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Überall starten Motoren unterschiedlichster Klangqualität, die in der kalten Luft des ewig dämmrigen, niedrigen Parkdecks aus Schiffsmetall in alle Richtungen Echos zu einem ansteigenden Geräuschpegel streuen. Jacken werden darin angezogen oder ausgezogen. Ein paar Kinder rennen herum. Erwachsenenköpfe tauchen ab. Türen klappen. Rufe. Stimmen. Und noch mehr Motoren.

Frank steigt ebenfalls ein.

Peter sitzt bereits.

Frank hat ihn vorhin in einem der Fastfoodbereiche getroffen, nachdem er in dem Kinosaal aufgewacht ist. Peter frühstückte english breakfast. Das Mädchen war nicht bei ihm. Frank hatte nur einen Kaffee getrunken und war danach mit Peter zu der Kabine gegangen, die Taschen holen.

Es gibt immer noch Durchsagen in drei Sprachen.

Peter hält einen USB-Stick hoch.

„Mucke?“

„Jetzt?“

„Wieso nicht jetzt?“

„Weil ich erst von dem Schiff runter möchte.“

„Was hat das damit zu tun?“

„Ich habe … wenig geschlafen.“

„Ja. Wo warst du eigentlich die letzte Nacht? Ich hab´ das nicht mehr richtig mitgekriegt.“

„Ich hab in einem Aufenthaltsraum geschlafen.“

„Wieso?“

„Die Kabine war zu tief im Schiff.“

„Davon hast du nichts gesagt.“

„Nein.“

„Bist du deswegen weg?“

„Ja.“

„Wegen ... sonst noch was?“

„Nein.“

Peter lacht plötzlich. Frank riecht den Alkohol in dessen Atem. Der Flachmann. Peter als Alkoholiker. Braucht morgens seinen ersten Schluck. Hier im Auto um diese Stunde riecht das nicht gut.

„Gato, der Schweigsame.“

„Wer?“

„Du.“

„Nein, ich meine, wer soll das sein?“

„Charles Bronson in dem Film.“

„Gato, der Schweigsame? Du meinst Cusack, der Schweigsame?“

„Oder so.“

„Mit Chuck Norris.“

„Auch recht.“

Kurzes Schweigen.

„Und wer ist Gato?“

„Keine Ahnung. Es gibt noch Mein Name ist Gator. Vielleicht meinst du den?“

„Dann meine ich den. Jedenfalls Charles Bronson.“

„Gator ist aber mit Burt Reynolds.“

„Shit. Sicher? Wie heißt dann der mit Charles Bronson?“

„Welcher? Mann, der hat viele Filme gemacht.“

„Gott. Was weiß ich“

„Chato´s Land vielleicht?“

„Kato?“

„Mit Ch. Chato.“

„Ah Shit!“

Peter wirkt leicht sediert, seine Mimik ist merkwürdig schlaff, kaum Gesten, er sitzt auf dem Beifahrersitz und starrt unter halb herabgelassenen Lidern durch die Frontscheibe, durch die es nichts anderes zu sehen gibt als dunkles Parkdeck und die Autos in unmittelbarer Nähe. Peter neigt zu solchen Apathien.

Reden kann er deswegen immer.

„Also keine Musik?“

„Bitte. Solange wir nicht von dem Schiff runter sind.“

„Gut.“

„Wegen des Linksverkehrs.“

„Was?“

„Weil da gleich Linksverkehr ist. Daran hab ich absolut nicht gedacht, als du mich gefragt hast, ob ich hier den Fahrer mache.“

„Ich habe gefragt, ob du hier den Assistent machst.“

„Was auf das Gleiche rausläuft.“

„Nicht ganz ...“

„Deswegen jedenfalls ... .“

„Ah, Linskverkehr, das ist easy.“

„Ich darf seit gestern überhaupt erst alleine fahren.“

„Echt?“

„Ja. Das hab ich dir gesagt.“

„Stimmt. Du hattest gestern Geburtstag. Shit! Daran hab´ ich gedacht und es wieder vergessen! Sorry. Tut mir leid. Herzlichen Glückwunsch nachträglich.“

