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Einleitung

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Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) übt in ihrem Geschäftsbereich Wertpapieraufsicht/Asset-Management[1] (nachfolgend: Wertpapieraufsicht) die staatliche Aufsicht über den Wertpapierhandel mit dem Ziel aus, die Transparenz und Integrität des Kapitalmarktes zu stärken sowie den kollektiven Anlegerschutz zu gewährleisten.[2] Zu den zentralen Aufgaben der Wertpapieraufsicht gehören die Bekämpfung von Insidergeschäften und Markmanipulation, die Überprüfung von Ad-hoc-, Managers’ Transactions- und Stimmrechtsmeldungen, die Überwachung von Unternehmensübernahmen und die Bilanzkontrolle. Zudem führt der Geschäftsbereich die Aufsicht über Finanzdienstleistungsinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften und von diesen aufgelegten Investmentfonds und ist für die Billigung von Prospekten für Wertpapiere und Vermögensanlagen sowie die Gestattung entsprechender Informationsblätter zuständig.[3]

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Die Wertpapieraufsicht der BaFin trägt damit in Deutschland die wesentliche Verantwortung für die Überwachung der Einhaltung des nationalen und europäischen Kapitalmarktrechts. In Anlehnung an die sanktionsseitige Definition der BaFin[4] sollen unter dem Begriff des Kapitalmarktrechts insoweit insbesondere die Regelungen in WpHG, WpÜG, VermAnlG, WpPG sowie PRIIPs-VO, LeerverkaufsVO, ProspektVO, MiFIR und MAR verstanden werden.

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Um den Gefahren für den Kapital- und Wertpapiermarkt und marktschädigenden Verhaltensweisen entgegenzuwirken, wird die BaFin einerseits als Aufsichtsbehörde und andererseits als Bußgeldbehörde tätig. Neuere Befugnisse der BaFin verwischen die überkommene Einteilung in (präventive) Aufsicht und (repressive) Sanktionierung allerdings (dazu sogleich).

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In ihrer Funktion als Wirtschafts- und Gewerbeaufsicht kommt der BaFin zunächst die Aufgabe zu, den Kapitalmärkten drohenden Gefahren und Missständen durch geeignete Maßnahmen (präventiv) entgegenzutreten (vgl. § 6 Abs. 1 WpHG).[5] Hierzu ist die BaFin befugt, alle Anordnungen zu treffen, die zur Durchsetzung der von ihr überwachten Ge- und Verbote aus den nationalen und europäischen Rechtsakten erforderlich sind (§ 6 Abs. 2 S. 2 WpHG). Die Befugnisse zur Aufdeckung und Bekämpfung kapitalmarktrechtlicher Verstöße stellen sich insoweit als klassische Gefahrenabwehrmaßnahmen dar. Erkenntnisse erhält die BaFin entweder durch eigene Überwachungsinstrumente oder aus externen Quellen, etwa – seit Juli 2016 – durch anonyme Hinweisgeber. Personen, die über ein besonderes Wissen zu Unternehmensinterna verfügen (Whistleblower), können sich seitdem an die Hinweisgeberstelle der BaFin wenden, vgl. § 4d FinDAG.[6] Die Maßnahmen im Aufsichtsverfahren können von den fachlich zuständigen Referaten (Fachreferate) mit Verwaltungszwang durchgesetzt werden, § 17 Abs. 1 FinDAG.[7] So werden in der Praxis etwa im Bereich der Finanzberichte regelmäßig Zwangsgelder zur Durchsetzung der Erstattungspflichten angedroht und festgesetzt.[8]

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Das Fachreferat hat bei einem festgestellten Verstoß zusätzlich oder alternativ die Möglichkeit, das Verfahren an das zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Bereich der Wertpapieraufsicht zuständige Referat WA 17 abzugeben.[9] Gegenüber dem Aufsichtsverfahren dient das (zumindest auch) repressive[10] Bußgeldverfahren der Ahndung von in der Vergangenheit liegenden, bußgeldbewehrten Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Vorschriften. Die BaFin hat bei der Verfolgung und Ahndung die Grundsätze des Bußgeldverfahrens zu beachten, wie etwa den Opportunitätsgrundsatz (§ 47 OWiG) und die Unschuldsvermutung.

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Wegen der „Doppelrolle“ der BaFin als Aufsichts- und Bußgeldbehörde muss sichergestellt sein, dass durch die Ausübung der weitreichenden Eingriffsbefugnisse im Aufsichtsverfahren die Rechte des Betroffenen im Bußgeldverfahren nicht unterlaufen werden (sog. Verbot der Rollenvertauschung).[11] Diesem potenziellen Spannungsverhältnis begegnet die BaFin mit organisatorischen Maßnahmen. So ist das für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständige Bußgeldreferat WA 17 personell und sachlich getrennt von den im Aufsichtsverfahren tätigen Fachreferaten.[12] Die Vorgänge im Aufsichts- und Bußgeldverfahren werden in der Konsequenz gesondert veraktet. Der Gesetzgeber hat im Übrigen normative Vorkehrungen getroffen, um die Betroffenenrechte des Verpflichteten im Aufsichtsverfahren zu schützen. So bleiben gem. § 6 Abs. 3 S. 3 WpHG gesetzliche Auskunfts- und Aussageverweigerungsrechte und gesetzliche Verschwiegenheitspflichten im Aufsichtsverfahren unberührt.

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Neben die Maßnahmen im klassischen Aufsichts- und Bußgeldverfahren sind aufgrund europarechtlicher Vorgaben weitere Befugnisse getreten, deren Einordnung als (eher) präventiv oder (eher) ahndend nicht immer leichtfällt. So enthalten insbesondere die Abs. 6–10 des § 6 WpHG sanktionsrechtliche Verwaltungsmaßnahmen, die der BaFin als retrospektive Reaktionsmöglichkeiten auf vergangene Verstöße zur Verfügung stehen (siehe zu den hier sog. Verwaltungssanktionen Rn. 1006 ff.).

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Schließlich sind die allgemeinen Verwaltungsmaßnahmen, Zwangsmittel, Verwaltungssanktionen und Geldbußen bei Vorliegen der Voraussetzungen jeweils in einem eigenen Verfahren öffentlich bekanntzumachen, siehe insb. §§ 124 ff. WpHG. Dies kann dem Schutz und der Information von Anlegern und Öffentlichkeit dienen, aber auch eine Prangerwirkung für genannten Personen erzeugen (siehe hierzu Rn. 1094 ff.).

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Die Rechtsnatur von Verwaltungssanktionen[13] und öffentlichen Bekanntmachungen[14] ist insoweit nicht eindeutig: abhängig von der konkreten Maßnahme weisen sie sowohl präventive als auch repressive Elemente auf. Behördenintern ist die zentrale Zuständigkeit für die Verhängung von Geldbußen, Verwaltungssanktionen und deren öffentliche Bekanntmachung insgesamt im Bußgeldreferat der BaFin-Wertpapieraufsicht (WA 17) gebündelt.

Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht

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