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I. Kollisionsgefahren im Aufsichtsverfahren

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Die zeitgleiche Durchführung von Aufsichts- und Bußgeldverfahren findet in praxi nicht statt.[2] Sobald der Vorgang wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit von den zuständigen Fachreferaten an das Bußgeldreferat abgeben wird, unternehmen die Fachreferate typischerweise keine weiteren Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung im Aufsichtsverfahren.[3]

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Die Kollisionsgefahr besteht hingegen im Aufsichtsverfahren, also noch bevor das Bußgeldverfahren formell eingeleitet worden ist. Ergeben sich dort Anhaltspunkte für die Begehung einer Ordnungswidrigkeit, hat die BaFin insbesondere die verfassungsrechtlich geschützte Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ipsum accusare) natürlicher Personen zu beachten (vgl. § 6 Abs. 3 S. 3 WpHG). Die mitwirkungspflichtige natürliche Person darf nicht gezwungen werden, sich durch ihre eigene Aussage straf- bzw. bußgeldrechtlich zu bezichtigen oder an ihrer eigenen Überführung aktiv mitzuwirken (Verbot des Selbstbezichtigungszwanges).[4] Zu diesem Schutz steht ihr ein im Aufsichtsverfahren geregeltes Auskunftsverweigerungsrecht zu, das zur Nichtbeantwortung einzelner Fragen im Aufsichtsverfahren berechtigt. Gemäß § 6 Abs. 15 S. 1 WpHG kann der Verpflichtete die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1-3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen (z.B. Ehepartner) der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. Hierüber muss die BaFin den Verpflichteten gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG im Aufsichtsverfahren belehren.

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Seit Januar 2018 (2. FiMaNoG) ist die BaFin gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG verpflichtet, den Verpflichteten alternativ über das dem Beschuldigten bzw. Betroffenen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht zustehende Aussageverweigerungsrecht zu belehren.[5] Im Unterschied zum Auskunftsverweigerungsrecht ist das Aussageverweigerungsrecht umfassend und berechtigt nicht nur zur Nichtbeantwortung einzelner Fragen, sondern zur vollständigen Verweigerung der Aussage.

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Die Vorschrift des § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG („Auskunft oder Aussage“) verlangt im Aufsichtsverfahren von der BaFin somit die Prüfung, ob der Verpflichtete noch bloßer „Tatverdächtiger“ ist (dann Belehrung über das Auskunftsverweigerungsrecht nach WpHG ausreichend), oder schon Beschuldigter einer Straftat oder Betroffener einer Ordnungswidrigkeit (dann Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht nach StPO notwendig). Die Belehrungspflicht über das Aussageverweigerungsrecht besteht, sobald der Verpflichtete den Status eines Betroffenen erlangt hat. Den Betroffenenstatus kann der Verpflichtete dabei nicht erst dann erlangen, wenn das Bußgeldreferat der BaFin gegen ihn ein förmliches Bußgeldverfahren eingeleitet hat.[6] Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann bereits die objektive Stärke des Tatverdachts die Beschuldigtenstellung begründen.[7] Diese Rechtsprechung ist auch auf die Begründung der Betroffenenstellung im Bußgeldverfahren anwendbar. Der Tatverdacht kann sich so stark verdichtet haben, dass der Verpflichtete schon im Aufsichtsverfahren als Betroffener einer Ordnungswidrigkeit behandelt werden muss, um die Umgehung seiner strafprozessualen Rechte zu vermeiden.

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Für das Wirtschaftsverwaltungsrecht untypisch[8] muss der Verpflichtete im Aufsichtsverfahren gem. § 6 Abs. 15 S. 2 WpHG zusätzlich auf das Recht auf einen Verteidiger hingewiesen werden, und zwar nicht nur, wenn er einer Straftat beschuldigt wird, sondern auch dann, wenn er Betroffener einer Ordnungswidrigkeit ist.[9]

Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht

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