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Die besten Schokomuffins der Welt

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Tag 14

Jackson-Hütte, Minnesota

Zwei Tage später fuhr ein Wagen vor Hannahs Tür.

Neugierig trat sie nach draußen. Das Wetter war regnerisch, daher hatte sie sich entschlossen, nicht wandern zu gehen und stattdessen zu backen und zu kochen. Entsprechend war sie auch angezogen: Jogginghose, ein altes verkleckertes T-Shirt und ein breites Stirnband, mit dem sie sich die rotbraunen Locken aus dem Gesicht gebunden hatte.

Gespannt sah sie ihren Besuchern entgegen.

Aus dem Wagen kletterte Tucker O’Brian und hinter ihm ein schlaksiger Junge, den sie auf gerade mal fünfzehn Jahre schätzte. Er hatte blonde zottelige Haare, ein etwas verpickeltes Gesicht und wirkte eingeschüchtert. Kaum wagte er es, ihr ins Angesicht zu blicken.

„Hallo“, lächelte Hannah und ignorierte O’Brians unfreundliche Miene. „Was verschafft mir die Ehre?“

„Das ist Peter“, meinte Tucker nur und verschränkte die Arme. Der Junge schielte zu ihm hin und schluckte. Vorsichtig blickte er dann doch zu ihr hoch.

„Guten Tag, Mrs. Riemann“, murmelte er. Hannah betrachtete ihn aufmerksam. Seine grünen Augen waren hübsch, blickten aber ängstlich und unsicher.

„Hallo Peter“, lächelte sie. „Freut mich, dich kennen zu lernen. Geht es deinem Freund besser?“

„Freund? Äh ... ja ... vielen Dank. Vielen Dank, dass Sie ihm geholfen haben.“

Jetzt, wo er die ersten Worte herausgebracht, hatte, fiel ihm das Reden offenbar leichter und er wagte ein zaghaftes Lächeln. Hannah konnte sich gerade noch zurückhalten, ihn in die Arme zu nehmen. Dieser schüchterne Junge weckte alle Mutterinstinkte in ihr. Aber von einer wildfremden Frau umarmt zu werden, war bestimmt nicht das, was ein Fünfzehnjähriger als cool bezeichnen würde. Also hielt sie sich zurück.

„Das freut mich. Aber du hast ihn gut erzogen. Die meisten Hunde hätten sich in der Situation sicherlich nicht von einem wildfremden Menschen anfassen lassen.“

„Äh - ja, danke“, murmelte er.

„Möchtest du reinkommen?“

Der Junge schielte wieder zu O’Brian, der immer noch mit verschränkten Armen neben ihm stand.

„Ich ... ich weiß nicht ...“

„Dafür ist keine Zeit, er wollte sich nur bedanken“, funkte O’Brian dazwischen.

„Mag ja sein.“ Hannah sah ihm unbeeindruckt in die Augen. „Aber wenn Sie zu tun haben, können Sie ruhig fahren. Ich bringe Peter gerne wieder zurück.“

Sie sah erneut zu dem Jungen.

„Natürlich nur, wenn es dir recht ist. Aber ich kann dir verraten, dass heute mein Backtag ist. Einige Schokomuffins sind schon fertig und ich schwanke noch, welche ich als Nächstes in Angriff nehme. Zitrone oder Karamell. Du könntest mir bei der Entscheidung behilflich sein.“

In den grünen Augen leuchtete es interessiert auf, aber bevor er antworten konnte, legte Tucker ihm die Hand auf die Schulter.

„Vielleicht ein anderes Mal.“ Seine Stimme ließ keinen Widerspruch zu. „Einen schönen Tag noch, Mrs. Riemann.“

Sie konnte die Enttäuschung in den Jungenaugen deutlich lesen und schluckte den aufsteigenden Ärger hinunter.

