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Eine erste Wanderung
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Tag 4
Nördliche Wälder, Minnesota
Hannah stand auf der hochgelegenen Felsformation und blickte über die Bäume hinweg nach Norden. Vor ihren Augen erstreckte sich Wald über Wald in einer hügeligen Landschaft.
Beglückt lachte sie auf. Ihr Atem ging noch etwas schwer vom Klettern, aber die Aussicht war es wert. Zufrieden langte sie an ihren Rücken und zog die Wasserflasche aus der Seitentasche des Rucksacks. Sie war jetzt drei Stunden unterwegs, aber der Rückweg würde wohl kürzer werden. Bergab und geradlinig sparte Zeit.
Zeit, die sie jetzt für etwas anderes nutzen konnte.
Auf einem Felsbrocken, der genau in der Sonne lag, fand sie die richtige Sitzposition und zog aus dem Rucksack einen Skizzenblock und Stifte heraus. Dann vertiefte sie sich in die Landschaft und fing an zu zeichnen.
Immer wieder schweiften ihre Augen umher und suchten nach neuen Details, nach Farbeindrücken, die sie in sich einsaugte. Zwei Stunden lang kratzten ihre Stifte über das Papier, bis sie sich schließlich erhob und streckte. Es brauchte nur wenige Handgriffe, dann war sie wieder abmarschbereit.
Gut gelaunt trat sie den Rückweg an.
Sie sah ihren Begleiter nicht wirklich. Er war wie ein Schatten, der lautlos durch das Unterholz glitt. Mal vor ihr, mal an ihrer Seite, mal auch hinter ihr.
Hannah nahm nur manchmal aus den Augenwinkeln eine schnelle Bewegung wahr. Aber sie hatte schon recht früh auf ihrer Wanderung das Gefühl gehabt, nicht allein zu sein. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte keinen eindeutigen Blick auf ihren Verfolger erhaschen.
Es beunruhigte sie nicht sonderlich. Ein Mensch war es nicht, eher ein großes, geschicktes Tier. Doch welches Tier besaß eine solche Ausdauer, einen Menschen zu verfolgen? Und vor allem, was war seine Motivation? Nach den ersten zwei Stunden war sie sich sicher, dass ihr wohl keine Gefahr drohte. Sonst wäre sie schon längst angegriffen worden. Möglichkeiten dazu hatte es zahlreiche gegeben. Also ignorierte sie ihren Begleiter und tat, als wüsste sie von nichts. Vielleicht hatte sie ja doch irgendwann Glück und konnte ihn erspähen.
Doch es gelang ihr nicht. Als sie die Jackson-Hütte erreichte, warf sie einen schnellen Blick nach hinten, doch da waren nur Bäume und Unterholz.
Okay, sie hatte Geduld. Falls dieses Tier sie in den nächsten Tagen wieder begleitete, würde sich bestimmt eine Gelegenheit ergeben.
Dark Moon Creek
„Sie hat was gemacht?“
„Stundenlang auf einem Stein gesessen und gezeichnet.“
„Mehr nicht?“
„Ne, aber zumindest schien sie zu wissen, wo es lang ging. Ob sie genau zu dem Punkt wollte, weiß ich nicht, aber den Rückweg hat sie problemlos gefunden.“
„Also doch kein Stadtblümchen?“
Theo hob die Schultern.
„Den Kompass konnte sie zumindest bedienen und Ausdauer scheint sie auch zu haben. Sie war ganz schön flott auf den Beinen.“
„Hat sie dich gesehen?“
Theo zögerte. Tucker O’Brian runzelte die Stirn, wartete aber ab.
„Ich glaub nicht“, meinte Theo schließlich. „Ein paar Mal hat sie in meine Richtung gesehen, aber sie hat nicht einmal Angst gehabt oder sonst irgendwelche Aufregung gezeigt.“
„Dann sorg dafür, dass das auch so bleibt. Mit wem wechselst du dich ab?“
„Mit Cody, Cain und Eden. Cain und Eden teilen sich heute die Nachtwache. Und Cody übernimmt den morgigen Tag.“
„Nimm Joseph und William noch mit dazu. Ich will nicht, dass ihr zu lange daran gebunden seid. Verdammt, als hätten wir nicht noch anderes zu tun.“
Theo grinste breit.
„Keine Sorge, das machen wir doch gerne.“
„Kann ich mir denken“, knurrte Tucker. „Aber den ganzen Tag im Wald herumzuturnen, zählt als Freizeitvergnügen. Ihr bekommt keine Arbeitsstunden erlassen, nur damit das klar ist.“
„Also Tucker, das ist aber ...“
O’Brian warf ihm einen Blick zu, der Theo sofort die Augen senken ließ.
„Äh ... in Ordnung. Ich geb das dann mal so weiter.“