Читать книгу Ändere deine Worte und du änderst deine Welt - Andrea Gardner - Страница 13
ОглавлениеEs war im September 2002, die Sonnenstrahlen drangen durch das Laub der Bäume hinter dem Haus. Ich schnallte mir meinen Rucksack um, öffnete die Tür und atmete tief den Vanilleduft dieses Morgens ein, der sich mit einem nussig-erdigen Geruch vermischte. Er erinnerte mich sanft daran, dass sich die Jahreszeit langsam änderte.
Irgendetwas fühlte sich heute anders an. Die Blätter hoben sich scharf gegen den unglaublich blauen Himmel ab, der sich seltsamerweise sehr nah anfühlte. Alles schien mir etwas mitteilen zu wollen. Ich spürte, wie das Blut in meinen Adern in einem uralten Rhythmus pulsierte. Obwohl ich sehr genau lauschte, drang als einziges Geräusch weit und breit nur Vogelgezwitscher zu mir durch.
Ein neugieriges Eichhörnchen hielt auf halbem Weg in den Garten an der Gartentür mit ihren fünf Balken inne. Es beäugte mich unerschrocken, als ob es mir sagen wollte: „Na, worauf wartest du denn noch?“ Dann flitzte es davon.
Ich seufzte und ging durch das hohe Gras in Richtung des nahegelegenen Waldes. Als ich an die Bruchsteinmauer kam, die die Felder abgrenzte, beugte ich mich nieder, um ein paar getrocknete Zweige aufzuheben. Dabei fiel mir Seth ein, mein neuer Partner (und guter Freund seit 20 Jahren), und ich dachte, dass er jetzt etwas verpasste. Gut, wir waren zwar mittellos und bald ohne Wohnung, aber so einen wundervollen Morgen durfte man sich doch nicht entgehen lassen!
Ich blickte zurück auf das kleine, weiße Ayrshire-Cottage mit seinen verblichenen, hängenden Körben und eine Welle der Wertschätzung für alle Mitbewohner stieg in mir auf: Seth, der noch zusammengerollt in seinem Bett lag; seine beiden wunderschönen Töchter, die uns jedes Wochenende besuchten; seine stille Schwester Becky und ihr kleiner Sohn Josh. Wir waren oft auf der Flucht vor den Gläubigern, die uns immer wieder umzingelten, und mussten somit alle in dem einzigen Raum des Häuschens eng zusammenrücken.
Wir hatten alle einmal einen Traum, an den wir leidenschaftlich und voller Begeisterung glaubten. Einige unserer Freunde und Kollegen tun es immer noch unerschütterlich. Wir werden ihnen ewig dankbar sein. Zwei Jahre zuvor zog ich von England nach Schottland, in einem Zustand des Burn-outs und dennoch entschlossen, auf mein Herz zu hören. Seth und ich zogen zusammen in eine Wohnung, um ein Multimedia-Business aufzubauen. Wir wollten etwas in dieser Welt bewirken. Das war zumindest unser Ideal. Gerade zu der Zeit, als Schottland als der kranke Mann in Europa galt, hatten wir eine interaktive Software für Kinder entwickelt. Sie sollten auf spielerische Weise über die Themen Ernährung und Bewegung aufgeklärt werden. Die Software wurde schnell vom Stadtrat Glasgow und von einigen bekannten Persönlichkeiten vor Ort angenommen.
Wir dachten, unsere Zukunft sei gesichert. Naiv wie wir waren, hatten wir uns vorgestellt, dass sich unser Geschäft innerhalb von zwei Jahren amortisieren könnte. Wir hatten uns komplett verschuldet. Es sollte noch vier Jahre dauern, bis unser Projekt endlich in den nationalen Lehrplan aufgenommen wurde. Bis dahin hatten wir allerdings unsere Wohnung, unsere Energie, unsere Zahlungsfähigkeit und fast unseren ganzen Stolz verloren. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich stand an diesem Spätseptembermorgen in der Stille des Waldes, die Arme und den Rucksack voller Feuerholz, und wusste, dass ich weiterziehen musste, allerdings nicht, wie und wohin, und doch fühlte ich mich so lebendig wie nie zuvor.
Wir hatten die letzten beiden Monate in dem Häuschen verbracht. Der Tagesablauf war meistens derselbe. Aufstehen, duschen, anziehen, was gerade greifbar war, eine schnelle Tasse Tee, eine Scheibe Toast, bevor wir uns einem Gläubiger stellen mussten. Seth fuhr tapfer nach Glasgow, mit der unerschütterlichen Hoffnung, einen Scheck oder eine andere gute Nachricht zu erhalten (was nie geschah), keine Mahnungen mehr zu bekommen (was auch nie geschah), während ich in den Wald ging, um Feuerholz für den Kamin zu besorgen, unsere einzige Heizquelle im Cottage.
An diesem Morgen kam jedoch alles anders. Am Abend zuvor hatte uns Becky behutsam gebeten, das Häuschen zu verlassen. Es wurde langsam zu anstrengend, auf engstem Raum mit drei sehr lebendigen Kindern und zwei verzweifelten Erwachsenen zu hausen. Diese Nachricht war zu viel für Seth. Er zog sich ins Bett zurück, entschlossen, dort so lange wie möglich zu bleiben. An dem Morgen ließ ich ihn in Ruhe und ging in den Wald, mit der unbekümmerten Überzeugung, dass trotz alledem irgendetwas Gutes geschehen würde.