„Schade, aber du kannst jederzeit vorbeikommen, Peter.“

„Danke, Mrs. Riemann“, murmelte er und ließ sich von O’Brian davon schieben. Als die beiden den Wagen erreicht hatten, rief Hannah:

„Einen Moment noch. Peter, komm doch bitte noch einmal kurz zurück.“

Sie konnte sehen, wie O’Brian die Stirn runzelte, aber er nickte dem Jungen zu und der rannte sofort herbei.

Hannah zwinkerte ihm zu.

„Komm schnell rein, ich hab da was für dich.“

Unsicher folgte er ihr in die Hütte und ließ seinen Blick neugierig kreisen.

„Das sieht klasse aus“, staunte er. Hannah lächelte.

„Findest du? Hast du die Hütte vorher schon mal betreten?“

Er nickte.

„Ja, wir kommen manchmal her, um, na ja ... also ...“

Sein Stottern ließ sie auflachen.

„Schon in Ordnung, du brauchst dich für nichts zu entschuldigen. Hier.“

Sie griff nach einer Plastiktüte und stopfte sie mit einem riesigen Berg Muffins voll, den sie ihm dann entgegenhielt.

„Ich weiß doch, dass Jungs in deinem Alter auf sowas stehen. Mein Wulf war regelrecht süchtig danach.“

Er starrte erst sie und dann die Tüte an.

„Ihr ... Ihr Wulf?“

Sie grinste vergnügt.

„Ja, mein Sohn. Er heißt Wulf. Ist doch witzig, oder? Dein Hund sieht aus wie ein Wolf und mein Sohn heißt so. Jetzt aber raus mit Dir. Ich will schließlich nicht, dass O’Brian dir das Fell über die Ohren zieht.“

Er wurde deutlich blasser und griff schnell nach der Tüte.

„Vielen Dank. Ich ... ich bin sicher, die werden toll schmecken.“

Hastig eilte er nach draußen.

Hannah folgte ihm langsam zur Tür und beobachtete, wie er zu Tucker O’Brian in den Wagen stieg, der sofort wendete und losfuhr. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Augen mit denen von O’Brian.

‚Blödmann‘, formulierte sie lautlos mit den Lippen und hoffte für einen Moment, dass er das auch sah.

*

„Tucker?“

„Hm.“

„Wusstest du, dass sie einen Sohn hat? Er heißt Wulf.“

Tucker O’Brian hätte fast auf die Bremse getreten. Seine Stirn legte sich in konzentrierte Falten.

„Bist du dir sicher?“

„Sie hat es mir gerade erzählt. Als sie mir die Muffins gab.“

Peter langte in die Tüte und fischte ein Gebäckstück heraus. Im Auto breitete sich bereits ein betörender Geruch nach Schokolade und Kuchen aus. Der Junge biss neugierig hinein.

„Wow, die sind echt lecker“, staunte er und schob sich den Muffin komplett in den Mund. Dann hielt er die Tüte Tucker hin. Der schnaufte nur.

„Die musst du probieren“, drängte Peter. Seine Schüchternheit war komplett verflogen. „So gute hat Ethan noch nicht hinbekommen.“

Tucker verzog das Gesicht.

„Das solltest du ihm aber nicht sagen.“

Peter feixte vergnügt.

„Keine Sorge, ich gebe ihm einfach einen zu essen. Dann weiß er es selbst.“

Jetzt musste auch O’Brian grinsen. Er langte in die Tüte und gab Sekunden später dem Jungen recht. Wie zum Geier hatte die Frau das mit diesem kümmerlichen Holzofen hinbekommen?

„Kann ich sie nicht tatsächlich mal besuchen?“, bat Peter. „Sie scheint echt nett zu sein.“

Tucker verlor sein Grinsen wieder.

„Du weißt selbst, dass das keine gute Idee ist.“

„Ich hab mich schon viel besser im Griff“, beteuerte der Junge. „Und ich bin ja nicht doof. Sie wird bestimmt nichts merken. Aber vielleicht kann ich ihr ja das Rezept abluchsen.“

„In den nächsten Tagen hast du keine Zeit dafür.“

Peter machte ein schuldbewusstes Gesicht.