„Danke.“

„Achtzehn?“

„Ja.“

„Wollen wir darauf anstoßen?“

„Jetzt?“

„Ja.“

„Nein.“

„Okay. Ist trotzdem easy. Der Linksverkehr.“

„Sagst du!“

„Yeap.“

„Du bist Engländer.“

„Ich lebe seit neun Jahren in Deutschland.“

„Aber du bist damit aufgewachsen. Und du bist hier selbst gefahren, oder?“

„Ja, klar. Aber du warst doch auch schon hier, sagst du.“

„Vor einem Jahr. Geflogen. Da hatte ich noch keinen Führerschein.“

„Okay. Was hast du gemacht?“

„Ich war in der Tate.“

„Bist du deswegen hergefahren?“

„Hauptsächlich wegen Rothko. Der hatte in der Tate einen eigenen Saal bekommen.“

„Der neue Rothko-Saal. Den hab ich mir auch schon angesehen. Der ist großartig.“

Es entsteht eine Pause.

Eine lange Pause. So lang, das Frank aufschreckt, als Peter wieder spricht.

„Warst du allein?“

„Gott!“

„Was ist?“

„Ich dachte, du bist weggedämmert. Du hattest die Augen zu.“

„Dieses Parkdeck wirkt deprimierend. So dunkel. Eng. Kalt. Warst du allein in London?“

„Mit Freundin.“

„Welche Freundin?“

Wie auf Geheiß fällt ein mattes Licht in das Deck. Es kommt von weit vorne. Die Ladeklappe senkt sich. Die letzten Motoren starten.

„Es geht los“, sagt Frank.

Dieses Tageslichtrechteck am Ende des hangarähnlichen Decks behält seine Form. Die ersten Wagen fahren hindurch. Frank und Peter können das noch nicht sehen. Aber sie hören es. Autos fahren. Dann ziehen die ersten vor ihnen an. Frank wollte Peter die ganze Zeit nach dem Mädchen in dem Saal gestern gefragt haben, die er mitnehmen wollte, läßt es jetzt aber.

„Okay, du kannst auch gleich fahren.“

„Ich seh´s.“

„Fahr einfach.“

„Und da draußen ist noch Zoll, sagst du?“

„Ja. Zollgelände. Da ist noch kein Linksverkehr, wenn du das meinst.“

„Das meine ich.“

„Nein. Da wird erst noch kontrolliert, was reinkommt. Die Engländer sind da ein bißchen para. Da wird man gerne schon mal in eine Halle gewunken und der Wagen komplett auseinander genommen.“

Frank sieht ihn an.

„Nur bei Verdacht.“

„Oh Gott. Es geht los.“

„Hinter dem mußt du her.“

„Ich seh´s.“

„Da hin.“

„Ja. Und da draußen ist noch kein Linksverkehr?“

„Was hast du für Panik? Da ist noch kein Linksverkehr. Da kommt erst der Zoll.“

„Wo sie uns rauswinken können?“

„Genau. Fahr jetzt.“

„Shit.“

„Fahr jetzt.“

„Hinter dem ... ?“

„Ja, erst mal raus aus dem Parkdeck und dann … DA längs! Hinter DEM da her.“

„Ich seh´s!“

„Yeah, ihr englischen Schwänze, euer Peter kommt!“ ruft Peter durch sein heruntergekurbeltes Seitenfenster. Aber die Motoren, die metallenen Geräusche der auf das Kai gelegten Rampe übertönen ihn. In der kalten Luft draußen dreht er das Fenster wieder hoch.

