Читать книгу Tanz für mich! - Amélie Durée - Страница 3
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Оглавление„Alter! Ist das eine krass lange Fahrt, Mann! Wann sind wir denn verdammt nochmal da?“
„Sven, jetzt reiß dich mal!“, schmettert ihm Michael von hinten entgegen.
„Genau Sven, es ist echt gut jetzt!“, stimmt Lea ihrem Freund zu. Sie tätschelt liebevoll Michaels Schulter. Wie eine so zierliche und niedliche Person wie Lea ein solches Muskelpaket attraktiv finden kann, ist und bleibt mir ein Rätsel.
Seufzend umfasse ich noch fester das Steuer. Obwohl ich Sven ungerne Recht gebe, wünsche auch ich mir, endlich anzukommen.
Dabei habe ich kein Problem mit langen Autofahrten. Im Gegenteil empfinde ich gerade Fahrten über Landstraßen als äußerst entspannend. Je weniger andere Autofahrer, desto besser.
Einen Faktor, den ich bisher in meiner Gleichung jedoch noch nicht berücksichtigt habe, sind nervige Beifahrer. Und Sven ist der mit Abstand nervigste Beifahrer, den ich jemals hatte. Er kreischt bei jeder Kleinigkeit wie ein Mädchen, labert den ganzen verdammten Tag nur dummes Zeug und fühlt sich dabei wie der größte, intelligenteste Mensch der ganzen Welt.
Im Gegensatz zu Michael und Lea, die bereits seit drei Jahren ein Paar sind, wechselt Sven seine Freundinnen wie Unterhosen. Und zwar ziemlich genau so oft, wie manche Männer ihre Unterhosen wechseln, nämlich ungefähr einmal im Monat.
Im Rückspiegel sehe ich Franzi und Conrad auf der letzten Bank unseres Kleinbusses sitzen, den wir uns extra für die zwei Wochen gemietet haben. Sie sind seit etwa zwei Jahren ein Paar. Als Friedemann uns vorgestellt hat, hätte ich nicht gedacht, dass es die beiden länger als eine Woche miteinander aushalten. Sie haben sich von Anfang an gehasst. Zumindest hatte ich das angenommen. Solange, bis sie uns von ihrer Beziehung erzählt hatten. Ich sage “uns”, aber im Grunde habe ich es natürlich über Friedemann erfahren. Ich bin eben nur die beste Freundin vom Freund und genauso ist auch mein Verhältnis zu den fünfen.
Lea ist wohl die unter ihnen, der ich noch am meisten abgewinnen kann. An sich ist sie sogar richtig nett. Wenn da nicht ihr komischer Freund wäre. Mit Franzi und Conrad habe ich, seit wir uns kennen, wohl nur so wenig gesprochen, dass ich es an einer Hand abzählen kann. Wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, sich so richtig die Kante zu geben, dann arbeiten sie daran, sich gegenseitig die Zunge so tief wie nur irgend möglich in den Hals zu stecken. Also wenn ich jemals einen Mann kennenlernen sollte, der mich nicht nach spätestens einem Abend zu Tode langweilt oder nervt oder anekelt oder einfach wahnsinnig macht, dann werde ich tunlichst vermeiden, solche erotischen Akte in der Öffentlichkeit auszutragen. Das habe ich mir geschworen.
Gedanken, für die weder Franzi noch Conrad jemals Zeit verschwendet haben. So viel ist sicher.
Ich rolle mit den Augen und blase meine Wangen auf, stoße dann mit einem lauten Zischen die Luft aus ihnen…
„Alter, was sagt’n das Navi? Mir is voll langweilig!“, nörgelt Sven weiter.
„Mensch Sven ey, was geht denn ab bei dir, Mann? Du tust so, als wären wir tagelang unterwegs. Echt ey, jetzt reiß dich ma!“, pöbelt Michael abermals zurück.
Ich verdrehe abermals genervt die Augen. „Sieh selbst, zwanzig Minuten noch. Neustrelitz ist gar nicht mehr so weit weg.“ Ohne den Blick von der Straße zu wenden, zeige ich auf das Handy. Es ist mit einem Schießgummi provisorisch an einer alten Halterung für ein Navigationsgerät befestigt.
Ich frage mich wirklich, was Sven für ein Problem hat. Wir sind alle zusammen am Flughafen Berlin-Schönefeld losgefahren. Da haben wir das Auto angemietet. Es ist wirklich keine lange Fahrt zwei Stunden und sechs Minuten sagt das Navi plus eine kurze Pause…
„Ach schön, ich bin gespannt, was das für eine Überraschung ist, von der Friede gesprochen hat.“ Lea spielt sich verträumt an ihrem langen, roten Zopf. Franzi und Conrad sind immer noch miteinander beschäftigt. Naja, wenigsten ist ihnen nicht langweilig…
Mit einem tiefen Seufzer schweift mein Blick immer wieder kurz von der Straße ab. Wir fahren an einer großen Gärtnerei vorbei.
Wäre ich alleine unterwegs, hätte ich jetzt wohl angehalten. Einfach, um mir all die schönen Pflanzen anzusehen und mir vorzustellen, wie ich sie in meinem riesigen Traumgarten verpflanze. Mein Garten ist mehr ein großes Beet, als wirklich ein Garten. Ich habe eine Wohnung in Hochparterre und dazu gehört ein klitzekleiner Garten. Er ist jetzt schon voller bunter Blumen und quillt fast schon über vor Deko.