„Schon klar, ich weiß, dass ich Mist gebaut habe. Und ich will mich ja auch nicht vor der Arbeit drücken. Aber Ethan sagt, dass sie noch einige Wochen hier ist, und ...“

„Peter!“ In O’Brians Stimme schwang ein warnender Unterton mit. „Du wirst keinesfalls das Dorf verlassen, ohne jemandem Bescheid zu geben. Und wenn du diese Frau besuchen willst, wirst du mich vorher fragen. Klar?“

„Klar, Boss“, murmelte der Junge und griff nach dem nächsten Muffin.

Jetzt bremste O’Brian doch und wandte seine volle Aufmerksamkeit dem Knaben zu.

„Junge“, grollte er. „Ich sage das nicht, um dich zu ärgern! Da draußen laufen zurzeit irgendwelche Arschlöcher rum, die Schlagfallen aufstellen. Das hast du ja schon selbst bemerkt. Ich habe keine Lust irgendein Kid da draußen zu verlieren. Also herrscht Ausgangssperre für euch, bis wir die Kerle erwischt haben!“

Peter hob die Schultern.

„Ich weiß, Tucker, tut mir leid“, murmelte er. „Aber es ist echt öde, die ganze Zeit im Dorf rumzuhängen.“

„Na, die Langeweile kann ich dir austreiben“, versetzte Tucker grimmig und gab wieder Gas. „Gib mir nochmal so einen Kuchen.“

Als sie Dark Moon Creek erreichten, waren von den Muffins gerade noch zwei übrig.

„Ich bin mal gespannt, was Ethan zu denen sagt“, grinste Peter und sprang davon. Tucker sah ihm nachdenklich hinterher.

Er wusste, dass es schwer sein würde, die Kids aus den Wäldern herauszuhalten. Sie waren es gewöhnt, sich dort unbeschwert auszutoben und rebellisch und selbstbewusst genug, sich seinen Anweisungen zu widersetzen.

Er konnte nur hoffen, dass sie diese Wilderer so schnell wie möglich fanden, bevor es erneut Verletzte oder gar Tote gab.

Tag 16

Jackson-Hütte, Minnesota

Hannah staunte nicht schlecht, als zwei Tage später wieder Besuch erschien. Diesmal war es Ethan.

Verlegen stand er vor ihrer Tür.

„Hallo, Mrs. Riemann.“

„Hallo Ethan, ich heiße Hannah. Was kann ich für Sie tun?“

„Äh, ja Hannah, also, es ist mir ausgesprochen peinlich.“

„Dann kommen Sie besser rein“, lächelte sie. „Das muss ja nicht die ganze Welt zu Ohren kriegen.“

Er folgte ihr ins Haus und sah sich staunend um.

„Donnerwetter“, meinte er. „Der Junge hat recht. Sie haben den Schuppen echt gemütlich hingekriegt.“

„Sie meinen Peter?“ Sie feixte. „Ehrlich, das sieht nach mehr aus, als es ist. Putzen kann manchmal Wunder wirken. Und wenn die Fenster erst einmal sauber sind, ist alles schon sehr viel heller und freundlicher. Kann ich Ihnen was anbieten? Kaffee? Tee? Bier?“

Er grinste erfreut.

„Ein Bier wär prima.“

Sie langte in den Kühlschrank und reichte ihm eine Dose. Dann wies sie zum Küchentisch. Als sie saßen, stützte sie das Kinn auf die Hände und sah ihn gespannt an.

„Also, was ist Ihnen peinlich?“

Er nahm einen großen Schluck und betrachtete den Holzofen skeptisch.

„Wie haben Sie diese verdammten Muffins gebacken?“

Hannah fing an zu lachen.

„Hat er Ihnen etwa einen gegeben?“

Er nickte grimmig.

„Allerdings. Und zwar mit der Auflage, dass er meine erst wieder essen will, wenn die so gut schmecken wie Hannahs!“

Sie wollte sich ausschütten vor Lachen, hielt sich aber gerade noch zurück.

