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BEREIT FÜR DEN TRAUMPARTNER?

»DAS IST SIE!«

DEZEMBER 2009

ANDRÉWie oft stelle ich mir heute unseren allerersten Abend vor und es passiert Folgendes:

Wir sitzen Anfang Dezember 2009 an diesem Tisch in meiner Junggesellen-Altbaubude, extrem frisch verliebt und kurz vor dem ersten Kuss, als plötzlich jemand hereinkommt, sich zu uns setzt und uns alles Wichtige erzählt, das in den nächsten neun Jahren mit uns geschehen wird. Klar, der arme Kerl müsste eine Menge Zeit auf seine Zeitreise mitgenommen haben, um das Wichtigste einigermaßen verständlich zusammenzufassen. Und wegen der vielen Zufälle und Twists müsste er auch eine Menge Verständnis dafür aufbringen, dass wir an seiner Glaubwürdigkeit zweifeln würden – obwohl wir problemlos damit klarkommen, dass er aus der Zukunft kommt. (Eine unserer vielen popkulturellen Gemeinsamkeiten ist die Liebe zu Zurück in die Zukunft.)

Die Frage, die ich mir stelle: Hätten wir irgendetwas anders gemacht im Leben, wenn es diesen Besucher mit den Infos aus der Zukunft gegeben hätte? Bestimmt! Oder doch nicht?

Er hätte nämlich etwa so geklungen:

»Ihr werdet seeeeeeehr glücklich!!! Wirklich! In einem Jahr werdet ihr fünf Wochen lang durch Australien reisen. Dort wirst du, André, dir, Shari, einen Antrag machen, und im Sommer des darauffolgenden Jahres werdet ihr eine wunderschöne Hochzeit auf einem Schloss feiern. Nur neun (!) Monate später kommt euer erstes Kind zur Welt. Ein Junge. Er wird kein Popoloch haben. Wird eine harte Zeit, aber …«

»Moment! Kein Popoloch?«

»Ja, sehr selten so was, aber wartet: Da kommt noch mehr. Nach vier Monaten Intensivstation ist alles in Butter! Ihr habt bereits eine wunderschöne Wohnung im Belgischen Viertel in Köln gekauft, sie ist kernsaniert, und Shari wird schwanger mit Kind Nummer zwei. Daraufhin verkauft ihr die Wohnung gewinnbringend und kauft zu einem Spottpreis ein wunderschönes Haus im Grünen. Es wird …? Richtig: kernsaniert! Kurz nach Weihnachten kommt euer zweites Kind zur Welt, eine wundervolle Tochter.«

»Hat sie …?«

»Ja, sie hat ein Popoloch, aber … wartet kurz! Ihr zieht in dieses Traumhaus und baut und baut und renoviert. Im September 2014 erfahrt ihr, dass Kind Nummer drei unterwegs ist, und im Oktober, dass Kind Nummer zwei … einen Gendefekt hat. Sehr selten …«

»…?!«

»Ja …! Im Mai 2017 kommt dann euer viertes Kind zur Welt. Nummer drei und vier sind kerngesund, aber das sind eins und zwei ja auch … jetzt … irgendwie. Aber das Wichtigste ist: Ihr werdet immer glücklich sein und alles gut hinbekommen. Ach so, ihr werdet übrigens eure Handys mit eurem Gesicht öffnen können, einen Rasenmähroboter haben, und du, André, wirst einem fremden Mann in Kopenhagen ein Arschhaar ausreißen. Schönen Abend noch!«

»Wir reisen nach Kopenhagen?«

Tatsächlich sitzen wir an diesem Tisch in meiner Wohnung und niemand kommt herein. Meine Freunde Niklas und Klaus und ein Bekannter sind bei uns und dürfen diesem Moment beiwohnen, den ich heute als Wendepunkt meines alten Lebens und Initialzündung für ein neues sehe. Ich muss dazusagen, dass mächtig viel Alkohol im Spiel war und Shari und ich danach nur noch höchstens einmal diesen Pegel wieder gemeinsam erreichen sollten, nämlich am Tag unserer Hochzeit, als man uns beide mithilfe von drei Mann und einer Frau in unser traumhaftes EHEBETT im Schloss tragen musste.

Niemand ist in diesem Moment klar, was sich da gerade anbahnt in meiner Junggesellenbude am Rathenauplatz in Köln. Nachdem wir uns zum ersten Mal geküsst haben und alleine sind, sprechen wir über unsere Kinderwünsche, eine Hochzeit auf einem Schloss und ein Haus im Grünen.

