben.«
»Florentine«, hat Maja dann geflüstert und so merkwürdig geguckt, dass ich schon wieder nicht erkennen konnte, ob sie ernst meinte, was sie sagte, oder nicht. »Ich glaub, du kannst mit Geistern sprechen. Nein, ich glaube es nicht nur, ich weiß es. Todsicher.«
»Nein, das kann ich ganz bestimmt nicht«, hab ich ziemlich böse erwidert. »Kein Mensch kann so was. Und das ist auch dir klar. Also hör auf damit, das ist nicht lustig.«
Maja ist klug und hat ein gutes Allgemeinwissen. Doch leider schaut sie zu viele Gruselfilme. Mit Zombies und Untoten und so. Und offensichtlich wird ihre Kombinationsgabe dadurch negativ beeinträchtigt. Deshalb hat sie bedauerlicherweise auch immer mal solche merkwürdigen Ideen, die einfach nicht logisch sind.
Dabei weiß sie doch ganz genau, wie sehr ich ihren klaren Kopf mag. Und die Tatsache, dass sie für die meisten Probleme schnell eine Lösung findet. Eine vernünftige Lösung.
Aber wenigstens hat sie jetzt mit ihren Geistern aufgehört und nur noch geseufzt.
In dem Moment ist mir sowieso was anderes eingefallen.
»Das Häuschen!«, hab ich gerufen und schnell mein Smartphone aus der Hosentasche gezogen, weil es schon mindestens eine halbe Stunde her war, seitdem ich mein Hauptquartier zum letzten Mal kontrolliert hatte. Und dann ist mein Herz fast stehen geblieben, bevor es angefangen hat zu rasen wie verrückt. »Da ist jemand«, hab ich gekeucht. »Im Haus. In meinem Haus!« Schnell hab ich Maja das Handy gezeigt: Dort saß jemand an meinem Schreibtisch und hat in meinen Aufzeichnungen geblättert!
Leider saß die Person mit dem Rücken zur Kamera und außerdem war sie ziemlich unscharf und schwarz-weiß – für eine richtig gute Überwachungskamera habe ich leider nicht genug Geld. Man konnte also nur ziemlich schwache Umrisse erkennen. Doch eins wusste ich sicher: Der Eindringling war wieder in meinem Häuschen, jetzt, gerade, in dieser Sekunde!
»Los!«, hab ich gerufen und schon sind wir gemeinsam zur Tür hinausgestürmt, um den Einbrecher auf frischer Tat zu ertappen.