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Friedemann steht an der Tür seines Cousins. Eine Woche ist er schon hier und hütet das Haus. Wobei die Bezeichnung „Haus“ in diesem Fall eindeutig eine Untertreibung darstellt. Seit dem Tode von Onkel Nathan und Tante Maria, wohnt sein Cousin Robert, der peinlich darauf besteht seinen Namen englisch auszusprechen, in dessen Anwesen. Friedemanns Vater hatte Robert damals so weit unterstütz, wie es ihm nur möglich war, damit sein Neffe das Hause der Eltern halten kann. Ein Mann, gerade einmal Anfang dreißig, ganz allein in so einem riesigen Haus, das grenzt an eine Unmöglichkeit. Glücklicherweise hatten Roberts Eltern ihm nicht nur das Anwesen, sondern auch das nötige Barvermögen hinterlassen, um all das zu halten. Roberts Vater war ein britischer Abgeordneter, der seine große Liebe ausgerechnet hier in Mecklenburg-Vorpommern gefunden hatte, in der Schwester von Friedemanns Vater.

All das ist jetzt über sechs Jahre her, aber Friedemann kommt es vor, als sei es gestern gewesen. Der Anruf spät in der Nacht, den Friede nur deshalb entgegennahm, weil seine Eltern ausnahmsweise mal lange aus waren an dem Abend. Ein Besuch zu einem Theaterstück, den Friedemanns Vater seiner Mutter zum Geburtstag geschenkt hatte. Friede erinnert sich an alles. Es war ein solch dramatisches Erlebnis, sodass sich jede einzelne Sekunde in seine Erinnerung eingebrannt hat. Robert selbst war am Apparat.

Er war völlig aufgelöst. Seine Eltern hatten einen Autounfall. Beide seien schwer verletzt und lägen im Krankenhaus. Es sei nicht mehr viel Zeit. Friedemanns Vater solle so schnell wie nur möglich kommen. Und das tat er. Alle zusammen fuhren sie hoch nach Norddeutschland, in die alte Heimat der Familie Tesch.

Und es war keine Minute zu früh. Als sein Vater im Krankenhaus ankam, lagen beide im Sterben. Am selben Abend noch verstarb erst Nathan und wenig später seine Tante Maria. Friedemann war damals neunzehn Jahre alt gewesen und mitten im Abitur. Das hatte ihn leider ein paar Noten gekostet, weshalb er seinen Traum eines Medizinstudiums nicht mehr verwirklichen konnte. Aber in der Bio-Chemie fand er ein Gebiet, das ihn mindestens ebenso brennend interessiert.

Er geht in seinem Studium regelrecht auf. Wenn man auch sagen muss, dass es schon ein sehr forderndes Studium ist. Seine Freunde machen sich eindeutig ein leichteres Leben, als es Friedemann tut.

Doch gerade deshalb freut er sich jetzt so sehr, seine Leute endlich alle wiederzusehen. Und dass auch noch Katharina dabei ist, freut ihn umso mehr. Sie hatte ihn mehr oder weniger durch seine gesamte Kindheit begleitet. Auf sie kann er sich nach wie vor immer verlassen. In diesem Moment stellt er sich die Frage, ob er ihr eigentlich jemals gesagt hat, wie froh er ist, sie zu haben. Das muss er unbedingt mal machen, denkt er sich, als der Kleinbus die Auffahrt herauf gefahren kommt.

Als Kathie die Fahrertür öffnet, sieht er ihr mit nur einem Blick an, dass die Fahrt alles andere als ein Zuckerschlecken war. Als dann Sven die Beifahrertür öffnet, ist ihm klar, warum. Niemand hält Sven lange neben sich im Auto aus. Erst Recht nicht auf einer zweieinhalbstündigen Fahrt. Kathie tut ihm sofort unendlich leid. Die Arme…

***

„Mensch, das ist so toll, dass ihr hier seid!“, begrüßt Friedemann die erschöpfte Truppe freudestrahlend. „Oberaffentittengeil!“

„Ja, sind wir auch!“, gibt Lea etwas müde zurück. „Sven hat gestresst, wie immer.“

„Wat?!“, empört Sven sich. „Ich bin voll entspannt gewesen die ganze Zeit, Mann! Voll entspannt! Echt ey!“

Er haut Friedemann zur Begrüßung so kräftig auf die Schulter, dass er beinahe umfällt. Franzi und Conrad kommen nun ebenfalls aus dem Auto gekrochen. Natürlich nicht bevor sie sich nochmal einen ausgiebigen Zungenkuss gegönnt haben. Friedemann schüttelt grinsend den Kopf: „Nehmt euch ein Zimmer! Mannomann!“

„Was denn?!“, blökt Franzi. Ihre blonden, zotteligen Haare sind zu einem unsauberen Dutt zusammengeknüddelt. Mit offenem Mund kaut sie einen Kaugummi. Conrad hingegen ist der totale Hipster. Ein typischer Friedrichshainer, den jeder Berliner sofort als einen solchen erkennen würde. Er wirft einen Blick auf seine I-Watch. Friedemann rollt mit den Augen, kann sich ein Lachen nicht verkneifen.

„Na du Moderno, du?“ Conrad erwidert die Begrüßung durch ein Nicken, das wohl cool wirken soll. Es sieht aber eigentlich nur dämlich aus.

„Wieso Moderno? DAS ist so mega praktisch! Die zeigt die Nachrichten, Termine, zählt deine Schritte…“

„Und zeigt sie auch die Zeit?“, will Lea belustigt wissen.

„Ähm… warte… muss ich gucken…“, murmelt Conrad und beginnt wie ein Irrer auf seinem Armband rumzuklicken.

Ich schüttele belustigt den Kopf.

„Ja!“, bestätigt Conrad dann. Das meinte er jetzt wirklich ernst… ich runzele die Stirn und bin unsicher, ob ich an mir oder an ihm zweifeln soll.

„Hey Friede! Was geht, Mann?“, begrüßt ihn zu guter Letzt auch Michael. Mit seinem voluminösen Körper scheint er seinen Freund beinahe zu erdrücken.

„Kommt alle mal rein! Gepäck können wir ja erstmal in der Halle abstellen. Ich hab gerade gekocht.“

„Sag mal Friede“, will Conrad wissen, „Was issen das für ne Bude?“

„Das, meine lieben Freunde, ist das Anwesen meines Cousins Robert. Ihr werdet ihn vielleicht kurz vor eurer Abreise kennenlernen. Wahrscheinlich aber eher nicht… Theoretisch müsste er in gut zwei Wochen wiederkommen. Wir haben also das Ganze für uns allein.“

„Er wohnt hier ganz alleine, dein Cousin? Wie alt ist der denn?“, will Lea wissen.

„Ist gerade siebenunddreißig geworden… ungewöhnlich, in dem Alter in so nem Teil zu wohnen, ich weiß. Hat er geerbt. Kathie kann sich noch dran erinnern, was das damals für ein Drama war, als meine Tante und mein Onkel gestorben sind.“

Ich nicke. „Ja, ziemlich gut sogar. Es hat dir dein Abitur versaut. War aber auch echt eine ziemlich schlimme Sache.“

„Ja, ähm, Essen?“, unterbricht Sven die aufkommende Melancholie.

„Klar, alles schon fertig und angerichtet, sozusagen.“

Hungrig folgt ihm die Truppe durch die hölzerne, fein verzierte Eingangstür in die riesige Halle.

Tanz für mich!

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