„Guck dir das hier draußen an! Die ganzen Autos.“

„Das alles ist Zoll.“

„Gott. Das kann ja noch dauern. Und du hast Termin.“

Wir haben Termin.“

„Okay. Wir“

„Aber erst heute Nachmittag.“

„Hinter dem da jetzt her oder was?“

„Ja. Hier die Rampe hinunter und dann hinter dem her. Ein-fach dieser Spur folgen.“

„Welcher Spur denn?“

„DER DA!“

„Okay. Und was ist das da hinten?“

„Das da hinten sind die Hallen. In denen werden die Autos auseinandergenommen, die verdächtig sind. Oder auch einfach Stichproben. Richtig schick mit Hebebühnen. Und schmucken Mechanikern.“

„Die nach was suchen?“

„Guns, Drogen und Pornos. Haustiere. Die böse Welt soll draußen bleiben. Wenn du was davon mitführst, fährest du bis zu zwei Jahre in den Knast ein.“

„Du hast nichts dabei, oder?“

„Nein. Die letzten Pillen hab ich mir gestern Abend reingepfiffen. Das, was ich noch bei mir habe, sind legale Medikamente.“

„Was für Medikamente?“

„Stilnox. Lorazepam, sowas.“

„Was ist das?“

„Beruhigungsmittel. Schlaftabletten. Antidepressiva.“

„Brauchst du das?“

„Ja, Mann. Sonst würde ich das Zeugs nicht nehmen.“

„Wozu?“

„Wozu was?“

„Wozu nimmst du das?“

„Gegen Angst, Schlafstörungen, Unruhe. Panikattacken.“

Darauf kann Frank nicht weiter eingehen. Vor ihnen öffnet sich, am Ende der Rampe, ein Areal wie riesige Baustelle, mit provisorisch eingerichteten Fahrspuren, gestreiften Hütchen, Beamten in Uniform, die überall herumstehen, was natürlich alles nicht improvisiert ist. Frank folgt einfach seinem Vordermann, einem weißen VW Passat. Das Tageslicht blendet.

Frank hat schon damit zu tun, die Spur zu halten.

Die Beamten sehen den Autos entgegen. Einige sprechen in kleine schwarze Geräte, die an ihren linken Schultern befestigt sind.

Sie rollen am ersten vorüber.

Er sieht sie kurz an.

Der nächste winkt, daß sie weiterfahren sollen.

Immerhin ist Peters Erscheinungsbild in Ordnung, denkt Frank, auch wenn er total dicht wirkt. Aber das ist er im Grunde ja auch. Nur weiß man bei ihm nie genau. Weil er einiges wegstecken und immer noch reden kann.

„Guck die Typen einfach freundlich an.“

„Warum?“

„Damit es nicht aussieht, als hättest du etwas zu verbergen.“

„Ich hab´ nichts zu verbergen!“

„Gut.“

„Hast du?“

„Nein. Doch. Vielleicht.“

Er klopft mit den Knöcheln gegen den Reißverschluß seiner Hose. Es klingt, als habe er darunter ein Frühstücksbrett aus Holz deponiert.

„Was ist das?“

Er klopft nochmal.

„Mein Gay-Führer. Den habe ich mir vor längerer Zeit mal gekauft. Für London. Der gilt hier in England als Pornographie. Obwohl da wirklich gerade mal alle zwanzig Seiten ein Schwanz zu sehen ist. Und der hängt dann auch noch. Deswegen hab ich ihn in der Hose.“

„Weswegen?“

„Damit er nicht gefunden wird.“

„Und der gilt als Porno?“

„Ich glaub´ ja.“

„Und dann nimmst du das mit? Shit, Mann! Sagtest du nicht, das man dafür in den Knast gehen kann?“

„Genau.“

„Und warum hast du es dann dabei?“

„Mann, die Bilder sind harmlos. So Pin-Up-Typen, nur eben mal mit schönen langen Schwänzen. Richtig schönen langen Schwänzen. Sie müssen das Ding erst mal finden. Und ich hab das schon gemacht. Das ist nicht das erste Mal, das ich Ding mit rübernehme, okay? Also keine Sorge. Entspann dich. Du mußt den Typen nur freundlich zulächeln. So ... Cheeeeese.“

„Die stehen überall.“

„Dann lächle einfach.“

„Du hast Nerven.“

„Sonst wär´ ich ... gar nicht erst hier.“

Pumping Art

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