Wir kennen uns gerade mal fünf Stunden, aber wir haben einen Plan.

Apropos Niklas: Wollt ihr wissen, was Freundschaft ist? Niklas ist 14 Jahre jünger als ich, und wir haben uns im ersten Jahr der Dreharbeiten zu AWZ kennengelernt. Als wir quasi Nachbarn wurden, entwickelte sich eine Großer-Bruder-kleiner-Bruder-Freundschaft, was nicht abwertend gemeint ist, sondern lediglich die Grundlage unserer Freundschaft beschreibt.

Niklas fand Shari gut und hat sie angebaggert. In ihrer direkten Art, die meiner gleicht, sie manchmal übertrumpft und mir an jenem Abend und noch in den nächsten 90 Jahren das Herz höherschlagen lassen wird, sagte Shari:

»Gib dir keine Mühe, ich stehe auf ältere Typen!«

»Okay … Da kenne ich einen!«

Er erzählte ihr von mir, zeigte mir ein paar Tage später ein Bild von ihr und sagte:

»Die möchte dich gerne kennenlernen.«

Ich habe ja bereits angekündigt, dass ich hier vermutlich wiederholt am Rande der Glaubwürdigkeit herumbalanciere – denn ich entgegnete Folgendes:

»Die ist es! Ich muss sie kennenlernen! DAS IST SIE!«

»HAST DU KEINEN BOCK AUF MICH?«

DEZEMBER 2009

SHARI»Das heißt Blutegel!« André guckt mich mit einem leicht verschmitzten Lächeln an. »Blutigel. Hab ich doch gesagt.« Nur kurz irritiert, plappere ich weiter: »Der Arzt legt diese Teile also auf das Bein des Pferdes und dann saugen sie sich voll. Vollgesaugt fallen sie wieder ab. Frag mich nicht, ob das hilft. Es kostet auf jeden Fall eine Stange Geld. Und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.« Ich bin nervös und rede schnell. Nicht nur, weil ich mich anscheinend gerade versprochen habe. Sondern vor allem, weil das heute unser erster gemeinsamer Abend ist. André gefällt mir so sehr, und ich will ihm gefallen. »Blutegel, Shari. Es heißt Blutegel. Nicht Igel.« André lacht.

Es ist Anfang Dezember 2009. Wir haben uns gestern Abend zum ersten Mal getroffen. Die Nacht habe ich bereits mit André verbracht, heute Morgen musste er dann arbeiten und ich bin zurück nach Hause gefahren. Jetzt also unser erstes Date. Nur wir beide. Nüchtern.

Ich bin mir sicher, dass er der Mann meiner Träume ist. Habe ich schon ein paar Mal in meinem Leben gedacht, das ist mir auch klar. Dieses Mal fühlt es sich aber anders an. Er ist charmant, gut aussehend und ich kann so sehr über ihn und mit ihm lachen.

Ich versuche André also weiterhin von mir zu überzeugen und erzähle ihm einen Schwank aus meinem Leben. Aus meinem jungen Leben. Von meinem Pferd. Und von meinem Hund. Von meinem Studium und von meinen Praktikas. »Praktika. Praktika ist bereits die Mehrzahl.« Er korrigiert mich schon wieder. Und jetzt kommt der Moment, in dem ich kurz stocke. Ich zweifle an mir, aber vor allem an ihm. Ist das noch charmant? Oder eher arrogant? Will er mir zeigen, an welchem Punkt er im Leben steht? Und wie wenig ich an diesen Punkt passe? Stellt er mich bloß? »Hast du keinen Bock auf mich?« Angriff ist die beste Verteidigung. Wir haben uns gerade beim Thailänder um die Ecke etwas zu essen bestellt. Take-away, weil wir beide extrem fertig sind von der letzten Nacht. Ich überlege, wie ich den Abend möglichst glatt über die Bühne bringen und mich schnell vom Acker machen kann. André nimmt mich an der Hand. »Darüber kannst du doch hoffentlich auch lachen?« In dem Restaurant sitzen viele Leute. Er drückt mich fest an sich und küsst mich. Ein Statement, das ist mir klar. Und ich schmelze dahin. Wir haben uns jetzt bereits seit einer Stunde ausgiebig unterhalten. Sind von seiner Wohnung zwei Straßen weiter zum nächsten Thai-Restaurant gelaufen. Keine Küsse, keine Annäherungsversuche. Und jetzt verschlingt er mich hier an der Theke vor allen Leuten. Frisst mich förmlich auf. Von mir aus darf er mich noch tausend Mal korrigieren und über mich lachen.

Alles Liebe

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