Читать книгу Traumexpress - Alicia Frick - Страница 10

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Jakob steht also weinend vor der Arztpraxis, die man durch die grünen Bäume drum herum fast nicht sehen kann. Gleich nebenan ist ein Park, aber seine Mutter weiß sich nicht anders zu helfen, als ihn wieder hineinzutragen.

„Mein Kind weint und ich weiß nicht wieso. Bitte helfen Sie ihm.“

Sie gestikuliert wie wild mit ihren Armen vor der Mitarbeiterin Angelika, die Jakob Blut abgenommen hatte.

„Setzen Sie sich in den Nebenraum. Einen kleinen Moment bitte, ich informiere Herrn Dr. Müller und hier … fürs erste … ein paar Taschentücher.“

Stefanie nimmt diese entgegen und hält sie Jakob vor die Nase. Er beachtet sie jedoch nicht und weint sich weiter in sein Elend hinein. Man könnte meinen, seine Tränen füllen eine ganze Pfütze auf dem Boden.

Der Nebenraum ist wirklich sehr beengt. Ein Stuhl direkt neben der Tür und eine Untersuchungsliege, die knapp bis zum Fenster reicht. Stefanie setzt ihren Jungen auf die Liege und stellt sich vor ihn. Herr Dr. Müller steht mit fragenden Blicken in der Tür, bevor er sie hinter sich ins Schloss fallen lässt.

„Wie lange weint er schon?“

„Seit wir zur Tür draußen waren.“

Der Kinderarzt greift zum Türgriff und ruft einer Mitarbeiterin etwas zu. Angelika ist gleich zur Stelle und hält Stoff-Drache und Plüsch-Krokodil durch den Türspalt. Jakob nimmt diese dankend in seinen Armen entgegen. Aus dem bitteren Weinen wird ein leises Schniefen. Er scheint sich zu beruhigen.

„Habt ihr denn zuhause auch Plüschfreunde?“, erkundigt sich der Arzt bei dem Jungen.

Jakob nickt.

„Welche Tiere warten denn zuhause auf dich?“

Keine Reaktion. Seine Mutter übernimmt das Antworten für ihn: „Wir haben nur wenige. Ein Drache ist auch dabei. Ein Hase, ein Pferd, …“

„Nehmen Sie die beiden mit. Er scheint sie zu brauchen.“

Stefanie schaut den Arzt ungläubig an.

„Therapie mit Stofftieren?“

„Im Moment haben wir keine anderen Lösungen. Er lacht zwar noch nicht, aber zu weinen hat er aufgehört. Jakob, passt du gut auf die beiden auf?“

Jakob nickt.

„Du darfst sie mit heim nehmen. Sie werden auf dich aufpassen und wenn du abends mal nicht schlafen kannst, erzählst du ihnen ein paar Geschichten, bis sie zusammen mit dir müde werden, okay?“

Jakob nickt und lässt sich von seiner Mutter hinaus tragen. Den Weg nach Hause gehen beide Hand in Hand. Jakob weiß, wo er wohnt. Er geht fast von selbst in die richtige Richtung mit Drache und Krokodil im Arm.

„Möchtest du deinen neuen Freunden Namen geben?“, wagt Stefanie den Versuch mit ihrem Sohn ein Gespräch zu führen.

Jakob schüttelt mit dem Kopf, lässt die Hand seiner Mutter los und stapft ihr mit seinem neuen Krokodil im einen Arm und seinem neuen Drachen im anderen hinterher.

Stefanie schlägt heute einen anderen Nachhauseweg ein, um für Ablenkung zu sorgen. Die beiden kommen an einer Wiese vorbei, auf der ganz viele Kühe grasen.

„Jakob, schau mal. Kühe.“

Er blickt zu ihnen und schaut sie sich an.

„Wir könnten auf den Bauernhof da drüben gehen und fragen, ob du mal eine Kuh streicheln darfst. Was hältst du davon?“

Jakob nickt und läuft voran, an der Kuhweide vorbei, Richtung Bauernhof.

Stefanie muss schmunzeln, als sie den Kinderwagen auf den Bauernhof schiebt. Der Bauer könnte nicht typischer aussehen. Klein. Dicker Bauch. Kariertes Hemd und darüber eine grüne Latzhose. Gerade war er wohl am Stall ausmisten, denn er hat eine Mistgabel in der Hand.

In den Ställen stehen noch viel mehr Kühe als erwartet. Stefanie spricht kurz mit dem Bauern, der ihr erklärt, dass oft Kinder zu Besuch kommen. Der Kindergartenausflug führt die Gruppen oft hierher, um die Tiere zu streicheln, das Leben auf dem Bauernhof kennenzulernen und um den Bauern mit Fragen zu löchern.

Jakob strömt keine Begeisterung aus, als er durch den langen Gang des Kuhstalls schreitet und die Kühe beobachtet, aber sein Kopf schaut nicht zu Boden.

Welch laute Geräusche die Tiere von sich geben und was für ein unangenehmer Geruch, der einem in die Nase steigt. Original Stallgeruch.

„Den Kindern tut die frische Bauernluft gut. Es ist schön, sie mit den Tieren agieren zu sehen. Sie sind so kreativ und lustig. Mich macht es glücklich, ihnen zusehen zu können, wie sie größer werden. Leider habe ich keine Enkel“, erzählt der Bauer erst begeistert. Im letzten Satz schrumpft seine Freude allerdings etwas. „Ihr Sohn ist so still. Geht es ihm gut?“

„Das wüsste ich selbst gerne…“ Stefanie berichtet dem Bauern ihre Sorgen.

„Ich kenne Ihren Sohn nicht. Von außen betrachtet würde ich sagen, er ist in einer Trauerverarbeitung. Ist sein Haustier gestorben?“

„Er hatte nie ein Haustier, aber danke für den Denkanstoß.“

Eine Weile schaut sich Stefanie weiter auf dem Hof um, bis sie auf ihrer Armbanduhr bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist.

„Ich denke, wir sollten gehen. Jakob, kommst du?“

„Sie dürfen gerne jederzeit wieder vorbeischauen. Tiere können etwas in Kindern wecken, was Erwachsene nie verstehen werden.“

An den leuchtenden Augen des Bauern und dem Lächeln in seinem staubigen Gesicht erkennt man, dass er sich wirklich über ein Wiedersehen freuen würde.

Jakob steht noch vor einer Kuh, die gemütlich ihr Heu genießt. „Diese Kuh heißt Gerda und ich mag sie besonders gerne“, erzählt der Bauer fröhlich. Jakob formt mit seinen Lippen etwas, als wollte er Muh sagen, dann geht er auf seine Mutter zu. Vielleicht bildet sie es sich ein, aber der Mundwinkel ihres Sohnes könnte zucken, als ob er ihr ein Lächeln schenken will. Glücklich darüber spaziert Stefanie mit Jakob nach Hause.

„Hat es dir bei den Kühen gefallen?“, will sie schließlich wissen.

„Muh.“

„Was hast du gerade…?“ Fassungslos starrt Stefanie ihr Kind an. Dann nimmt sie Jakob in ihre Arme und wirbelt ihn durch die Luft vor Freude. Sie lacht und erwartet, Jakob würde mit ihr Lachen, aber ein Ton muss ihr für heute reichen. Wie sehr man sich über einen Tierlaut freuen kann.

Traumexpress

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