Hier stehen riesige Stauden, wunderschöne Bäume aneinander gereiht gleich neben kleinen zierlichen Pflänzchen. Ich könnte mich dort stundenlang aufhalten. Mir kommt es bald so vor, als nähme diese Fülle an traumhaften Gewächsen gar kein Ende mehr.
Ich seufze erneut. Auf was habe ich mich da bloß eingelassen? Zwei Wochen mit diesen Idioten…
Dann ein erlösendes Schild: Neustrelitz! Der Ortseingang! Endlich!
„In 500 m leicht rechts abbiegen“, säuselt mir das Navi entgegen. „Na wird doch gemacht, Schnecke!“, murmele ich leise vor mich hin.
„Hahahahaha! Schnecke! Geil!“, brüllt Sven.
Oh Mann, dieser Typ macht mich wahrscheinlich in den nächsten zwei Wochen so wahnsinnig, dass ich entweder freiwillig zum anderen Ufer wechsele oder vorher mit dem Wagen heimlich alleine nach Hause fahre. Sollen sie doch zusehen, wie sie zurückkommen.
Immerhin habe ich den Wagen gemietet. Es läuft auf meinen Namen und bisher hat mir auch noch niemand der Runde seinen Anteil gegeben. Im Grunde ist das hier so lange mein Auto! Und ich bin die einzige in der Runde, die einen Führerschein besitzt. Ich schmunzele… das Ganze lässt sich vielleicht besser aushalten, wenn man sich immer mal wieder eine gewisse Überlegenheit einredet.
Gott, bin ich froh, wenn wir endlich da sind. Drei Minuten, sagt mir Google-Maps. Hier noch um die Kurve. Links herum, Drosselweg, das soll die richtige Straße sein. Hausnummer 25… Wo sollen hier denn überhaupt noch Häuser kommen? Wir sind schon beinahe wieder raus aus dem Ort, als die reizende Stimme verkündet: „Sie haben Ihr Ziel erreicht. Ihr Ziel befindet sich auf der rechten Seite!“
„Ähm… aha…“, stoße ich heraus. „Aaaalsooo… hier ist doch aber nichts, oder?“ Ich werde langsamer und bleibe am Straßenrand stehen.
Lea schaut suchend aus dem Fenster. Sie runzelt ihre weiße Stirn. Neben ihren feuerroten Haaren erscheint einem ihre blasse Haut besonders hell.
Dann scheint sie etwas entdeckt zu haben. „Da, sieh mal! Das sieht aus, wie eine Auffahrt. Vielleicht ist es das. Ich glaube, da steht ein Briefkasten. Und da steht ‘ne Hausnummer dran. 25 sagtest du, oder? Jap, das isse!“
Lea zeigt stolz auf einen kleinen verrosteten Briefkasten, der seine besten Tage eindeutig schon lange hinter sich hat. Dass tatsächlich jemand riskiert, in einem solchen Ding wichtige Briefe zu empfangen, ist mir ein Rätsel. Er ist kaum zu sehen. Der Drosselweg mündet ganz offenbar in einem riesigen Wald aus Laub- und Nadelbäumen. Sie stehen hier wirklich so dicht und die Einfahrt ist dadurch so schmal, dass ich Sorge habe, mit unserem großen Wagen überhaupt durch zu passen. Ich setze den Wagen ein wenig zurück und biege ein. Es passt! Gott sei Dank! Jetzt erst fällt mir ein Tor auf. Es ist geöffnet, weshalb ich es vorher wahrscheinlich nicht bemerkt habe.
Falls wir hier wirklich richtig sind, hat Friedemann es vielleicht für uns geöffnet. Immerhin haben wir uns für die Mittagszeit angekündigt. Wir sind schneller durchgekommen, als ich es für möglich gehalten hätte. Wir waren inklusive einer Pause für Toilettengang und kurz Luft schnappen nur zweieinhalb Stunden unterwegs gewesen. Die Straßen waren die gesamte Fahrt über wie leergefegt gewesen. Trotzdem bin ich froh, dass wir endlich da sind. Ich hätte das dumme Gesülze von Sven nicht eine Sekunde länger ausgehalten. Und ich glaube, Lea auch nicht, wenn ich mir so ihr erleichtertes Gesicht im Rückspiegel betrachte.
Tja, wenn wir denn endlich da sind. Diese… Auffahrt, oder vielmehr dieser Weg, scheint kein Ende zu nehmen. Was ist das nur für ein riesiges Grundstück?
Plötzlich quiekt Franzi auf. Hat sie wohl mal Luft holen müssen zwischen der ganzen Knutscherei.
„Oh mein Gott! Seht euch das mal an! Ist das heftig!“, Franzi bekommt sich überhaupt nicht mehr ein. Und auch ich erkenne jetzt, was Franzi so aufregt. Jetzt ist mir klar, was Friede mit „Überraschung“ meinte. „Es wird euch umhauen!“, hat er gesagt. Und es haut mich um. Wir fahren geradewegs auf ein riesiges Herrenhaus zu. So etwas kenne ich nur aus englischen Krimis.
„Meint ihr wirklich, das ist richtig?“, werfe ich ungläubig in die Runde.
„Goldrichtig!“, antwortet Conrad. Es ist das erste Wort, das er heute spricht, wenn ich so darüber nachdenke. Beachtlich!
„Wie kommst du darauf?“, fragt seine Freundin skeptisch.
„Weil da drüben Friede steht, mein Schatz!“, erwidert Conrad und dreht Franzis Kopf sanft in Richtung der großen Eingangstür, welche die Mitte des gigantischen Anwesens schmückt.
Sie ist geöffnet und Friede steht freudestrahlend und winkend vor ihr. Ich kann mein Glück kaum fassen!