„Sind sie Bäcker?“, fragte sie lieber. Er schüttelte den Kopf.

„Nein, Koch. Ich betreue die Kantine im Dorf, und bis jetzt hat sich auch noch keiner beschwert. Aber ich muss zugeben, dass diese Schokomuffins echt gut schmecken.“

Hannah stand auf und griff nach einem Stück Papier und Stift. Dann fing sie an zu schreiben. Schließlich schob sie ihm den Zettel hin. Er las ihn mit gerunzelter Stirn.

„Das ist alles? Im Ernst?“

„Ich bin keine Köchin und keine Bäckerin“, erklärte Hannah. „Meine Rezepte müssen einfach sein, schnell gehen und vor allem schmecken. Was anderes pack ich nicht an, da es sonst grauenhaft wird.“

Sie wies auf ein Wandregal, auf dem sich Dosen stapelten.

„Keine unnötigen Experimente“, lächelte sie.

Ethan stöhnte, als er die Dosensammlung sah.

„Das ist - gruselig. Ehrlich Hannah, auf Dauer ist das ungesund.“

„Zwei Monate Dosenfutter werden mich nicht umbringen“, lächelte sie. „Zu Hause kenne ich auch eine gute Kantine.“

„Also, wenn Sie mal wieder ins Dorf kommen ...“

Er stockte und überlegte offensichtlich, wie er weiterreden sollte.

Hannah beschloss, es ihm einfach zu machen. Sie mochte ihn. Genauso wie Theo schien er eine ehrliche Haut zu sein.

Falls ich mal wieder ins Dorf kommen sollte, werde ich gerne Ihre Kantine testen“, nickte sie. „Das kann aber noch dauern. Ich habe noch jede Menge Vorräte.“

Er grinste offensichtlich erleichtert und sah sich wieder um. Sein Blick blieb auf den Zeichnungen hängen, die an die Holzwand gepinnt waren. Er pfiff durch die Zähne.

„Nicht schlecht. Sie können echt gut malen.“

„Das sind nur Skizzen“, wiegelte Hannah ab. „Die eigentlichen Bilder male ich später.“

„Im Ernst? Sind Sie Malerin? Also Künstlerin, meine ich?“

Sie nickte.

„Ja. Ich bin Malerin.“

„Und davon können Sie leben?“

Sie lachte amüsiert auf.

„Davon und noch von einigen anderen Beschäftigungen.“

„Hm.“ Er betrachtete sie neugierig. „Dann vermute ich mal, dass Sie den Aufenthalt hier nicht nur als Urlaub ansehen.“

Wieder lachte sie.

„Stimmt. Ich sammele Eindrücke, Motive, Farben und Formen. Nebenbei erhole ich mich auch und genieße die fantastische Gegend hier.“

„Cool.“ Er war beeindruckt. „Und jetzt verraten Sie mir bitte noch, wie Sie die Muffins mit diesem Dinosaurier-Ofen hinbekommen haben.“

Sie zeigte zu einem Blechaufsatz, der auf einem Regal stand.

„Den hab ich mir zurechtgeschweißt aus so einer Metallkiste im Schuppen. Ich hab ihn einfach auf den Ofen gestellt. Die Hitze, die sich darunter sammelt, reicht genialerweise zum Backen aus.“

Er schüttelte erstaunt den Kopf.

„Auf die Idee muss man erstmal kommen. Kompliment.“

Dann erhob er sich.

„Besten Dank jedenfalls. Fürs Rezept und fürs Bier.“

„Gerne.“ Sie begleitete ihn zur Tür. „Grüßen Sie Theo und Peter von mir.“

Er nickte und schob sich an ihr vorbei nach draußen.

Hannah sah ihm nach und fragte sich, wer als nächster vor ihrer Hütte stehen würde. Zurzeit herrschte ja regelrechter Hochbetrieb. Sie sollte wohl wieder ihre Wanderungen aufnehmen. Das Wetter hatte sich gebessert und sie brauchte dringend Bewegung.

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