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Terra, 27. November 2017 nach Christus, Montag

Solaras und Kalmes hatten ihre Anhörung bei einem Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ohne Probleme überstanden. Vorgebliche Syrer hatten es da vergleichsweise einfach. Eine begründete Furcht vor Verfolgung geltend zu machen, wenn man direkt aus einem Bürgerkriegsgebiet kommt, fällt naturgemäß relativ leicht.

Sie wohnten mittlerweile im Asylheim Freiberg in Sachsen. Heute erst war der schriftliche Bescheid über die Aufenthaltserlaubnis gekommen. Kalmes las ihn jubelnd vor. Sie durften in Deutschland bleiben.

Nun konnte es losgehen: Deutschkurs, Wohnung, Integrationsangebote und – last but not least – hatten sie endlich die Erlaubnis erhalten, sich auf dem Jobmarkt einen Arbeitsplatz zu suchen. Es ging mit Riesenschritten aufwärts. Bald schon würden sie selbstbestimmt leben und das antrainierte arabische Gehabe ablegen dürfen.

Kalmes freute sich schon darauf, sich bald in die fantasievollen terrestrischen Gewänder hüllen zu können. Selbstverständlich gedachte sie nach dem geplanten Umzug in eine eigene Wohnung nicht länger Kopftücher zu tragen, sondern sich in punkto Kleidung voll der deutschen Bevölkerung anzupassen. Die reiche Auswahl an Farben und Schnitten in den Bekleidungsgeschäften erschien ihr paradiesisch.

Zwischenzeitlich hatten die frisch gebackenen Asylanten gleichwohl bemerkt, dass in Deutschland auch nicht alles Gold war, was glänzte. Die Schere zwischen Arm und Reich klaffte sehr weit auseinander. Es gab Neid, Missgunst, Bürokratie, viel schlechte Laune und sogar islamistische Anschläge in diesem wunderhübschen Land voller grüner Wälder.

Die Tiberianer konnten beim besten Willen nicht verstehen, wieso sich manche ihrer Mitflüchtlinge intolerant und sogar gewalttätig verhielten. Es wurde geprügelt und vergewaltigt. Einige der Asylsuchenden sprengten sich gar als Selbstmordattentäter selber in die Luft, rissen unschuldige Zufallsopfer mit in den Tod. Aber hätten diese, zumeist jungen, Männer nicht froh und dankbar sein müssen, der lebensbedrohlichen Situation in ihrem Heimatland entronnen zu sein? Dass sie von der demokratischen Regierung dieses Landes, und das wohlgemerkt ohne jegliche Gegenleistung, neben Schutz ein Dach über dem Kopf, Essen und sogar ein wenig Taschengeld gestellt bekamen?

Als halbwegs verständliche Reaktion auf die vielen negativen Vorkommnisse mit Flüchtlingen schlugen den Freiberger Heimbewohnern Vorurteile und manchmal auch purer Hass der ortsansässigen Bevölkerung entgegen. Darunter hatten auch Solaras und Kalmes zu leiden. Scheele Blicke der Anwohner waren noch das Harmloseste, was sie erdulden mussten.

»Wenn ich daran denke, dass wir Tiberianer an diesen ganzen durch religiöse Ansichten verursachten Konflikten schuld sind, könnte ich wahnsinnig werden. Jesus hat kläglich versagt«, ging Solaras oft hart mit sich ins Gericht.

Kalmes pflegte ihn in solchen Phasen zu trösten. »Wir haben den Menschen auf Terra durch die Propheten Jesus von Nazareth und Mohammed nur das Angebot gemacht, sich an sinnvollen Wertvorstellungen zu orientieren. Pervertiert und ins Gegenteil verkehrt haben sie die Lehren selbst. Im Übrigen sind nicht alle Terraner schlecht. Dieser falsche Eindruck wird nur durch die einseitige, sehr negative Berichterstattung genährt. Wie kann man nur den Planeten, auf dem man lebt, in einem derart üblen Licht darstellen?«

Als Solaras sich sechs Monate später einen lange gehegten Herzenswunsch erfüllen und seine Kalmes ehelichen wollte, erlebte er auf dem Standesamt eine böse Überraschung. Man hatte das Paar in Passau versehentlich als Mutter und Sohn alHaruni registriert. Da die beiden keine Originalurkunden aus ihrem Heimatland vorweisen konnten, war es nicht möglich, diesen fatalen Irrtum aufzuklären. Ein Gentest verbot sich, denn der hätte das Paar sofort als mutmaßlich Außerirdische in die Schlagzeilen gebracht. Tiberianische DNS unterschied sich nun mal leider marginal von der terrestrischen. Auch ihre Blutgruppe war auf Terra inexistent.

So kam es, dass Solaras und Kalmes ihre Liebe im Verborgenen leben mussten. Aber sie gingen wenigstens gemeinsam durchs Leben, was auf ihrem Heimatplaneten völlig undenkbar gewesen wäre. Und das war es, was zählte.

Operation Terra 2.0

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